Das Leben ist großartig –  von einfach war nie die Rede - Gaby Köster - E-Book
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Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede E-Book

Gaby Köster

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Beschreibung

Zehn Jahre nach ihrem Schlaganfall meldet sich Gaby Köster wieder zu Wort. Gewohnt lautstark, komisch und schonungslos ehrlich schreibt die Queen of Comedy von ihrem Weg zurück in ihr zweites Leben: Wie sie sich wieder auf die Bühne zurückkämpft, den grauen Alltag meistert und stets neue Herausforderungen sucht wie Auto zu fahren, Mr.Right zu finden oder zu lernen, wieder zu weinen. Gaby Köster hat trotz vieler Hindernisse und Enttäuschungen ihren Humor behalten und die Freude am Leben nie verloren. Dabei hat sie etwas geschafft, was nur wenigen Menschen gelingt: Sie hat Frieden geschlossen mit sich und ihrem Schicksal. Denn statt zu resignieren, freut sie sich über jeden einzelnen Tag: "Wie schön, dass ich das noch lebendig sehen darf. Wenn ich tot gewesen wäre, hätte ich das doch alles nicht mitgekriegt!" Das wunderbare Buch einer wunderbaren Frau, das nahtlos an ihren Bestseller "Ein Schnupfen hätte auch gereicht" anknüpft.

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Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede

Die Autoren

Gaby Köster, geb. 1961, wurde 1988 von Jürgen Becker entdeckt und spielte sich über unzählige Auftritte live, im Radio und TV in die erste Reihe der deutschen Kabarett-Szene.Für Erfolgsformate wie »7 Tage – 7 Köpfe« und »Ritas Welt« erhält sie alle bedeutenden Preise (u.a. Deutscher Comedy-Preis, Deutscher Fernsehpreis, Adolf-Grimme-Preis). 2007 startete ihr drittes und erfolgreichstes Solo-Programm »Wer Sahne will, muss Kühe schütteln!«. Im Januar 2008 erleidet Gaby Köster einen Schlaganfall, der sie zu einer langen  Karrierepause zwingt.
Till Hoheneder, geb. 1965, wurde mit dem Comedy-Duo „Till & Obel“ (1986 – 2000) bekannt. Heute ist er Autor und Comedian. Sein mit Gaby Köster geschriebenes Buch "Ein Schnupfen hätte auch gereicht" wurde ein Bestseller, ebenso „Keine Zeit für Arschlöcher“ mit Horst Lichter und „Und dann kam Ute“ mit Atze Schröder. Till Hoheneder wurde dreimal mit dem Deutschen Comedy-Preis ausgezeichnet. Seit 2018 ist er auch wieder auf der Bühne zu sehen: Mit Torsten Sträter bestreitet er spontane Lesungen und mit Atze Schröder ging er im Frühjahr 2019 erfolgreich mit dem Programm und Podcast „Zärtliche Cousinen“ auf Tournee.

Das Buch

»Ich werde oft gefragt, wie ich mich ins Leben zurückgekämpft habe – gute Frage, denn ich habe nie gekämpft! Ich habe die Liebe zum Leben einfach nicht aufgegeben. Den Glauben an den Sinn der Dinge, die um uns herum passieren!«Gaby Köster hat allen Hindernissen zum Trotz ihren Humor nie verloren, ihre Familie zusammengehalten und ist sogar wieder in ihren Beruf zurückgekehrt. Und dabei hat sie etwas geschafft, was nur wenigen Menschen gelingt: Gaby Köster hat Frieden geschlossen mit sich und ihrem Schicksal. Denn statt zu resignieren und zu hadern, freut sie sich über jeden Tag: »Wie schön, dass ich das noch lebendig sehen darf. Wenn ich tot gewesen wäre, hätte ich das doch alles nicht mitgekriegt!«

Gaby Köster und Till Hoheneder

Das Leben ist großartig – von einfach war nie die Rede

Ullstein

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Ullstein leben ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH

© 2019 by Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAlle Rechte vorbehaltenE-Book-Konvertierung powered by pepyrus.comAlle Rechte vorbehalten.

ISBN 978-3-8437-2179-0

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Inhalt

Die Autoren / Das Buch

Titelseite

Impressum

Vorspann

Abschied vom Kind

New York, New York

Auf Tour

Künstlerfrühstück

Taxi, Tod und Vorsorge

Empathie, Colonie, Colonasta

Shoppen im Rollstuhl

Love me Tinder

Tage im Loch

Geld alleine macht nicht glücklich

Esoterik, Engel und die Karten

Rückkehr

Que sera, sera – Licht und Liebe

Tills Geschichte

Gaby Köster sagt Danke

Till Hoheneder sagt Danke

Bildteil

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Vorspann

Vorspann

Da saßen wir nun auf dem Sofa. Der Herr Sohn und ich, Gaby Köster. Seine Mutter. Ziemlich genau neun Jahre später, nachdem mein drecksdrisseliger Schlaganfall unser chaotisches Leben gehörig durchgerüttelt hatte. Mein Leben, aber auch seins. Mitten in der ohnehin schon schwierigen Pubertät überrollte auch Donald das Schicksal unvorbereitet und ungefragt. Und so klagte mein Kind einmal halb im Spaß, halb im Ernst: »Ich bin dreifach gestraft – ich bin das Scheidungskind einer Promimutter mit Schlaganfall! Kein Wunder, dass ich einen an der Waffel hab!«

Nervös wie Hulle rückten wir noch näher aneinander. Der Magen flau, und jeder von uns beiden vermied es, den anderen anzuschauen. Unsere schwitzenden Hände suchten und fanden sich. Sie drückten sich leicht, aber es kam mir vor, als ob sie das automatisch taten, ohne Befehl von oben. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn »oben« hat es ja bei mir mächtig gerappelt. Der verfluchte Schlaganfall hat in meinem Hirn ordentlich gewütet. Ganze Areale wie ein Hurrikan verwüstet. Die Reparaturarbeiten liefen zwar erstaunlich gut, sind aber meines Erachtens eher pragmatisch und rustikal durchgeführt worden. Was dazu geführt hat, dass bestimmte Körperteile mir nach wie vor nicht gehorchen und den Dienst verweigern. Unverschämt, aber was willste machen?

Was genau damals passiert ist, was es mit unserem Leben gemacht und wie wir uns damals gefühlt haben, das wollten Donald und ich noch einmal gemeinsam angucken. Genauer gesagt: den Film Ein Schnupfen hätte auch gereicht. Frei nach dem gleichnamigen Buch meines famosen Freundes Till Hoheneder und meiner Wenigkeit, Frau Gabriele Köster. Natürlich waren wir unserer Meinung nach bestens vorbereitet. Donald und ich hatten uns natürlich im Vorfeld schon treuherzig versichert, dass das ja »nur« ein Film sei. Mit der Rea­lität hat das aber mal pihaupt nix zu tun und sowieso! Darum könnte das ja gar nicht so schlimm werden, wenn wir mal 90 Minuten lang eine Geschichte betrachten, die ja nur in Teilen mit der Wahrheit zu tun hat.

Wie sagte doch schon der gute Mark Twain: »Truth is stranger than fiction« – weil die Wahrheit im Gegensatz zur Geschichte nicht verfremdet werden darf, sollte und ist, wie sie ist. Unbarmherziger, verrückter, komischer, unwirklicher. Die Wahrheit ist ein Sackgesicht oder viel schöner, als das eine Geschichte je wiedergeben kann. Warum versuchen die berühmtesten Dichter und Schriftsteller sonst wohl immer wieder, das Phänomen der puren Liebe oder die Schönheit der Natur in Worte zu fassen? Weil diese Wunder in Wahrheit eigentlich unbeschreiblich sind.

Und darum wird uns dieser Film über einen Ausschnitt ­meines Lebens schon nicht aus der Bahn werfen. Da waren ­Donald und ich uns völlig einig gewesen. Das wäre ja auch lächerlich, denn wir kennen ja die Wahrheit, Freunde der gemischten Tüte. Dumm nur, dass von unserer Zuversicht nicht viel übrig geblieben war, seit die DVD im Laufwerk surrte. Ich empfand dumpfes Unbehagen. Scheiße, genauer gesagt: Ich hatte Angst, mir ging der Poppes so richtig auf Grundeis. Egal, dachte ich, das ziehen wir jetzt durch. Ich glaube, Donald hatte auch Schiss. Meine Hand ließ er jedenfalls nicht los.

Die ersten Szenen liefen, und schon beim bloßen Anblick von Anna Schudt, der Schauspielerin, die mich darstellt, bekamen wir einen echten Schock. Unwillkürlich zuckte meine Hand zusammen und meine Ringe schlugen fies auf Donalds Knöchel. Er wollte aus schmerzhaften Gründen loslassen, was ich wiederum nicht gestattete. Verdammte Hacke, diese Frau sah mir so gespenstisch ähnlich, dass mir in Sekundenbruchteilen der Kiefer eine Etage tiefer aufs Parkett knallte. Ihre Art, sich zu bewegen, zu sprechen – ich sah mich selber auf der Mattscheibe! Und war total verwirrt. Erschreckend, weil ich das doch gar nicht sein konnte und irgendwie dann doch war. Schwer zu verdauen, das! Zwar hatte ich die Dreharbeiten besucht und dabei schon erschüttert festgestellt, dass Anna sich praktisch in eine Art »Gaby Köster« morphen konnte … was ich schon ziemlich spooky fand. Aber das war natürlich viel abstrakter, wegen der Kameras und dem ganzen Gedöns am Filmset. Aber auf dem Bildschirm war das Ergebnis frappierend, im 1:1-Erlebnis fast unerträglich.

In diesem Moment vergaß ich völlig, dass Anna Schudt sich während ihrer Besuche bei mir wie ein Schwamm vollgesogen hatte. »Kösterisation« ist das Stichwort, liebe Leute. Sie wollte alles wissen: Wie ich rauche, wie es sich angefühlt hat, das erste Mal nach dem Schlaganfall wieder zu laufen, was in einem vorgeht, wenn man sich bewegen will und der Körper verflucht noch mal den Dienst verweigert – lauter so drisselige Sachen, die man als gesunder Mensch nicht wissen kann. Sie hatte das Buch Ein Schnupfen hätte auch gereicht gelesen, Ritas Welt geguckt. Telefonierte stundenlang mit Till, meinem Freund und Co‑Autor, um möglichst viele Teile für ihr Gaby-Puzzle zu bekommen.

Mein Cousin Gerd, der im Film meinen Papa gespielt hat, erinnerte sich auch mit einem Schauer an die Dreharbeiten: »Als diese Anna-Gaby auf mich zugelaufen kam, bekam ich ein ums andere Mal eine Gänsehaut!« Hörens, liebste Leser, wenn so ein nahes Familienmitglied schon das Schlottern kriegt, könnt ihr euch ja wohl mal vorstellen, wie meinem Sohn und mir dieser Anblick an jenem Abend durchs Gebälk gedonnert ist. Heute kann ich ihr nur sagen: Ich danke dir, liebe Anna Schudt. Das war und ist eben ganz große Schauspielkunst. Sie hat mich verkörpert, aber nicht imitiert. Und genau das hatte sie mir auch versprochen, als wir uns vor den Dreharbeiten kennengelernt hatten. Sie sagte, sie würde sich ihre eigene Auslegung meiner Figur erarbeiten, aber mich auf keinen Fall imitieren. Was mir natürlich nur recht war. So eine überkandidelte Travestieparodie, das hätte mir auch gerade noch gefehlt, Herrschaften. Wir wollten ja schließlich keine Jörg-Knör-Tütensuppe schlürfen, sondern Champagner verköstigen.

Dass die gute Anna für diese grandiose Performance für den international renommierten Emmy-Preis nominiert wurde, ist mehr als nur verdient. Die Frau ist eine Granate, ein Schauspieljuwel. Und dabei auch noch ein feiner Mensch. Sie ist sehr behutsam mit mir und meiner Familie umgegangen. Dafür bin ich überaus dankbar, das hat mich sehr happy gemacht. Ich weiß – weil manche Menschen mich darauf angesprochen haben –, dass einige enttäuscht darüber waren, dass ich mich nicht selber gespielt habe. Das könnt ihr mal schön vergessen, Herrschaften – ich durchleb das alles nicht noch mal. Pustekuchen, mir reicht’s.

Aber zurück zu Mutter und Sohn auf dem Sofa: Als der Film schon eine Weile lief, schaute ich verstohlen zu Donald hinüber und sah mit blutendem Mutterherz, dass mein geliebtes Kind Tränen in den Augen hatte. Die ganze Anspannung löste sich und Tränen kullerten über sein abgekämpftes Gesicht. Ich wollte auch weinen, konnte aber nicht. De facto konnte ich schon seit Jahren nicht mehr weinen. Eine lange Nebenwirkung des miesen Schlaganfalls, die sich erst löste, als … aber dazu später, zurück aufs Sofa.

Wir blieben einfach sitzen und sagten erst mal nix. Als die Tränen trockneten, meinte der Sohnemann, dass diese Anna mich aber nun mal sehr echt getroffen hätte. Ich dachte in dem Moment nur, wie spooky es für ein Kind sein muss, dass eine Schauspielerin seine Mutter so frappierend gut spielt, dass die Grenze zwischen Film und Realität so verwischen kann. Monate später, nach der Filmpremiere hat er immer gerne erzählt, dass Anna Schudt mich wirklich sehr gut verkörpert habe – bis auf die Szene, wo sie »laut Drehbuchtexte geübt hätte: Das hätte meine Mutter nie gemacht, dieses Üben!« Ha! Recht hat er!

Nachdem Donald irgendwann erschöpft in seinem Zimmer verschwand, blieb ich noch lange alleine im Halbdunkel des Wohnzimmers sitzen. Ich war fix und fertig, geplättet und völlig überfordert. Mir jagten immer noch so viele Gedanken gleichzeitig durch mein ramponiertes Hirn. Ich war total hibbelig und konnte überhaupt nicht pennen. Ich dachte über Donald nach.

Natürlich war mir schon damals klar gewesen, was das arme Kerlchen durchgemacht hat. Aber jetzt traf mich die Erkenntnis über sein Leiden mit der Wucht eines mächtigen Güterzugs. Als alle seine Mitschüler und Freunde ihre Puber­tät ausgelebt haben, saß mein Sohn an meinem Krankenbett und betete für mein Leben. Es ist doch so, Freunde des pustelroten Pubertätspickels: In dieser Zeit lösen sich die Kinder schmerzhaft von der Vorstellung, dass Mama und Papa so ’ne Art Erziehungs-Avenger sind. Stellen fest, dass ihre Eltern auch nicht immer recht haben, Stuss labern und alles andere als perfekt sind. Und dass man auf Dauer nicht mit ihnen unter einem Dach leben sollte, um einen Dachschaden zu vermeiden. In diesem schmerzhaften und wichtigen Prozess gab es für Donald wenige Möglichkeiten, sich normal zu lösen: Seine Eltern waren relativ frisch geschieden und ich, seine Mutter, war todkrank dem Düvel von dr Schöpp jesprunge. Allerdings mit dauerhaftem Dachschaden. Was wiederum dazu führte, dass der bedauernswerte Herr Sohn permanent zwischen Rücksicht, Mitleid und pubertätsbedingter Aggression taumelte. Inklusive heftiger Mutterliebe und starken Gewissensbissen, wenn er mich ab und zu mit verbalen Frechheiten verletzte. Was mir in diesen Stunden wieder eindringlich klar wurde: Was Donald mit mir erlebt hatte, ging über eine normale Mutter-Kind-Beziehung weit hinaus. Ich konnte schon nicht seinen Vater zu Hause ersetzen, aber eine normale Mutter war leider auch nicht für ihn drin.

Der Film hat mir mit neun Jahren Abstand ziemlich heftig vor Augen geführt: Das Leben lief für meine Mutter, meinen Sohn und mich in diesen Jahren einfach erbarmungslos weiter. Die Konsequenzen musste jeder oft alleine schultern. Der Alltag lässt wenig Zeit für persönliche Befindlichkeiten, und am Anfang war ich noch viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Meine neue Rolle zu finden, meinen neuen Körper und sein Handicap zu akzeptieren. Den Film gemeinsam angeschaut zu haben hat aber vor allem Donald endlich mal die Möglichkeit gegeben, mir ohne Vorwürfe klarzumachen, was er damals durchgemacht hat. Ich konnte fragen: »War das wirklich so für dich?« Und er konnte antworten ohne anzuklagen. Deswegen muss ich meinem Sohn ein ganz großes Kompliment aussprechen: Du warst und bist ein kluger, mutiger Junge. Ich liebe dich sehr und danke dir für deine Kraft und Geduld. Deine Fehler sind meine Fehler.

Es ist für mich also nicht verwunderlich, wenngleich auch schmerzhaft, dass Donald das Haus verlässt. Richtung Argentinien. 11 443 Kilometer Abstand dürften ausreichen, um ein paar heftige Pubertätsanfälle und wichtige Ablösungsprozesse ungehindert nachzuholen. Er selber meinte dazu nur trocken wie Löschpapier: »Mama, stell dich nicht so an. Wenn du mich sehen willst, ist das doch ganz einfach! Du setzt dich in Köln in den Flieger und 17 Stunden später hole ich dich am Flughafen ab – wo ist das Problem?«

Das hörte sich tröstlich an, ich weiß aber nicht, ob mir das reicht in der Stunde des Abschieds. Wir werden sehen. Am Ende hat der Film uns allen wieder dringlich klargemacht, dass nur Hoffnung, Mut, Liebe und der feste Wille, es gemeinsam zu schaffen, unserer kleinen Familie geholfen haben, durch den Sturm zu kommen. Und so wird es bleiben, Kinders. Das ist meine Erkenntnis aus dem Film, die Essenz aus zehn Jahren danach: »Wie schön, dass ich das noch lebendig sehen darf. Wenn ich tot gewesen wäre, hätte ich das doch alles nicht mitgekriegt!«

Abschied vom Kind

»Was ich toll an meiner Mutter finde? Ihren Humor natürlich und ihre Liebe zur Kunst. Ständig sucht sie nach neuem Input, wenn sie mal wieder etwas entdeckt hat, was ihr gefällt und sie dann selber ausprobieren möchte. Grandios war auch, wie sie vor Jahren sich in den Kopf gesetzt hatte, die ganze Familie mit selbst gestrickten Mützen zu versorgen, was natürlich mit dem linken Arm erst mal Utopie blieb. Dann hat sie so lange das Internet nach Strickmaschinen durchforstet und die abstrusesten Strickliesel-Objekte gekauft, bis sie endlich ein Teil gefunden hat, mit dem sie ihren Plan umsetzen konnte. Seitdem friert keiner mehr am Kopf! Das finde ich grandios, diesen unbedingten Willen und diese nach wie vor ungebremste, kreative Energie.«

Donald Köster, Gabys Sohn

Ich glaube, dass eine Liebe zwischen zwei Menschen erst richtig schön ist, wenn man zusammen lachen kann. Ein Leben ohne Lachen ist für mich komplett sinnlos. Wenn eine Mutter ihr Kind anlacht, dann ist das Seelennahrung. Lachen ist Leben – und von meinem Lachen haben glücklicherweise viele gelebt. Auch mein liebes Kind, mein Donald. Aber ohne Tränen geht es im richtigen Leben leider auch nicht. Freude ohne Trauer macht keinen Sinn, Yin ohne Yang, Licht ohne Schatten – ihr versteht mich, oder? Dumm nur, wenn man seit Jahren nicht mehr geweint hat und das geliebte Kind in die weite Welt hinauszieht …

Schon lange Jahre spukte dieser Gedanke in Donalds Kopf herum. Praktisch seitdem das Kind dem Tango verfallen war. Natürlich dem Tango, is ja klar. Hörens, liebe Menschen: Es mag sein, dass es für viele auch ein bisschen Aerobic oder rhythmische Sportgymnastik getan hätte. Oder ein pubertätspickelnder Tanzkursus für Discofox-Freunde. Aber nicht für einen wahren Köster! Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Der Junge hat sein gutes Herz selbstverständlich an die Königsklasse aller Tänze verloren: den argentinischen Tango!

Als er mir das vor Jahren irgendwann einmal mitgeteilt hat, war ich selbstverständlich total begeistert. Kleiner hatte es der Herr Donald natürlich nicht! Argentinischer Tango. Sinnbild für heißblütige Leidenschaft, knisternde Erotik und anmutige Tänzer mit schmachtenden Blicken. Oder wie es der berühmte Dichter George Bernard Shaw leicht subtil ausgedrückt hat: »Tango ist der vertikale Ausdruck eines horizontalen Verlangens.« Zu diesem Verlangen kann ich natürlich wenig sagen, das muss der Junge mit sich und seiner jeweiligen Tanzpartnerin selber ausmachen. Aber sein Verlangen, den argentinischen Tango zu lernen, kochte von Anfang an auf großer Flamme und ließ seitdem auch nicht mehr nach.

Donald besuchte in den letzten Jahren ungezählte Tango-­Workshops, Milonga-Abende, sogenannte Tanzveranstaltungen, und schloss sich dem Don Tango Club Köln an. Ich fand das natürlich gut, warum sollte eine Mutter das auch nicht gut finden? Das Kind hatte gute Noten in der Schule, in seiner Freizeit lungerte er nicht qualmend und Bier süppelnd in irgendeiner dusseligen Disse ab, sondern ging ordentlich tanzen mit seinen Tango-Freunden. Ich konnte ja nicht ahnen, dass den Herrn Sohnemann die argentinische Welt des Don Tango Clubs so faszinierte, dass sich in seinem Herz der Wunsch manifestierte, das Ursprungsland des Tangos zu bereisen. Seine Tango-Lehrer im Club hatten seine Leidenschaft komplett entfacht. Das waren richtig tolle Typen, der Laden war keine Abzocker-Tangohütte, sondern »The Real Deal«. Die Gründerin des Don Tango Clubs, Norma Raimondi, ist sogar neulich in Buenos Aires für ihre unermüdliche Arbeit für den Kulturaustausch zwischen Deutschland und Argentinien ausgezeichnet worden. Es war also nur mehr als logisch, dass mein Donald es von einem gewissen Zeitpunkt an ganz genau wissen wollte: »Ich muss dahin, Mama. Ich muss nach Argentinien. Nur für ein bis zwei Jahre, versprochen. Richtig dort leben, und zwar eben richtig!« Ich verstand: Es ging ihm ums große Ganze! »Don’t cry for me Argentina«, Buenos Aires – einmal mit eigenen Füßen auf den Spuren von Astor Piazzolla und dem Sound seines Bandoneons wandeln. Einmal dieselbe Luft atmen wie Juan Carlos Copes und María Nieves, die weltberühmten Tango­tänzer!

Und wie das so ist, wenn die Teenies den Eltern derartige Wünsche vortragen: Da nickt man freudig und sagt Sachen wie »selbstverständlich, mein Junge« oder »das ist ja eine tolle Idee, das mach auch mal«! Gleichzeitig fragt man sich, wann diese wirre Idee von der nächsten ähnlich leidenschaftlich vorgetragenen abgelöst wird. Das kann sich nämlich genauso ändern wie meine Haarfarbe, dachte ich beim ersten Mal – behielt aber diesen Gedanken für mich. Es gibt nix Schlimmeres als Eltern, die ihren Kindern andauernd die Träume miesmachen mit so unromantischem Gedrisse wie »mal sehen, ob du das in zwei Monaten immer noch gut findest« oder »wie willste das denn bezahlen, Kind?«.

Doch die Jahre vergingen, und die Tango-Leidenschaft blieb. In der Schule lernte der Junge noch zusätzlich Spanisch, und nach dem Abitur begann er relativ zügig ein Physikstudium, was er allerdings genauso zügig wieder hingeschmissen hat. Was mich pihaupt nicht wundert, dieses Studium mit seinen toten Formeln tat ihm nicht gut. Darum war ich sehr begeistert, als Monsieur mir eröffnete, dass er stattdessen lieber eine Ausbildung als Elektriker machen würde. Großartig, dachte ich, wo doch immer mal im Haus was kaputtgeht: ein Lichtschalter, Glühbirnen oder weiß der Kuckuck was. Spaß beiseite, ich habe großen Respekt vor diesem Beruf und dachte mir nur: Liebes Kind, werd bitte ein sehr guter Elektriker, mit Strom ist nicht zu spaßen. Auf der anderen Seite – als Komikerin hat man natürlich gleich die ganzen Elektriker-Witze im Kopf: Vorsicht vor Elektrikern, Mädels – die haben ’nen Kurzen! – Elektriker stehen morgens mit Spannung auf und gehen mit Widerstand zur Arbeit … jaja, ist geschenkt.