Das Leuchten von Lavendel - Hannah Luis - E-Book
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Das Leuchten von Lavendel E-Book

Hannah Luis

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Beschreibung

Duftender Lavendel und die verführerischen Genüsse der Provence

Mit einem ihrer selbst gebackenen Kuchen will Emilia ihren trauernden Großvater auf andere Gedanken bringen. Doch dann findet sie in seinem Keller einen alten Brief mit einer französischen Adresse und einem Herz aus Lavendelblüten, das den Namen Jette umrankt. Von einer Jette hat jedoch noch nie jemand aus der Familie gehört. Ihr Opa weigert sich, darüber zu sprechen. Also reist Emilia in die Provence, um nach der Unbekannten zu suchen. Sie hilft bei der Ernte auf der Lavendelfarm, auf der bereits ihr Großvater in jungen Jahren gearbeitet hat. Verzaubert vom magischen Licht und dem verführerischen Duft, kommt Emilia dem Rätsel des Lavendelherzens schließlich auf die Spur. Als sie dem attraktiven Besitzer der benachbarten Farm begegnet, muss sie sich jedoch fragen, warum ihr eigenes Herz plötzlich schneller schlägt.

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Seitenzahl: 651

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Das Buch

Mit einem ihrer selbst gebackenen Kuchen will Emilia ihren trauernden Großvater auf andere Gedanken bringen. Doch dann findet sie in seinem Keller einen alten Brief mit einer französischen Adresse und einem Herz aus Lavendelblüten, das den Namen Jette umrankt. Von einer Jette hat jedoch noch nie jemand aus der Familie gehört. Opa Walter weigert sich, darüber zu sprechen. Also reist Emilia in die Provence, um nach der Unbekannten zu suchen. Sie hilft bei der Ernte auf der Lavendelfarm, auf der bereits Walter in jungen Jahren gearbeitet hat. Wo der Lavendel in der untergehenden Abendsonne leuchtet und sein unvergleichlicher Duft die Luft erfüllt, verliebt sie sich schließlich Hals über Kopf. Wäre da nur nicht das Geheimnis ihres Großvaters, das ihrem Glück im Wege steht. Wird es ihr gelingen, Vergangenheit und Gegenwart miteinander zu versöhnen?

Die Autorin

Hannah Luis studierte Skandinavistik, Publizistik und Sozialanthropologie in Bochum und Kopenhagen. Nach verschiedenen Stationen in Australien, England und der Schweiz kehrte sie nach Deutschland zurück. Heute lebt und schreibt sie in Essen, aber es zieht sie noch immer regelmäßig in die Ferne. Sie liebt es, Rezepte aus anderen Ländern mitzubringen und zu Hause auszuprobieren.

Lieferbare Titel

Bretonischer Zitronenzauber

Der Duft von Tee und Winter

Hannah Luis

Das Leuchten von Lavendel

Roman

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

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Originalausgabe 05/2023

Copyright © 2023 dieser Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Catherine Beck

Covergestaltung: zero-media.net, München

unter Verwendung von HUBERIMAGES / Susanne Kremer; FinePic®, München

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN: 978-3-641-29955-2V001

www.heyne.de

1

Fünf Anzüge in fünf Grautönen. Vielleicht waren es sogar sieben, denn zwei der Sakkos passten farblich nicht ganz zu den Hosen der Herren. Seit einer kleinen Ewigkeit starrte Emilia abwechselnd auf die im Licht der Decken­beleuchtung glänzenden Stoffe und die Tischplatte im Besprechungsraum, die Frau Wohlgemut am Morgen lange poliert und mit einem Strauß Bartnelken in der alten Firmenvase geschmückt hatte. Der schwache Blumenduft hatte zu Anfang tapfer gegen die Männerparfüms angekämpft, aber schon nach kurzer Zeit verloren. Fast schien es, als würden die Blüten ihre Köpfe hängen lassen, was zu den leeren Wasserflaschen passte, die sich auf dem Tisch verteilten.

Emilias Blick wanderte verstohlen aus dem Fenster, dann zurück zu den Unterlagen und Informationsbroschüren, die sie vorhin säuberlich zusammengeschoben hatte. Gebraucht wurde sie schon lange nicht mehr. Herr Scheller plauderte mittlerweile mit seinen Geschäftspartnern über Golf, erwartete aber, dass sie bis zum Ende des Meetings mit ihrem Tablet neben ihm saß. Vermutlich, weil es ihn wichtiger aussehen ließ. »So.«

Sie spitzte die Ohren. Es war genau der Tonfall, mit dem ihr Chef das Ende eines Geschäftstreffens einläutete. Und wirklich kam Leben in die Runde; die Männer verlagerten ihr Gewicht oder leerten ihre Gläser. Der mit der beginnenden Glatze ihr gegenüber zupfte am Hemdkragen, wie so oft in der vergangenen Stunde. Es war warm im Raum.

»Dann wäre das alles.« Eduard Scheller räusperte sich vernehmlich und stand auf. Die Anwesenden folgten seinem Beispiel. Stimmen wurden lauter, während die letzten Handicaps verglichen und Birdies gepriesen wurden, und man schüttelte sich gegenseitig die Hände.

Auch Emilia erhob sich, strich möglichst unauffällig den Rock ihres Kostüms glatt und erneuerte ihr Lächeln in die Runde, obwohl niemand auf sie achtete. Aber das war in Ordnung, sie war schließlich nicht hier, um Small Talk zu führen, sondern dafür zu sorgen, dass die Kerninhalte und Beschlüsse des Meetings im Anschluss an sämtliche Beteiligten verschickt wurden.

»Sie werden alsbald von uns eine Nachricht erhalten, in der Sie eine Zusammenfassung unseres Gesprächs finden«, sagte Herr Scheller, während er ein Schulterklopfen mit einem Nicken quittierte, in seiner leicht altmodischen Art, die Emilia irgendwie rührend fand. Sein Anzug war von einem hellen Silber und wirkte neben den anderen fast modern. Sicher hatte seine Frau ihn ausgesucht. Anna Scheller legte großen Wert auf die Erscheinung ihres Mannes. Selbst seine sportlich-drahtige Figur hatte er zum Teil ihr zu verdanken, da sie regelmäßig in der Firma auftauchte, eine Sporttasche in der Hand, um ihn mit den Worten »Wenn du das Geschäft noch eine Weile leiten willst, solltest du dich körperlich betätigen!« ins Fitnessstudio zu schicken. Es funktionierte. Ihr Mann war bei bester Gesundheit und würde Wasserbetten Scheller sicher noch viele Jahre leiten.

»Wenn es noch Fragen gibt, wenden Sie sich gern an Frau Finke hier, sie ist ein Urgestein meiner Firma und kann Ihnen in allen Belangen weiterhelfen.« Mit einer eleganten Handbewegung deutete er auf Emilia.

Vier Augenpaare hefteten sich auf sie. Eines wanderte sofort wieder zurück zu Herrn Scheller, doch in den anderen las sie Verwunderung und Unglauben. Was sie nur zu gut nachvollziehen konnte. Hier stand sie, in dieser Phalanx aus Grau, kahler werdenden Köpfen und jahrzehntelangen – wenn nicht halbjahrhundertlangen! – Geschäftserfahrungen, und wurde, gerade eben achtundzwanzig, als Urgestein bezeichnet. Sie war selbst überrascht, dass sie ihren Unwillen darüber herunterschlucken musste. Unauffällig musterte sie ihr Kostüm in Hellgelb mit den weißen Stickereien am Rand und fragte sich, warum ihr dieser Kommentar, der in der Welt ihres Chefs doch ein Kompliment war, so missfiel.

»Frau Finke?«

»Natürlich.« Zwar hatte sie nicht mitbekommen, welche Floskeln soeben noch ausgetauscht worden waren, aber sie kannte die Vorgehensweise in den Meetings ihrer Firma zur Genüge und hätte mit schlafwandlerischer Sicherheit an jedem Punkt der Verabschiedung einsteigen können. Also lächelte sie einen nach dem anderen an und setzte eine professionelle Miene auf. »Sie werden die E-Mail im Laufe des Nachmittags erhalten, zusammen mit dem Informationsmaterial sowie den von Herrn Scheller erwähnten aktuellen Konditionen der Produkte. Melden Sie sich jederzeit, wenn danach noch Fragen offen sind.«

Ihre Worte erzeugten einvernehmliches Nicken in Herrn Schellers Richtung, und dann war das Meeting vorbei. Als die Männer gegangen waren, atmete Emilia auf, streckte sich und gähnte. Frau Wohlgemut betrat mit einem Tablett in den Händen den Raum, ging zum Fenster und öffnete es, ehe sie sich daranmachte, die Tassen, kleinen Flaschen und den natürlich leeren Keksteller vom Tisch zu räumen, während sie die Nase in die Luft hielt und vernehmlich schnupperte.

»Mindestens zweimal Hugo Boss Bottled, einmal Valentino Uomo, und das letzte könnte Chanel sein«, sagte sie im Plauderton.

Emilia grinste. Frau Wohlgemut täuschte sich nur selten bei solchen Dingen. Sie war das wahre Urgestein dieser Firma, hatte bereits ihr zwanzigjähriges Jubiläum hinter sich … und trug Grau. Immerhin mit verspielten Accessoires wie einem Halstuch in Pink- und Lilatönen oder ihrer Lieblingskette mit Holzperlen in denselben Farben. »Wie war es?«

»Wie immer«, sagte Emilia und griff nach ihrem Tablet und den restlichen Prospekten. »Etwas Interesse am Geschäft, aber deutlich mehr an Keksen und Golf. Wobei heute zwischenzeitlich auch Poker diskutiert wurde.«

»Unser Chef wird eben auch nicht jünger«, sagte Frau Wohlgemut und wischte mit einem Tuch, das sie irgendwo hergezaubert hatte, über den Tisch. »Und da er diese Firma führen wird, bis er eines Tages umfällt, braucht er mehr Abwechslung zwischendurch. Geh ruhig, ich mach das hier. Du hast sicher noch genug zu tun.«

»Das ist lieb, danke.« Emilia winkte ihr zu und machte sich auf den Weg zu ihrem Schreibtisch. Herr Scheller – Eduard, wie sie ihn außerhalb der Arbeit nannte, schließlich wäre er beinahe ihr Schwiegervater geworden – hatte sich schon wieder in seinem Büro verbarrikadiert und starrte auf seinen Bildschirm. Die Chancen standen gut, dass er sich ein Golfvideo ansah.

Sie schloss die Tür hinter sich, lief einige Male auf und ab, da sie zu lange gesessen hatte, und warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne schien und ließ den Industriekomplex, in dem sich die Firma befand, gleich viel freundlicher wirken. Die Hecken und wenigen Blumenstauden zwischen den Gebäuden warfen hübsche Farbakzente, und in der Ferne glitzerte der Kanal wie eine Kostbarkeit. Emilia öffnete das Fenster einen Spalt und atmete tief durch. In der Luft lagen die Abgase des steten Verkehrs, aber auch ein Hauch Süße. Nach Feierabend würde sie spazieren gehen und die Sonne genießen, ehe sie für den Videocall mit Diane um sieben Uhr einkaufte.

Ihr Blick fiel auf die Rückwand der Druckerei vor ihr. Grau. So sehr, dass selbst die Sonne nichts Schönes daraus zaubern konnte. »Urgestein«, murmelte Emilia, drehte sich um und ließ sich in ihren Schreibtischstuhl fallen. Sie nahm die Holzente mit der roten Schleife, die sie neben den beiden Monitoren platziert hatte, und drehte sie zwischen den Fingern. Ihr Vater hatte sie ihr geschenkt, als sie nach Münster gezogen war, um ihren ersten Job als Fremdsprachenkorrespondentin bei Schäfer & Wills an­zutreten. Die Arbeit mit Sprachen hatte ihr Spaß gemacht, und daher hatte sie es bedauert, als sich die beiden Partner zerstritten und ihr Büro auflösten. Zu jener Zeit war sie bereits mit Mirko zusammen gewesen, hatte seine Eltern gekannt und sich gut mit ihnen verstanden. Als Eduard ihr einen Job in seiner Firma anbot, hatte sie nicht lange gezögert. Zwar war diese Mischung aus Kunden­betreuung und rechter Hand nicht das, was sie gelernt hatte, aber durch die Anzahl der Geschäftspartner im Ausland konnte sie ihr Sprachtalent einbringen. Zudem gefiel ihr das Familiäre, das ihr damals so passend erschienen war.

Damals, als Mirko und sie noch ein Paar gewesen waren. Aber das war nun – Emilia überschlug die Monate im Kopf – beinahe ein Jahr her. Zwar war es für sie kein Problem, weiterhin mit ihm zu arbeiten, schließlich hatten sie sich friedlich und einvernehmlich getrennt, aber nicht zum ersten Mal überlegte sie, ob das wirklich noch ihr Platz war. Wollte sie hier alt werden, so wie Frau Wohlgemut? Sie liebte Münster und mochte ihren Job, aber die Vorstellung, auch noch in zehn, zwanzig oder auch dreißig Jahren mit Anzug- und Krawattenträgern am Tisch zu sitzen und dann wirklich ein Urgestein zu sein, sorgte für ein unangenehmes Kribbeln in ihrem Bauch. Vor allem, da sie ohnehin niemals hier gelandet wäre, hätte es Mirko nicht gegeben. Nein, dann hätte sie sicher noch eine weitere Sprache gelernt, Spanisch oder Italienisch, was sie nur bruchstückhaft sprach, und vielleicht sogar eine Weile im Ausland gearbeitet.

»Was meinst du? Sollte ich mir Sorgen machen?«, fragte sie die Holzente, die ihren Blick mit frechem Schnabelschwung erwiderte und damit zwar Raum für Interpretationen, aber keine Antworten lieferte. »War das etwa gerade ein Nein? Du nuschelst, Entchen.«

Emilia seufzte, stellte die Ente zurück und bewegte die Maus. Die beiden Monitore erwachten zum Leben, und sie rief das Textprogramm auf, um die wichtigen Punkte des Meetings zusammenzufassen. Sie las gerade über ihre Notizen, als es klopfte.

»Her…« Schon schwang die Tür auf, und sie wusste, dass es Mirko war – jeder andere hätte sie zumindest ausreden lassen.

»Em!«, rief er, noch ehe sie ihn sah, dann knallte die Tür gegen die hintere Wand. Früher hatte sie seinen Enthusiasmus niedlich gefunden, mittlerweile wusste sie, dass er glaubte, andere so beeindrucken zu können. Der energie­geladene, aktive Juniorchef mit der Hands-on-Mentalität, wie man heutzutage so schön sagte. Nur dass Mirko leider mit jedem Jahr weniger Hand anlegte, wenn es um die Firma ging. Emilia hatte ihm um der alten Zeiten willen mehrmals den Hintern gerettet, wenn er bei einer Präsen­tation zu schlecht vorbereitet gewesen war.

»Hallo Mirko.« Sie öffnete die Daten aus der Besprechung und überflog sie noch einmal, während sie im Augenwinkel seine hellblonden Haare schimmern sah. »Kann ich dir helfen?«

Er schwieg so lange, bis sie erstaunt aufblickte. Unsicherheit oder Zeitverschwendung passten nicht zu ihm. Sein attraktives Gesicht hatte etwas von der Urlaubsbräune von vor zwei Monaten verloren, aber die blauen Augen leuchteten noch immer durchdringend.

»Nein, ich wollte dir nur Jana vorstellen. Sie denkt darüber nach, vielleicht bei uns anzufangen.«

Emilia verbarg ihre Überraschung hinter derselben Fassade, die sie zuvor im Meeting aufrecht gehalten hatte. Natürlich wusste sie, wer Jana war. Mirko hatte nie einen Hehl aus seiner neuen Beziehung gemacht, und sie war alles andere als eifersüchtig. Es war nicht so, dass sie sich für ihn freute, das wäre übertrieben, aber es war ihr gleichgültig, mit welcher Frau er seine Zeit verbrachte. Sein Liebesleben spielte für sie keine Rolle mehr. Aber hatte er erwähnt, dass Jana möglicherweise bei Scheller anfangen würde? Sie versuchte, sich zu erinnern, aber die Wahrheit war einfach, dass die Geschichten rund um Mirkos neue Eroberung sie niemals interessiert hatten.

Sie nickte. »Gern.«

Mirko hielt jemandem die Hand hin, schnippte mit den Fingern und zog dann seine Freundin ins Büro. Emilia blinzelte und fragte sich, ob sich ihre Augen so sehr an sanftes Grau gewöhnt hatten, dass schrille Farben momentan schmerzten.

»Hi, ich bin Jana.« Mirkos Neue beugte sich über den Schreibtisch und streckte Emilia eine Hand entgegen. Zum Glück ersparte sie ihr das Klischee eines weiten Ausschnitts, aber dafür war sich Emilia sicher, dass sich unter dem engen Kostüm in Orange und Rot kein BH abzeichnete.

»Emilia Finke, schön, Sie kennenzulernen«, sagte sie und atmete möglichst flach. Frau Wohlgemut hätte vermutlich sagen können, welches Parfum sie soeben einhüllte, sie dagegen wusste nur, dass es zu viel war.

So wie alles an Jana. Sie war groß, sicherlich über eins achtzig, was auch an den Absätzen der knallroten Lackschuhe lag. Ihr dichtes blondes Haar fiel ihr in perfekten Wellen bis zur Taille, an der eine Handtasche baumelte, die recht teuer wirkte. Jana war so gekonnt geschminkt, dass sich Emilia mit Wimperntusche und etwas Lidschatten beinahe unsichtbar vorkam. Sie unterdrückte den Drang, ihre dunkelbraunen Haare zurechtzuzupfen, die sie kinnlang trug, da sie fand, dass sie sonst mit ihrer Stupsnase und den großen Augen aussah wie eine Puppe.

»Ich freue mich auch, Sie endlich kennenzulernen«, sagte Jana und zog ihre Hand zurück.

Emilia starrte auf die sanften Kerben, die von langen, mit Goldornamenten beklebten Nägeln auf ihrer Haut zurückgeblieben waren. »Mirko hat mir schon erzählt, dass er mit seiner Ex zusammenarbeitet und das mit Ihnen ziemlich gut funktioniert. Ich würde mich freuen, wenn ich auch bald Teil der Familie wäre.«

»Kommen Sie aus der Akquise?«

Jana schüttelte den Kopf. »Ich war früher im Vertrieb, aber ich konnte schon immer gut mit Kunden. Mein An­glistikstudium habe ich zwar abgebrochen, aber Englisch bekomme ich verhandlungssicher hin.«

»Super«, sagte Emilia, da sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. Würde Eduard noch jemanden in der Kundenbetreuung einstellen? Dazu war Scheller eigentlich nicht groß genug. Gab es Änderungen, von denen sie nichts wusste? Die ihr sogar gefährlich werden konnten? »Vielleicht sehen wir uns dann ja.«

»Super«, wiederholte Jana, beugte sich zu Mirko und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Na, dann komm mal weiter, Juniorchef, es gilt, noch einige Menschen zu begrüßen, die vielleicht meine zukünftigen Kollegen sind.« Sie winkte Emilia zu, rauschte an Mirko vorbei und war verschwunden.

Er hob einen Mundwinkel und schenkte ihr sein Cowboy-Lächeln. »Wir sehen uns, Em.«

Sie konzentrierte sich bereits wieder auf den Bildschirm – zumindest tat sie so. »Alles klar, bis später.«

Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, stieß sie die angehaltene Luft aus und starrte auf das, was sie soeben geschrieben hatte.

Mhasfnrdj udjoas ofesd öjsqu?

Emilia fragte sich, woher plötzlich dieses dumpfe Gefühl im Bauch rührte. Sie blickte sich um, betrachtete die Holzvertäfelung an den Wänden, den alten Schreibtisch und die Gardinen vor den Fenstern, die sie an ihre Kindheit erinnerten. Das Mobiliar stammte noch aus den Zeiten, als Eduard die Firma aufgebaut hatte. Und nun saß sie hier und kam sich einen flüchtigen Augenblick lang in ihrem hellen Kostüm wie ein Fremdkörper vor.

Vorwurfsvoll schlug sie mit einem Fingernagel gegen die Holzente. »Und du hast gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen.«

»Du kannst nicht einfach Zitronen statt Limetten nehmen!« Dianes Gesicht wurde riesengroß auf dem Bildschirm des Laptops; die Empörung war nicht zu übersehen. »Was ist denn los mit dir, Emilia? Du bist doch sonst so zuverlässig bei den Vorbereitungen. Es heißt schließlich nicht umsonst Himbeer-Limetten-Kuchen.«

Emilia fragte sich selbst, was mit ihr los war. Nach der Arbeit hatte sie sämtliche Zutaten besorgt für das abendliche Bake Off mit ihrer Cousine – so nannten Diane und sie ihre gemeinsamen Online-Backsessions, mit denen sie kompensierten, dass knapp siebenhundert Kilometer sie voneinander trennten. Aber sie war nicht ganz bei der Sache gewesen. Auch den Spaziergang am Kanal hatte sie sich gespart. Stattdessen war sie nach dem Einkaufen nach Hause gefahren, wo sie aus ihrem Bürokostüm und in ihre Wohlfühlklamotten – eine bequeme Yogahose und ein weiches hellgrünes T-Shirt mit einem kunstvoll gezeichneten Entenkopf – geschlüpft war, um dann auf dem Sofa zu liegen und die Decke anzustarren, während die Gedanken in ihrem Kopf kreisten.

»Sie war nicht wirklich unsympathisch, weißt du«, sagte sie und stupste den Puderzucker an, sodass die Packung ein Stück über die Arbeitsplatte schlitterte. »Mirkos Jana. Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass sie bei Scheller anfangen will und er dahintersteht. Ich meine … kann gut sein, dass er es mal in einer Pause erwähnt hat, aber ich habe es nicht abgespeichert. Und auch nicht so recht ernst genommen.«

Diane ließ die Limetten sinken, die sie vorhin noch in die Kamera gehalten hatte, strich ihre blond-braunen Ponyfransen zur Seite und seufzte. »Okay. Reden wir erst mal darüber. Was genau stört dich denn an ihr? Dass sie schrill ist und viel Oberweite hat und du nicht?«

»Nein.« Emilia schüttelte den Kopf und zupfte am Saum ihres Shirts. »Ich meine ja, sie ist schon ein Püppchen, aber nicht auf diese Baywatch-Art.«

»Sie würde dich also nicht retten, wenn du in den Aasee fällst, nachdem jemand dein Tretboot gerammt hat?«

»Schwer zu sagen. Vermutlich schon.« Emilia überlegte. »Sie ist auffällig, aber nicht billig. Im Gegenteil: Alles an ihr ist perfekt gestylt. Und sie hat so eine gute Wirkung auf Kunden, ganz besonders auf die Männer, da sind ihre Quoten hervorragend«, imitierte sie Mirko, der später in der Kaffeeküche natürlich noch die Vorzüge seiner Jana hervorgehoben hatte. »Was, wenn sie nicht nur bei Mirko meine Nachfolgerin sein soll?«

Diane runzelte die Stirn, während sie Mehl abwog. »Wie meinst du das jetzt?«

Emilia öffnete den Mund, um zu antworten, entschied sich dann aber für eine Gegenfrage. »Denkst du, ich bin bei Scheller noch richtig?«

»Hast du Angst, dass sie dich feuern, weil Mirko lieber seine aktuelle Flamme mit im Büro hätte statt dich?«

Sie überlegte. Hatte sie? War das der eigentliche Grund für ihre plötzlichen Bedenken? Eduard und sie arbeiteten nun schon viele Jahre gut zusammen, aber das musste schließlich nichts heißen. Letztlich war jeder ersetzbar. »Das hat zumindest den Ausschlag gegeben, über meinen Job nachzugrübeln, zusammen mit dem Meeting heute. Aber … ich weiß nicht, Di. Seit Jana aufgetaucht ist, frage ich mich viele Dinge. Unter anderem, ob ich auf der Stelle trete. Ob ich irgendwie bei Scheller hängen geblieben bin. Ich meine, wer arbeitet denn in der Firma seines Ex-Freunds, der den Laden eines Tages übernehmen wird, wenn er sich in Zukunft etwas mehr zusammenreißt? Für einen Mann, der mal dachte, dass ich seine Schwiegertochter werde, und mich manchmal noch immer so behandelt?«

Diane zögerte. »Ein wenig schräg ist das schon, ja. Aber es hat dir doch immer ganz gut gefallen. Du kennst dich aus, bist nicht die Neue, der man noch alles beibringen muss, du bist …«

»Ein Urgestein«, sagte Emilia und bekam eine Gänsehaut, da ihre Stimme so tonlos klang. »Ursprünglich wollte ich ja etwas ganz anderes machen. Etwas mit Sprachen und dabei zumindest einen Teil der Welt sehen. Selbst Mirko hat sein Leben verändert und sich Jana gesucht. Ich dagegen wohne noch in unserer alten Wohnung, bin seit der Trennung Single und …«

»Emilia.« Diane schob das Mehl beiseite und konzen­trierte sich wieder auf den Bildschirm. »Was ist los? So kenne ich dich gar nicht. Bisher fandest du die Sicherheit im Job immer wichtig.«

Emilia lehnte sich auf dem Küchenstuhl zurück. »Das ist sie ja auch.« Sie dachte an ihre Eltern, die beide seit vielen Jahren in ihren Berufen glücklich waren – ihre Mutter als PTA in der Königsapotheke, ihr Vater als Optiker. Beide würden niemals aus ihrem hübschen Reihenhäuschen in Senden wegziehen, und Emilia konnte es sich auch nicht anders vorstellen. Nur ihre eigene Reise schien noch nicht zu Ende zu sein, und ein wenig war sie Jana dankbar, sie wachgerüttelt und daran erinnert zu haben – an all die Pläne, die sie früher mal gehabt und nie in die Tat umgesetzt hatte.

»Vielleicht macht mich die Sache mit Jana doch misstrauisch. Vielleicht brauche ich einfach mal einen neuen Impuls im Job, wenn alles andere in meinem Leben gleich bleibt.« Sie massierte ihre Schläfe. »Die Arbeit, die Wohnung … erinnerst du dich daran, dass Mirko auf einer Party mal seinen Namen in den Türrahmen im Schlafzimmer geritzt hat? Der steht noch immer da. Sogar meinen Urlaub verbringe ich jedes Jahr mit meinen Eltern an der Ostsee, wie auch schon als Kind.«

»Du liebst die Ostsee!«

»Aber ich mag andere Orte ebenso gern. Du bist ja auch nach München gezogen.«

Diane verdrehte die Augen. »Und damit ins tiefste Ausland. Ich schwöre dir, ich brauche einen Sprachkurs, da ich die Hälfte von dem, was meine Nachbarin sagt, nicht verstehe. Aber wea ko, dea ko.«

»Ja mei, aber immerhin bist du den nächsten Schritt in deinem Leben gegangen. Ich trete auf der Stelle und weiß nicht, ob ich bald durch den Boden breche.«

»Ich glaube«, sagte Di und betonte jede Silbe, »dass du gerade eigentlich überlegst, was du tust, wenn der alte Scheller zulässt, dass die vollbusige Jana dich aus deinem Büro drängt. Hab ich recht?«

Hatte sie, das wusste Emilia, sobald ihre Cousine es ausgesprochen hatte. »O Gott Di, kann man in meinem Alter schon eine Midlife-Crisis haben? Kein eigenes Haus, keine Weltreise, kein Architektenmann, keine Kinder?«

»Vielleicht solltest du mehr daten.«

Emilia verengte die Augen. »Die letzten drei Verabredungen, auf die Sofie, Nina und du mich geschickt habt, waren eine Katastrophe.« Sie dachte an jene Abende zurück, durch die sie sich gequält hatte, weil ihre Dates entweder die Zähne nicht auseinanderbekommen oder ohne Punkt und Komma über sich geredet hatten. Und über Themen, die Emilia wenig bis gar nicht interessierten.

Diane schüttelte den Kopf. »Vergiss das, man greift eben auch mal daneben. Kommen wir zu dem Punkt mit den Kindern … glaub mir, keine Kinder zu haben ist gar nicht mal so verkehrt.«

»Das sagst du nur, weil du mit deinen zwanzig Wellensittichen ohnehin keine Zeit für welche hättest.«

»Zweiundzwanzig. Markus bekommt allmählich die Krise und betont, wie sehr er es bereut, mit mir zusammengezogen zu sein. Aber sie sind doch so süß, die Kleinen!«

»Das sind sie wirklich«, sagte Emilia und meinte es vollkommen ernst. Ihre Cousine und sie teilten das Faible für Vögel. Wo sie stundenlang Enten beobachten konnte und ihre Sammlung an Gummi-Exemplaren im Bad stattlich zu nennen war, hatte Diane ihr Herz an Wellensittiche verschenkt und fuhr regelmäßig im Tierheim vorbei, um zu sehen, ob es traurige Wellis gab, die ein neues Zuhause brauchten.

»Du hast übrigens meine Frage vorhin nicht beantwortet«, sagte Diane. »Hast du Angst, dass der alte Scheller dich entlässt?«

Emilia griff nach einer Zitrone, rollte sie über den Tisch und überlegte. Im Grunde, bei aller Aufbruchstimmung, liebte sie ihren Job. Vermutlich war ihre Unentschlossenheit gerade nur eine Phase, ausgelöst dadurch, dass sie wusste, wie sprunghaft Mirkos Entscheidungen manchmal sein konnten – und dass sein Vater ihn machen ließ. »Ich hoffe nicht. Eine Kündigung würde sich anfühlen, als hätte ich versagt. Aber ja, alles ist möglich, und deshalb denke ich darüber nach, was ich noch tun könnte. Oder sollte.« Sie legte die Zitrone zurück. »Warum mache ich mir überhaupt solche Gedanken? Sollte ich nicht die Gene meiner Eltern geerbt haben? Mama und Papa sind ja auch zufrieden, wenn alles so bleibt, wie es ist. Das größte Abenteuer in ihrem Leben war der Umzug von Singhofen ins Münsterland vor dreißig Jahren, aber hier machen sie genau das, was sie vorher auch gemacht haben. Mama hat sogar einen Lesekreis eröffnet, weil es in Senden keinen gab. Und er ist wie der in Singhofen dienstagabends! Das ist der totale Gegensatz zu … keine Ahnung, zum Beispiel diesen Leuten auf Instagram, und …«

»Moment.« Ein dumpfer Ton erklang, und das Bild wackelte, als Diane gegen den Monitor klopfte. »Ich komme nicht mit. Welche Leute denn? Ich dachte, du bist nur alle Jubeljahre mal auf Social Media unterwegs.«

Emilia winkte ab und fragte sich, ob sie gerade übertrieb. Im Grunde war ihr Leben doch in Ordnung. Sie hatte einen Job mit netten Kollegen und einem tollen Chef, sie liebte ihre Heimatstadt, hatte Freunde, eine hübsche Wohnung. Gut, sie war Single und musste sich gegen den einen oder anderen Verkupplungsversuch wehren, und Di wohnte seit Neuestem viel zu weit weg. Aber es gab Schlimmeres. »Ich folge da ja eigentlich nur Accounts, die mit Backen zu tun haben, aber seit Kurzem auch zweien, die um die Welt ziehen und die schönsten Unterkünfte fotografieren, in denen sie übernachtet haben. Da sind wirklich süße Sachen dabei. Letztens waren sie in einem riesigen Zelt mit unzähligen Laternen und Lichterketten an der Mosel und davor in einer kleinen Holzhütte mit wunderschönen Schnitzereien am Waldrand irgendwo in der Eifel. Vor ein paar Monaten haben sie Fotos aus Spanien gezeigt.« Sie winkte ab, da sie selbst hörte, wie sehr sie gerade schwärmte. Wie ein frisch verliebter Teenager. »Ich glaube, ich muss einfach wieder in den Urlaub fahren. Die letzten Male sind einfach zu lange her, und da habe ich Mirko kaum vom Pool wegbekommen. Manchmal würde ich am liebsten losziehen und eine Weile irgendwo bleiben, um herauszufinden, wie es ist, in einem anderen Land zu leben. Vielleicht nächstes Jahr, wenn es Opa Walter wieder besser geht.«

Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie seit der Trennung nicht mehr im Ausland gewesen war. Immer hatte sie etwas anderes hier gehalten – zunächst hatte ihr Vater sich das Bein gebrochen, dann hatte sie Di beim Umzug geholfen, und dann war für sie alle überraschend Renate gestorben, die Lebensgefährtin ihres Opas. Schlaganfall. Seitdem tauchte die Familie regelmäßig in Singhofen auf und leistete ihm in seinem kleinen Reihenhaus Gesellschaft, wenn die Welt zu trüb wurde, um allein zu sein. Im Wechsel war das selbst auf die Entfernung hin gut machbar, und in der Woche sahen die Nachbarn bei Walter nach dem Rechten. Vor allem sein Freund, der alte Franz Meißner von gegenüber, hatte sich seine täglichen Besuche zur Gewohnheit gemacht.

Di grinste. »Klingt ganz so, als hättest du neben den ­Genen deiner Eltern auch eine gute Portion von Opas ­abbekommen. Das könnte der Grund für dein Dilemma sein.«

»Ich und Opa Walters Gene? Du meinst, dass ich eigentlich eine Lehre als Tischlerin machen und für eine Weile nach Frankreich gehen will, so wie er damals?«

Di hob eine fein geschwungene Augenbraue und legte den Kopf schief. Es ließ sie verschmitzt wirken. »Ich ver­suche gerade, es mir vorzustellen. Zieh doch einfach demnächst einen Blaumann an, dann kann ich dir vermutlich mehr dazu sagen.«

»Nur weil die Dacharbeiten bei euch gegenüber nun abgeschlossen sind und du in deiner Freizeit keine Handwerker mehr beobachten kannst? Vergiss es.«

»Erwischt«, sagte Diane und schrie auf, als sich die Küchentür öffnete und ein Wellensittich hereinflatterte. Der fluffige gelbgrüne Federball kreiste kurz über dem Tisch, um dann vom Monitor zu verschwinden. »James Bond! Was treibst du hier?«

Ihr Freund Markus erschien, sichtlich gestresst mit einer Pappschachtel in der Hand. »Er ist beim Füttern entkommen. Und dafür, dass ich das übernehme, damit du gemeinsam mit deiner Cousine backen kannst … hi Em!« Er winkte in die Kamera, und Emilia winkte zurück. »Dafür hätte ich gern ein Stück Torte. In spätestens anderthalb Stunden, dann muss ich nämlich zur Spätschicht.« Er stellte die Schachtel ab und fing den Vogel behutsam mit beiden Händen ein, ehe er wieder verschwand.

»Also gut«, sagte Di und wedelte mit einer Limette. »Du hast es gehört. Themenwechsel! Bake Off! Markus und James Bond waren ein Zeichen, um endlich anzufangen. Und am Wochenende sehen wir uns ja sowieso, oder?«

»Natürlich, ich muss Samstag nur kurz etwas bei meiner Arbeitskollegin abliefern und fahre anschließend los. Wenn alles glatt läuft, bin ich am frühen Nachmittag bei Opa Walter.«

Di sah zufrieden aus. »Super. Lass mich bloß nicht hängen, Markus muss nämlich arbeiten, und ich habe keine Lust, diesen Keller allein auszumisten. Das würde Tage dauern!«

»Keine Sorge. Du wirst dich all den Spinnen da unten nicht ohne Hilfe stellen müssen«, sagte Emilia, in Gedanken bereits halb bei der Frage, ob sie den Kuchen wirklich mit Zitronen variieren sollte.

Ein Zeichen. Genau das war es, was sie brauchte.

2

Emilia atmete auf, als sie vor Opa Walters kleinem, gemütlichem Haus stand, an dem das Efeu dringend gestutzt werden musste. Seit Renates Tod hatte er – hatten sie alle – ­solche Dinge vernachlässigt, aber das war in Ordnung. Erst einmal würden sie dafür sorgen, dass Opa Walter den Verlust verarbeitete, alles andere konnte warten.

Sie lockerte Arme und Beine, da ihr die lange Fahrt in den Knochen steckte, klingelte und lächelte, als sie Diane aus dem Inneren hörte. Sie freute sich auf das Wochenende, auch wenn die Stimmung nicht immer fröhlich sein würde. Aber die vergangenen Tage waren die schlimmsten gewesen, die sie jemals bei Scheller erlebt hatte, und sie musste auf andere Gedanken kommen. Zwar waren ihre Befürchtungen nicht eingetreten – man hatte ihr keine Kündigung ausgesprochen –, aber selbst das wäre besser gewesen. Nein, Mirko und sein Vater hatten sie vorgestern ins Meeting gebeten und ihr die neuen Abteilungspläne vorgestellt.

In denen sie nicht mehr vorkam.

Stattdessen hatte Mirko versucht, ihr einen Platz am Empfang zu verkaufen. »Es hat in der Vergangenheit einige Schwierigkeiten und Fehlinformationen gegeben, und mit einer erfahrenen Kraft wie dir, die die Firma in- und auswendig kennt, würden wir so etwas in Zukunft vermeiden.«

Mit anderen Worten: Man plante, sie zur Sekretärin zu degradieren, und sie ahnte den Grund bereits, ehe sie den Namen an der Stelle im Organigramm las, an der ihrer stehen sollte: Jana Schumann.

Eduard Scheller war das Ganze sichtlich unangenehm gewesen, und er hatte mehrmals betont, dass sich ihr Gehalt in der neuen Position selbstverständlich nicht verringern würde. Emilia hatte dazu geschwiegen, da sie vor allem perplex gewesen war. Und auch wenn sie es ihrem Chef gegenüber noch nicht ausgesprochen hatte, war ihr klar, dass sie nicht mehr in der Firma bleiben konnte. Nicht, wenn sie täglich Jana begegnete, die nun ihre Aufgaben übernahm, während sie selbst Telefondienst schob und Dienstreisen für die anderen buchte.

Die Tür öffnete sich und riss sie aus ihren Gedanken. Emilia starrte in Opa Walters Gesicht – und erschrak. Er sah so dünn aus, so zerbrechlich! Bei ihrem Besuch direkt nach Renates Tod und den Videoanrufen war ihr das nicht so stark aufgefallen, doch seither schien er weiter abgebaut zu haben. Auf seiner stets braunen Haut lag eine ungesunde Blässe, die zahlreichen Falten hatten sich vertieft, und sein Blick war nicht mehr so entschlossen wie sonst, sondern hilflos. Haltsuchend. Als hätte er nicht nur seine Lebensgefährtin, sondern sich selbst verloren.

»Opa«, sagte Emilia und war selbst erstaunt, wie erschrocken sie klang.

Er versuchte ein Lächeln, doch seine Lippen zitterten. Ebenso wie seine Hand, als er sich über den Kopf fuhr, wo das weiße Haar wie das Efeu zu lang geworden war. »Emilia. Ich freue mich so, dich zu sehen.« Seine Stimme brach, und als ihr sonst so starker Opa versuchte, die Fassung zu bewahren, traten ihr die Tränen in die Augen.

»Ich freue mich auch«, sagte sie, blinzelte und versuchte ein Lächeln. Im nächsten Moment nahm er sie in die Arme, tätschelte ihren Rücken und hielt sich doch an ihr fest.

Sie legte den Kopf an seine Schulter, wie sie es so oft getan hatte, wenn es ihr nicht gut ging. Nur achtete sie dieses Mal darauf, ihn zu halten. »Ich bin da«, flüsterte sie, als ein Beben durch seinen Körper lief. In ihrem ganzen Leben hatte sie ihn nur zweimal weinen sehen.

Eine Weile standen sie reglos, bis Opa Walter sich von ihr löste und verstohlen über seine Wangen wischte. »Na, dann komm rein und trink einen Kaffee, damit wir den Nachbarn hier draußen keine Vorstellung liefern und deine Cousine ungeduldig wird.«

»Ich bin schon ungeduldig!«, schallte es aus der Diele und schickte ein Lächeln auf Emilias und auch Opa Walters Gesicht. Doch, das Wochenende würde ihnen guttun. Ihnen allen dreien.

»Da hat sich was bewegt!« Diane wich zurück und deutete auf den Boden.

Emilia betrachtete den Bereich, doch sie fand nichts bis auf Regale, in denen Schachteln und Dekorationen lagerten, sowie größere Kartons und Plastikkisten am Boden. Renate hatte dafür gesorgt, dass hier unten Ordnung herrschte; selbst der Werkzeugraum war vorbildlich auf­geräumt. Aber sie hatte auch im Laufe der Jahre viel angesammelt und sich nur schwer von Dingen trennen können. Opa Walter hatte stets betont, dass Renate und seine erste Frau Marie – Emilias und Dianes Oma, die leider kurz nach der Geburt von Emilias Vater verstorben war – nicht unterschiedlicher hätten sein können. Und obwohl er noch immer trauerte, hatte er entschieden, sich von einem Teil hier unten zu trennen. Vielleicht konnte er den Abschied von Renate besser verarbeiten, wenn ihn nicht alles an sie erinnerte.

Die Traurigkeit kam in Schüben, und nachdem sie sich zu dritt ins Wohnzimmer gesetzt sowie einen ersten Kaffee getrunken hatten und die Unterhaltung lebhafter geworden war, hatte ihr Opa sich wieder entspannt und sogar gelächelt. Es gab eben nichts Heilsameres als die Gesellschaft lieb gewonnener Menschen. Kurz darauf hatten sich Emilia und Diane zum Entrümpeln aufgemacht.

»Da ist nichts«, sagte Emilia. »Überhaupt ist das hier einer der ordentlichsten und hellsten Keller, die ich je gesehen habe. Keine Ratten, keine Spinnen. Na los, nehmen wir uns die großen Kartons vor.« Sie griff nach dem ersten und öffnete ihn. »Klamotten. Die können wir nachher zur Altkleidersammlung bringen.«

Diane beobachtete sie eine Weile, machte sich dann aber ebenfalls wieder an die Arbeit. »Ach du meine Güte, das sind meine alten Zeichenmappen. Ich wusste nicht, dass die noch existieren.« Sie zog sie hervor und begann zu blättern.

Nachdem sie drei Kartons voller Kleidung beiseitegestellt hatten, schrie Diane auf.

Emilia fuhr herum. »Eine Spinne?«

»Ein Koffer.« Di schwenkte ein antikes Modell, das an den Ecken völlig abgenutzt war. »Der ist noch aus Hartpappe. Wie alt mag der wohl sein?«

Emilia trat näher. »Schwierig zu sagen. Fünfzigerjahre? Sechzigerjahre?« Der Metallgriff war noch intakt, eines der beiden Schlösser jedoch abgebrochen.

Di schüttelte ihn. »Da ist was drin.« Sie legte ihn auf den Boden, öffnete das zweite Schloss und klappte ihn auf. Zunächst dachte Emilia, sie hätten sich geirrt und er wäre leer, aber dann entdeckte sie die Papiere, die halb vom Innenfutter verdeckt wurden, das sich an einer Seite gelöst hatte. »Das ist ein Umschlag.«

Behutsam griff sie danach. Er fühlte sich brüchig und alt unter ihren Fingern an und flüsterte ihr von Zeiten zu, in denen sie noch nicht geboren war. Der Name des Empfängers war verwischt und mit der Zeit verblasst, lediglich das in geschwungener Schreibschrift verfasste France war zu lesen. Opa Walters Name prangte als Absender in der linken oberen Ecke. Emilia drehte den Brief. »Verschlossen. Aber die Poststempel stammen aus Deutschland und Frankreich. Der muss damals zurückgekommen sein. Das hat sicher irgendwas mit Opas Zeit als Tischler in der Provence zu tun.«

»Seltsam«, sagte Di. »Sollen wir ihn öffnen?«

»Nein, das müsste er schon selbst machen.«

»Hm.« Di kämpfte eindeutig mit ihrer Neugier. »Sieh mal, da ist noch mehr.« Kurz darauf streckte sie Emilia zwei Papiere entgegen. In der Mitte des ersten war ein Herz zu sehen.

»Sind das getrocknete Blüten?« Emilia hielt das Blatt schräg, damit die Sonne durch das kleine Gitterfenster darauf fallen konnte.

»Bingo!« Diane wackelte mit den Augenbrauen. »Ich präsentiere: ein aus Lavendelblüten geklebtes Herz.«

»Und was steht da in der Mitte?« Sie tastete über die Bögen und Schwünge, die an vielen Stellen bereits Lücken aufwiesen. Die Blüten hatten im Lauf der Jahre an Farbe verloren, waren teilweise zerfallen, und auch jetzt rieselten feine Partikel im Licht zu Boden. »Jette? Ja, da steht eindeutig Jette.«

Diane runzelte die Stirn. »Ist das nicht ein Frauenname?« Ehe Emilia antworten konnte, zückte sie ihr Handy und tippte darauf herum. »Ha, ich wusste es! Das Internet sagt, er ist althochdeutsch und die Kurzform von Henriette.« Sie machte große Augen. »Oha. Denkst du, es gab damals eine Frau vor Oma Marie?«

Emilia zuckte die Schultern und wandte sich dem zweiten Papier zu. Es war mit wenigen Zeilen auf Französisch beschrieben. Die Übersetzung bereitete ihr keine Probleme, aber sie brauchte einen Moment, um die mit Schwüngen versehene, altertümliche Schrift zu entziffern. »Das ist eine Art Bestätigung über … Arbeit?« Sie las das Ganze noch einmal. »Das ist ja seltsam. Hier schreibt ein gewisser Jacques Borel, dass Opa zwei Monate lang als Helfer auf seiner Lavendelfarm in Monieux war. Vielleicht ist das eine Art Arbeitszeugnis?« Das war ihr neu, und sie versuchte, es mit dem zu verknüpfen, was sie über die Zeit wusste, in der ihr Opa im Ausland gewesen war.

Walter hatte Deutschland mit siebzehn verlassen und war erst nach knapp zwei Jahren zurückgekehrt. Noch immer schwärmte er von der Landschaft, die ihm damals wie eine andere Welt erschienen war, erzählte von seinen Aufträgen und Arbeiten. Nur eine Lavendelfarm hatte er nie erwähnt. Als Emilia klein gewesen war, hatte er ihr einige Sätze auf Französisch beigebracht. Je veux un biscuit – ich möchte einen Keks, oder Mon nounours s’appelle Monsieur Bummel – mein Teddy heißt Herr Bummel. Was man als Kind eben so benötigte. Die französischen Wörter und Floskeln waren sicherlich einer der Gründe, warum sie sich in diese Sprache verliebt hatte und Fremdsprachenkorrespondentin geworden war. Und manchmal, wenn sie das Fernweh befiel, sah sie sich einen Film auf Englisch oder Französisch an.

»Vermutlich hatte er auf dieser Lavendelfarm einen Auftrag als Tischler«, sagte Diane. Es war eine logische Erklärung.

»Nein.« Emilia las die wenigen Zeilen ein drittes Mal. »Hier steht eindeutig, dass er bei der Ernte geholfen hat. Davon hat er nie erzählt.«

Diane zuckte die Schultern. »Vielleicht Gedächtnis­lücken.«

Emilia glaubte nicht, dass er dieses Detail schlicht vergessen hatte. An alles, was weit in der Vergangenheit lag, erinnerte er sich sehr gut. Mit der Gegenwart sah das schon anders aus; manchmal vergaß er Dinge, aber teilweise schob er auch nur sein Alter vor, wenn er sich schlicht nicht erinnern wollte. Wie zum Beispiel, wenn es darum ging, die Spülmaschine einzuräumen. »Warum hat er die Papiere im Koffer aufbewahrt?«, murmelte sie.

Diane richtete sich abrupt auf. »Vielleicht hat diese Jette auch dort gearbeitet, auf dieser Farm, und so haben sie sich kennengelernt. Oder aber er hatte heimlich was mit der Eigentümerin und musste deswegen gehen.«

Emilia verdrehte die Augen. Das war typisch Di. Jeder neue Nachbar war mindestens ein Spion, und an jedem Hundehalsband vermutete sie eine Kamera. Nicht, weil sie paranoid war, sondern weil sie die Vorstellung liebte, sich in einem Action-Abenteuer zu befinden. Auf ihrem Film-Pflichtprogramm standen jedes Jahr die Mission-Impossible-Filme mit Tom Cruise sowie die Jason-Bourne-Reihe. »Das mit der Eigentümerin kann ich mir kaum vorstellen, dafür ist er viel zu vernünftig. Meinst du, wir sollen ihn auf das hier ansprechen?« Sie schwenkte die Zeilen von Monsieur Borel. Ganz sicher war sie sich nicht. Vielleicht war es keine gute Idee, Opa in seiner Trauer um Renate mit Dingen aus der Vergangenheit zu konfrontieren, über die er bisher nicht geredet hatte. Dafür musste es schließlich einen Grund geben. Vielleicht war Jette wirklich eine Frau, die er mal gekannt hatte – und sie wollte im Moment keine weiteren schmerzhaften Erinnerungen wecken.

»Ich weiß ja nicht, was er mit dieser Farm verbindet, aber es würde ihn auf jeden Fall ablenken.« Di schien ihre Bedenken erraten zu haben. »Vielleicht lebt diese Jette ja auch noch, die beiden könnten wieder Kontakt aufnehmen und über die alten Zeiten reden. Wenn wir ihm unseren Fund zeigen, kommt er auf andere Gedanken. Du weißt schon, schöne Erinnerungen, die er vielleicht schon vergessen hat und die ihn aufheitern. Von Frankreich hat er doch immer gern erzählt.«

Emilia überlegte. »Du hast recht. Einen Versuch ist es wert.«

»Super«, sagte Di und sprang auf. »Ich hätte es eh nicht mehr lange in diesem Keller ausgehalten, und außerdem habe ich Hunger.« In der nächsten Sekunde war sie auch schon an der Treppe. Emilia schüttelte grinsend den Kopf, betrachtete noch einmal den Koffer und folgte ihr.

Drei Stücke in zwölf Minuten. Opa Walter war der unangefochtene Sieger, wenn es darum ging, Gebackenes zu vernichten. Normalerweise teilte Emilia seine Vorliebe für Süßes und liebte es, sich mit einem guten Stück Torte zurückzulehnen. Nur jetzt fühlte sie sich, als würde sie auf glühenden Kohlen sitzen.

Diane und sie hatten frischen Kaffee gekocht, die Torte angeschnitten und ihm anschließend ihren Fund gezeigt. Zu ihrem Erstaunen hatte er beinahe sofort abgelenkt, nachdem sie ihm das von Monsieur Borel verfasste Dokument vor die Nase gehalten hatten. Den Brief und das Lavendelherz hatte er nicht mal ansehen wollen. Jetzt saßen sie hier, und Emilia grübelte, ob Opa Walter ihre Fragen ignorieren würde, bis sie wieder fuhren.

Er nahm den letzten Bissen Limettentorte, legte die Gabel ab und starrte auf seinen Teller. Emilia sah ihm an der Nasenspitze an, dass er wusste, sie und Diane würden nicht lockerlassen – und dass er keine Lust auf dieses Gespräch hatte.

Sie schüttelte den Kopf. »Opa, ich verstehe nicht, warum du ein Geheimnis aus Dingen machst, die vor so vielen Jahren passiert sind. Solange du niemanden umgebracht hast und in Frankreich polizeilich gesucht wirst, ist doch alles in bester Ordnung.«

»Nichts ist in Ordnung«, brummelte Walter und tastete über seinen Kopf, als wollte er sein Haar kontrollieren. Wenn er auf eines stolz war, dann darauf, auch mit dreiundachtzig Jahren noch keine Glatze zu haben. »Erst versprecht ihr zwei, mir zu helfen, aber dann wühlt ihr in meinem Privatleben herum und bringt Chaos in die Bude!«

»Chaos in die Bude?« Diane klaute sich eine Himbeere. »Komm schon, du bist doch froh, wenn es da unten leerer wird. Vorhin hast du noch gesagt, es wäre kein Wunder, dass du dich alt fühlst, wenn du mit so viel Vergangenheit unter einem Dach lebst.« Ihre Stimme war ungewohnt sanft, als sie sich vorbeugte und eine Hand auf seine legte. »Du hast immer so von der Zeit in Frankreich geschwärmt. Und eine Lavendelfarm in der Provence – das ist doch toll. Ich würde auch gern mal eine besichtigen, das muss unglaublich romantisch sein!« Sie seufzte entrückt und erzeugte ein Augenverdrehen bei Opa Walter.

»Es ist nicht immer alles so wie in deinen Filmen«, sagte er streng. »Sondern oft harte Arbeit.«

Emilia und Diane warteten, aber er schien nicht gewillt, noch mehr preiszugeben. Immerhin war die Trauer in seinen Augen durch die Strenge und leichte Empörung verdrängt worden, und wenn sie sonst nichts erreichen würden, war das schon ein Erfolg. Schließlich waren sie nicht nur wegen des Kellers hier, sondern auch, um ihm Gesellschaft zu leisten. Nach so vielen gemeinsamen Jahren war Einsamkeit sicher nicht leicht zu ertragen, und ihr Besuch hatte den erhofften Effekt: Opa Walter fand zu seiner alten Energie zurück.

»Na komm«, sagte Emilia sanft. »Nun ist die Katze doch schon aus dem Sack.«

Walter zupfte an den kurzen Ärmeln seines Hemds. »Ihr gebt ja eh keine Ruhe. Habt ihr denn nicht genug mit euren eigenen Leben zu tun?« Als beide ihn nur weiter anstarrten, seufzte er. »Ich bin durch einen Auftrag als Tischler nach Monieux gekommen. Wollte etwas von der Welt sehen, wie das in der Jugend nun einmal so ist. Dort habe ich Jacques Borel kennengelernt. Ihm gehörte die Farm, er suchte Helfer, also bin ich geblieben.«

»Warum?« Manchmal brachten die einfachsten Fragen die größten Wahrheiten zutage.

Walter schüttelte den Kopf, ungehalten darüber, in diese Sackgasse gedrängt worden zu sein. Aber dann schweifte sein Blick in die Ferne, als würde sich ein weiteres Fenster in der Wand auftun, das bis in die Vergangenheit reichte. »Weil …« Etwas veränderte sich in seinem Gesicht. Wurde weicher. Sehnsüchtiger. »Weil ich mich wohlgefühlt habe. Eigentlich war ich nur neugierig und habe nicht wirklich geglaubt, dass mich so etwas reizen würde. Ich war doch Tischler! Und stolz auf mein Handwerk. Jacques hatte mich für sieben Uhr am Morgen bestellt. Um die Zeit fuhr ein klappriger, kleiner Bus, und den Rest des Wegs musste ich laufen. Aber die Luft war klar, die Sonne schimmerte bereits, und das Gelände ist nur moderat angestiegen. Und als ich dann den ersten Blick auf die Felder geworfen habe …« Er lächelte. »So schöne Farben habe ich selten gesehen. All dieses Lila und Grün, und in der Ferne hat der Himmel den Horizont weichgezeichnet. Ich habe mich etwas verspätet, weil ich lange herumgestarrt und überlegt habe, ob man die Details beim Malen so hinbekommen kann. Dabei war ich damals noch ein zügiger Wanderer.«

Emilia hatte ihren Opa selten so sehr von etwas schwärmen hören. Es waren nicht mal seine Worte, sondern die Wärme darin, die immer wieder aufs Neue vibrierte. Sie weckte eine altbekannte Sehnsucht in ihr.

»Das klingt wunderschön«, sagte sie leise.

Walter nickte. Die silbrigen Funken glitzerten noch kurz in seinen Augen, bis er die Schultern straffte und in die Gegenwart zurückkehrte. »Ja, das war es auch. Aber diese Zeit ist vorbei, und ich war immer sehr glücklich hier in Singhofen.«

Sie erinnerte sich an das, was er soeben über die Farben der Lavendelfelder gesagt, wie er sie beschrieben hatte. »Hast du gemalt, als du in Frankreich warst?«

Ein Hauch des Lächelns kehrte zurück. »Ich konnte gar nicht anders. Aber ich habe alles drüben gelassen, als ich zurück nach Hause gegangen bin. Es war nicht die Zeit, unnötiges Gepäck mit sich herumzuschleppen. Damals war das nicht so leicht wie heute, und ich hatte auch kein Auto.«

Emilia dachte an ihre Kindheit. Opa Walter hatte hin und wieder draußen vor dem Haus gesessen, kurz vor Sonnenaufgang, und die Landschaft skizziert.

Wenn der Himmel den Horizont weichgezeichnet hat.

Es hatte sogar Porträts gegeben von Oma Marie. Emilia hatte es geliebt, sie zu betrachten und die Konturen des sanften, runden Kinns, die feinen Bögen der Augenbrauen und das um den Kopf geflochtene Haar mit den Fingerspitzen nachzufahren. Es war der einzige Weg gewesen, um ihre Oma, die Walter nach seiner Rückkehr nach Deutschland geheiratet hatte, zumindest ansatzweise kennenzu­lernen.

Mit den Jahren waren Walters Zeichnungen weniger geworden, und irgendwann hatte er ganz damit aufgehört. Emilia fragte sich, ob er noch etwas in Frankreich zurückgelassen hatte. Vielleicht hatte er niemals wieder so schöne Farben gesehen und sich irgendwann gesagt, dass auch die beste Zeichnung seinen Erinnerungen nicht gerecht werden konnte.

»Würdest du gern zurück, um die Gegend noch einmal zu betrachten? Die Borel-Farm und die Sonne morgens über den Lavendelfeldern?«

Ihr Opa starrte sie an, als überlegte er, ob er so eine Reise wirklich wagen sollte. Dann aber schob er den Teller so energisch zurück, dass die Gabel darauf klirrte. »Ich will noch ein Stück von dem ollen Kuchen.«

»Aber was hat es mit diesem Herz auf sich?« Diane dachte gar nicht daran, jetzt lockerzulassen. »Hast du es selbst gebastelt, oder hat es dir jemand geschenkt? Diese Jette? Das ist doch ein Name in der Mitte?« Ihr Opa presste die Lippen aufeinander, aber Emilia hatte den Ausdruck in seinen Augen bemerkt, den auch die vor Falten schweren Lider nicht verbergen konnten. Etwas flackerte dort. Unsicherheit. »Und der Brief? Warum ist er zurückgekommen? Was steht denn drin?«

Walter zögerte lange. Als Emilia schon glaubte, dass er sich wieder in seinen Erinnerungen verloren hatte, schlug er mit der Faust auf den Tisch. »Selbst ein weiteres Stück Kuchen wird mir nicht gegönnt! Und wo ist überhaupt dein Mann, Diane? Warum begleitet er dich nicht, so wie sonst auch?«

»Opa.« Diane schüttelte sanft den Kopf. »Er muss arbeiten. Und danach passt er auf unsere zweiundzwanzig Wellensittiche auf, während ich hier bin.«

»Stimmt«, murmelte Walter und atmete so tief aus, dass es in seiner Brust rasselte. »Die ollen Piepmätze. Ich habe nie verstanden, was du an den Viechern findest.«

Emilia zwinkerte ihrer Cousine zu. »Sie sagt, sie sind niedlich. Und sie steht auf bunte Farben.«

Opa Walter nickte langsam. Wieder schweifte sein Blick in die Ferne – augenscheinlich aus dem Fenster, aber wenn man genauer hinsah, wusste man, dass Walter in diesem Moment viele Kilometer weit weg war. »Wisst ihr, so ein Tag auf der Farm war lang. Aber damals war ich ja noch jung und konnte gut anpacken. Weil ich nie viel Zeit in irgendwelchen Sesseln vor irgendwelchen Bildschirmen verbracht habe, mit all dem Geflimmer und viel zu viel Werbung. Die Damen sagten, ich hätte ein recht breites Kreuz. Gute Schultern.«

»Ach.« Emilia schmunzelte. »Sagten sie das?«

Er zwinkerte ihr zu, wurde aber sofort wieder ernst. »Aber an meinem dritten Tag, da kam Jacques zu mir aufs Feld und meinte: Walter, mach eine Pause und sieh dir das an. Ja, genau das hat er gesagt. Und das habe ich auch getan.«

»Was?« Emilias Stimme war nur ein Hauch. »Was hast du dir angesehen?«

Er legte den Kopf schief, um sich an der Schläfe zu kratzen. »Die größte Schönheit, die ich abgesehen von eurer Großmutter und meiner Renate jemals gesehen habe.« Seine Stimme zitterte leicht, und er räusperte sich. »Die Umgebung. Ein Mensch kann sich nicht nur in einen anderen Menschen verlieben, wisst ihr? Wenn man es spürt, hier«, er legte eine Hand auf seine Brust, »dann ist man richtig.«

Emilia beugte sich vor. »Und warum bist du dann wieder gegangen? Warum bist du nicht in Monieux geblieben?«

»Ach Mädchen.« Er setzte sich aufrecht als Zeichen, dass der kleine Ausflug in die Vergangenheit zu einem Ende kam. »Die Welt, in der wir leben, ist so groß, dass wohl niemand sie ganz begreift, und in ihr passieren Dinge, die wir nicht steuern können. Manche Menschen reisen durch viele Länder, und es genügt ihnen trotzdem nicht, dabei kann eine einzige Begegnung alles bedeuten. Aber ich wollte zumindest eine Ahnung davon bekommen, wie riesig die Welt ist. Und die Welt hat sich gedacht: Na, dem jungen Narren werde ich es schon zeigen. Tja, und dann hat sie mir eure Oma in die Arme geschubst. Was hätte mir auch Besseres passieren können? Mit Marie an meiner Seite gab es keine Grenzen mehr.«

Emilia schluckte. So etwas Schönes hatte sie noch nie gehört. Leise räusperte sie sich. »War Jette auch in Monieux?«, versuchte sie es noch mal mit sanfter Stimme. »Ich meine, als du nach Deutschland zurückgekehrt bist, hast du Oma ja schon kennengelernt.«

Ihr Opa blickte sie nicht an und bewegte lediglich knapp den Kopf, was sowohl ein Ja als auch ein Nein sein konnte.

»Walter!« Die Stimme dröhnte aus dem Erdgeschoss durch das ganze Haus und ließ Emilia zusammenzucken. »Walter, du alter Vogel, bist du da oben? Die Sonne scheint, los, ich will im Garten Karten spielen!« Ein Poltern auf der Treppe mischte sich in das Gebrüll.

Opa Walter wirkte erleichtert. »Ihr kennt Franz von gegenüber, ja? Er sagt, er sei schwerhörig, aber ich glaube, das ist nur eine Entschuldigung, damit er sich aufspielen und alle herumkommandieren kann.« Er stand auf und nahm ein Kartenspiel aus einer Schublade. »Ich gehe besser. Sonst gibt er keine Ruhe mehr.« Ein Winken, dann war er verschwunden und hatte seine restlichen Geheimnisse mit sich genommen. Emilia und Diane blieben noch eine Weile sitzen, lauschten den Stimmen der Männer vor dem Haus – die eine vertraut, die andere dröhnend – und machten sich dann wieder an die Arbeit, wobei sie über das redeten, was Opa Walter gesagt oder vielmehr nicht gesagt hatte. Viel hatten sie nicht erfahren, aber sie beide wussten, dass es sinnlos war, jetzt weiterzubohren.

Als Emilia sich am Abend auf den Weg machte, musste sie an Opa Walters Worte und vor allem eine Aussage denken: Wie groß die Welt durch nur eine Begegnung, durch einen flüchtigen Moment werden konnte.

Ferme de Lavande – Maurice Borel, Monieux.

Sie starrte auf das Suchergebnis ihres Handys und zögerte, den Link anzuklicken. Sie hatte Angst, dass er ins Leere laufen würde und sie herausfand, dass es die Farm nicht mehr gab und sich auf besagter Webseite etwas befand, das zum letzten Mal vor Jahrzehnten aktualisiert worden war und seitdem in den Tiefen des Internets vor sich hingammelte. Ja, in den kleinen Orten in Frankreich liefen die Uhren anders, und daher war es gut möglich, dass die Farm noch immer existierte, auf der Opa Walter gearbeitet hatte. Dass Jacques Borel sie an seine Kinder und irgendwann seinen Enkel weitergegeben hatte.

An Maurice. Maurice Borel.

Trotzdem hielt sie den Atem an.

Als sich jedoch ein neues Fenster öffnete und den Blick auf ein Feld voller Lavendel gewährte, gab sie einen Triumphschrei von sich und vergrößerte es. Die Blüten­reihen sahen mit den schmalen Wegen aus, als wäre jemand mit einem riesigen Kamm hindurchgefahren. Im Hintergrund ragten dunkelgrüne Bäume sowie die Konturen eines Gebirgszugs in die Höhe. Damit hatte sie nicht gerechnet; bisher hatte sie die Provence immer nur mit einer sanft geschwungenen Landschaft, Pinienwäldern, wunderschönen alten Häusern und Lavendel in Verbindung gebracht. Der Schriftzug Ferme deLavande – Maurice Borel prangte auf einem schlichten Holzschild, das jemand in ­einer eher unglücklichen Fotomontage auf das Bild gebracht hatte.

Emilia scrollte die Seite nach unten und vertiefte sich in den Text, während draußen der Verkehr in einem Dauerrauschen an ihr vorbeizog. Ein LKW hupte ganz in der Nähe, und das tiefe Dröhnen ließ sie zusammenzucken.

Eigentlich hatte sie an der Raststätte nur tanken und sich einen Kaffee holen wollen, aber das Gespräch mit Opa Walter ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder sah sie seinen entrückten Gesichtsausdruck vor sich, wenn er von dem kleinen Ort in Südfrankreich gesprochen hatte. Möglicherweise, weil sie wusste, dass es ungewöhnlich war, wenn ihr sonst so phlegmatischer Opa so schwärmte. Aber auch, weil sie mit eigenen Augen sehen wollte, was ihn so lange Zeit in der Ferne gefesselt hatte.

Ehe sie gefahren war, hatten sie und Diane den Nachbarn Franz begrüßt und noch einmal versucht, Opa Walter auf das Lavendelherz und den Brief anzusprechen. Aber schlau wie er war, hatte er ihre Fragen in der Gesellschaft seines Skat-Kumpels mit knappen Bemerkungen abgewunken. Sie hatten ihm schließlich seinen Willen gelassen, was aber nicht bedeutete, dass die Sache damit für sie abgehakt war.

Emilia lehnte den Kopf zurück. Womöglich konnte sie Di oder eine Freundin überreden, mit ihr einen Kurzurlaub in Frankreich zu verbringen? Eine Woche auf dem Land, mit frischem Brot, Croissants, Tarte, gutem Wein und dem Anblick des leuchtenden Lavendels musste wundervoll sein.

Damit könnte Maurice Borel aus Monieux beispielsweise punkten – aber das tat er offensichtlich nicht. Bis auf das wunderschöne Bild der Lavendelfelder waren Aufbau und Informationen seiner Seite eher spartanisch. Vermutlich spielte der Tourismus für ihn keine Rolle.

Emilia seufzte und dachte an all die wunderschönen Bilder, die sie in den vergangenen Wochen und Monaten auf Instagram betrachtet hatte. Die Borel-Farm war prädestiniert, um dort Urlaube in einer gemütlichen Holzhütte ­anzubieten. Es müsste einen kleinen Shop geben, in dem Lavendelprodukte verkauft würden. Und Kuchen! Wenn es ihre Farm wäre, würde sie genau das tun: ein Café mit Kuchen und Gebäck einrichten, in dem die Besucher genießen und dabei die Farben der Lavendelfelder bestaunen könnten.

Maurice Borel schien so etwas nicht anzubieten. Dafür erfuhr sie, dass sein Besitz eine Fläche von hundertzwanzig Hektar umfasste und auf über der Hälfte davon Lavendel angebaut wurde. Die Farm war von seinem Urgroßvater gegründet worden und befand sich seitdem im Familienbesitz, wobei sie sich in den späten Siebzigern durch den Ankauf von Land noch einmal vergrößert hatte.

Wir zählen zu den gefragtesten Lavendelöl-Produzenten Frankreichs.

Emilia wählte den Unterpunkt La région aus.

Die Borel-Farm liegt bei Monieux in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur im Süden Frankreichs.

Sie öffnete ein neues Fenster, um nach Informationen zu dieser Region zu suchen. Sie beinhaltete die Landschaften der Provence, so wie Emilia sie sich vorgestellt hatte, aber auch Gebirgszüge, Seen, ausgedehntes Grün und die französische Riviera an der Mittelmeerküste. Sie vertiefte sich in die Bilder von schneebedeckten Bergen, grünen Schluchten und Burgen aus hellem Stein, die in einen klaren Himmel ragten, und suchte darin die Farben, die Opa Walter niemals vergessen hatte. Anschließend rief sie noch einmal die Seite der Borel-Farm auf. Dort fand sie eine Kontaktadresse samt Karte – die auch notwendig war, denn einen Straßennamen gab es nicht –, unter der eine weitere Zeile zu sehen und sogar verlinkt war.

Aide à la ferme.

Emilia zögerte. Ihr Finger schwebte über den Worten auf ihrem Handy. Spontane Impulse waren nicht immer gut, und in den meisten Fällen war es ratsam, erst einmal nachzudenken. Aber gerade das wollte ihr momentan nicht gelingen. So sehr sie auch nach logischen Argumenten suchte, die ihr sagten, dass Arbeit auf einer Farm ganz sicher nichts war, was sie wollte, sie fand keine. Vor allem, da die Sehnsucht zurückgekehrt war, die sie vorhin im Gespräch mit Opa Walter gespürt hatte – und die Erinnerung an die vergangenen Tage bei Scheller. Daran, dass sie sich ihre Zukunft dort unter den gegebenen Umständen nicht mehr vorstellen konnte. Eigentlich hatte sie Diane und Opa Walter davon erzählen wollen, es aber durch den Kellerfund und das anschließende Gespräch vergessen.

Sie tippte auf den Link, wartete, bis sich das Fenster geöffnet hatte, und lächelte, da die neue Seite ein weiteres Bild beinhaltete. Monsieur Borel sollte viel mehr Eindrücke zeigen! Aber vermutlich war das nicht nötig, wenn er nur an Großhändler verkaufte, denen die Qualität wichtig war und nicht der Internetauftritt oder die schöne Landschaft.

Für einen Augenblick betrachtete sie die langen, in Wellen geschwungenen Lavendelreihen, die auf zwei kleine Steinhäuser zuliefen, fast so, als wollten sie darauf aufmerksam machen. Das Foto musste zum späten Nachmittag hin aufgenommen worden sein, denn das Licht überzog die Steinwände mit einem weichen Orange. Fast fühlte Emilia die Wärme auf ihrer Haut. Sie bewegte die Finger, als würden die Sonnenstrahlen darauf tanzen, ehe sie sich auf den Text konzentrierte.

Helfer gesucht für die Erntezeit im Juli und August für Tätigkeiten auf dem Feld, in der Destille, für kleinere Reparatur- und Säuberungsarbeiten sowie in der Küche und möglicherweise im Büro (auf der Farm). Im Austausch für ungefähr 25 Stunden pro Woche wird Verpflegung und Unterkunft (Zimmer im Haupthaus oder kleiner Anbau) gestellt. Gemeinschaftsküche im Haupthaus. Monieux ist nur wenige Minuten mit dem Auto entfernt. Nutzung der hauseigenen Fahrzeuge nach Absprache möglich; Fahrräder vorhanden. Bei Bewerbung: Bitte um Angaben bezüglich vorheriger Erfahrungen (nicht zwingend notwendig) sowie einen kurzen Lebenslauf.

Jeder Satz sorgte dafür, dass Emilia tiefer atmete. Sie las es noch mal langsam, hob den Kopf, starrte in die Ferne und lächelte. Weil ihr Verstand noch immer kein Veto einlegte und es auf einmal so einfach war, Grau gegen Wärme zu tauschen. Und weil sie wusste, dass Diane und sie zwei Dinge perfekt auf den Punkt gebracht hatten: Vielleicht war es eine gute Idee, Opa Walter mit der Vergangenheit abzulenken, in der er so glücklich gewesen war. Wenn sie jemanden von damals aufspüren könnte … allein bei der Vorstellung wurde sie unruhig. Womöglich fand sie sogar diese Jette! Im Gegensatz zu Diane glaubte sie zwar nicht daran, nach fünfundsechzig Jahren noch ein Happy End heraufbeschwören zu können, aber darum ging es ihr auch nicht. Sondern darum, ihren Opa vor dem Loch zu bewahren, in das er seit Renates Tod immer wieder zu fallen drohte. Außerdem … ja, sie war eindeutig die Tochter ihrer Eltern, aber sie war auch Opa Walters Enkelin. Sie mochte ihr Leben, und Sicherheit war ihr wichtig, aber es zog sie auch in die Ferne, um im Anschluss neue Eindrücke mit zurücknehmen zu können. Sie hatte diese Facette nur viel zu lange ignoriert. Wenn sie in die Provence reiste, konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Sie las das Gesuch ein drittes Mal, und während ihr Blick über die Sätze flog, wusste sie, dass ihr Herz auf einmal nicht nur schneller schlug, da sich eine unerwartete Chance aufgetan hatte. Sondern auch, weil sie sich schon in der ersten Sekunde dafür entschieden hatte, sie zu ergreifen.

Dianes Auge wurde auf dem Bildschirm so groß, dass ­Emilia genügend Zeit blieb, den perfekten Verlauf des dreifarbigen Lidschattens zu bewundern. Zwar war sie nicht hilflos, wenn es darum ging, sich für einen Abend schick zu machen, aber in Sachen Make-up war ihre Cousine ungeschlagen. »Du tust was?«