Das Jahrzehnt der Entscheidung -  - E-Book

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Beschreibung

Wir befinden uns im Jahrzehnt der Entscheidung. Unser Handeln und Nicht-Handeln jetzt hat enorme Folgen für die kommenden Generationen und entscheidet darüber, ob sich auch für sie das Wohlstandsversprechen der Demokratie erfüllt. Die Übernahme von Verantwortung und die Übersetzung in Handlung ist wichtiger denn je. Insofern muss das Jahrzehnt der Entscheidung auch ein Jahrzehnt der Umsetzung sein. Wie lässt sich der Umbau zu einer nachhaltigen Gesellschaft beschleunigen und wie bleibt Deutschland, bzw. Europa dabei ein globaler, leistungsfähiger Industrie- und Technologiestandort? In diesem Buch versammeln sich Pionierinnen und Pioniere des Fortschritts aus den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen, um auf diese Fragen zukunftsgerichtete und lösungsorientierte Antworten zu geben. Das Buch ist insofern auch ein Mutmacher, der Veränderung als Chance begreift!

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Seitenzahl: 354

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INHALT

Vorworte

Die sozial-ökologische Marktwirtschaft

von Robert Habeck

Transformation gestalten

von Christian Lindner

Das Jahrzehnt der Entscheidung

von Stefan Wintels

Klima und Umwelt

Die Herausforderung

Warum ich optimistisch bleibe

von Mojib Latif

Resiliente Städte und Wohnungsbau

Wie wollen wir in Zukunft wohnen?

von Klara Geywitz

Nachhaltig bauen für eine bessere Welt

von Christine Lemaitre

Wohnen der Zukunft

von Daniel Riedl

Warum ich vorerst kein Marsianer werden will

von Jan-Hendrik Goldbeck

Nachhaltige Mobilität

Es geht nur gemeinsam

von Volker Wissing

Der Weg nach vorn

von Ola Källenius

Warum wir besser Marathonläufer werden

von Klaus Rosenfeld

Quo vadis, Luftverkehr?

von Volker Bouffier

Transformation in der Luftfahrt

von Stefan Schulte

Technologien für Klima- und Umweltschutz

Panik oder Zuversicht – das ist hier die Frage

von Rainer Esser

Grüne Transformation der Wirtschaft

von Martin Brudermüller

Unser Wohlstand 2030

von Jens Burchardt und Alexander Noßmann

Biodiversität

Unsere Lebensversicherung

von Steffi Lemke

Das entscheidende Zehnmilliardstel

von Christoph Heinrich

Die Vielfalt des Lebens

von Klement Tockner

Grüner Kapitalmarkt

Nicht nur fürs Klima gut

von Theodor Weimer

Mehr Mut zu Europa

von Werner Hoyer

Digitalisierung und Innovation

Die Herausforderung

Alles überall auf einmal

von Anja Haslinger

Innovativer und digitaler Mittelstand für Zukunftstechnologien

Die Elektrifizierung der Welt

von Felix J. Grawert

Der Klimawandel und die Notwendigkeit der Dekarbonisierung der Stromerzeugung

von Guido van Tartwijk und Stefan Kube

Digitale Aus- und Weiterbildung

Groß denken, Tempo machen

von Bettina Stark-Watzinger

Künstliche Intelligenz – 2023 als Schlüsselmoment für die Zukunft

von Thorsten Schäfer-Gümbel

Eine andere Form des Lernens

von Paulin Conrad, Harald Hungenberg und Jörg Rocholl

Digitale Infrastruktur

Von der Telefonzelle zum Hologramm

von Klaus Müller

Gesellschaftliche Verantwortung und Transformation

von Tim Höttges

Mobilisierung von privatem Kapital

Was wir für den Wandel brauchen

von Christian Sewing

Mehr Blended Finance wagen

von Oliver Bäte

Kapital für eine erfolgreiche Transformation

von Sabine Hepperle und Eva Wimmer

Resilienz und Souveränität

Die Herausforderung

Die Transformation im Energiesektor

von Jens Südekum

Energiewende

Transformation gestalten

von Kerstin Andreae

Mehr Infrastruktur, viel weniger Bürokratie

von Leonhard Birnbaum

Die Energiewende als Chance

von Christian Bruch

Diversität von Energiequellen

Nachhaltige Energie

von Markus Krebber

Diversifizierung und Flexibilisierung

von Martina Merz

Verringerung des Ressourcenverbrauchs

Das Damoklesschwert für die Klimaneutralität

von Michael Hüther

Die Kreislaufwirtschaft als Leitprinzip

von Markus Steilemann

VORWORTE

Die sozial-ökologische Marktwirtschaft

Eine Wirtschaftspolitik für morgen

von Robert Habeck

Dr. Robert Habeck ist Vizekanzler, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz und direkt gewählter Abgeordneter im Bundestag des Wahlkreises 1 Flensburg-Schleswig. Er ist in Lübeck geboren und hat in Freiburg (Breisgau), Roskilde (Dänemark) sowie Hamburg studiert. Von 2018 bis 2022 war er Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Zuvor war er sechs Jahre lang Minister und stellvertretender Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, zuletzt leitete er dort das Ministerium für Energiewende, Umwelt, Landwirtschaft und Digitalisierung.

Die gewaltige Aufgabe, die der KfW bei ihrer Gründung im November 1948 übertragen wurde, steckt bereits in ihrem Namen: den Wiederaufbau eines vollkommen zerstörten Landes zu ermöglichen. Erst dreieinhalb Jahre waren seit dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur vergangen. Millionen Menschen in Europa und darüber hinaus hatten Terrorherrschaft und Krieg mit ihrem Leben bezahlt. Deutschland selbst lag in Trümmern, die Wirtschaft am Boden. Hunger und allgemeine Not prägten den Alltag.

Geld konnte bei Weitem nicht alles heilen, was der Nationalsozialismus zerstört hatte. Aber die Entscheidung der USA, Westdeutschland und Westeuropa mit den Geldern des Marshallplans Hilfe zur Selbsthilfe zu gewähren, war eine zentrale Weichenstellung für eine gute Zukunft unseres Landes und des europäischen Kontinents. Und so wurde aus dem nicht zuletzt über die KfW finanzierten Wiederaufbau von Wohnungen und Energieversorgung, von Industrie und Mittelstand der Aufbau von etwas, das zuvor nicht existiert hatte: ein freier, demokratischer, stabiler und wirtschaftlich prosperierender deutscher Staat, eingebettet in das Friedensprojekt Europa, getragen von einer mittelständischen Wirtschaft. Eine große Fortschrittsgeschichte.

Auch nachdem die Zeit der unmittelbaren Not überstanden war, blieb die KfW wichtiger und zuverlässiger Partner für die bundesrepublikanische Wirtschaft und Gesellschaft. Viele Herausforderungen gab es zu bewältigen im Laufe ihrer 75-jährigen Geschichte – insbesondere die Wiedervereinigung und der folgende Aufbau Ost in den 1990er Jahren. Außerordentlich war der Einsatz der KfW auch in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit, als es galt, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie und des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine erfolgreich abzufedern.

So ist das 75-jährige Jubiläum ein mehr als willkommener Anlass, der KfW für ihr unermüdliches Engagement in der Vergangenheit zu danken – und unsere Zusammenarbeit bei der Erneuerung der deutschen Wirtschaft hin zu Resilienz und Klimafreundlichkeit weiter zu stärken.

„Jahrzehnt der Entscheidung“ – so lautet der kluge Titel des vorliegenden Buchs. Das bedeutet vor allem, dass wir politische Entscheidungen treffen müssen. Dass wir handeln müssen. Und zwar in diesen Jahren. Für eine gute Zukunft.

Die soziale Marktwirtschaft als unsere Wirtschaftsordnung, die Markt und freies Unternehmertum sozialen Zielen verpflichtet, hat uns enormen Wohlstand und gesellschaftlichen Zusammenhalt beschert. Sie ist das Fundament, auf dem wir stehen. Ihr Grundgedanke basiert darauf, dass Erfindungsreichtum, Investitionskraft und das freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte den Wohlstand eines Landes schaffen, der verbindliche Rahmen dafür sowie der soziale Ausgleich gesellschaftlich aber immer wieder neu verabredet werden müssen. Eine solche Phase haben wir auch jetzt. Denn jahrzehntelang gab es einen blinden Fleck: die ökologischen Kosten.

Wir sind dabei, diese Blindheit zu überwinden. Wir entwickeln unsere starke Wirtschaftsordnung weiter zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft, damit wir unseren Wohlstand und unsere Freiheit erneuern und Sicherheit geben können.

Hinzu kommt, dass die europäische Friedensordnung durch einen neuen Krieg im Herzen Europas bedroht ist. Wir haben es weltweit mit dem Wiedererstarken brutaler Machtpolitik zu tun, durch die sich globale Konkurrenzen multiplizieren. Spätestens der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat uns gelehrt, wie verletzlich wir durch die Abhängigkeit von billiger fossiler Energie geworden sind. Und wie gefährlich es ist, geopolitische Risiken zu ignorieren.

Die Lehre, die wir ziehen sollten, ist deutlich: Wir sind gut beraten, unsere Abhängigkeiten zu reduzieren, uns breiter aufzustellen, damit wir eine souveräne, außenpolitisch handlungsfähige Demokratie und ein starker Wirtschaftsstandort bleiben. Wirtschaftssicherheit hat einen neuen Stellenwert bekommen.

Der Weg zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft

Das Beeindruckende ist: Die Erneuerung hin zu einem nachhaltigen und resilienten Wirtschaftsstandort ist bereits in vollem Gange. Unternehmen sind dabei, klimafreundliche Geschäftsmodelle zu entwickeln – basierend auf Kreislaufwirtschaft und nachwachsenden Rohstoffen. Es wird in eine grüne Industrie investiert, wir stärken unsere Resilienz zum Beispiel durch große Investitionen in die Mikroelektronik. Als Förderbank des Bundes spielt die KfW erneut eine zentrale Rolle. Gerade in Zeiten, in denen es um gezielte, den Strukturwandel aktiv gestaltende Politik geht, ist die Bedeutung der KfW als Mitgestalterin der Zukunft kaum zu überschätzen.

Die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – das gehört zur Wahrheit dazu – machen die Aufgabe der klimaneutralen Erneuerung unseres Wohlstands nicht einfacher. Der demografische Wandel führt schon jetzt dazu, dass wir in fast allen Branchen zu wenig Hände und Köpfe haben, die beim Umbau mitanpacken. Die neuen geopolitischen Unsicherheiten führen zu neuen geoökonomischen Unsicherheiten und begünstigen Protektionismus. Und die unter anderem durch verschiedene Angebotsschocks ausgelöste Inflation und die damit verbundene Zinswende verstärken die Unsicherheit und schwächen die Investitionsfähigkeit unserer Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger.

Die wirtschaftspolitische Aufgabe, die sich aktuell stellt, ist klar: Um die Rahmenbedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschlands zu verbessern, brauchen wir eine zeitgemäße, das heißt eine die Transformation gezielt unterstützende Angebotspolitik. Daran arbeiten wir. Dabei geht es nicht um undifferenzierte Deregulierungen und Privatisierungen wie in den 1980er Jahren. Eine transformative Angebotspolitik adressiert zielgerichtet die Knappheiten etwa auf dem Arbeitsmarkt und unterstützt die Technologiefortschritte, die zur Klimaneutralität beitragen. Sie nimmt dabei auch Verteilungsfragen in den Blick und setzt nicht auf ein Trickle-down von Einkommenszuwächsen. Schließlich ist sie von Anfang an geopolitisch wachsam und europäisch eingebettet.

Sechs Schwerpunkte lassen sich herausstellen, an denen wir unter Hochdruck arbeiten:

1. Wir stärken den Wettbewerb als wesentliches marktwirtschaftliches Prinzip. Dies schließt insbesondere auch die europäische Wettbewerbspolitik mit ein, die wir aktiv mit ausgestalten.

2. Wir verfolgen eine ehrgeizige Außenhandelsagenda. Wir weiten über die EU unsere bilateralen Handelsbeziehungen aus und wollen sie verbindlich fair, gerecht und nachhaltig gestalten. Das ist nicht nur ökonomisch richtig, sondern auch eine Frage der Wirtschaftssicherheit, weil wir unsere Abhängigkeiten nicht durch Abschottung, sondern vor allem durch Diversifizierung effektiv verringern werden. Mehr Handel, mehr Partnerschaft ist die Devise.

3. Wir erneuern die Energieversorgung im Land. Dabei folgen wir einer umfassenden Strategie, die nicht nur den Ausbau der erneuerbaren Energien umfasst, sondern auch den Auf- und Ausbau der Netze für Strom und Wasserstoff, die europäische Vernetzung und die Ausweitung der Produktionskapazitäten für die notwendigen Bauteile einer klimafreundlichen Zukunft.

4. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz schaffen wir die Voraussetzung, dass Menschen zu uns kommen und uns hier mit ihrer Kompetenz und ihrer Leistung stärken. Außerdem arbeiten wir daran, das inländische Potenzial an Arbeitnehmerinnen und Arbeitern besser zu heben, und sorgen für die Ausweitung des Angebots zur beruflichen Weiterbildung.

5. Wir unterstützen die industrielle Basis unseres Landes bei der Dekarbonisierung, um ein starker Industriestandort mit innovativen großen, mittleren und kleinen Unternehmen bleiben zu können. Dazu schaffen wir zum Beispiel mit den Klimaschutzverträgen ein weltweit fast einzigartiges Förderinstrument.

6. Nicht zuletzt geht es darum, den Unternehmen unnötige Bürokratie vom Hals zu schaffen. Gerade für den Mittelstand sind Berichts- und Dokumentationspflichten eine Belastung, der wir uns annehmen müssen. Dabei ist klar: Transparenz und Nachvollziehbarkeit sind in einem Rechtsstaat ein hohes Gut und viele Regeln haben einen guten Grund. Aber klar ist auch, dass insbesondere das Investieren in Deutschland und in der EU einfacher gemacht werden muss.

Investitionen in die Transformation

Die Erneuerung unserer Wirtschaft, der Aufbau von klimafreundlichen und digitalen Wertschöpfungsketten erfordern jede Menge Investitionen. Den Löwenanteil davon muss der Privatsektor stemmen. Zur Mobilisierung dieser Investitionen braucht es Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen: einen effizienten Instrumentenmix aus CO2-Bepreisung, Regulierung mit Augenmaß und gezielter Förderung.

Denn zur Verantwortung von Politik gehört auch, mit der finanziellen Kraft des Staates bei der Transformation dort zu unterstützen, wo Infrastruktur bereitgestellt werden muss, wo Innovationen kurz vor dem Durchbruch stehen und wo traditionelle Strukturen ein wenig Hilfe über die härtesten Klippen brauchen. Unsere Priorität für staatliches Handeln bleibt der Mittelstand.

Außerdem gilt es, die Tragfähigkeit für private Haushalte, insbesondere diejenigen mit geringem Einkommen, im Blick zu behalten. Auch für sie muss der Weg zu Treibhausgasneutralität und Nachhaltigkeit finanziell machbar sein. Deshalb müssen wir administrative Voraussetzungen möglichst auch für gezielte, direkte Entlastungszahlungen schaffen.

Das alles ist nichts, was über Nacht passieren kann, sondern eine längerfristige strukturelle Aufgabe, bei der Politik, Wirtschaft und Gesellschaft an einem Strang ziehen müssen. Und bei der die Politik verlässliche Partner wie die KfW braucht, die dank ihrer Infrastruktur und Marktdurchdringung, gepaart mit modernsten Investitionsvehikeln, genau die Finanzierung und Förderung planen und umsetzen kann, die wir für das Gelingen der Transformation benötigen.

Das Jahrzehnt der Entscheidung: Wir wissen, wo wir hinwollen – und das andere Ufer ist längst in Sichtweite. Die Überfahrt wird dennoch nicht einfach. Aber ich bin zuversichtlich, dass sie uns gelingen wird. Wenn wir als Gesellschaft zusammenhalten. Wenn wir uns als Politik das Prinzip Verantwortung zu eigen machen. Und wenn wir uns inspirieren lassen von Denkanstößen, Strategien, Expertisen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik, wie sie das vorliegende Buch zum 75-jährigen Jubiläum der KfW auf beeindruckende Weise versammelt.

Transformation gestalten

Die Rolle der KfW im Jahrzehnt der Entscheidung

von Christian Lindner

Christian Lindner ist Bundesminister der Finanzen und Mitglied des Deutschen Bundestages. Im Dezember 2013 wurde Christian Lindner zum Bundesvorsitzenden der Freien Demokraten gewählt. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag führte er vier Jahre als Vorsitzender (2017 bis 2021). Bei der Bundestagswahl 2021 erreichte die FDP eines der besten Ergebnisse ihrer Geschichte. Am 8. Dezember 2021 wurde Christian Lindner Bundesminister der Finanzen.

Christian Lindner gehört der FDP seit 1995 an. 2000 wurde er als Abgeordneter erstmals in den nordrhein-westfälischen Landtag gewählt. Von 2012 bis 2017 war er Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion NRW. Der Wermelskirchener studierte Politikwissenschaft, Öffentliches Recht und Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Von 1997 bis 2004 war Lindner Inhaber einer Werbeagentur sowie Mitgründer eines Internetunternehmens.

Die Geschichte der KfW ist untrennbar mit der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands verbunden. Als sie im Jahr 1948 gegründet wurde, lag unser Land in Trümmern. Die großen Herausforderungen dieser Zeit waren der Wiederaufbau und die Bekämpfung von Armut und Hunger. Dennoch war in diesem Jahr 1948 schon erkennbar, worauf sich unser Land in den Jahrzehnten danach stützen konnte. Es war bereits auf dem Weg zu liberaler Demokratie und sozialer Marktwirtschaft. Die KfW als Förderbank von Bund und Ländern war dabei ein wichtiger Begleiter.

Während der vergangenen 75 Jahre hat die KfW unsere Wirtschaft und Gesellschaft dabei unterstützt, die anstehenden Aufgaben zu meistern. An Herausforderungen fehlte es nie. Der Wiederaufbau Deutschlands, das Wirtschaftswunder, der Aufbau Ost, die Finanzkrise, die Coronapandemie und im vergangenen Jahr auch die kriegsbedingte Energiekrise in unserem Land – stets hat die KfW einen wichtigen Beitrag geleistet. Heute ist die KfW eine der weltweit führenden nationalen Förderbanken.

Die KfW war Trümmerfrau, Aufbauhelferin, Modernisiererin und Krisenmanagerin. Nun soll sie im Jahrzehnt der Entscheidungen die Rolle der Antreiberin übernehmen. Wir wollen, dass die KfW Innovationen freisetzt, ihr marktnahes Know-how zur Verfügung stellt und einen Beitrag dazu leistet, privates Kapital zu hebeln. Indem sie Mittelstand und Existenzgründer fördert, kleine und mittlere Unternehmen mit Investitionskrediten unterstützt und Infrastruktur- und Energieausbau finanziert, wird sie zum Motor für Erneuerung.

Die Herausforderung

Erneuerung, die unser Land dringend braucht. Denn wir müssen feststellen, dass Deutschland langsamer wächst als andere Industriestaaten. Wir verlieren an Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz. Es ist höchste Zeit, dass wir Wachstumskräfte reaktivieren. Das deutsche Wirtschaftsmodell muss sich von alten Abhängigkeiten lösen, innovativer und nachhaltiger werden. Das Vertrauen in unseren Wirtschaftsstandort müssen wir wieder stärken und in diesen investieren. Dann kann der Wandel gelingen.

Wir erleben nicht nur ein Jahrzehnt der Entscheidungen, wir brauchen auch ein Jahrzehnt der Veränderungen. Wir erleben eine Renaissance der Geopolitik und damit auch der Geoökonomie. Die Bahnen der Handels- und Finanzströme orientieren sich immer weniger an komparativem Vorteil und wirtschaftlicher Effizienz, sondern zunehmend an den geopolitischen Interessen beteiligter Staaten.

Hinzu kommen Herausforderungen wie der demografische Wandel und die Transformationen durch Digitalisierung und Klimawandel. Die Konsequenzen mögen sich unterscheiden, die Dringlichkeit ist dieselbe. Beides führt uns zu einer klaren Erkenntnis: Wenn wir das erhalten wollen, was in 75 Jahren in Deutschland erreicht worden ist, dann wird sich vieles verändern müssen. Denn eines ist unausweichlich: Wer nicht transformiert, wird dominiert. Wirtschaftlich und in letzter Konsequenz auch geopolitisch. Die Modernisierung unseres Landes ist somit auch ein Akt der Erneuerung und Behauptung unseres eigenen, freiheitlichen Gesellschaftsentwurfs in einer immer unruhigeren Weltlage.

Ein Rahmen für das freie Spiel der Kräfte

Die vornehmste Aufgabe der Finanzpolitik ist es, für stabile marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen zu sorgen. Die demografischen Veränderungen schreiten voran, die Krisenjahre haben den Staatshaushalt stark gefordert, die fundamentale Unsicherheit hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ist gestiegen. Nicht nur um Spielräume für die Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse zu schaffen, ist eine Reduktion der Staatsschuldenquoten angebracht.

Wir sollten auch im Sinne einer doppelten Generationengerechtigkeit sowohl auf langfristig tragfähige Staatsfinanzen als auch auf eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung hinarbeiten. Die Politik kann dafür jedoch nur den Rahmen gestalten. Fast 90 Prozent aller Investitionen werden nach wie vor aus dem privaten Sektor erbracht. Für die Transformation unserer Volkswirtschaft brauchen wir daher die Kraft des Finanzmarkts und innovative, mutige Köpfe. Nur so werden wir es schaffen, für den Umbau unserer Wirtschaft in großem Umfang das private Kapital zu mobilisieren, das wir für mehr Nachhaltigkeit und Widerstandskraft brauchen.

Zu einer Erfolg versprechenden Modernisierungspolitik gehört es, alle unsere Instrumente zielgerichtet einzusetzen. Die Transformation ist eine Aufgabe, die Technologiefreiheit und marktwirtschaftlichen Ideenwettbewerb benötigt. Es gibt eine Vielzahl an Stellschrauben, an denen wir drehen können. Zunächst einmal brauchen wie die Steuerung von Einwanderung in unser Land, damit wir den Fachkräftebedarf decken können. Aber auch die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren steht auf der Agenda. Zudem spielt die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung eine entscheidende Rolle.

Deutschland ist ein Höchststeuerland. Zugleich verschärft sich der internationale Wettbewerb. Wir brauchen also eine Steuer- und Finanzpolitik, die große Investitionen in die Modernisierung, Digitalisierung und Klimaneutralität der deutschen Wirtschaft ermöglicht. Wir können mit öffentlichen Investitionen Impulse setzen. Hier tun wir unser Möglichstes; die Investitionen des Bundes sind auf Rekordniveau. Für echten Fortschritt aber sind jetzt auch private Investitionen erforderlich. Hierfür sollten wir die Weichen stellen. Wir wollen, dass Unternehmen mehr in die Zukunft investieren. Daher werden wir unter anderem mit einer steuerlichen Prämie für Klimaschutzvorhaben Investitionen und Innovationen erleichtern.

Damit aus Ideen Unternehmen werden, erhöhen wir die Leistungsfähigkeit des deutschen Kapitalmarktes. Wir treiben die Entbürokratisierung und Digitalisierung am Kapitalmarkt voran. So wollen wir den potenziellen Weltmarktführern der Zukunft, den Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu Finanzierungen erleichtern.

Die KfW als Brücke zwischen Markt und Staat

In unserem Land war die KfW immer Teil der Lösung und sie wird es sicherlich weiterhin sein. Die KfW ist eine Stütze unseres ökonomischen Ordnungsmodells – wie geschaffen für die anstehenden Transformationen auf der Grundlage von Technologieoffenheit und marktwirtschaftlichem Ideenwettbewerb. Die KfW ist eine notwendige Ergänzung des privaten Bankensektors. Sie ist ein marktwirtschaftliches Instrument, das eine Brücke bildet zwischen dem freien Spiel der Kräfte und dem Setzen von guten Rahmenbedingungen durch den Staat.

Die KfW soll dort fördern, wo unternehmerische Risiken über die Möglichkeiten des Individuums oder eines Betriebs hinausgehen, ohne das Risiko komplett in den öffentlichen Sektor zu übertragen. Sie soll Finanzierung dort erleichtern, wo Kapitalmarktbedingungen und private Banken nicht in der Lage sind, auch neue Unternehmensgründungen oder die Fortsetzung etablierter Geschäftsmodelle zu ermöglichen – aber ohne den Teil des privaten Risikos komplett entbehrlich zu machen. Denn mit dem privaten unternehmerischen Risiko untrennbar verbunden ist die Suche nach überlegenen Lösungen. Unternehmerinnen und Unternehmer suchen die Innovation, die vielleicht die nächste technologische Revolution bedeutet.

Dabei kann die oder der Einzelne scheitern, aber auch dadurch entsteht Wissen – zumindest darüber, was nicht geht. Die oder der Einzelne kann aber eben auch Wegbereiter einer transformativen Veränderung sein, einer Disruption, die neue Horizonte eröffnet. Um im Jahrzehnt der Entscheidungen erfolgreich zu sein, muss die Rolle der KfW als Transformationsbank gestärkt werden.

Die KfW soll in Zukunft dort unterstützen, wo private Kapitalsammelstellen nicht willens oder in der Lage sind, selbst alle Risiken bei der Finanzierung aufzunehmen. Das ist die Idee von KfW Capital und auch des im Jahre 2021 aufgelegten Zukunftsfonds, den wir mit Blick auf die Entwicklung des deutschen und europäischen Venture-Capital-Ökosystems gemeinsam entwickeln. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir auch in den nächsten Jahrzehnten auf die etablierten Strukturen dieser Institution zurückgreifen können. Noch sehr viel stärker wird die KfW zukünftig als Brückenbauerin agieren können. Sie soll der Hebel werden, damit wir in der Lage sind, mit marktwirtschaftlichen Instrumenten die großen transformativen Aufgaben anzunehmen. Sie soll das in unserer Gesellschaft und in unserer Wirtschaftsordnung vorhandene Wissen mobilisieren, im Interesse der Zukunftschancen Deutschlands.

„Kreditanstalt für Wiederaufbau“ – das mag zunächst nicht allzu innovativ klingen, gleichzeitig aber auch stark und tatkräftig, aktiv und zukunftsorientiert. Wird etwas wiederaufgebaut, entsteht etwas Neues in der Verpflichtung für etwas Vergangenes. Nicht umsonst trägt die KfW den Beinamen „Bank aus Verantwortung“. In wie vielen Facetten die Förderbank Verantwortung übernimmt, wie sie Tradition und Transformation miteinander in Einklang bringt und damit der Zukunft Deutschlands den Weg ebnet, zeigt dieses Buch auf beeindruckende Weise. Es bündelt Wissen, Einsichten und Strategien von Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Die Beiträge geben Denkanstöße, Inspiration und machen Mut. Mut, die Transformation Deutschlands anzugehen, sie als Chance zu begreifen und unser Land im Jahrzehnt der Entscheidungen zu gestalten.

Das Jahrzehnt der Entscheidung

Auf dem Weg zu einer nachhaltigen ­und resilienten Zukunft

von Stefan Wintels

Stefan Wintels ist seit November 2021 CEO der KfW Bankengruppe. Zuvor war er 20 Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei der Citigroup tätig. Zuletzt war Wintels Global Co-Head Financial Institutions Group und Mitglied des Global Executive Committee der Banking Capital Markets & Advisory Division. Zudem war er Vice Chairman der Citigroup in Deutschland, Chief Country Officer für Deutschland sowie CEO der Citigroup Global Markets Europe AG bis März 2020.

Wintels begann seine berufliche Laufbahn 1994 bei der Deutsche Bank AG und verließ diese 2001 als Managing Director der Abteilung für Konzernentwicklung. Er absolvierte ein Diplomstudium in Betriebswirtschaftslehre an der Technischen Universität Berlin sowie einen einjährigen MBA-Austausch an der University of Illinois, Urbana-Champaign, USA.

Stefan Wintels ist Aufsichtsratsvorsitzender von KfW Capital GmbH & Co. KG, Mitglied der Aufsichtsräte der Deutsche Telekom AG sowie der DHL Group und engagiert sich in verschiedenen Ehrenämtern.

Hier beginnt eine Geschichte, die das Potenzial hat, unsere Zukunft zu gestalten und eine nachhaltige Welt für kommende Generationen zu schaffen. Wir befinden uns an einem kritischen Punkt. Von der Klimakrise bis zur digitalen Revolution, von politischen Spannungen bis hin zur sozialen Spaltung – wir erleben eine Polykrise, die von strukturellen Veränderungen begleitet wird. Es ist daher keine Übertreibung zu sagen: Wir befinden uns im Jahrzehnt der Entscheidung!

Das Jahrzehnt der Entscheidung – der Titel dieses Buches – verkörpert das Gefühl der Dringlichkeit, das uns alle umtreibt. Es ist eine Zeit, in der wir uns nicht mehr zurücklehnen können. Es ist eine Zeit, in der wir Veränderung als Chance begreifen und uns entscheiden müssen, wer wir sein und welchen Weg wir einschlagen wollen. Die Entscheidungen, die wir in den kommenden Jahren treffen, werden nicht nur unser eigenes Leben bestimmen, sondern vor allem darüber entscheiden, unter welchen Bedingungen unsere Kinder und Enkelkinder leben werden.

Im Jahrzehnt der Entscheidung sind wir alle aufgefordert, unsere Komfortzone zu verlassen, den Status quo zu hinterfragen und mutige Schritte nach vorne zu wagen. Insofern ist das Jahrzehnt der Entscheidung auch ein Jahrzehnt der Umsetzung. Denn in den vor uns liegenden Jahren gilt es, den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu beschleunigen und gleichzeitig Deutschland als Industrie- und Technologiestandort zu stärken. Dabei stehen drei Handlungsfelder im Mittelpunkt: der Schutz des Klimas und der natürlichen Lebensgrundlagen, die Beschleunigung von Digitalisierung und Innovation sowie die Stärkung der Resilienz und der Souveränität Deutschlands und Europas. In jedem dieser Handlungsfelder gilt es nun, gute Entscheidungen zu treffen und diese zügig umzusetzen.

Wie kann uns das gelingen? Dieses Buch zeigt Geschichten, Analysen, Erkenntnisse und Visionen aus verschiedenen Blickwinkeln und Disziplinen auf. Es erzählt von den Menschen, die das Jahrzehnt der Entscheidung prägen – Politikern, Wissenschaftlern, Unternehmern und Visionären. Konkrete Lösungsansätze und Perspektiven sollen zu neuen Wegen inspirieren und uns dabei helfen, eigene Entscheidungen zu treffen, die unsere Welt positiv verändern können. Dieses Buch ist eine Einladung, über unsere Werte nachzudenken, unsere Handlungen zu überprüfen und den Mut zu finden, die richtigen Schritte zu gehen. Es ist ein Aufruf zum Handeln, ein Aufruf zur Beteiligung und zur Übernahme von Verantwortung, um die Zukunft zu gestalten und das Jahrzehnt der Entscheidung für uns zu entscheiden. Dabei werden die drei genannten Handlungsfelder im Einzelnen beleuchtet.

I. Der Schutz des Klimas und der natürlichen Lebensgrundlagen

Schon vor Jahren hat sich die Weltgemeinschaft darauf verständigt, die Nutzung von Kohle als Energieträger zu beenden und noch in diesem Jahrzehnt ihre Anstrengungen deutlich zu verstärken, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Die Europäische Union hat strengere Klimaschutzziele bereits gesetzlich verankert. Deutschland will schon 2045 klimaneutral werden und bis 2030 den Treibhausgasausstoß um mindestens 65 Prozent senken.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir unser Wirtschaftsmodell, vor allem die Art und Weise des Wirtschaftens, neu denken und weiterentwickeln. Dies setzt kontinuierlichen technologischen Fortschritt voraus und erfordert zielgenaue Innovationen, die dann möglichst schnell in eine breite Anwendung skaliert werden müssen. Gleichzeitig gilt es, den Schutz der Biodiversität mitzudenken, da unter anderem der Erhalt von CO2-Speichern wie Wäldern und Mooren einen wesentlichen Beitrag zu Erreichung der Klimaziele leistet.

All das verlangt Investitionen in einer ganz neuen Dimension. Allein in Deutschland dürfte der Finanzierungsbedarf bei rund fünf Billionen Euro bis zur Mitte des Jahrhunderts liegen. Ein Großteil dieser Investitionen sind Ersatzinvestitionen, aber es bleibt eine sehr deutliche Investitionslücke. Die öffentliche Hand kann dies nicht allein stemmen. 90 Prozent der Klimaschutzinvestitionen – so die Schätzungen – müssen von privaten Investoren aufgebracht werden.

Bei diesem ambitionierten Prozess wird der KfW eine wichtige Rolle beigemessen. Sie wird einen wirkungsvollen Beitrag dazu leisten, Wirtschaft und Gesellschaft auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität zu unterstützen und innovative Entwicklungen auf Zukunftsfeldern wie nachhaltige Mobilität, Wasserstoff oder Kreislaufwirtschaft zu fördern. Auch im internationalen Kontext, zum Beispiel in der finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungs- und Schwellenländern oder in der Zusammenarbeit mit europäischen Förderbanken und -institutionen, engagiert sich die KfW auf vielfältige Weise. Es gilt, die Anstrengungen der internationalen Zusammenarbeit zu erhöhen und privates Kapital zu mobilisieren.

II. Beschleunigung von Digitalisierung ­und Innovation

Neben der Bewältigung des Klimawandels ist die Stärkung des Industrie- und Technologiestandorts Deutschland die zweite epochale Herausforderung dieses Jahrzehnts. Die zentralen Erfolgsfaktoren für ihre Bewältigung sind Innovation und Digitalisierung. Um zukunftsfest zu sein, braucht Deutschland einen umfassenden digitalen Aufbruch – von der Modernisierung der digitalen Infrastruktur bis zu neuen Zukunftstechnologien durch einen innovativen Mittelstand bzw. Start-ups. Darüber hinaus gilt es, die digitalen Kompetenzen der nächsten Generation massiv weiterzuentwickeln. Nur so kann sichergestellt werden, dass Deutschland international Anschluss hält.

III. Stärkung der Resilienz und der Souveränität Deutschlands und Europas

Der Krieg in der Ukraine hat uns noch mal schmerzhaft und drastisch vor Augen geführt, dass es in Europa auch eine zusätzliche zentrale Herausforderung gibt – die Stärkung der Souveränität und der Resilienz Deutschlands und Europas. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Energie und Rohstoffe, Technologie, aber auch für Sicherheit und Verteidigung.

Das Engagement für die Transformation des Energiesektors ist für die KfW kein neues Thema. Bereits seit vielen Jahren unterstützt die KfW die Energiewende und fördert dabei insbesondere die Entwicklung und Nutzung von erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. So hat die KfW bereits vor rund zehn Jahren in Zusammenarbeit mit dem Bund einen entscheidenden Impuls gesetzt, um den Markt für Offshore-Windenergie-Anlagen anzustoßen, ohne den eine flächendeckende Versorgung Deutschlands mit „grünem Strom“ heute undenkbar wäre.

Transformation ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und gelingt nur gemeinsam

Die Aufgabe, vor der wir in Deutschland und Europa stehen, hat eine äußerst große Dimension. Es geht um nicht weniger als darum, wesentliche Grundlagen unseres gesamten Wirtschaftsmodells neu zu gestalten. Die Voraussetzungen dafür sind gut: Der deutsche Gründer- und Erfindergeist ist immer noch da. So wird zum Beispiel das Gründungsgeschehen zunehmend geprägt von sogenannten Chancengründer:innen, also von Menschen, die eine eigene Geschäftsidee verfolgen. Zudem hat sich die Zahl an technologie- und wachstumsgetriebenen Start-ups, die mit hochinnovativen Lösungsmodellen den Wandel vorantreiben, nach der Coronapandemie wieder deutlich erhöht. In vielen Innovationsrankings befindet sich Deutschland nach wie vor in der Spitzengruppe. Deutsche Unternehmen spielen bei zukunftsweisenden grünen Technologien international vorne mit. Es entwickelt sich Schritt für Schritt ein leistungsfähiges und selbsttragendes Ökosystem zur Finanzierung von innovativen und wachstumsstarken Unternehmen.

Die KfW agiert nah am Marktgeschehen, und dort ist deutlich zu erkennen: Es kommt etwas in Gang. Die Transformation hin zu einem nachhaltigen und resilienten Deutschland hat zumindest begonnen. Deutschland erfindet sich gerade ein weiteres Mal neu. Gleichwohl bleibt der Handlungsdruck sehr hoch. Dabei ist der Pfad vorgezeichnet. Jetzt geht es darum, dass wir schnell in die Umsetzung kommen. Das Ziel muss es sein, bis zum Ende des Jahrzehnts den Wandel zu einer nachhaltigen Gesellschaft zu beschleunigen und gleichzeitig Deutschland als Industrie- und Technologiestandort zu stärken. Hierfür bedarf es auch einer Verbesserung der Rahmenbedingungen in unserem Land, um unter anderem die Attraktivität für ausländische Fachkräfte zu steigern.

Die Transformation gelingt jedoch nur gemeinsam: Wir stehen vor einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, bei der jeder und jede Verantwortung übernehmen muss. Auch wir als KfW möchten unserer Verantwortung gerecht werden. Um einen wirkungsvollen Beitrag zur Transformation leisten zu können, wird sich die KfW ihrerseits zur digitalen Transformations- und Förderbank weiterentwickeln. Unter der Transformationsagenda KfWplus wird sie in den kommenden Jahren anpassungsfähiger, effizienter und wirksamer.

Die KfW begeht im Jahr 2023 ihr 75-jähriges Bestehen. Ihre Gründung ist eng mit der Entwicklung der sozialen Marktwirtschaft und unserer Demokratie verbunden. Seit 1948 hat die KfW immer wieder dazu beigetragen, epochale Herausforderungen zu bewältigen und entscheidende Impulse zu setzen, um den Wandel voranzutreiben. Dies definiert ihr Selbstverständnis und ihren Auftrag, dem sie sich auch in diesem Jahrzehnt der Entscheidung verpflichtet fühlt.

Gemeinsam mit Bundesminister Christian Lindner und Bundesminister Dr. Robert Habeck lade ich Sie ein, dieses Buch zu lesen, sich inspirieren zu lassen und sich an der Gestaltung des Jahrzehnts der Entscheidung zu beteiligen. Mögen Sie Inspiration finden, um mutige Entscheidungen zu treffen und Ihre eigene Stimme zu erheben. Gemeinsam können wir das Jahrzehnt der Entscheidung zu einem Wendepunkt in der Geschichte machen – zu einem Kapitel, das von Veränderung, Fortschritt und einer besseren Zukunft geprägt ist.

Herzlichen Dank an alle Autorinnen und Autoren für die wertvollen Beiträge und herzlichen Dank an Sie, dass Sie sich auf diese Reise einlassen. Viel Spaß bei der Lektüre!

KLIMA UND UMWELT

Warum ich optimistisch bleibe

Mit erneuerbaren Energien gegen den Klimakollaps

von Mojib Latif

Prof. Dr. Mojib Latif ist Klimaforscher, Meteorologe und Professor am GEOMAR-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er ist außerdem Präsident der Deutschen Gesellschaft Club of Rome und Präsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Er hat zahlreiche Veröffentlichungen zum Klimawandel verfasst, zuletzt „Countdown: Unsere Zeit läuft ab – was wir der Klimakatastrophe noch entgegensetzen können“ (2022).

Ich bin ein durch und durch optimistischer Mensch und glaube an eine gute Zukunft. Wenn es um den durch die Menschen verursachten Klimawandel in Form der globalen Erwärmung geht, braucht es allerdings schon eine gehörige Portion Optimismus, um die Hoffnung nicht zu verlieren, dass wir unsere Lebensgrundlagen schützen werden. Ich warne schon seit Jahrzehnten vor den Risiken einer ungebremsten globalen Erwärmung und mahne – so wie viele meiner Kolleginnen und Kollegen auch – eine der Dringlichkeit des Problems angemessene Klimapolitik an, bisher allerdings mit wenig Erfolg. Die Welt scheint immer noch nicht zu verstehen, in welcher Lage sie sich befindet. Trotzdem ist ein gewisser Optimismus angebracht. Warum? Weil wir die Ursache des Klimaproblems kennen und auch wissen, wie wir es lösen können. Entscheidend wird das folgende Jahrzehnt sein, in dem wir die Weichen stellen müssen – und können –, um die Klimakatastrophe noch abzuwenden.

Die Situation

Der Weltklimarat schrieb 2021 in seinem sechsten Sachstandsbericht: „Es ist eindeutig, dass menschliche Aktivitäten den Klimawandel verursachen.“ Im ersten Sachstandsbericht, der 1990 erschienen war, hieß es schon, dass man sich sicher sei, dass der menschliche Ausstoß sogenannter Treibhausgase zu einer Erwärmung der Erdoberfläche führen würde. Hierbei geht es in erster Linie um die Art der Energiegewinnung, die auf der Verbrennung der fossilen Brennstoffe – Kohle, Erdöl und Erdgas – fußt, wodurch seit dem Beginn der Industrialisierung enorme Mengen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in die Atmosphäre gelangen, die die Erde aufheizen. Die Menschen emittieren darüber hinaus weitere Treibhausgase wie Methan und Lachgas, die u. a. in der Landwirtschaft entstehen. Insgesamt hat sich die Erde im weltweiten Mittel schon um ein gutes Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit erwärmt, was für die letzten Jahrtausende beispiellos ist. Die Auswirkungen der globalen Erwärmung sind überall auf der Erde spürbar. So häufen und intensivieren sich die Wetterextreme, die Meeresspiegel steigen und die ohnehin durch die Menschen gestressten Ökosysteme zu Land und in den Meeren leiden noch zusätzlich unter den höheren Temperaturen.

Der Ort des Ausstoßes von Treibhausgasen spielt keine Rolle für die globale Erwärmung, was daran liegt, dass sie eine äußerst lange Verweildauer in der Atmosphäre besitzen. Das CO2 beispielsweise verweilt für Jahrhunderte bis Jahrtausende. Da sich das Gas um den Erdball verteilt – was übrigens nur einige Wochen dauert –, sitzen alle Länder im selben Boot. Sie sind gemeinsam für die globale Erwärmung verantwortlich – wenngleich mit unterschiedlichen Anteilen – und sie alle sind von ihr betroffen. Alle Länder müssen handeln, national ist das Klima nicht zu schützen. Das ist die Krux. „Die Menschheit hat die Wahl: kooperieren oder zugrunde gehen“, sagte UN-Generalsekretär António Guterres 2022 zu Beginn der 27. Weltklimakonferenz in Ägypten und warnte vor einem „Highway zur Klimahölle“. Zuallererst müssten die großen Emittenten wie die Industrieländer und allen voran China beim Klimaschutz vorangehen und ihre CO2-Emissionen drastisch senken. Allein China besitzt derzeit einen Anteil an den weltweiten Emissionen von rund 30 Prozent. Die Top-Emittenten tun zu wenig, um es vorsichtig auszudrücken. Der Gehalt der Treibhausgase in der Atmosphäre steigt mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit an. Die Welt ist im Begriff, ihre planetare Geisterfahrt fortzusetzen. Die Erde droht zu überhitzen. Das ist der Konsens innerhalb der internationalen Klimaforschung.

Die Lösung

„Gefahr erkannt, Gefahr gebannt!“, hieß vor etwa 40 Jahren ein Werbespruch. Die Weltgesellschaft hat die Gefahr einer Klimakatastrophe schon längst erkannt, was die alljährlichen Weltklimakonferenzen zeigen. Die Welt scheint allerdings nicht fähig zu sein, Maßnahmen zur Begrenzung der globalen Erwärmung zu ergreifen, und verharrt anstattdessen in einer Art Schockstarre. Der Klimakollaps könnte aber immer noch abgewendet werden, so viel steht fest. Die Menschen halten die Lösungen zur Begrenzung des Klimawandels in Händen. Ein Beispiel sind die erneuerbaren Energien, die der Welt eine nachhaltige Energieversorgung ohne den Ausstoß von CO2 ermöglichen würden. Es gibt kein Energieproblem auf der Erde. Wir haben saubere Energie im Überfluss. So müssten wir nur einen Bruchteil der auf die Erdoberfläche einfallenden Sonnenenergie nutzen, um den Weltenergiebedarf zu decken. Hinzu kommen Windenergie, Erdwärme und andere Formen erneuerbarer Energie wie die Energie aus den Gezeiten, die wir nutzen können. Speichertechnologien stehen ebenfalls zur Verfügung wie zum Beispiel in Form von grünem Wasserstoff. Die Technologien zur Nutzung und Speicherung der regenerativen Energien sind entwickelt. Das Geld für die nötigen Investitionen wäre vorhanden angesichts der riesigen Finanzströme, die heute in nicht nachhaltige Investments fließen. Eine globale Energiewende wäre innerhalb weniger Jahrzehnte möglich, wenn der politische Wille vorhanden wäre. Technologiewandel kann ziemlich schnell vonstattengehen. Das zeigt die Vergangenheit. Die Wende vom Pferdewagen zum Automobil hat nur wenige Jahrzehnte gedauert. Ebenso wie der Übergang vom Festnetztelefon zum Mobiltelefon.

Wer hätte noch von zwei Jahrzehnten gedacht, dass in Deutschland inzwischen fast die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Quellen kommt? Wir sollten die Energiewende bis zum Ende durchziehen und der Welt ein Beispiel sein. Und dies aus ganz unterschiedlichen Gründen. Da wären natürlich die Umweltaspekte wie die Begrenzung der globalen Erwärmung oder die Verringerung der Luftverschmutzung. Vergessen wir dabei aber auch nicht, was für gewaltige Umweltschäden allein durch die Förderung der fossilen Brennstoffe entstehen. Ein Blick auf die Braunkohlereviere bei uns in Deutschland reicht, um sich dessen zu vergewissern. Strom aus Sonne oder anderen erneuerbaren Quellen ist zudem die billigste Art der Stromerzeugung überhaupt. Die konventionellen Energien, die fossilen und die Atomkraft, würden im Markt nicht überleben, gäbe es nicht die direkten und indirekten milliardenschweren Subventionen, die sich global schätzungsweise auf mehr als 500 Milliarden US-Dollar belaufen. Wieso zahlen wir so ungeheuer viel Geld für die konventionellen Energien, die doch viel teurer sind als die erneuerbaren Energien und deren Nutzung enorme Risiken birgt? Warum können sich viele Menschen Energie kaum noch leisten, obwohl immer mehr Sonnen- und Windenergie in unserem Strommix enthalten sind? Warum nutzen wir die erneuerbaren Energien nicht dezentral und standortangepasst unter Verwendung Künstlicher Intelligenz, anstatt sie in eine Netzinfrastruktur zu pressen, die für sie nicht geschaffen ist? Wir sollten Energiesysteme entwickeln, die nicht nur die konventionellen ersetzen, sondern in denen die erneuerbaren Energien ihre Vorteile ganz ausspielen können. Die erneuerbaren Energien bieten darüber hinaus die Möglichkeit eines fairen Ausgleichs zwischen den Ländern. So könnte Südeuropa von seinen riesigen Potenzialen an erneuerbarer Energie in einem europäischen Strom- und Wasserstoffmarkt enorm profitieren, wodurch sich das wirtschaftliche Gefälle zwischen den Regionen verringern ließe, was auch für die Festigung der Demokratie hilfreich wäre.

Wir werden in den nächsten Jahrzehnten eine Dynamik im Energiebereich erleben, die man sich heute noch gar nicht vorstellen kann. Die nächste industrielle Revolution ist in vollem Gange, und die erneuerbaren Energien sind ein Teil von ihr. Die Investitionen in den Ausbau der erneuerbaren Energien steigen in allen Weltregionen rasant an, auch in China und in den USA, den beiden größten CO2-Emittenten. Diese Dynamik muss und wird die Politik unterstützen, zum Beispiel durch einen steigenden CO2-Preis. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, sagt man. Wer bei den sauberen Technologien nicht vorne dabei ist, der wird auch ökonomisch das Nachsehen haben und Wohlstandsverluste hinnehmen müssen.

Deutschland hat es früh begriffen und die Energiewende eingeleitet. Deutschland hat damit der Welt einen großen Dienst geleistet, indem es die erneuerbaren Energien bezahlbar gemacht hat, weswegen sie überall auf der Welt boomen. Dieses Verdienst wird bleiben. Immer mehr Länder werden begreifen, dass sie sich von den konventionellen Energien lösen müssen, auch um Abhängigkeiten abzubauen. Es kommt das Zeitalter der sauberen Energien, es geht das Zeitalter der schmutzigen Energien, und es bleibt die Erkenntnis, dass technologischer Fortschritt und Vernunft nicht aufzuhalten sind. Insofern ist Optimismus durchaus angebracht.

Wie wollen wir in Zukunft wohnen?

Lebenswerte Städte und bezahlbare Wohnungen

von Klara Geywitz

Die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz, wurde 1976 in Potsdam geboren, wo sie mit ihrer Familie bis heute lebt. Seit 1994 ist sie Mitglied der SPD. Nach dem Abitur studierte sie von 1995 bis 2002 Politikwissenschaften an der Universität Potsdam. Die Diplom-Politologin gehörte von 1998 bis 2013 der Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam an und von 2004 bis 2019 – als direkt gewählte Abgeordnete – dem Landtag Brandenburg. Während dieser Mandatszeit war sie Mitglied in verschiedenen Ausschüssen und Gremien und nahm verantwortliche politische Funktionen innerhalb der Landes- und Bundes-SPD wahr. Von August 2020 bis zu ihrer Ernennung zur Bundesministerin im Dezember 2021 arbeitete sie als Prüfgebietsleiterin beim Landesrechnungshof Brandenburg.

Vor 75 Jahren, im Gründungsjahr der KfW, lag Deutschland in Trümmern. Fast fünf Millionen Wohnungen waren im Zweiten Weltkriegs zerstört oder beschädigt worden. 13 Millionen Menschen waren obdachlos. Die Wohnungsfrage war eine der drängendsten – weil existenziellen – Fragen der Nachkriegszeit. Zu lösen war sie nur „unter Aktivierung aller privaten und öffentlichen Mittel“, wie Konrad Adenauer 1949 betonte.

Mit einem gewaltigen Aufbauprogramm wurden in beiden deutschen Staaten innerhalb kurzer Zeit Millionen Wohnungen gebaut; zwei Millionen waren es bis 1953 allein in der Bundesrepublik. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die ihren Auftrag schon im Namen trug, förderte den Wohnungsbau mit zinsgünstigen Krediten. 1950 wurde jede zehnte neue Wohnung mit KfW-Mitteln finanziert. Entscheidenden Anteil am Erfolg des Wiederaufbaus hatte auch der soziale Wohnungsbau. 86 Prozent der 1950 im Bundesgebiet fertiggestellten 372.000 Wohnungen waren öffentlich geförderte Sozialwohnungen.

Anlässlich des 75. Jubiläums der KfW lohnt es sich, an die gewaltige Aufbauleistung der Nachkriegszeit zu erinnern. Der Rückblick zeigt, dass unsere Großeltern und Eltern Herausforderungen gemeistert haben, die den heutigen mindestens ebenbürtig sind.

Manche dieser Herausforderungen sind geblieben – allerdings unter völlig veränderten Vorzeichen. Auch heute fehlen Wohnungen in großer Zahl, nicht zuletzt aufgrund einer wachsenden Bevölkerung. Zugleich verschärft die seit Jahrzehnten abnehmende Haushaltsgröße bei gleichzeitig steigender Pro-Kopf-Wohnfläche den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Wohnten 1961 noch durchschnittlich 2,9 Personen in einem Haushalt, sind es derzeit nur noch zwei. Kam ein Westdeutscher 1960 im Schnitt mit 19,4 Quadratmetern Wohnfläche aus, stehen heute nach aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes jedem Menschen in Deutschland fast 48 Quadratmeter, also mehr als doppelt so viel, zur Verfügung.

Wohnen ist auch heute noch eine existenzielle Frage. Denn jede und jeder muss wohnen – und zwar nicht nur „irgendwie“, sondern mit einem gewissen Mindeststandard, der sicher nicht mehr am Standard der Nachkriegszeit zu messen ist.

In den vergangenen 75 Jahren haben sich nicht nur die Ansprüche an das Wohnen, sondern hat sich Deutschland insgesamt tiefgreifend gewandelt. Auf Jahrzehnte der deutschen Teilung folgten nun schon fast ebenso viele Jahrzehnte der Einheit. Die Wandlungsprozesse in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik haben auch das Erscheinungsbild der Städte und Gemeinden verändert. Man denke nur an den Strukturwandel im Ruhrgebiet oder im Industrieraum Halle-Leipzig, an neue Wohn- und Erwerbsformen oder veränderte Konsumgewohnheiten, die wiederum Veränderungen in der städtischen Infrastruktur nach sich ziehen.

Weitere Herausforderungen sind hinzugekommen: Der Klimawandel und die Klimafolgenanpassung, aber auch zunehmende räumliche und soziale Ungleichheit, die fast alle Lebensbereiche durchdringende Digitalisierung, Fragen der Ressourceneffizienz oder auch Migrationsbewegungen als Folge von Kriegen und Katastrophen – all das hat direkt oder indirekt Einfluss auf unsere Lebensverhältnisse, verändert Städte und Kommunen in unserem Land und weltweit.

Ob Doha, Delhi oder Duisburg – Städte sind Kulminationspunkte und Katalysatoren des globalen Wandels und globaler Probleme. 75 Prozent der Menschen in Deutschland und mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung leben mittlerweile in Städten. Sie sind „die Orte, an denen der Kampf für nachhaltige Entwicklung gewonnen oder verloren wird“, wie der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-Moon, 2012 erklärte. Daraus folgt: Wenn wir die globalen Herausforderungen bewältigen wollen, müssen Städte zu Laboren und Beschleunigern der Nachhaltigkeitswende werden.

Auf europäischer Ebene gibt es dafür eine strategische Grundlage: die im November 2020 verabschiedete Neue Leipzig-Charta mit ihrem Leitbild der gemeinwohlorientierten und nachhaltigen Stadtentwicklung.

Stadtentwicklung als Gestaltungs- und Nachhaltigkeitshebel

Ausgehend von dieser Charta verfolgt das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) mehrere Ziele: Städte und Gemeinden sollen in den kommenden Jahren klimaneutral und ressourcenschonend (um-) gebaut und bewohnt werden. Und sie sollen mit lebendigen Quartieren dem sozialen Zusammenhalt und dem Gemeinwohl verpflichtet sein.

Beide Dimensionen – die soziale wie die ökologische – sind untrennbar miteinander verbunden. Beide Ziele erfordern große Anstrengungen und finanzielle Ressourcen. Damit kommt der KfW als „Bank aus Verantwortung“ eine wesentliche Rolle bei der sozial ausgewogenen und nachhaltigen Entwicklung unserer Städte und Kommunen zu.

Das gilt insbesondere für das Thema Klimaschutz. Um den Gebäudebestand in Deutschland bis 2045 weitgehend klimaneutral zu machen, reichen Einzelmaßnahmen nicht aus. Stattdessen braucht es quartiersbezogene Konzepte, wie sie der Bund mit dem KfW-Förderprogramm „Energetische Stadtsanierung“ schon seit 2011 unterstützt. Kredite und Zuschüsse helfen den Kommunen dabei, Gebäudehüllen energieeffizient zu sanieren und eine Wärmeversorgung einzurichten, die weitgehend auf erneuerbare Energien setzt.

Parallel dazu müssen sich Städte und Gemeinden an die schon heute spürbaren Folgen des Klimawandels anpassen. Extremwetterereignisse und die Jahre der Coronapandemie haben gezeigt, wie wichtig leistungsfähige grün-blaue Infrastrukturen sind, um Klimaresilienz mit Lebensqualität zu verbinden. Mit dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ werden beispielsweise Parks und Grünanlagen gestärkt, Frei- und Verkehrsflächen entsiegelt und begrünt sowie Maßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität umgesetzt.

Lebenswerte Städte und Gemeinden und ein gutes Wohnumfeld zu schaffen, ist auch das Ziel der Städtebauförderung. Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel sind dabei seit 2020 Fördervoraussetzung. Förderfähig sind u. a. energetische Gebäudesanierungen sowie Maßnahmen, um die grüne Infrastruktur oder klimafreundliche Mobilität zu stärken.

Auf dem Weg zur sozialen Bauwende

Klimaschutz und Klimaanpassung wirken sich nicht nur auf die Gestaltung unserer Städte und Quartiere aus, sondern auch auf den Wohnungsbau. Denn Wohnraum soll nicht nur in ausreichender Zahl und am richtigen Ort zu einem bezahlbaren Preis angeboten werden. Er soll zugleich auch ökologisch verträglich, nachhaltig und klimafreundlich sein. Und, um die Komplexität noch etwas zu erhöhen: Neu- und Umbauten sollen sich in die vorhandene, teils sehr dichte und historisch gewachsene Siedlungsstruktur einfügen. Das macht den Um- und Neubau zu einer in jeder Hinsicht anspruchsvollen Aufgabe.