Ein Schnupfen hätte auch gereicht - Gaby Köster - E-Book
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Ein Schnupfen hätte auch gereicht E-Book

Gaby Köster

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Beschreibung

Gaby Köster ist wieder da! Und räumt auf! Mit Gerüchten und Lügen über ihre Krankheit. Schonungslos. Wahr und aufrichtig ehrlich. Mit großer Klappe und großem Herz! Laut und lustig. Sensibel und traurig. Eben 100% Gaby Köster. Wie man sie kennt und liebt. Seit Jahren gehört sie zu den bekanntesten und erfolgreichsten Gesichtern der deutschen Comedy-Szene. Aber auf dem Höhepunkt ihrer Karriere passiert das, womit keiner rechnet: Gaby Köster erleidet einen schweren Schlaganfall. Ihre bewegende Geschichte ist die einer Ausnahme-Künstlerin und einer starken Frau, die trotz ihres schweren Schicksals nicht aufgibt und ihre neue Chance im Leben nutzt. Ein Buch, das einen berührt, immer wieder zum Lachen bringt und gerade deshalb so viel Mut macht!

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Seitenzahl: 313

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Gaby Köster

Ein Schnupfen hätte auch gereicht

Meine zweite Chance

FISCHER E-Books

Mit Till Hoheneder

Inhalt

[Widmung]Vorwort zum VorwortEin kleiner Gruß aus der KücheDer erste DachschadenNicht jede Taube bringt FriedenDer zweite DachschadenVom Hölzken aufs StöckskenIm Komaliegen hab’ ich mir ruhiger vorgestelltWiedersehen auf der WieseNix Wiedergeburt, Vertrag verlängert!Gefangen in der GefühlsachterbahnReggae in der RehaklinikDie liebe PresseFreundeFrau Doktor verordnet Ruhe und Urlaub – Bitte!Schräge Vögel in der SüdstadtVom Out ins RadioRudi Carrell oder Wie ich durchs Fernsehen berühmt wurdeRitas Welt vs. Gabys WeltWenn die Mutter mit dem SohneSchule, Karneval, Urlaub – normal kann jeder!Auf eigenen Beinen aus der KlinikVon Jugend und VerschwendungVon fehlenden Armen im AlltagMilchkaffee und die Zigarette danachTills GeschichteGaby Köster sagt Danke:Till Hoheneder sagt Danke:Bildteil

Für Ria und Donald

Vorwort zum Vorwort

So, liebe Menschen. Ihr habt also jetzt die Taschenbuchausgabe meines Buches in der Hand, und das ist auch der Grund, warum unsere Freunde im Verlag gebeten haben, das Vorwort zu aktualisieren. Weil doch so viel Zeit vergangen und so viel passiert ist. Kann ich verstehen, Ihr Schätze! Aber das Vorwort gefällt mir immer noch so gut, dass ich meinem Freund und Mitautor Till gesagt habe: »Das lassen wir einfach so, und ich schreibe einfach ein Vorwort zum Vorwort.« Till meinte nur, dass das ja wohl »kösterischer« wäre als alles andere, und stimmte begeistert zu.

Zuerst einmal muss ich sagen, wie sehr ich mich gefreut habe, mit der Veröffentlichung des Buches wieder in die Öffentlichkeit zurückzukehren. Überall bin ich wahnsinnig herzlich auf- und angenommen worden – das war Balsam für meine Seele! Dass ich natürlich furchtbar aufgeregt bei meinem Comeback im Fernsehen war, muss ich eigentlich nicht erwähnen. Ich hatte einen gefühlten Ruhepuls von 280! Dafür hatten auch alle Verständnis, netterweise! Ich habe vor Stern TV noch mit dem Moderator Steffen Hallaschka gesprochen und ihm gesagt, dass ich furchtbar aufgeregt sei: »Keine Ahnung, was passiert. Kann sein, dass ich heulen muss!« Er sagte nur: »Frau Köster, keine Sorge, das ist überhaupt nicht schlimm, dann heule ich einfach mit.« Das fand ich aber mal super lieb!

Das war wirklich ein irrer Tag für mich, und jetzt kommt es, liebe Freunde des gepflegten Schrittes … zum Mitschreiben: Ich habe alles zu Fuß geschafft, mit Hilfe meiner besten Freundin Michaela an meiner Seite! Vom Auto bis zur Garderobe, von der Garderobe hin zum TV-Studio und den ganzen Jakobsweg wieder zurück. Da war ich aber ganz schön stolz auf mich. Alle Menschen, die mir wichtig sind, waren übrigens dabei und haben mir seelische Unterstützung gegeben! Jonas und Töne, meine Manager. Meine lieben Freunde Hella, Conny und Kalle. Meine Mutter hat die Sendung zuhause vor dem Fernseher verfolgt, es war eben auch schon ziemlich spät am Tag und es wäre zu aufregend für sie gewesen, live dabei zu sein. Witzigerweise waren gerade zu der Zeit auch meine Freunde Anita und Peter aus Ibiza in Köln zu Besuch und saßen im Publikum … Das hat mir auch sehr viel Kraft gegeben. Mein Sohn Donald wollte auch unbedingt mit dabei sein, wenn es wieder losging, und natürlich mein Freund und Co-Autor Till Hoheneder. Mein Gott, war das aufregend! Fakt war: Irgendwann spät in der Nacht bin ich zufrieden, glücklich, müde und dankbar ins Bett geplumpst!

Es ist für mich absolut unfassbar, dass während der Sendung 5000 E-Mails angekommen sind!

Aber immer schön langsam. Vorher will ich Euch noch erzählen, was sonst noch alles im Zuge der Buchveröffentlichung passiert ist. Ich hatte ja schon vorher geahnt, dass meine Rückkehr ins Arbeitsleben kein Spaziergang werden würde, schon gar nicht mit einem steifen linken Bein. Als ich mit Till und Gerd das Hörbuch eingesprochen hatte, war ich am Ende so platt wie ein Wiener Schnitzel vor dem Pfannengang. Wenn man über zwei Jahre an einem Buch arbeitet, um seine eigene Geschichte aufzuarbeiten, bleibt es eben leider nicht aus, dass man immer wieder mit seinem Schicksal konfrontiert wird. Positiv. Aber auch die gerade zart verheilten Wunden drohen unter solch massiver Beanspruchung erneut aufzureißen. Am letzten Aufnahmetag stolperte ich über eine dieser todtraurigen Stellen im Buch, und während ich in meiner kleinen Sprecherkabine saß und las, merkte ich, wie eine warme Welle der Trauer über mich hinwegrollte, meine Stimme versagte und Tränen über mein Gesicht liefen. Im Regieraum hatte Till meinen Gefühlsgau schon vorausgesehen. Er kam in meine Kabine, sagte gar nichts und nahm mich in die Arme. Dann haben wir erst mal zusammen ’ne Runde geheult, und ich sagte in meinem Schmerz: »Wie oft muss ich diese ganze Scheiße eigentlich noch mal durchmachen?«

Till und ich, wir waren am Ende des Buchprojektes im wahrsten Sinne des Wortes echt »fertig« mit dem Buch. Erst das Schreiben. Dann die Verbesserungen. Dann gibt man das Buch ab und bekommt es lektoriert wieder. Also liest man es wieder neu. Komplett. Diskutiert über Sätze, Kapitel, Wörter. Korrigiert und ändert erneut beim Durchlesen. Dann gibt man es wieder ab. Und bekommt vom Verlag die Druckfahnen. Die liest man wieder durch, um zu prüfen, ob alle Änderungen auch richtig geändert wurden. Ich will nicht sagen, dass man dann schon echt keine Lust mehr hat, aber genau das trifft die Sache in des Pudels Dauerwelle! Aber – keinen Ärger aufkommen lassen, schließlich haben wir das ja alles so gewollt.

Als wir dann endlich auch das letzte Kapitel vom Hörbuch eingelesen hatten, waren wir sogar zu fertig, um zu heulen. Out of tears, wie es auf Englisch so treffend heißt.

Das war auch ein interessantes Unterfangen, das ganze Buch bis auf Tills Kapitel selber einzulesen. Und zwar laut, mit Betonung. Nicht ganz einfach mit einem Gehirn, das an einigen Stellen so verödet ist wie die Wüste Gobi. Aber wer hätte es sonst tun sollen? Carmen Nebel? Ilja Rogoff? Uli Wickert? Ich weiß selber, dass das Hörbuch manchmal nicht so klingt wie die alte Gaby Köster. Aber genau das isses ja, darum mache ich es ja selber. Ich kann ja nicht schreiben, dass ich mein neues Leben akzeptieren und annehmen will, und dann jemand anderes meine Geschichte lesen lassen, nur weil ich nicht wie vor dem drisseligen Anfall klinge!

Überhaupt bekomme ich, seitdem das Buch in den Läden steht und ich wieder unter die Menschen gehe, wahnsinnig viel Post. Und weil mein Büro zuhause ziemlich klein ist, habe ich mir mittlerweile große Plastikkisten zugelegt, um die Post zu sammeln. Ich bin selber immer elementar geplättet … Es ist so irre viel Post! Danke an dieser Stelle für die liebevolle Anteilnahme und ermunternden Worte an mich! Außerdem habe ich mich sehr über die Kommentare zu meiner neuen Frisur amüsiert! Andere Frauen verlieren in den Wechseljahren ihre Haare, aber ich bekomme eben welche dazu! Und warum? Weil ich es so schön finde!

Damit kommen wir auch zu den ganzen negativen Kritiken, die man natürlich mit so einem Buch und solchen Haaren auf den Plan ruft. Leider ist das Leben zu kurz für ein langes Gesicht, und deswegen habe ich irgendwann aufgehört, negative Kritiken zu lesen. Leben und leben lassen. Niemand wird gezwungen, mein Buch zu lesen oder eine Fernsehsendung mit mir anzugucken. Hare Krishna, das war das Wort zum Sonntag!

Ich wünsche allen Menschen Glück und Gesundheit und sage noch mal: Danke, danke an alle, die mich bei meiner Rückkehr so liebevoll aufgenommen haben!

Eure Gaby Köster

Köln, im Frühjahr 2012

 

»Till, du Schatz, willst Du nicht auch noch was schreiben?« Ja, liebe Gaby, ich will gerne noch mal der ganzen Welt aufschreiben, wie stolz ich auf dich und unsere Freundschaft bin. Und auf dieses Buch, das so erfolgreich geworden ist, wie Gaby und ich es in unseren kühnsten Träumen nicht zu träumen gewagt hätten. Es war unser erstes Buch und wir waren überall auf Platz 1 der Bestsellerlisten! Ich kann es immer noch nicht richtig fassen. Ein großes Dankeschön an all die Menschen, die so an Gabys Schicksal teilnehmen wollten. Die sich die Mühe gemacht haben, auch mir als Co-Autor Briefe zu schreiben. Diese Briefe und E-Mails haben mich sehr bewegt. Sie waren lustig, offen und immer ehrlich. Manche waren auch sehr traurig und trotzdem hoffnungsvoll – wie das Buch, welches sie inspiriert hat, diese Zeilen an mich zu schreiben. Noch mal: Herzlichen Dank für die Mühen, den Respekt und die ehrliche Anteilnahme.

Ich habe natürlich auch mit Freuden gesehen, wie Gaby sich ihren Weg in den Fokus der Öffentlichkeit zurückgekämpft hat. Wie ihr Motor wieder auf Touren kam und einige fulminante Höchstleistungen vollbrachte: schlagfertig, ehrlich, direkt und keinen Schritt zurückweichend. Lustig, nachdenklich und immer mit Grandezza und Würde. Das ist die Gaby, die ich bewundere und liebe. Und nicht nur ich. Auch meine Familie. Am Dienstag, einen Tag vor Gabys Comeback im Fernsehen wurde Zita eingeschult. Gaby war aufgeregt wie noch nie! Aber mitten im ganzen Comeback-Trubel bekomme ich eine SMS von meiner Freundin: »Lieber Schatz! Toitoitoi für Zita! Einen wunderschönen Tag für Euch!« Natürlich hat sie an Zita gedacht. Gaby Köster hat die wichtigsten Stunden ihres »neuen Lebens« vor sich, aber sie vergisst nicht den ersten Schultag ihrer kleinen Freundin. Diese Frau hat ein Herz so groß wie ein Braunkohlebagger! Unsere Familie hat so oft in der Woche irgendeinen Gaby-Moment: Zitas Lieblingslederjacke? Ein Geschenk von Gaby! Das Lieblings-Vorlese-Kinderbuch »Ab heute sind wir cool!« – natürlich auch ein Mitbringsel von Gaby. Mein Lieblings Stones-Shirt? Von Gaby! Der süße Strampler für Jakob … Dreimal dürfen Sie raten. Sie ist ein fester Bestandteil unseres Lebens. Und das ist einfach großartig. Punkt. Ausrufezeichen.

Till Hoheneder

Hamm, im Frühjahr 2012

Ein kleiner Gruß aus der Küche

So. Jetzt sitz ich hier und denke: Nun, Frau Köster – wie fängt man so ein Buch denn überhaupt an, wenn man sich ins öffentliche Leben zurückmeldet? »Genau, werden jetzt viele sagen – stimmt ja, die Köster war ja lange weg vom Fenster! Die war glaub’ ich schwer krank oder so, ne? Da hat man ja lange nix mehr von gehört, der soll es ja gar nicht gutgehen!« Doch, lieber Leser, es geht mir den Umständen entsprechend sehr gut. Welche Umstände, fragen Sie? Sehen Sie: Darum habe ich dieses Buch geschrieben. Damit ich das mal für Sie und mich selber klar kriege. Schwarz auf weiß sozusagen. Das Schwarze sind die Buchstaben, und von rechts nach links gelesen ergibt sich der Sinn. Hoffentlich. Aber ein Buch braucht natürlich auch einen Anfang. So ne Art Gruß aus der Küche. Natürlich habe ich überlegt und überlegt: Kann das nicht ein anderer schreiben? Wie immer bei Büchern dieser Art hätte ich ja einen berühmten Kollegen fragen können, ob er mir nicht ein tolles Vorwort schreiben könnte! Meinen lieben Freund Mike Krüger zum Beispiel. Oder Hella von Sinnen, die treue Seele. Mein Mitautor Till Hoheneder wäre natürlich auch eine sehr praktische Wahl gewesen – wenn er doch sowieso das Buch mit mir schreibt! Aber das alles hätte bedeutet, dass ich Tauben zum Dom getragen hätte. Möwen nach Helgoland. Oder Flip-Flops für Reinhold Messner besorgt hätte! Nein, mir wurde ziemlich schnell klar, dass ich das selber machen muss. Weil nur ich diese eine Frage beantworten kann, die ich mir selber auch immer stelle, wenn Prominente ein Buch schreiben: Warum? Also stelle ich mir mal selber diese ominöse Frage: Warum schreibe ich dieses Buch? Gute Frage, nächste Frage. Warum, warum, warum? Jetzt mal nicht sauer werden, liebe Leser, aber eins sage ich Ihnen gleich: In erster Linie schreibe ich dieses Buch für mich. Damit ich all diesen Wahnsinn, der mir widerfahren ist, besser verstehen kann. Damit ich mich nicht verliere in Selbstmitleid und Bequemlichkeit. Damit ich nicht kapituliere vor den körperlichen Handicaps. Damit ich hinterher sagen kann: es gibt keine Lauer, auf der ich nicht liege! Damit ich mein altes Leben verabschieden kann und auf dem Weg in mein neues Leben nicht den nötigen Mut verliere. Weil schon der Abschied vom alten Leben so viel Mut erfordert, dass mir manchmal angst und bange wird, ob ich das überhaupt schaffe. Die Resignation ist ein mächtiger Gegner und hat viele Verbündete und Zuspieler: Zeit, Mühe, Entbehrungen, Angst und Depressionen sind die besten Helfer der Resignation. Aber wie soll man sich von etwas trennen, wenn man sich daran nicht erinnert? Bevor man eine alte Kiste aus dem Keller zum Sperrmüll stellt, überprüft man doch auch ganz genau, ob man wirklich alles »wegwerfen« kann und will oder die Kiste gut verschlossen wieder in die Ecke stellt! Aber ich schreibe es in zweiter Linie auch für alle, die mich auf diesem Weg begleiten wollen. Weil ihnen zum Beispiel etwas Ähnliches passiert ist. Weil sie vielleicht ihre eigenen Erlebnisse mit meinen vergleichen wollen. Das mache ich auch gerne, das öffnet oft neue Türen und bringt neue Gedankenansätze.

Ist das Buch also eine Art Autobiographie? Ja, vielleicht. Ich erinnere mich an mein altes Leben und begleite mich selber auf der holperigen Straße in mein neues Leben. Es ist also keine Biographie im klassischen Sinne, die mit meiner Geburt anfängt und meinem ersten Eintrag ins Tagebuch: »Bin noch ziemlich fertig von der Geburt und schlafe sehr viel.« Nein, das ist eine Biographie, die eher im »Kösterschen« Sinne klassisch ist. Also chaotisch. Springend. Widersprüchlich. Lustig. Manchmal habe ich in Erinnerungen gekramt und habe gelacht, bis mir die Tränen gekommen sind. Und habe trauernd weitergeheult, weil viele dieser Erinnerungen zwar zu meinem Leben gehören, aber zu meinem anderen Leben. Mein Herz war manchmal so schwer, weil die Erinnerungen an viele geliebte Wesen zwar noch klar und lebendig auf meiner Festplatte gespeichert waren, aber die Menschen und Tiere, die Hauptdarsteller dieser Erinnerungen schon lange tot sind.

Aber auch die Erinnerungen können sterben. Ich habe so manches Bild mühsam wieder zusammensetzen müssen, was natürlich Fragen aufwirft, die ich mir auch gerne stelle, wenn ich persönliche Erinnerungen lese: Was ist denn jetzt wohl wahr? 95 Prozent? Oder nur 60? Und der Rest wurde schön aufgehübscht bei der Erinnerungsausgrabung und -restaurierung, oder was?

Naja. Das ist so eine Sache. Nur zu gerne mogelt uns unser Unterbewusstsein eine angenehmere oder lustigere Variante einer Szene unter. Kennen wir alle. Ich habe mir echt Gedanken gemacht, ob alles auch hundertprozentig stimmt. Aber hundertprozentig kann ich das eben auf keinen Fall garantieren, das wäre ja auch sowieso blödsinnig. Es gibt immer zwei Seiten einer Geschichte. Aber meiner Meinung sollte es auch gar nicht um die hundertprozentige Wahrheit meines ersten Kindergartentages gehen! Sehen Sie es doch mal so: Wenn alternde Rockstars der sechziger/siebziger Jahre ihre Memoiren schreiben, ich bitte Sie! Leute wie Keith Richards sind über 10 Jahre im tiefsten Drogennebel verschollen gewesen, woran wollen die sich denn bitte da genauestens erinnern? Amüsante Vorstellung, aber nicht sehr realistisch. Egal. Ich lese solche Biographien trotzdem sehr gerne! Weil es nicht um historisch akkurate, genau dokumentierte und wahre Erinnerungen geht, sondern darum, sich ein Gesamtbild von dem Menschen zu machen. Das Gelesene im eigenen Hirn zu einer eigenen »Komposition« zu verschmelzen. Sich hineinzuversetzen in Situationen, Gedanken und Ansichten eines anderen Menschen, für den man Interesse, bestenfalls Sympathie oder aber manchmal vielleicht sogar Abscheu und Ekel empfindet. Das sind eben alles echte Emotionen. Das ist es, warum ich dieses Buch schreibe. Weil ich Emotionen wecken will. Bei mir und Ihnen, den Lesern. Ich versuche »uns« klarzumachen, was mit mir passiert ist und warum.

Angeblich ist das ja mit den sogenannten Promi-Biographien so: Sie leben davon, dass sie angeblich drei Fragen beantworten, als da wären: Wo kommt die Person her? Hat sie ein dunkles Geheimnis? Mit wem war sie im Bett? Tja, liebe Freunde des gepflegten Tratschboulevards, da muss ich schon mal vorwarnen: Ich komme aus dem Bauch meiner Mutter, mein dunkles Geheimnis ist wahrscheinlich mein leichter Hang zur permanenten Zwangsakquise von elektronischen Unterhaltungsgeräten, und mit wem ich im Bett war, werde ich Ihnen bei aller Liebe nicht auf die Nase binden. Weil es uns nicht weiterbringen wird, ganz ehrlich. Also vergessen Sie diese Art von Biographie und folgen Sie mir lieber auf einigen Trips in die Vergangenheit. Denn eines war mir schon vor dem Schreiben klar: Ich kann nicht meinen neuen Lebensabschnitt beginnen, wenn ich nicht den alten aufgearbeitet habe. Ich muss nach vorne gucken, in die Zukunft. Wenn ich mich aber permanent nach hinten umdrehe, weil ich eigentlich nicht so wirklich nach vorne will, dann werde ich mich nach kurz oder lang wieder voll auf die Schnauze legen. Das will ich nicht. Seine Zappeleminenz, Lord Schlauchbootlippe alias Mick Jagger hat das mal so ausgedrückt: »I have no interest in recreating the past.« Will sagen, er möchte seine Geschichte beziehungsweise seine Vergangenheit nicht permanent neu erleben oder von anderen darauf reduziert werden. Weil er sie ja schon kennt. Das kann ich gut verstehen. Es ist gut, neue Wege zu suchen und zu gehen.

Ich muss auch einen neuen Weg finden, meine Straße des Lebens neu entdecken, gestalten und anlegen. Sollte dieses Buch mir und irgendeinem Menschen helfen, sich hierfür neu zu motivieren, dann habe ich mein Ziel erreicht. Was immer auch andere denken und schreiben werden über dieses Buch: Ich hoffe einfach nur, dass jeder Leser sich von diesem Buch in irgendeiner Art inspirieren lässt. Was immer auch dabei herumkommen mag. Die Gedanken sind frei.

So, das hätten wir also schon mal geklärt. Bleibt nur noch die Frage, warum Till Hoheneder dieses Buch mit mir geschrieben hat. Das hat viele Gründe. Ich kann wegen der gelähmten Hand nicht wirklich gut und effizient tippen. Und schnell schon mal gar nicht. Also war mir klar, dass ich jemanden brauche, der mir sehr beim Schreiben hilft. Aber diese Person würde persönliche, sehr intime Dinge von mir erfahren. Das war mir – schon beim reinen Nachdenken darüber – sehr unangenehm. Es musste also jemand sein, der mir nahe und vertraut war. Der sich mit bekloppten Künstlerhirnen auskennt. Der mit meinem Stil klarkommt, und eine für mich moralisch integere Person ist. Der aus den kostbaren Blumen, die ich teilweise unter harten Entbehrungen auf meiner Erinnerungswiese gepflückt habe, einen wunderschönen Strauß binden kann. Und am besten auch noch Künstler und mein Freund ist … und wenn es geht mit dem Sternzeichen Schütze! Ha! Es musste einfach Till sein, denn das alles trifft auf den »Grafen«, wie ich ihn gerne nenne, zu. Till hat mir geholfen, das Unkraut im Beet der Erinnerungen nicht einfach zu ignorieren oder achtlos auf dem Kompost zu verbuddeln. Nein, der »Graf« hat es oft genug auch einfach rausgezogen, um es mir hart, aber herzlich und mit sehr viel Einfühlungsvermögen unter die Nase zu halten. Das war oft nicht einfach. Manchmal hat dieser feinsinnige Gefühlsminenschnüffler auch etwas zwischen den Zeilen gelesen und unaufgefordert aufgeschrieben. Wahrheiten und Erinnerungen aus mir herausgelockt, die ich so leicht nicht hergeben oder beschönigen wollte, weil sie so schmerzhaft waren und immer noch sind. Aber eines habe ich dadurch gelernt: Alles muss raus! Das Gute und das Schlechte. Halbe Zöpfe abschneiden ist keine dauerhafte Lösung! Ängste verlieren einen großen Teil ihrer dämonischen Abgründe und Qualen, wenn man sie ausspricht. Till und ich, wir haben sozusagen einen Teil von mir erfolgreich exorziert! Wir haben zusammen gelacht und geweint, vieles war einfach und vieles dauerte unerträglich lange, weil es in unseren Köpfen erst mal verarbeitet werden musste. Ich weiß, dass Till – um meine Ängste und Nöte emotional nachzuvollziehen und mit angemessenen Worten zu beschreiben – sich selbst nicht gerade geschont hat. Er hat so manches Mal die Grenze des seelisch Ertragbaren mit mir ausgelotet, überschritten und hat mit Tränen bar bezahlt. So wie ich. Dafür danke ich ihm. Und das ist dann auch das eigentlich essentielle Fazit dieses Buches. Egal, was Sie, liebe Leser, über dieses Buch denken und wie Sie das Gelesene empfinden werden – Sie sollten eines wissen: Ich habe mich nicht geschont. Ich habe alles gegeben. Ich habe Ihnen die Fenster zu meinem Herz und meiner Seele geöffnet, und bitte Sie sehr herzlich, sie nach der Lektüre wieder behutsam zu schließen.

Ihre Gaby Köster

Der erste Dachschaden

»Ach, du liebe Scheiße! – Gaby, bitte bleib ganz ruhig!«

Diesen Satz von meinem Freund fand ich noch ziemlich lustig, denn er beinhaltete zwei Aussagen, die sich meistens nicht miteinander vereinbaren lassen! Oder wie sehen Sie das Verhältnis von »Scheiße« und »ruhig«? Ich sollte recht behalten, leider. Unglaublich viele Steine und Dachpfannen vom Vordach meines uralten Bauernhauses auf Ibiza hatten sich nach Hunderten von Jahren entschlossen, sich vom Haus zu trennen, um es sich auch mal auf der Terrasse ein bisschen gemütlich zu machen. Als ich mit Donald auf die Terrasse ging, um das Malheur zu betrachten, verflüchtigte sich meine gute Laune so schnell wie ein Spritzer Parfüm in einer Hallenbadumkleidekabine für Dreibeiner. Einmal zurückspulen bitte, dachte ich noch. Pikloppter als mit diesem drisseligen Drecksdriss konnte der lang ersehnte Urlaub ja wohl kaum anfangen. Dabei brauchte ich die Erholung so sehr wie ein blindes Huhn ’nen Doppelkorn.

In den letzten Wochen vor Weihnachten war mir alles aus dem Ruder gelaufen. Live-Auftritte mit meinem Bühnenprogramm »Wer Sahne will, muss Kühe schütteln«, dazu noch ordentlich Promotion- und TV-Termine – und fertig war ein nervenaufreibendes Reiseprogramm mit schön viel Vor-Weihnachtsstress und wenig Schlaf! Ich möchte allerdings nicht nur stöhnen, denn ich habe schließlich viel Spaß an meinem Beruf, und ich hatte mich auch sehr über den Deutschen Comedy Preis für die beste Künstlerin gefreut! Selbstverständlich haben wir dieses freudige Ereignis auch ausführlich mit einem großen Schrubbeimer Mai-Thai ohne Saft auf der Aftershowparty im Savoy Hotel gewürdigt. Kurzum: Wenn ich also nicht auf der Bühne oder im Fernsehstudio stand, versuchte ich im Auto ein bisschen Schlaf nachzuholen. Was mir allerdings so selten gelang wie Gandhi die unkontrollierte Völlerei, um ehrlich zu sein! Ich habe nämlich wirklich starkes Lampenfieber und schütte vor jedem Auftritt genug Adrenalin aus, um ein Rudel paarungsunwillige Pandabären in einen hyperaktiven Swingerclub zu verwandeln!

Um das Elend komplett zu machen, möchte ich es auch nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass meine Ernährung eine wundervolle Steilvorlage für alle Wissenschaftler war, um zu zeigen, was man tunlichst vermeiden sollte! Es sei denn, wir kriegen noch irgendeinen verstrahlten US-Professor dazu, eine Komplettvernichtung von zwei Tüten Haribo Colorado in 15 Minuten zu einem vollwertigen und sinnvollen Mittagessen zu deklarieren. Zusammengefasst sah mein physischer Zustand vor dem Weihnachtsurlaub folgendermaßen aus: Eine Körperspannung wie ein Pfund Magerquark in ’ner Salatschleuder, unterernährt, dauermüde und charakterlich leicht überspannt. Diese Diagnose erforderte wirklich entspannte und glückliche Weihnachtsferien, gerade beim Blick in den Rückspiegel wird mir das erschreckend klar.

Um beim Rückspiegelbild zu bleiben: Das Unheil klebte schon mit Tempo 200 an meiner Stoßstange, wild blinkend und hupend. Und mir hätte klar sein müssen, dass ich ihm nicht davonfahren konnte, schon gar nicht mit einem völlig überlasteten Motor. HÄTTE – MIR – KLAR SEIN – MÜSSEN!!! Ja, Freunde der gepflegten Beatmusik, hinterher ist man immer schlauer! »Hinterher« habe ich ja auch realisiert man, dass ich die letzten zehn Jahre eindeutig zu oft meinen Motor in den roten Bereich gedreht habe! Tournee, Drehstress, Familie … ich habe immer versucht, mich um alle und alles zu kümmern. Mein Freund Till sagt ja immer gerne, dass ich mich wahrscheinlich noch im Sterben liegend eher um andere kümmern würde als um mich – frei nach dem Motto: »Du armer Schatzek, du siehst ja gar nicht gut aus mit deinem Schnupfen! Entschuldige bitte, ich sterbe gerade und ich hoffe, das stört dich nicht – aber ich kümmere mich sofort um ein Taschentuch für dich … Warte ich hole schnell eins und sterbe dann morgen! Ich mach dir erst mal ’nen leckeren Milchkaffee und hol ’nen Stücksken Kuchen …!« Ich weiß, ich weiß. Aber so bin ich nun mal. Wenn ich gewusst hätte, was passieren würde … hättste, wennste! Habe ich aber nicht. Und außerdem: Im Rückspiegel betrachtet werden Ereignisse, von denen man nach ihrem großen Auftritt oft annahm, sie wären »aus heiterem Himmel, ganz plötzlich und völlig unerwartet passiert«, oft logisch und in ihrer Entwicklung zwingend unausweichlich. Man fährt los mit vollem Tank und plästert mit 250 stundenlang über die linke Spur und auf einmal ist doch tatsächlich überraschenderweise der Tank leer! Wie konnte das passieren? Sehen Sie, so geht es mir auch. Ich habe von 1995 bis 2007 auf der Überholspur gelebt. Ich bin ein Rennen gefahren, bei dem viel auf der Strecke geblieben ist. Warum und wieso? – das lässt sich aus der Distanz immer besser erklären beziehungsweise erkennen. Leider resultiert diese Distanz samt Durchblick oft aus einer großen Katastrophe, einem reinigenden Ungewitter sozusagen.

Aber ich will jetzt nichts vorwegnehmen. Ich versuche auch niemanden anzuklagen oder Schuld in die Schuhe zu schieben. Was passiert ist, ist passiert, und jeder hat seinen Teil dazu beigetragen – das gilt auch für mich. Was mich jedoch sehr erstaunt hat, ist die Tatsache, dass ausgerechnet mein größter Erfolg – die Serie »Ritas Welt« – Segen und Fluch zugleich war. Aber schön langsam mit den hüftsteifen Gäulen. Tasten wir uns langsam an den Abgrund heran und dann noch ein bisschen weiter.

»Ritas Welt« war eine der erfolgreichsten TV-Sitcoms Europas. Die Zuschauerzahlen waren in der Spitzenzeit bei über sieben Millionen pro Sendung. 2002 war in der Glotze höchstens noch »Wetten, dass …?« erfolgreicher. Produziert wurde »Ritas Welt« im Auftrag von RTL von der Columbia TriStar, aus der später dann Sony Pictures wurde. Mit Rita habe ich so ziemlich alles gewonnen, was man im deutschen Fernsehen so an Preisen gewinnen kann: Adolf-Grimme-Preis, Deutscher Fernsehpreis, Deutscher Comedypreis und hast du nicht gesehen!

Falls einer nicht mehr weiß, worum es in der Serie ging, weil er zu der Zeit abends kein Fernsehen gucken durfte. Oder wie einige meiner besten Bekannten – der Graf wird wissen, dass er gemeint ist – in ihrer pseudointellektuellen Ignoranz das Privatfernsehen »als solches« für den Untergang des kulturellen Abendlandes verantwortlich machen, will ich noch einmal kurz den Plot dieser achtundsiebzig Folgen, aufgeteilt in fünf erfolgreiche Staffeln, erläutern: Die Kassiererin Rita Kruse (meine Rolle) arbeitet gemeinsam mit ihrer guten Freundin Gisi, dem Metzger Berni und Lehrling Didi in einer Filiale einer fiktiven Marktkette in Köln-Nippes. Alles könnte eigentlich ganz okay sein, sogar die Arbeit könnte Spaß machen, wenn es da nicht den großen Störenfried und Nervenräuber gäbe: »Filialleiter« Achim Schuhmacher, ein übellauniger, pedantischer Miesepeter, der zu Hause von seiner eigenen Frau ordentlich Ärger bekommt und deswegen in seinem Frust immer wieder gern mit allerlei Vorschriften und Paragraphen seinen Mitmenschen die letzten Nerven inklusive Lebensfreude raubt.

Privat hat Rita vor allem den ganz normalen Alltagswahnsinn mit ihrem Mann und den zwei Kindern zu bewältigen. Ihr Mann Horst ist launisch, aber auch herzensgut; die Tochter Sandra, die später zu einem Auslandsaufenthalt in die USA aufbricht, versucht immer wieder, die Autorität ihrer Mutter zu untergraben, während ihr Sohn Markus mitten in der Pubertät und den damit üblichen Problemen steckt. Kurzum – der ganz normale Wahnsinn oder fast wie im richtigen Leben. Darum war die Serie ja auch so beliebt. Wenn es unrealistisch und klischeestrotzend hätte zugehen sollen, hätte man ja wohl auch eher was »Superweibiges« mit Frau Ferres drehen können. Die fand ich sehr gut in ihrem Film »Die Frau Checkpoint hat jetzt auch einen Charly« … oder werfe ich da was durcheinander? Wahrscheinlich, also verzeihen Sie – wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei meiner kleinen Einführung in »Ritas Welt«, genau! Soweit also der Plot der Serie.

Wenn ich so recht überlege, gab es bei »Ritas Welt« eigentlich von vornherein nur Ärger, Gerangel und intrigante Attacken zwischen allen Beteiligten. RTL wollte mich von Anfang an für die Hauptrolle besetzen, was allerdings auf wenig Gegenliebe bei den Autoren stieß. Die wollten nämlich auf keinen Fall, dass die schrille Frau Ulknudel Köster »ihre Serie« kaputt machte, was in dem üblichen »nur über unsere Leiche«-Gekreische endete.

Wir alle wissen, dass RTL sich durchgesetzt hat. Aber Ablehnung, Misstrauen und Vorbehalte waren somit schon mal auf allen Seiten verteilt und gesät worden, und sie sollten im Laufe der harten Produktionsjahre noch prächtig wachsen und gedeihen wie Unkraut. Selbstverständlich muss man sich immer vor Augen führen, meine lieben Leser, dass Spannungen am Arbeitsplatz durchaus auch positive Auswirkungen haben können, gerade im künstlerischen Bereich. Wenn wir mal ganz hoch greifen wollen: Die Beatles wären sicher nicht so erfolgreich gewesen, wenn es bei aller Freundschaft nicht eine unglaublich künstlerische Rivalität zwischen Lennon und McCartney gegeben hätte … Oder denken Sie nur an Richard Burton und Liz Taylor …, Kinski und Werner Herzog – die Liste ist endlos! Der Erfolg von Ritas Welt hatte viel mit diesen anfänglich sehr kreativen Spannungen zwischen Autoren, Produzenten und hauptsächlich meiner Person zu tun. Aber der aufmerksame Leser stutzt gerade schon richtig: Da steht doch »anfänglich sehr kreativen«? Nachdem »anfänglich« alle war, kam es leider immer häufiger zu psychischen Scharmützeln, die am Ende bei den Dreharbeiten zur letzten Staffel in einen sinnlosen Rosenkrieg führten. Ich will Ihnen mal ein kleines Beispiel geben: Wenn zum Beispiel im Text stand, dass »Rita« den Kleiderschrank ihrer Tochter durchschnüffeln sollte, dann habe ich dagegen ein Veto eingelegt. Weil ich die Ansicht vertrete, dass man das auf keinen Fall machen darf – die Privatsphäre eines Teenagers verletzen! Man darf ja auch nicht vergessen, was für eine Vorbildfunktion so eine Rolle wie die »Rita« hatte! Jetzt sagen Sie nicht: »Das war doch ’ne lustige Comedy-Sendung!« Das war sie ja auch für viele bestimmt »nur«. Es gab aber auch genügend Menschen, die irgendwann geglaubt haben, dass Klausjürgen Wussow gar nicht er selber war, sondern »Professor Brinkmann von der Schwarzwaldklinik«! Und ich war für Tausende einfach Rita Kruse. Ich bin so oft und auch so bestimmt als »Frau Kruse« angesprochen worden, dass es mir gleich klar war, dass Widerspruch zwecklos war: »Frau Kruse, ich habe ja auch so einen Ärger mit der Tochter!« Oder wenn ich im Supermarkt nach dem Preis einer Tüte Saft fragte, da kam meistens nur: »Das müssen Sie doch wissen!« Gerne sagten auch mal die Kassiererinnen zu mir: »Seien Sie froh, Frau Kruse, dass Sie nicht die neuen Scannerkassen haben!« Das Publikum verwechselt eben gerne mal die Schauspielrolle mit der Realität. Und weil ich das natürlich fast jeden Tag erlebt habe, war mir auch klar, dass so eine Schnüffelaktion im Kleiderschrank für viele Mütter eine willkommene Legitimation sein könnte, das Gleiche zu tun. Also habe ich gesagt: »Nein, das werde ich als Person mit Vorbildfunktion nicht drehen.« Zack, Bumm, Basta! Und schon hing wieder der Haussegen schief, und es ging wieder hoch her! Aber die Autoren wollten natürlich von solchen Sachen nichts hören. Die Autoren wurden ja auch nicht im Supermarkt oder auf offener Straße mit »Frau Kruse« angesprochen. Und dabei, liebe Freunde des gestreuselten Kuchens, ging es ja noch nicht mal um Textprobleme! Denn wenn es um Text ging, dann wurde meistens noch heftiger gestritten – mit einem Unterschied: Wurde am Anfang noch zum kreativen Wohl um jedes Wort im Text gekämpft, ging es am Ende immer häufiger nur noch um persönliche Abneigungen, Demütigungen, Macht- und Egospielchen. Jeder wollte dem anderen klarmachen, wer der Chef an der Schüppe ist. Die ganze Reibung, die dieses Produkt so wahnsinnig erfolgreich gemacht hat, die hat schlicht und einfach am Ende auch dafür gesorgt, dass die Arbeitszustände für alle immer unerträglicher wurden. Eins wird mir immer klarer, wenn ich mich an diese Zeit erinnere: Was mich angeht, so war »Rita« sozusagen der erste Eisberg für die Titanic. Aber erst mal Galama – immer mit der Ruhe und eins nach dem anderen.

Nicht jede Taube bringt Frieden

So ein Drehtag für eine TV-Sitcom wie »Ritas Welt« ist kein Kindergeburtstag, sondern anstrengend. Bitte nicht falsch verstehen, Ihr tapferen Malocher auf allen Baustellen dieser Welt. Ich finde es immer etwas unpassend, von harten, anstrengenden und körperlich wie psychisch aufzehrenden Dreharbeiten zu reden, weil ich natürlich weiß, dass wir Schauspieler in den meisten Fällen dafür auch fürstlicher entlohnt werden als der normale Malocher an der Schüppe, ist schon klar. Aber »drehen« ist trotzdem sehr anstrengend, auch wenn man nicht körperlich schuftet! Ich bin kein Zuckerpüppchen und schon mal gar nicht mit ’nem goldenen Schnuller aufgezogen worden, aber die letzte Staffel »Ritas Welt« wurde 16 Wochen lang im Sommer im wahrsten Sinne des Wortes durchgedreht. Am Stück.

Wie sieht so ein Drehtag aus? Drehbeginn war – je nachdem, wann wir nachts aufgehört hatten – morgens zwischen sieben und acht Uhr, und selten waren wir abends vor zwanzig Uhr fertig. Fertig schon – aber nicht fertig mit drehen … ha, kleiner Scherz! Es gab ja auch Verzögerungen, Nachtdrehs und hastdunichtgesehen. Und so war es keine Seltenheit, dass ein Drehtag über 12 Stunden dauerte. Und da ich ja nun mal die Hauptdarstellerin war, hatte ich natürlich jeden Tag am Start zu sein. Woche für Woche, bis die Staffel endlich abgedreht war. Was die meisten natürlich auch gar nicht wissen können, ist die Tatsache, dass nicht etwa schön Folge für Folge chronologisch fertiggedreht wurde. Nein, nein, mein Freund! Alles, was im Supermarkt passierte, wurde hintereinander abgedreht, von vorne bis hinten! Aufgepasst, denn das bedeutet nämlich auch, dass man von Anfang an das ganze Drehbuch können musste und sich nicht Tag für Tag dran entlanghangeln konnte. Also kam man fix und foxi nach Hause und lernte noch mal schnell seinen Text, bevor man stumpf in sein Bett knallte. Gott sei Dank hat mir Donald oft beim Lernen geholfen, so konnten wir wenigsten etwas Zeit miteinander verbringen. Die Mum und mein kleiner Schatz haben mich während der Dreharbeiten so oft besucht, wie es möglich war. Einmal kam Donald sogar mit der ganzen Schulklasse vorbei, das war der Hammer, und wir hatten viel Spaß. Aber letztendlich hat der kleine Mann mich natürlich sehr oft vermisst und hat es in seiner Verzweiflung eines schönen Tages dann auch mal auf den Punkt gebracht: »Hört denn diese ›Rita‹ nie auf?«

RTL hatte die letzte Staffel »Rita« auf den letzten Drücker bestellt, und das hatte Konsequenzen, unter denen wir Darsteller sehr leiden sollten. Die Künstlergarderoben in der Nähe des Studios waren schon an andere Produktionen vermietet worden. Dadurch waren unsere Garderoben gefühlt ungefähr einen halben Tagesritt vom Studio entfernt. Das hört sich jetzt lustiger an, als es war, denn es war wirklich nicht möglich, mal eben schnell auf die Toilette zu gehen, sich auszuruhen oder umzuziehen, da ja aufgrund der Spätbestellung nur noch der Rest vom Schützenfest gebucht werden konnte. Sie kennen ja das alte Sprichwort: Wer nicht bucht zur rechten Zeit, der hat keinen Grund zur Heiterkeit! Also, mal zehn Minuten entspannen in der Garderobe zwischen zwei Takes oder in einer kleinen Drehpause einen schnellen Schlüsselschlaf abschnurcheln – das konnte man schon mal generös abhaken.

Es gab aus denselben Spätbuchergründen seitens des Senders auch keinen Cateringraum. Stattdessen gab es wie auf einer Kirmes eine Art Imbissbudenwagen, der draußen stand und durch das Vordach zwischen zwei Studios nur notdürftig gegen Regen geschützt war. Wenn der Wind aus der falschen Richtung blies, war der Schutz noch nicht mal notdürftig. Gut, jetzt könnte man natürlich befreit aufatmen und sagen: »Wie gut, dass wir immer im Hochsommer gedreht haben!« Blöd nur, dass der deutsche Hochsommer in den letzten Jahren eher an einen milden arktischen Frühwinter erinnert hat und wir meistens Probleme hatten, »Wann wird’s mal wieder richtig Sommer« zu pfeifen, weil die Lippen wegen der Kälte zu spröde waren. Die Krönung des ganzen Desasters übernahmen dann zwischendurch die Tauben, die in unser Essen schissen. Sie können sich also vorstellen, dass sich schon alleine aus dieser Catering-Situation genügend Munition für permanenten Ärger ergeben hat. Die Produktionsleitung wurde obendrein noch von ganz oben angehalten, wegen des straffen Drehplans für die 16 Folgen den vorgegebenen Zeitplan rigoros einzuhalten. Etwaige Einflussnahme auf die Texte wurde nicht mehr geduldet, und folgende Devise wurde ausgegeben: »Die Köster soll gefälligst sprechen, was da steht!« Leider gab es alle Nase lang Textstellen, die zwar im Schriftdeutsch schön zu lesen waren, aber gesprochen – und zwar aus meinem vorlauten Mund – nicht unbedingt Sinn machten. Aber je rüder meine Verbesserungsvorschläge abgeblockt wurden, desto penetranter wurde ich, und so wurde von der Produktion langsam aber immer häufiger die Mär verbreitet, ich würde nur rumzicken, Diva-Theater spielen und somit völlig egoverzogen einen reibungslosen Ablauf der Dreharbeiten sabotieren. So, so.

Nach ein paar Wochen passierte während der Dreharbeiten zur letzten Staffel dann Folgendes: Es häuften sich unerklärliche Krankheitsfälle am Set. Wir kämpften mit Reizhusten, Schnupfen, geröteten und brennenden Augen, Unwohlsein und Erkältungssymptomen. Natürlich dachten wir zuerst mal alle an einen normalen Ringelpietz-Schnupfen – will sagen: Einer schleppt eine Erkältung an und verteilt sie großzügig und ungefragt an alle anderen Mitarbeiter. Aber irgendwie dauerte das alles zu lang für eine normale Erkältung. Vielleicht waren das ja eher allergische Reaktionen? Und so wurden endlich nach langem Drängeln irgendwann mal Fachmänner bestellt, die den Drehort auf eventuelle »Substanzen« checken sollten, die solche körperlichen Reaktionen hätten auslösen können. Alleine, dass so lange damit gewartet wurde, ist schon diskussionswürdig. Weil die ganze Sache ja heruntergespielt wurde nach dem Motto »Frau Diva Köster hat Star-Husten und muss wieder gepampert werden, weil sie sonst nicht richtig arbeiten kann«. Pustekuchen! Die Wahrheit war: Die ganzen Lebensmittel in unserem Studio-Supermarkt waren abgelaufen und fingen munter an, sich blau zu vermehren. Schimmel, Sporen und Pilze überall – in den Dosen, unterm Fußboden, et cetera, et cetera, et cetera! Aber natürlich, Frau Köster hat Star-Husten! Puste-Huste-Kuchen! Der verseuchte »Supermarkt« hat uns die Pestilenzsporen angedreht, so war es und nicht anders!

Sie können sich vorstellen, dass das gesamte Ensemble angesichts dieser schimmeligen Nummer etwas angefressen war und es auch nur eine Frage der Zeit war, bis unter dem Topfdeckel die Suppe langsam durch zu viel Druck explodieren sollte.