Das Mysterium der Schöpfung - Jürgen Kramke - E-Book

Das Mysterium der Schöpfung E-Book

Jürgen Kramke

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Beschreibung

In seinem Buch "Das Mysterium der Schöpfung" setzt sich Jürgen Kramke mit den Grundlagen der geistigen und natürlichen Schöpfung auseinander. Als Fundament für seine fortschrittliche Sichtweise bezüglich der Ursachen und Kräfte, die das Universum entstehen ließen und bestehen lassen, beruft sich der Autor neben der Naturwissenschaft auf die Aussagen des großen Naturforschers und Visionärs Emanuel Swedenborg (1688-1772). Viele Erkenntnisse aus der Quantenphysik hat Emanuel Swedenborg, dessen Werke im Weltdokumentenerbe der UNESCO verzeichnet sind, vorweggenommen. So wusste er z. B., dass der Urgrund der Materie geistiger Natur ist. Eine Erkenntnis, die erst viele Jahrzehnte nach Swedenborgs Tod von dem Physiker und Nobelpreisträger Max Planck formuliert wurde. Auch die von dem Quantenphysiker Hans-Peter Dürr postulierte Existenz einer jenseitigen Welt und dem Weiterleben nach dem Tod, hat Swedenborg in seinen Werken nachgewiesen. Swedenborg kannte wie kaum ein anderer die Verhältnisse und Gesetzmäßigkeiten der geistigen Welt mit ihren Wechselwirkungen zur natürlichen Welt. Mit diesem Hintergrundwissen setzt sich der Autor in seinem Buch mit den existenziellen Fragen des Lebens auseinander. Fragen wie: Wer oder was ist Gott? Woraus hat Gott die Materie gemacht? Welche Rolle spielt der Mensch auf der Bühne des Lebens? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja, wie soll man sich die Verhältnisse in der Welt jenseits unserer sinnlichen Wahrnehmung vorstellen? Auf all diese Fragen hat der Autor in seinem Buch befriedigende und logisch nachvollziehbare Antworten gefunden.

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Inhaltsverzeichnis:

Die Entwicklung des Lebens vom Mineralreich zum Menschen

Die Lehre von den Graden

Entferne Raum und Zeit aus deinem Denken!

Entsprechungskunde

Gott ist Mensch

Über die Verhältnisse in der jenseitigen Welt

Anmerkungen

Man sagt, die Welt in ihrem Inbegriff sei aus Nichts erschaffen, und von dem Nichts hat man die Vorstellung eines völligen Nichts, während doch aus dem völligen Nichts nichts wird, noch etwas werden kann. Dies ist eine ausgemachte Wahrheit, weshalb das Weltall, welches ein Bild Gottes, und daher voll Gottes ist, nur in Gott aus Gott erschaffen werden konnte; denn Gott ist das Sein selbst, und aus dem Sein muss das sein, das ist; aus dem Nichts, das nicht ist, erschaffen, was ist, ist völlig widersprechend.

[Emanuel Swedenborg]

Vorwort

Seit fast fünfzig Jahren setze ich mich mit den Grundfragen des Lebens auseinander. Schon als junger Mensch wollte ich wissen, wie das Universum mit seinen Planeten, Sonnen und Galaxien entstanden ist. Dabei blieb es natürlich nicht aus, dass ich mich auch mit den Fragen nach der Herkunft des Lebens im Allgemeinen und dem auf unserer Erde im Besonderen auseinandergesetzt habe.

Zunächst habe ich mich den naturwissenschaftlichen Erklärungsmodellen zugewandt. Die Antworten, welche ich durch die Beschäftigung mit der Urknall- und der Evolutionstheorie erhielt, haben mich in Bezug auf die Herkunft der Welt nur wenige Jahre befriedigen können. Als zu groß stellten sich im Laufe der Zeit die Beweislücken in diesen Theorien heraus.

Irgendwann begann ich, mich für die Kräfte zu interessieren, die hinter der Materie stehen. Durch die Quantenphysik kann man wissen, dass es im Grunde Materie gar nicht gibt. Jedenfalls nicht im geläufigen Sinne. Es gibt nur ein Beziehungsgefüge, ständigen Wandel, Lebendigkeit. Wir tun uns schwer, uns dies vorzustellen. Primär existiert nur Zusammenhang, das Verbindende ohne materielle Grundlage. Wir könnten es auch Geist nennen. Etwas, was wir nur spontan erleben und nicht greifen können. Materie und Energie treten erst sekundär in Erscheinung – gewissermaßen als geronnener, erstarrter Geist. Nach Albert Einstein ist Materie nur eine verdünnte Form der Energie. Ihr Untergrund jedoch ist nicht eine noch verfeinerte Energie, sondern etwas ganz Andersartiges, eben Lebendigkeit.1

Durch meine Recherchen bin ich letztendlich zu der Erkenntnis gelangt, dass es einen Gott geben muss, durch den alles im grenzenlosen Universum erschaffen und erhalten wurde und wird.

Das vorliegende Buch ist eine Zusammenstellung von Aufsätzen, die ich im Laufe der Zeit geschrieben habe. Sie sind während meiner Auseinadersetzung mit den Grundfragen des Lebens entstanden. Da es sich um Aufsätze handelt, die ich als Vorträge in verschiedenen Orten Deutschlands, Österreichs und der Schweiz gehalten habe, sind die einzelnen Kapitel in sich abgeschlossene Themenbereiche. Dass, es dabei hin und wieder zu Textüberschneidungen kommt, ist meines Erachtens für das Verständnis der angeführten Gedanken förderlich.

Bei der Lektüre dieses Buches wünsche ich Ihnen viel Freude und gute Erkenntnisse.

Jürgen Kramke

Ich habe niemals die Existenz Gottes verneint. Ich glaube, dass die Entwicklungstheorie absolut versöhnlich ist mit dem Glauben an Gott. Die Unmöglichkeit des Beweisens und Begreifens, dass das großartige über alle Maßen herrliche Weltall ebenso wie der Mensch zufällig geworden ist, scheint mir das Hauptargument für die Existenz Gottes.

[Charles Darwin (1809-1882), Begründer der Evolutionstheorie]

1 Zitat von Hans-Peter Emil Dürr (* 7. Oktober 1929 in Stuttgart; † 18. Mai 2014 in München[1]) war ein deutscher Physiker und Essayist. Bis Herbst 1997 war er Direktor des Max-Planck-Institut für Physik (Werner-Heisenberg-Institut) in München.

Die Entwicklung des Lebens vom Mineralreich zum Menschen.

Die meisten Menschen werden eine mehr oder weniger genaue Vorstellung davon haben, aus welchen Materialien das Universum zusammengesetzt ist. In der Schule wurden die einzelnen chemischen Elemente erklärt, aus denen die Welt besteht, und im Physikunterricht stellten uns die Lehrer jene Kräfte vor, die unsere Welt zusammenhalten. Bei genauer Betrachtung handelte es sich dabei aber letztendlich immer nur um die Beschreibung bestehender Systeme. Es wurden zwar die unterschiedlichsten chemisch-physikalischen Gesetze mathematisch genau erklärt, woraus denn aber nun die Materie letzten Endes besteht und wer diese wunderbaren Gesetzmäßigkeiten in das Dasein gestellt hat, darüber schweigt sich die Naturwissenschaft aus. Natürlich gibt es die unterschiedlichsten Denkansätze wie z. B. die Urknalltheorie, aber für die eigentliche Ursache des Universums hat die Naturwissenschaft keine wirklichen Antworten.

Für jemanden, der an einen allumfassenden Gott glaubt, ist es leicht nachvollziehbar, dass diese wissenschaftlichen Erklärungsmodelle nicht in der Lage sind, alle Hintergründe des Universums und der Welt zu erklären. Denn solange die materialistische Wissenschaft nicht erkennt, dass die eigentlichen Ursachen für die Existenz des Universums geistiger Natur sind2, wird sie immer nur an der Oberfläche kratzen und niemals die Tiefen der eigentlichen Ursachen ausloten können.

Der große Naturforscher und Visionär Emanuel Swedenborg3 hat der Menschheit in seinen umfangreichen Schriften ein Weltbild hinterlassen, das auf viele der von den Naturwissenschaftlern unbeantworteten Fragen oft sehr verblüffende Antworten zu geben vermag.

Als Grundlage meiner nachfolgenden Betrachtungen habe ich hauptsächlich das 1907 in Stuttgart erschienene Swedenborgwerk »Die Weisheit der Engel betreffend die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit«, im Weiteren »GLW« genannt, verwendet. In diesem Buch finden sich sehr viele Hinweise, die es dem Leser ermöglichen, die swedenborgsche Kosmologie bezüglich der Schöpfung nachzuempfinden.

Zu den wichtigsten Eckpfeilern der swedenborgschen Kosmologie gehören die Begriffe Liebe und Leben. So stellt Swedenborg gleich zu Beginn seines Werkes fest, dass es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Liebe und dem Leben des Menschen gibt. Die Tatsache, dass sich der Mensch lebendig fühlt, dass er denkt, fühlt und handelt, ist laut Swedenborg einzig und allein auf die ihm innewohnende Liebe zurückzuführen. Aufgrund seiner Liebe hat der Mensch das Gefühl, dass er ein lebendiges von Gott unabhängiges Wesen ist, das aus sich selbst ein Leben hat und somit auch ohne Gott ganz gut leben kann. Sein aus der Liebe entspringender Wille ist meist so auf die Befriedigung weltlicher Bedürfnisse fixiert, dass sein Verstand nicht auf die Idee kommt, dass sein Gefühl, dass er aus sich selbst lebt, einem großen Irrtum entspringt. Denn Gott allein ist das Leben, weil Er die Liebe selbst ist; Engel und Menschen sind Aufnahmegefäße des Lebens aus Ihm. Swedenborg schreibt dazu:

„Der Herr, welcher der Gott des Weltalls ist, ist unerschaffen und unendlich; der Mensch hingegen und der Engel sind erschaffen und endlich; und weil der Herr unerschaffen und unendlich ist, so ist er das Sein selbst, welches ‘Jehova’4 heißt, und ist das Leben selbst oder das Leben in sich.

Aus dem Unerschaffenen, Unendlichen, dem Sein selbst und dem Leben selbst, kann nicht jemand unmittelbar geschaffen werden, weil das Göttliche Eines und unteilbar ist; sondern er muss aus Geschaffenem und Endlichem sein, das so gebildet ist, dass das Göttliche in ihm wohnen kann. Weil die Menschen und die Engel von dieser Art sind, sind sie Aufnahmegefäße des Lebens.“5

Jehova Gott ist demnach unerschaffen und unendlich, Er war immer und Er wird immer sein. Er hat keinen Anfang und kein Ende und Er füllt die Unendlichkeit mit seinem Selbst, seiner Liebe und seinem Leben aus. Und weil Jehova in der Unendlichkeit das einzige Sein, die einzige Liebe und das einzige Leben selbst ist, kann es innerhalb und außerhalb Gottes kein anderes Leben als das Seine geben. Er ist das einzige wirkliche Leben.

Die logische Konsequenz dieses Gedankens ist die, wenn Jehova Gott das einzige Leben in der ganzen Unendlichkeit ist, dann kann kein geschaffenes Wesen und somit auch kein Mensch und kein Engel sein Leben aus sich selbst haben. Auch wenn es überhaupt nicht dem eigenen Lebensgefühl entspricht, sollte sich der Mensch mit dem Gedanken anfreunden, dass er kein Leben aus sich hat. All unser Leben erhalten wir ausschließlich von Gott.

Es hat der göttlichen Liebe und Weisheit gefallen, Lebewesen in das Dasein zu stellen, die in der Endlichkeit das Göttliche in sich aufnehmen können und dadurch zu Aufnahmegefäßen des Lebens werden. Allerdings weiß der Mensch aus sich selbst nicht, dass er “nur“ solch ein Aufnahmegefäß ist. Er glaubt, dass er aus sich selbst sein Leben hat. Dies wird ihm ja auch von allen Seiten bestätigt, denn unter “Leben“ wird meist die biologische Funktion des materiellen Körpers verstanden und ist der Körper erst einmal tot, dann ist es mit dem Leben des Menschen vorbei. Zumal die meisten Menschen in der gebildeten Welt nicht daran glauben, dass es ein Leben nach dem Tod gibt.

Durch Emanuel Swedenborg kann man erfahren, dass der Mensch nicht aus sich selbst lebt, sondern dass er sein Leben aus Gott hat. Dieses Leben ist aber nicht unmittelbar aus Gott, denn aus Unerschaffenem, Unendlichem, dem Sein selbst und dem Leben selbst, kann niemand unmittelbar geschaffen werden, weil das Göttliche eine unteilbare Einheit ist. Es gibt nur einen unendlichen Gott und dieser ist nicht teilbar. Wäre Er teilbar, so würde mit zunehmender Anzahl von Menschen und Engeln Gott weniger werden und dies würde sich mit der Unendlichkeit Gottes nicht vereinbaren lassen.

Aus dieser Tatsache schließt Swedenborg, dass der Mensch aus Geschaffenem und Endlichem besteht, das so gebildet ist, dass das Göttliche in ihm wohnen kann. Gott ist zwar die Ursache und der Erhalter für den aus Geschaffenem und Endlichem bestehenden Menschen, der Mensch ist aber nur mittelbar aus Gott. Wäre er unmittelbar aus Gott, so wäre er ein Teil Gottes und somit selbst Gott.

Nun stellt sich natürlich die Frage: Aus welchen Materialien hat denn Gott seine Schöpfung gestaltet? Woher hat er die Materie genommen aus denen unsere Welt besteht? Um Antworten auf diese Fragen finden zu können, mochte ich kurz auf die Tatsache eingehen, dass das göttliche Urwesen aus Liebe und Weisheit besteht.

Dass Gott das einzige wirkliche Leben und somit die einzige wirkliche Liebe ist, haben wir bereits erfahren. Die Liebe Gottes kann aber nur dann schöpferisch in Erscheinung treten, wenn in Gott auch die vollendete Weisheit besteht. In dem Werk »Göttliche Vorsehung« schreibt Swedenborg:

„... die Liebe kann ohne die Weisheit nichts tun, und die Weisheit nichts ohne die Liebe; denn es kann die Liebe ohne die Weisheit, oder der Wille ohne den Verstand nichts denken, ja nichts sehen und empfinden, und nichts reden, weshalb auch die Liebe ohne die Weisheit oder der Wille ohne den Verstand nichts tun kann; in gleicher Weise kann auch die Weisheit ohne die Liebe oder der Verstand ohne den Willen nichts denken, und nichts sehen und empfinden, ja auch nichts reden; weshalb auch die Weisheit ohne die Liebe oder der Verstand ohne den Willen nichts tun kann; denn wenn ihnen die Liebe weggenommen wird, so ist kein Wollen, mithin auch kein Handeln mehr da.“6

Dieses Zitat zeigt recht deutlich, dass in Gott die vollendete Liebe und die vollendete Weisheit walten müssen. Denn die göttliche Liebe wäre ohne die göttliche Weisheit nicht in der Lage, all die wunderbaren Schöpfungen in das Dasein zu stellen und zu erhalten. Und die göttliche Weisheit würde ohne die göttliche Liebe keinerlei Impulse bekommen, um schöpferisch tätig zu werden. Diese beiden bedingen einander so sehr, dass man ohne Weiteres sagen kann, dass es keine Liebe ohne die Weisheit und keine Weisheit ohne die Liebe gibt; weshalb die Liebe nur dann bestehen kann, wenn sie in der Weisheit ist. Diese beiden sind so sehr eins, dass man sie zwar gedanklich, nicht aber in der Realität unterscheiden kann, man könnte auch sagen, dass sie ‘unterscheidbar Eines’ sind. In der »GLW«, Nr. 34, kann man dazu lesen:

„Man könnte auch sagen, dass das göttliche Sein die göttliche Liebe ist und das göttliche Dasein die göttliche Weisheit. Beide sind unterscheidbar Eins, denn Liebe und Weisheit sind zwar verschieden, aber die Liebe ist in der Weisheit, und die Weisheit hat ihr Dasein in der Liebe, und weil die Weisheit ihr Dasein aus der Liebe nimmt, so ist auch die göttliche Weisheit das Sein, woraus folgt, dass Liebe und Weisheit zusammengenommen das göttliche Sein sind, unterschieden genommen hingegen heißt die Liebe das göttliche Sein und die Weisheit das göttliche Dasein.“

Mit dieser etwas kompliziert ausgedrückten Formulierung möchte Swedenborg darlegen, warum in Jehova Gott Liebe und Weisheit die vorherrschenden Kräfte sind. Durch seine Kontakte mit Geistern, welche sich in himmlischen Gefilden aufhielten, durfte er erfahren, dass die Liebe das Leben eines jeden Lebewesens ausmacht. Und da Gott das einzige Leben überhaupt ist, ist Er die einzige wirkliche Liebe, das einzige wirkliche Sein. Damit die göttliche Liebe zur schöpferischen Wirkung gelangen kann, bedarf es der Weisheit, denn solange der aus der Liebe entspringende Wille kein Werkzeug hat, um die Wünsche der Liebe umzusetzen, solange würde sich die Liebe nicht ausdrücken können. Erst durch die göttliche Weisheit kann das göttliche Sein der göttlichen Liebe ihre Wünsche in das Dasein stellen. Beide bedingen einander, die göttliche Liebe könnte ohne die göttliche Weisheit nicht bestehen und die göttliche Weisheit würde ohne die göttliche Liebe nicht existieren.

Dies ist vielleicht vergleichbar mit dem menschlichen Gemüt. Auch dort gibt es das Zusammenspiel zwischen der Liebe und der Weisheit. Der aus der Liebe entspringende Wille braucht die Weisheit des Verstandes um die Wünsche der Liebe verwirklichen zu können. Meint die Liebe des Menschen z. B., dass nur ein neues Auto das Lebensgefühl verbessern kann, dann wird der Wille nichts unversucht lassen, um den Verstand so zu lenken, dass er alle Informationen zusammenträgt, um den Kauf eines Autos in die Wege leiten zu können. Ohne den aus der Liebe entsprungenen Willensimpuls wäre der Verstand niemals auf die Idee gekommen, die notwendige Weisheit zu erlangen, die zum Kauf eines Autos erforderlich ist. Und ohne die Weisheit des Verstandes hätte der Wille keine Möglichkeit den Wunsch der Liebe zu erfüllen. Die Liebe und der Verstand des Menschen bedingen einander so sehr, dass man beide zwar unterscheiden kann, sie aber letztendlich eine Einheit ausmachen.

Das Gleiche gilt im vollkommenen Maße auch für Gott. Liebe und Weisheit sind die Kräfte in Jehova Gott, die das göttliche Sein ausmachen. Nur im innigen Zusammenspiel zwischen der göttlichen Liebe und der göttlichen Weisheit kann Gott schöpferisch tätig werden.

Um aber schöpferisch tätig werden zu können, benötigt Gott Substanzen, die Er Seinen Ideen gemäß strukturieren kann. Das ist vergleichbar mit einem Töpfer, der ohne die Substanz Ton nicht in der Lage wäre, seine kunstvoll geformten Krüge herzustellen. Im Gegensatz zum Töpfer kann Gott natürlich nicht auf bereits vorhandene Substanzen zurückgreifen, ganz im Gegenteil, Er muss die Substanzen zunächst einmal erschaffen und in eine Form bringen, die es der Substanz erlaubt zu existieren.

Die Ursubstanz, aus der alles im Universum - egal ob im Materiellen oder Geistigen - besteht, ist laut Emanuel Swedenborg die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit. So schreibt er in der Nummer 40, von der »GLW«: „Die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit ist Substanz und ist Form“ und führt dann aus:

„Die Vorstellung gewöhnlicher Menschen von der Liebe und Weisheit ist die von etwas gleichsam in dünner Luft oder im Äther Fliegendem und Fließendem oder auch wie vom Aushauch aus etwas dieser Art; kaum denkt jemand, dass sie wirklich in der Tat Substanz und Form sind, betrachten sie doch Liebe und Weisheit als außerhalb ihres Trägers befindlich und als aus ihm hervorgehend, und was sie außerhalb des Trägers als aus demselben hervorfließend - obschon als etwas Flüchtiges und Fließendes - betrachten, das nennen sie auch Substanz und Form, weil sie nicht wissen, dass Liebe und Weisheit der Träger selbst sind und dass dasjenige, was man außerhalb desselben als etwas Luftiges und Flüssiges gewahrt, nur eine Scheinbarkeit des Zustandes des Trägers an sich ist. Der Ursachen, warum man dies bis anhin nicht sah, gibt es mehrere. Hierunter gehört die, dass die Scheinbarkeiten das Erste sind, aus dem das menschliche Gemüt seinen Verstand bildet und dass es diese nicht anders beheben kann, als mittels Erforschung der Ursache und dass es, wenn die Ursache tief liegt, solche nicht erforschen kann, wenn es nicht den Verstand lang in geistigem Lichte hält, in welchem es aber den Verstand nicht lange halten kann wegen des natürlichen Lichtes, welches unausgesetzt ablenkt. Die Wahrheit ist jedoch, dass Liebe und Weisheit wirklich und tatsächlich Substanz und Form sind, welche den Träger selbst bilden.“

Die Behauptung Swedenborgs, dass die Liebe und die Weisheit Gottes Substanz und Form sind, aus der letztendlich auch die materielle Schöpfung besteht, ist für uns, die wir es gewöhnt sind, in Raum und Zeit zu denken, sicherlich auf den ersten Blick etwas schwierig zu verstehen. Deshalb sollten wir den Hinweis Swedenborgs in der »Göttlichen Liebe und Weisheit«, Nr. 51, berücksichtigen, dass das Göttliche nicht in Zeit und Raum zu verstehen ist. Bei der Auseinandersetzung mit den innergöttlichen Vorgängen, die letztendlich zur Entstehung des Universums geführt haben, müssen wir bedenken, dass die Ursachen bereits gewirkt haben, bevor es überhaupt Raum und Zeit gab. Denn Raum und Zeit sind ja erst dann in Erscheinung getreten, als die Materie ihr Dasein begann. In der geistigen Welt, in der es keine Materie gibt, gibt es weder Raum noch Zeit, auch wenn es uns bei der Lektüre von Jenseitsberichten oft so erscheint, dass sich die Bewohner der geistigen Welt in einer Matrix von Raum und Zeit bewegen. Bei diesen Berichten handelt es sich um eine entsprechungsmäßige Transformation geistiger Zustandsbeschreibungen in eine für uns, die wir in Zeit und Raum leben, verständliche Sprache. Nur über die Lehre der Entsprechungen ist es uns möglich, eine Ahnung von dem zu erlangen, was in der geistigen Welt vor sich geht.

Mit diesen Gedanken im Hinterkopf möchte ich mich nun der Substanz zuwenden, aus der das ganze Universum erschaffen ist und die der göttlichen Liebe und Weisheit entspringt. Die Substanzen, aus der die geistige und die materielle Welt bestehen, befindet sich innerhalb der Gottheit und besteht aus den Gedanken und Ideen, welche aus der göttlichen Liebe und Weisheit ihren Gehalt und ihre Form erhalten.

Natürlich ist es für uns, die wir in Raum und Zeit leben, kaum nachzuvollziehen, dass all die Substanzen, aus denen die Schranktür besteht, an der wir uns gerade den Kopf gestoßen haben, “nur“ Gedanken Gottes sind. Andererseits ist es aber auch nicht unbedingt nachvollziehbar, wenn wir daran denken, dass die Atome, aus denen diese Tür besteht, im Grunde genommen fast nur aus leerem Raum bestehen, in dem sich in einer unglaublichen Geschwindigkeit irgendwelche Energiepotenziale in Kreisbahnen bewegen. Bei genauerem Nachdenken löst sich unsere meist sehr fest und hart erscheinende materielle Welt in ein gewaltiges Energiepaket auf, welches nach für uns meist nicht nachvollziehbaren Gesetzmäßigkeiten funktioniert.

Diese aus der göttlichen Liebe entspringende Energie ist letztendlich die Substanz, aus der unsere Materie besteht. Sie wird durch die göttliche Weisheit so in eine Form gebracht, dass man mit Recht sagen kann, dass die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit die Substanz und die Form sind, aus der alles im ganzen Universum besteht. Oder um mit Swedenborg zu sprechen:

„Aus dem Gesagten lässt sich zunächst ersehen, dass die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit in sich Substanz und Form sind, denn sie sind das Sein und das Dasein selbst; wären sie nicht ein solches Sein und Dasein, wie sie Substanz und Form sind, so wären sie bloß ein Gedankending, welches in sich kein Etwas ist.“7

Mit anderen Worten, die Tatsache, dass es uns gibt und wir tagtäglich die harte Realität der Materie in der Form von Schranktüren und Ähnlichem erfahren müssen, ist ein Beleg dafür, dass die göttliche Liebe und die göttliche Weisheit in sich Substanz und Form sind. Alles Erschaffene und somit Endliche hat seine Existenz aus diesen beiden. Den Umstand, dass die Substanzen und die Formen all dessen, was uns im Alltag begegnet, aus der göttlichen Liebe und Weisheit entspringen, könnte man vielleicht nachempfinden, wenn wir an einen sehr intensiven Traum denken. Alles was wir dort erleben, sehen, fühlen, schmecken und riechen hat seine Substanz und Form aus unserer Liebe und Weisheit. Aber dennoch sind sie für uns während des Traumes absolut real, sodass es bisweilen vorkommen kann, dass ein intensiver Traum später in der Erinnerung als wirklich erlebt empfunden wird.

Die Dinge in unserem Traum haben natürlich kein Leben in sich, sie sind von unserer Liebe und unserem Verstand erschaffen und von daher unbeseelt und tot. Sie erhalten ihr meist sehr kurzes Leben aus unserer Liebe und werden durch sie beseelt und belebt. Nach dem Aufwachen verlieren sich die Substanzen und Formen unserer Traumwelt und geraten meist in Vergessenheit.

Ganz anders verhält es sich bei Gott. Seine Gedanken und Ideen können niemals im hellsten Selbstbewusstsein der göttlichen Liebe und Weisheit vergessen werden. Alle Gedanken und Ideen, welche einmal in Gott aus dem Zusammenspiel von Liebe und Weisheit geboren wurden, bleiben für immer und ewig bestehen. Wobei zu bedenken ist, dass Seine aus der göttlichen Liebe und Weisheit entspringenden Gedanken und Ideen zwar Substanz und Form haben, aber an sich unbeseelt und tot sind. Denn dieser Substanz und Form haftet die Endlichkeit an und ihr fehlt somit die göttliche Vollkommenheit.

Der Gedanke wird vielleicht dadurch etwas deutlicher, wenn wir bedenken, dass die Dinge in unseren Träumen ja auch keinen Bestand haben. Wachen wir auf, sind sie weg. Bei Gott ist dies insofern anders, als dass alles aus Seinen Gedanken und Ideen Geschaffene in Ihm selbst ist und durch den göttlichen Willen fixiert wird. Dadurch bekommt das von Ihm Geschaffene zum einen Form und Substanz und enthält zum anderen Göttliches. In der »GLW«, Nr. 53, beschreibt Swedenborg dies wie folgt:

„Von dem Erschaffenen und Endlichen kann man zwar sagen, dass es sei und sein Dasein habe, dann dass es Substanz und Form, sowie auch Leben, ja Liebe und Weisheit sei, aber alles dieses ist erschaffen und endlich.

Der Grund, warum man so sagen kann, ist nicht, dass es etwas Göttliches hätte, sondern dass es im Göttlichen ist und dass das Göttliche in ihm ist: denn alles, was erschaffen ist, ist an sich unbeseelt und tot; es wird aber beseelt und belebt dadurch, dass das Göttliche in ihm ist und es im Göttlichen.“

Alles was Gott erschaffen hat, sei es geistiger Natur oder sei es materieller Natur ist an sich unbeseelt und tot. Dies ist vergleichbar mit einem Bildhauer, der mit seinen Werkzeugen aus einem groben Felsklumpen eine Statue herausmeißeln will. Zunächst einmal wird er sich in seiner Fantasie ausmalen, wie diese Figur aussehen könnte. Er wird sich Skizzen anfertigen, Anatomiestudien durchführen und so wird die zu gestaltende Figur nach und nach in seinem Gemüt immer plastischer und deutlicher werden. In seinen Träumen wird die Skulptur lebendig werden und er weiß ganz genau, wie die Plastik aussehen wird. Nachdem die Statue in seinem Gemüt perfekt ausgestaltet ist, macht er sich ans Werk und nach langer intensiver Arbeit ist es ihm gelungen, ein wunderschönes Standbild herzustellen. Obwohl diese Figur an Natürlichkeit und Schönheit kaum noch zu übertreffen ist und man sich geradezu in sie verlieben könnte, ist sie dennoch unbeseelt und tot.

Ganz anders ist es bei Gott, wenn Er etwas in das Dasein stellt. Seine endlichen Schöpfungen sind für sich genommen auch unbeseelt und tot, denn sie hatten einen Anfang, sind somit Endlich und haben von daher nichts Göttliches an sich. Dadurch aber, dass die Substanzen, aus denen Seine Werke bestehen, der Ausfluss Seiner Göttlichen Liebe und Weisheit sind, befinden sich Seine Werke in Ihm. Das bedeutet, dass sich die Substanzen, aus denen Seine endlichen Schöpfungen bestehen, nicht außerhalb, sondern innerhalb von Gott befinden und da Gott das Leben selbst ist, in dem nichts Unbeseeltes existieren kann, befindet sich auch Göttliches im Erschaffenen und Endlichen.

Oder mit anderen Worten ausgedrückt, das für uns unendlich erscheinende Weltall konnte Gott nur in sich selbst vermittels Seiner Liebe und Weisheit erschaffen. Denn Gott ist das Sein selbst, Er ist Alles in Allem und alles was ist, sei es in der geistigen Welt oder sei es in der materiellen Welt, hat seine Existenz aus diesem Sein. Da Gott unendlich ist, kann nichts außerhalb von Gott bestehen, denn dies würde bedeuten, dass Gott nicht unendlich ist. Andererseits beinhaltet das in Gott aus Seiner Liebe und Weisheit Erschaffene Endliches und somit kein Leben. Denn nur in Gott ist das Leben, wäre im Erschaffenen Leben, dann wäre es ein eigenständiges Leben und somit Gott. Dies wiederum kann deshalb nicht sein, weil nur in Gott das wahre Leben ist. Swedenborg beschreibt dies mit folgenden Worten:

„Es ist bekannt, dass alles und jedes im Weltall von Gott erschaffen ist, daher das Weltall mit allem und jedem in ihm im Wort8 ein Werk der Hände Jehovas heißt. Man sagt, die Welt in ihrem Inbegriff sei aus Nichts erschaffen, und von dem Nichts hat man die Vorstellung eines völligen Nichts, während doch aus dem völligen Nichts nichts wird, noch etwas werden kann. Dies ist eine ausgemachte Wahrheit, weshalb das Weltall, welches ein Bild Gottes, und daher voll Gottes ist, nur in Gott aus Gott erschaffen werden konnte; denn Gott ist das Sein selbst, und aus dem Sein muss das sein, das ist; aus dem Nichts, das nicht ist, erschaffen was ist, ist völlig widersprechend. Gleichwohl jedoch ist das in Gott aus Gott Erschaffene nicht ein Stetiges [continuum] von Ihm, denn Gott ist das Sein an Sich, und im Erschaffenen ist kein Sein an sich; wäre in dem Erschaffenen ein Sein an sich, so wäre es ein Stetiges von Gott, und ein Stetiges von Gott ist Gott.“9

Alles, was uns in unserem Leben begegnet, sei es geistiger oder sei es materieller Natur, sind durch den göttlichen Willen fixierte Gedanken und Ideen, welche aus der göttlichen Liebe und Weisheit fließen. Diese Gedanken und Ideen befinden sich in Gott, sie sind aber nicht Gott selbst, da sie als ein Produkt Seiner Liebe und Weisheit endlicher Natur sind. Das ist vergleichbar mit unseren Gedanken und Ideen, die ja auch nur ein Produkt unseres Gemüts darstellen und nicht wir selbst sind. Erst wenn wir unseren Gedanken Taten folgen lassen, werden sie gewisserart mit Leben versehen. Erwecken wir unsere Gedanken nicht zum Leben, so verfliegen sie und geraten in Vergessenheit.

Bei Gott ist dies insofern anders, als dass Er zum einen aufgrund seines hellsten Bewusstseins keinen Seiner Gedanken jemals vergessen kann und zum anderen alles von Ihm Erschaffene so beschaffen ist, dass es als ein Aufnahmegefäß Gottes fungiert und dadurch von Gott belebt wird. In der »GLW«, Nr. 56, schreibt Swedenborg:

„Alles Erschaffene ist vermöge dieses Ursprungs seiner Natur nach so beschaffen, dass es ein Aufnahmegefäß Gottes ist, nicht als ein stetig mit Ihm Zusammenhängendes, sondern als ein Ihn Berührendes; durch dieses und nicht jenes findet eine Verbindung statt, denn es ist übereinstimmend, weil es in Gott aus Gott erschaffen ist, und weil es so erschaffen ist, ist es eine Ähnlichkeit, und durch jene Verbindung ist es wie ein Bild Gottes im Spiegel.“

Mit dieser etwas schwierig zu verstehenden Aussage, dass die Verbindung Gottes mit allem Erschaffen indirekter Natur ist, weil es in Gott aus Gott erschaffen ist, will Swedenborg meiner Meinung nach zum Ausdruck bringen, dass zum einen alles Erschaffene seine Substanz aus dem Ausfluss der göttlichen Liebe und Weisheit hat und somit kein eigenes Leben besitzt. Weil aber die Gedanken Gottes und somit auch Seine Schöpfungen nicht außerhalb von Ihm, sondern in Ihm Selbst sind, bestehen Seine Schöpfungen zwar gewisserart unabhängig von Ihm, behalten ihre Existenz aber nur dadurch, dass der göttliche Wille ständig in sie einfließt. Wenn also nicht ständig die aus der göttlichen Liebe und Weisheit gespeiste Lebensenergie selbst in den scheinbar unbedeutendsten Teil des Universums einfließen würde, könnte unsere Welt und somit auch wir nicht existieren. Aus diesem Blickwinkel gesehen, hat Swedenborg natürlich völlig recht, wenn er sagt: „dass alles in dem erschaffenen Weltall Aufnahmegefäß der göttlichen Liebe und der göttlichen Weisheit ist“10.

Alles Erschaffene erhält und behält seine Existenz durch das ständige Einfließen der göttlichen Liebe und der göttlichen Weisheit. Dies gilt in direkter Form für die unteren Schöpfungsebenen wie z. B. die Materie und in indirekter Form wie z. B. bei uns Menschen oder den Engeln.

So sind Engel nicht aus sich heraus Engel, sondern sie sind deshalb Engel, weil sie das aus der göttlichen Liebe entspringende Gute und das aus der göttlichen Weisheit entspringende Wahre in sich aufnehmen. Diese Aufnahme geschieht der göttlichen Ordnung gemäß durch die von Gott an die Engel verliehene Fähigkeit in der Willensfreiheit, nach der Vernunft zu denken und zu wollen. Diese göttliche Gabe der Willensfreiheit ist auch uns Menschen zu eigen. Wir denken und handeln mit dem Gefühl, als wenn unser Leben, unsere Liebe und unsere Weisheit aus uns selbst wären. Nur wenn sich unser Verstand für den Einfluss der göttlichen Liebe öffnet, können wir erkennen, dass wir letztendlich kein eigenes Leben haben sondern “nur“ Aufnahmegefäße der göttlichen Liebe und der göttlichen Weisheit sind.

Laut Emanuel Swedenborg ist alles im Weltall solch ein Aufnahmegefäß. So fließt die göttliche Liebe und Weisheit nicht nur in den Menschen, sondern auch in das Tier-, Pflanzen- und das Mineralreich ein. Diese drei Reiche sind so miteinander verwoben, dass die Nutzzwecke der einzelnen Reiche stufenweise vom Mineralreich über das Pflanzen und dem Tierreich bis zum Menschen und darüber hinaus bis zu Gott aufsteigen. In der »GLW«, Nr. 65, formuliert Swedenborg dies wie folgt:

„Die Nutzzwecke aller Dinge, welche erschaffen worden, steigen stufenweise auf vom Untersten zum Menschen und durch den Menschen hindurch zu Gott, dem Schöpfer, von dem sie ausgegangen sind.“

Wobei Swedenborg unter dem Untersten das Mineralreich versteht, dessen Nutzen darin besteht, in kleinster staubähnlicher Form der Pflanzenwelt gewisserart als Nahrungsquelle zu dienen. Durch den stetigen Kreislauf des Wassers, des Windes und der Jahreszeiten werden im Laufe der Zeit selbst ganze Gebirgsketten langsam aber stetig in ihre kleinsten Bestandteile aufgelöst. Die im Wasser gelösten Lebenssubstanzen des Mineralreiches werden durch die Wurzeln der Pflanzen aufgenommen und dienen so als Baumaterial für das pflanzliche Leben. Daraus folgt, dass der Endzweck des Mineralreichs darin besteht, sich so aufzulösen, dass es von der Pflanzenwelt aufgenommen werden kann und so in ein höheres Lebenspotenzial übergeht.

Unter dem Mittleren versteht Swedenborg das Pflanzenreich, dessen Nutzen darin besteht, das Leben aus dem Mineralreich zu sammeln und in potenzierter Form der Tierwelt zur Verfügung zu stellen. Das durch die Wurzeln aufgenommene Leben des Mineralreichs wird durch die Pflanzen in ein komplexeres und freieres Leben überführt. Daraus folgert Swedenborg, dass der Endzweck des Pflanzenreiches darin besteht, dass es durch sein in pflanzlicher Materie gebanntes Leben die Körper der Tiere mit ihren Stoffen nähren, deren Sinne mit ihrem Geschmack, ihrem Geruch und ihrer Schönheit ergötzen und beleben soll.

Die obere Stufe der Lebenskonzentrierung stellt das Tierreich dar. Hier erreicht das durch Pflanzenfresser aufgenommene Leben nochmals eine Potenzierung, indem diese das in den Pflanzen angereicherte Leben des Mineralreichs weiter verdichten und konzentrieren. Die höchste Stufe der Lebenspotenzierung stellen die Fleischfresser dar. Sie füllen im Tierreich die Spitze der Nahrungspyramide aus, in dem sie das in den Pflanzenfressern angesammelte Leben auf eine noch höhere Ebene verdichten.

Im Menschen erreicht die Potenzierung des natürlichen Lebens seinen vorläufigen Höhepunkt. In ihm hat sich das Leben aus den einfachen Strukturen des Mineralreiches über das Pflanzen- und das Tierreich zu einer so komplexen Lebensstruktur zusammengefunden, dass er nach dem Ablegen des materiellen Körpers in der geistigen Welt weiterexistieren kann.

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier dadurch, dass er nicht nur ein Aufnahmegefäß des Lebens aus der natürlichen Welt ist, er ist auch ein Aufnahmegefäß des Lebens aus der geistigen Welt. Daher kommt es, schreibt Swedenborg in der »GLW«, Nr. 66, dass sich der Mensch anders als jedes Tier über die Natur erheben kann. Er kann folgerichtig und vernünftig nachdenken über bürgerliche und sittliche Dinge, welche innerhalb der Natur sind, und kann auch nachdenken über geistige und himmlische Dinge, welche über der Natur sind, ja, er kann sich zur Weisheit erheben, bis er Gott schaut.

Als Resümee meiner bisherigen Betrachtungen möchte ich festhalten, dass die Substanzen, aus denen Gott das geistige sowie das materielle Universum geschaffen hat, aus dem Ausfluss seiner göttlichen Liebe und Weisheit bestehen. Die Substanzen Seiner Schöpfungen befinden sich in Gott selbst, weil nur Jehova die Unendlichkeit mit Seinem Sein ausfüllt und es kein Außerhalb der unendlichen Gottheit gibt. Obwohl diese Substanzen aufgrund der Tatsache, dass sie Endlich sind, nichts Göttliches an sich haben, sind sie doch in Gott und somit beseelt und belebt, denn Gott ist das Leben selbst und in Ihm kann nichts sein, dass ohne Leben wäre. Natürlich gibt es unterschiedliche Lebensintensitäten und Lebensqualitäten. Es macht doch sicherlich einen Unterschied, wenn man das Leben eines Granitfelsens auf dem tiefsten Meeresgrund mit dem Leben eines Engels im dritten Himmel vergleicht.

Nach Emanuel Swedenborg befindet sich die unterste Stufe des Lebens und der Lebensfreiheit im Mineralreich der Materie. In den Mineralien sind letztendlich alle Lebenselemente enthalten, die sich in den Organismen den Pflanzen, den Tieren und beim Menschen wiederfinden. Wobei Swedenborg den Begriff des Mineralreichs recht weit fasst. So gehören für ihn zum Mineralreich materielle Stoffe verschiedener Art, von steinerner, salziger, öliger, mineralischer, metallischer Substanz, überzogen mit einer Erde, bestehend aus vegetabilischen und mineralischen Stoffen, welche in den kleinsten Staub zerfallen. Ich denke Acker- oder Humuserde, welche ja ein Sammelsurium von Mineralien, Spurenelementen und organischen Verbindungen ist, würde in etwa dem entsprechen, was Swedenborg mit dieser Aufzählung meint.

Die göttlichen Lebenspunkte, welche sich in der untersten Stufe des Lebens in der Humuserde manifestieren, stellen die Grundlage für das materielle Leben dar (das Gleiche gilt natürlich auch analog hierzu für das Leben im Wasser). Die noch sehr stark in der starren Materie des Minerals gebundenen Lebensimpulse werden durch die Pflanzen potenziert und sind schon um einiges freier als sie es z. B. in einem Kieselstein jemals waren. Durch die Tiere erfolgt eine weitere Potenzierung des Lebens und der Freiheit dieses Lebens und im Menschen findet sich die maximale Lebenspotenzierung und Freiheit der ehemals so unfreien mineralischen Lebensimpulse wieder.

Nun stellt sich natürlich die Frage: Weshalb betreibt Gott solch einen immensen Aufwand, um die im Mineralreich fest eingebundenen Lebensimpulse der aus der Göttlichen Liebe und Weisheit entspringenden Substanzen über das Pflanzen- und Tierreich zu einer größtmöglichen Freiheit im Menschen hinzuentwickeln? Welchen Nutzen oder welchen Zweck soll diese Potenzierung des Lebens und der Freiheit haben? In der »GLW«, Nummer 170, schreibt Swedenborg hierzu Folgendes:

„Der allumfassende Endzweck oder der Endzweck aller Teile der Schöpfung ist der, dass eine ewige Verbindung des Schöpfers mit dem erschaffenen Weltall sei, und diese ist nicht möglich, wenn es keine Träger gibt, in welchen Sein Göttliches wie in sich sein, in denen es also wohnen und bleiben kann. Diese Träger müssen, damit sie Seine Wohnungen und Bleibestätten seien, Seine Liebe und Weisheit wie aus sich aufnehmen können, sie müssen also wie von selber sich zum Schöpfer erheben, und sich mit Ihm verbinden können; ohne dieses Gegenseitige gibt es keine Verbindung. Diese Träger sind die Menschen, welche sich wie von selber erheben und verbinden können.

... Durch diese Verbindung ist der Herr gegenwärtig in jedem von Ihm erschaffenen Werk; denn alles Erschaffene ist am Ende um des Menschen willen da; weshalb die Brauchbarkeit alles dessen, was erschaffen worden, stufenweise aufsteigt vom Untersten zum Menschen, und durch den Menschen zu Gott, dem Schöpfer, von dem es erschaffen worden, ...“