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Der Autor, Historiker und Bildungstheoretiker Edward E. Gordon, formuliert eine Herausforderung an einen forschungsbasierten Nachhilfeunterricht wie folgt: "Wie können wir Nachhilfe-Praktiken entwickeln, die von den Prinzipien der Lernpsychologie abgeleitet sind?" (E. Gordon, The Tutoring Revolution, 2007, S. 43). Band 2 des Nachhilfekompendiums – Lernpsychologie für Nachhilfekräfte schließt an diesen Leitgedanken zur Gestaltung eines wissenschaftlich fundierten Nachhilfeunterrichts an. Auf der Basis des in Band 1 des Nachhilfekompendiums – Nachhilfeforschung dargestellten forschungsbasierten Grundmodells des Nachhilfeunterrichts werden in Band 2 des Nachhilfekompendiums jedem der sieben Handlungsfelder einer Nachhilfekraft: Steuerung, Organisation, Inhalte, Interaktion, Schülerwahrnehmung, Methoden und Persönlichkeit zentrale lernpsychologische Begriffe, Konzepte, Gesetze und Theorien zugeordnet. Auf dieser Basis werden für alle sieben Handlungsfelder lernpsychologisch fundierte Nachhilfeansätze, Methoden, Strategien und Handlungsanleitungen für die Nachhilfepraxis beschrieben und praktisch angeleitet. Die in diesem Band des Nachhilfekompendiums beschriebenen lernpsychologischen Konzepte erlauben die Gestaltung eines wissenschaftlich fundierten Nachhilfeunterrichts sowohl im kognitiven Bereich der Lernstoffverarbeitung als auch im persönlichkeitsorientierten Bereich der Lernförderung durch Nachhilfeunterricht. Ein lernpsychologisch fundiertes Nachhilfeschema beschreibt das Verfahren einer fachübergreifend anwendbaren Wissensanalyse zur exakten Bestimmung des Lernstands eines Schülers sowie zu spezifischen Lernproblemen passgenau anwendbare Methoden im Nachhilfeunterricht. Das Nachhilfeschema beinhaltet einen ausführlichen und fachübergreifend anwendbaren Methodenpool für Nachhilfekräfte. Die in Band 2 des Nachhilfekompendiums dargestellte Verbindung der Erkenntnisse der Nachhilfeforschung mit zentralen Begriffen, Konzepten und Theorien der Lernpsychologie ermöglicht Nachhilfekräften die Gestaltung eines wissenschaftlich fundierten und damit exakten, systematischen und effektiven Nachhilfeunterrichts für Schüler*innen mit unterschiedlichsten Lernproblematiken.
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Seitenzahl: 290
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Stephan Layh
Das Nachhilfekompendium Band 2 - Lernpsychologie für Nachhilfekräfte
Forschung, Theorie und Praxis des wissenschaftlich fundierten Nachhilfeunterrichts
© 2024 Stephan Layh
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: Stephan, Layh, Kreuzstraße 4/1 74321, Germany.
Gender-Hinweis
Die in diesem Buch verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich immer gleichermaßen auf weibliche und männliche Personen. Auf eine Doppelnennung und gegenderte Bezeichnungen wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.
Website zum Buch:
www.nachhilfekompendium.de
Kontakt:
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Einleitung
Das Nachhilfekompendium
Lernpsychologie für Nachhilfekräfte
Kapitel 1 - Steuerung
Die Komplexität der Lern- und Leistungssituation
Kognition – Wissen verarbeiten
Leistung - Wissen anwenden
Persönlichkeit – Ich-Bezüge
Die Lernstruktur - Soziale Bezüge
Die Klassifikation von Lernproblemen
Die Klassifikation von Lernstörungen nach Klauer
Das Lernstörungskonzept von Betz und Breuninger
Rechenschwäche - Dyskalkulie
Lese-Rechtschreibschwäche – LRS
Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung – ADHS
Lerntheorien
Der Behaviorismus
Der Kognitivismus
Der Konstruktivismus
Die drei Lerntheorien im Vergleich
Neurodidaktik
Tiefenpsychologie
Psychoanalytische Pädagogik
Die ACT-R Theorie
Die Cognitive Load Theorie
Psychologisch-pädagogische Herausforderungen im Nachhilfeunterricht
Die Expertenbrille abnehmen
Sich an die Geschwindigkeit des Schülers bei der Aufgabenbearbeitung anpassen
Die Selbststeuerung fördern, aber nicht einfordern
Gefühle wahrnehmen und darauf eingehen
Misserfolge gemeinsam und lernförderlich verarbeiten
Der passive Schüler
Erwartungen
Grenzen des Nachhilfeunterrichts
Kapitel 2 – Organisation
Lernen und Gedächtnis
Der Lernprozess – Gesamtbetrachtung
Lernphasen und die Unterrichtsorganisation
Kapitel 3 – Inhalte
Der Bildungsbegriff
Der Wissensbegriff
Repräsentationsformen von Wissen
Der Lernbegriff
Assimilation und Akkommodation
Das Vorwissen
Die Zone der nächsten Entwicklung (ZPD)
Fehlvorstellungen
Kapitel 4 - Interaktion
Kommunikation
The Human Tutorial Dialogue Project
Der Zusammenhang von Sprache, Denken, Handeln und Lernen
Theoretische Grundsätze und Nachhilfe
Kapitel 5 - Schülerwahrnehmung
Der Lernstand des Schülers aus lernpsychologischer Sicht
Die Wissensanalyse
Kriterien der Wissensanalyse
Lernen und Gefühle
Verhalten
Intelligenz
Kapitel 6 - Methoden
Ein adaptiertes Phasenmodell für den Nachhilfeunterricht
Ein diagnostisch-didaktisch-methodisches Nachhilfeschema
Pragmatische Aspekte des Nachhilfeschemas
Das Nachhilfeschema – Kurzübersicht
Das Nachhilfeschema – Phase 1 bis 4
Anwendungsmöglichkeiten des Nachhilfeschemas
Fehlvorstellungen erkennen und auflösen
Lerntheorien und Formen des Feedbacks
Sprache und Begriffsbildung
Das schlussfolgernde Denken
Leistung - Die systematische Aufgabenbearbeitung
Kapitel 7 - Persönlichkeit
Beziehung, Entwicklung und die Schulleistung
Selbstkonzept, Selbstwert, Fähigkeitskonzept
Selbststeuerung
Lernfertigkeiten
Motivation
Anhang
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
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Titelblatt
Urheberrechte
Introduction
Einleitung
Kapitel 7 - Persönlichkeit
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Einleitung
Das Nachhilfekompendium
Eine Nachhilfekraft hat den Auftrag, einen für einen Schüler oder eine Kleingruppe von Schülern individuellen Lehr-Lernprozess zu gestalten und diesen fortlaufend an die Lernentwicklung und die Persönlichkeit eines Schülers anzupassen.
Wie dieser Individualisierungsprozess wissenschaftlich fundiert gestaltet werden kann, wird von der Nachhilfewissenschaft seit mehr als fünfzig Jahren im Detail erforscht und beschrieben. Damit besteht heute ein umfangreicher Wissensschatz zum Thema Nachhilfeunterricht.
Bisher ist das forschungsbasierte Wissen über Nachhilfeunterricht jedoch verstreut in Studien, pädagogischen und digitalen Modellen, Trainings, Praxisleitfäden und verschiedenen Ausbildungen zur Nachhilfekraft und damit nicht in zusammengefasster und integrierter Form zugänglich.
Das Nachhilfekompendium schließt diese Lücke auf dem Veröffentlichungsmarkt zum Thema Nachhilfeunterricht. Das Nachhilfekompendium bietet eine zusammenfassende und die vielfältigen Bereiche der Nachhilfeforschung integrierende Darstellung des heutigen Wissensstandes zum Thema Nachhilfeunterricht.
Das Nachhilfekompendium besteht aus den drei Bänden:
• Nachhilfeforschung
• Lernpsychologie für Nachhilfekräfte
• Das Handbuch für die Nachhilfepraxis
Die drei Bände sind inhaltlich verbunden, können jedoch je nach spezifischem Leserinteresse unabhängig voneinander genutzt werden.
Band 1 – Nachhilfeforschung
Dieser Band stellt die Geschichte der Nachhilfeforschung anhand von Studien und pädagogischen sowie digitalen Nachhilfemodellen dar, fasst das von der Nachhilfeforschung erarbeitete Wissen zusammen und integriert dieses in einem Grundmodell anhand dessen die wissenschaftlich fundierte Nachhilfetätigkeit in Form des Zusammenwirkens einer äußeren mit einer inneren Schleife sowie anhand von sieben, forschungsbasiert klar definierbaren Handlungsfeldern beschrieben wird.
Band 2 - Lernpsychologie für Nachhilfekräfte
Da ein wissenschaftlich fundierter Nachhilfeunterricht vielfältige theoretische und praktische Bezüge zur Lernpsychologie beinhaltet, werden in Band 2 den sieben Handlungsfeldern einer Nachhilfekraft jeweils grundlegende lernpsychologische Erkenntnisse, Begriffe, Konzepte und Lerntheorien zugeordnet und damit ein, gemäß der Nachhilfeforschung, lernpsychologisch fundierter Nachhilfeunterricht beschrieben.
Band 3 – Das Handbuch für die Nachhilfepraxis
Das Handbuch für die Nachhilfepraxis verbindet die auf der Nachhilfeforschung basierenden sieben Handlungsfelder einer Nachhilfekraft mit zentralen Erkenntnissen der Lernpsychologie sowie mit bewährten Methoden aus der Nachhilfepraxis. Es beschreibt anhand des wissenschaftlich fundierten Grundmodells des Nachhilfeunterrichts, die praktische Gestaltung des Individualisierungsauftrages einer Nachhilfekraft in Form des koordinierten Zusammenwirkens einer äußeren und einer inneren Schleife sowie anhand konkreter Handlungsanleitungen für alle sieben Handlungsfelder einer Nachhilfekraft.
Lernpsychologie für Nachhilfekräfte
Der Autor, Historiker und Bildungstheoretiker Edward E. Gordon formuliert eine Herausforderung an einen forschungsbasierten Nachhilfeunterricht wie folgt:
„Wie können wir Nachhilfe-Praktiken entwickeln, die von den Prinzipien der Lernpsychologie abgeleitet sind?“ (Gordon, 2007, S. 43).
Auf der Basis des in Band 1 des Nachhilfekompendiums – Nachhilfeforschung dargestellten forschungsbasierten Grundmodells des Nachhilfeunterrichts werden in Band 2 des Nachhilfekompendiums den im Grundmodell des Nachhilfeunterrichts beschriebenen sieben Handlungsfeldern einer Nachhilfekraft jeweils relevante lernpsychologische Begriffe, Konzepte, Gesetze und Theorien zugeordnet. Weiterhin werden von grundlegenden lernpsychologischen Theorien, Gesetzen und Erkenntnissen spezifische Methoden und Strategien für den Nachhilfeunterricht abgeleitet und in Form von Handlungsanleitungen konkret beschrieben.
Das allgemeine Funktionsmodell des Nachhilfeunterrichts (Grundmodell)
Abbildung 1 Grundmodell des Nachhilfeunterrichts
Gemäß diesem Grundmodell kann die Individualisierung von Lehr-Lernprozessen in Form von sieben Handlungsfeldern einer Nachhilfekraft beschrieben werden. Jedes Handlungsfeld beinhaltet verschiedene Möglichkeiten, den Lehrprozess im Nachhilfeunterricht an den Lernprozess eines Schülers oder einer Kleingruppe von Schülern anzupassen. Die sieben Handlungsfelder einer Nachhilfekraft sind:
1. Steuerung
2. Organisation
3. Inhalte
4. Interaktion
5. Schülerwahrnehmung
6. Methoden
7. Persönlichkeit
Die Kapitelstruktur des Buches gliedert sich nach den sieben Handlungsfeldern einer Nachhilfekraft.
Jedes Kapitel verbindet ein Handlungsfeld einer Nachhilfekraft mit Erkenntnissen der Lernpsychologie und leitet davon konkrete Handlungsschritte für den Nachhilfeunterricht ab, sodass, gemäß der Forderung der Nachhilfeforschung, im Gesamten ein lernpsychologisch fundierter Nachhilfeunterricht beschrieben wird.
Kapitel 1 - Steuerung
Es ist Teil des Handlungsfeldes Steuerung einer Nachhilfekraft, den Nachhilfebedarf eines Schülers ganzheitlich zu erfassen und damit die Lern- und Leistungssituation eines Schülers in seiner Komplexität im Auge zu behalten. Kapitel 1 stellt die Komplexität der Lern- und Leistungssituation eines Lernenden anhand eines Modells dar. Anhand des Modells kann die Lern- und Leistungssituation eines Schülers als ein komplexes Zusammenwirken der vier Bereiche Kognition, Leistung, Persönlichkeit und soziale Bezüge verstanden werden. Jeder der Bereiche wird beschrieben und in einen Handlungsbezug für Nachhilfekräfte gebracht.
Die Lernproblematik sowie den Förderbedarf eines Schülers lernpsychologisch fundiert einordnen zu können, ist Teil der Steuerungsaufgabe einer Nachhilfekraft. Hierfür wird in Kapitel 1 das notwendige theoretische und praktische Bezugswissen vermittelt. Verschiedene Lernproblematiken wie Aufmerksamkeitsstörungen, Lese-Rechtschreibschwäche, Dyskalkulie und das Lernstörungskonzept werden beschrieben und nachhilfespezifische Handlungsanleitungen sowie Hinweise auf die Grenzen der Lern- und Persönlichkeitsförderung durch Nachhilfeunterricht gegeben.
Dies ermöglicht Nachhilfekräften auch, die Grenzen des Nachhilfeunterrichts zu erkennen, die Bedingungen für die Notwendigkeit eines spezifischen Zusatztrainings oder einer den Nachhilfeunterricht ergänzenden Form der Lernförderung zu erkennen und Eltern entsprechend zu beraten.
Gemäß der Nachhilfeforschung ist die lerntheoretische Ausrichtung und Flexibilität einer Nachhilfekraft Teil einer lernpsychologisch fundierten Nachhilfe. In Kapitel 1 werden die zentralen Lerntheorien in der Geschichte der Lernpsychologie vorgestellt und jeweils in einen direkten Handlungsbezug zur Gestaltung eines lerntheoretisch fundierten und flexiblen Nachhilfeunterrichts gebracht.
Nachhilfeunterricht beinhaltet verschiedene pädagogischpsychologische Herausforderungen an Nachhilfekräfte wie der Umgang mit sogenannten „schwierigen Schülern“, der Umgang mit Misserfolgen und hohen Erfolgserwartungen. In Kapitel 1 werden verschiedene pädagogisch-psychologische Herausforderungen beschrieben und der lernpsychologisch fundierte Umgang mit diesen Herausforderungen im Nachhilfeunterricht praxisnah angeleitet.
Kapitel 2 - Organisation
Kapitel 2 beleuchtet das Handlungsfeld Organisation einer Nachhilfekraft aus der Sicht der Lernpsychologie. Dies erfordert, dass der Nachhilfeunterricht so organisiert ist, dass die Lernfortschritte von Schülern einen langfristigen Charakter haben und damit eine gedächtnispsychologisch fundierte Gestaltung und Organisation des Nachhilfeprozesses. Die dazu notwendigen grundlegenden Erkenntnisse der Gedächtnispsychologie werden in Kapitel 2 dargestellt.
Lernprozesse vollziehen sich in Lernphasen. In Kapitel 2 werden verschiedene Lernphasenmodelle bzw. Lernzieltaxonomien vorgestellt, welche den Nachhilfeunterricht sowohl theoretisch als auch praktisch orientieren können. Die Berücksichtigung des Phasenaspektes von Lernprozessen in der Organisation des Nachhilfeunterrichts, wie z. B. in der Wahl und der Planung der Abfolge von Inhalten im Nachhilfeunterricht, der Planung, Gestaltung und Erfolgskontrolle eines Zusatztrainings zur systematischen Aufarbeitung von Lerndefiziten sowie der Planung der Methoden trägt zu einer lernpsychologisch fundierten Systematik des Nachhilfeunterrichts bei.
Kapitel 3 - Inhalte
Kapitel 3 beschreibt das Handlungsfeld Inhalte aus lernpsychologischer Sicht. Es werden grundlegende Begriffe der Lernpsychologie wie Lernen, Bildung, Wissen, Wissensarten, Wissensstrukturen, Repräsentationsformen vonWissen, das Vorwissen, die Zone der nächsten Entwicklung und Fehlvorstellungen definiert und beschrieben. Diese grundlegenden Erkenntnisse der Lernpsychologie ermöglichen Nachhilfekräften einen lernpsychologisch fundierten und fachübergreifenden Blick auf die im Nachhilfeunterricht behandelten Inhalte und damit eine lernpsychologisch fundierte Perspektive auf die Wissensverarbeitung und die an Lernprozessen beteiligten kognitiven Prozesse bei Lernenden.
Diese lernpsychologische Perspektive stellt die Grundlage für eine kognitionswissenschaftlich orientierte und damit fachübergreifende Sichtweise der Lerninhalte, des Lernprozesses und des Lernstandes von Schülern und damit auch die Grundlage für eine fachübergreifende Methodik im Nachhilfeunterricht. Die am Kognitivismus orientierte Sicht der schulischen Inhalte ermöglicht Nachhilfekräften eine fachübergreifende und exakte Analyse des Lernstandes eines Schülers und auf dieser Basis die Formulierung hochgradig differenzierter, schülerspezifischer Nachhilfeziele.
Auf der Basis der Beschreibung der verschiedenen Repräsentationsformen der schulischen Lerninhalte als Struktur auf den drei Ebenen: Inhaltlich-fachliche Struktur, Struktur aus verschiedenen Wissensarten und neuronale Strukturen werden in einem späteren Kapitel (Kapitel 5/Kriterien der Wissensanalyse) praxisorientierte Kriterien für eine lernpsychologisch fundierte Wissensanalyse abgeleitet und beschrieben.
Das grundlegendste Lerngesetz, die Hebb´sche Lernregel, wird dargestellt.
Kapitel 4 - Interaktion
In Kapitel 4 wird der Handlungsbereich Interaktion im Nachhilfeunterricht bezüglich grundlegender theoretischer Betrachtungen der Kommunikation zwischen der Nachhilfekraft und dem Nachhilfeschüler sowie bezüglich des engen Zusammenhangs zwischen den Bereichen Sprache, Denken und Handeln dargestellt.
Dies ermöglicht Nachhilfekräften eine forschungsbasierte Perspektive auf die Gestaltung der Kommunikation im Nachhilfeunterricht und auf die Bedeutung der Verbalisierung der Wissensverarbeitung und des Vorgehens bei der Aufgabenbearbeitung durch den Schüler. Auf der Basis der Nachhilfeforschung wird deutlich, dass die Kommunikation zwischen der Nachhilfekraft und dem Lernenden zentral ist, für die gemeinsame Konstruktion von Wissen im Dialog zwischen der Nachhilfekraft und dem Nachhilfeschüler und sich dieses Kommunikationsverständnis von einem Übertragungsmodell bzw. Wissensvermittlungsmodell der Lernförderung stark unterscheidet.
Kapitel 5 - Schülerwahrnehmung
Die Exaktheit der Analyse des Lernstands bzw. der Wissensverarbeitung und der Denkprozesse eines Schülers durch die Nachhilfekraft ist die Grundlage für die Passung zwischen dem tatsächlichen Wissensstand des Schülers und den von einer Nachhilfekraft gewählten Methoden im Nachhilfeunterricht.
Daher kommt einer diagnostischen Wahrnehmung des Lernstandes des Schülers durch die Nachhilfekraft eine grundlegende Bedeutung für die Effektivität des Nachhilfeunterrichts zu. Diese kann durch eine systematische und lernpsychologisch fundierte Wahrnehmung des Lernstandes des Schülers durch die Nachhilfekraft gewährleistet werden.
In Kapitel 5 wird der Handlungsbereich Schülerwahrnehmung lernpsychologisch fundiert dargestellt. Dabei wird die lernpsychologisch fundierte Wahrnehmung des Lernstandes des Schülers und die damit verbundenen praktischen Aspekte der Wissensanalyse dargestellt und in Form von lernpsychologisch fundierten Kriterien der Wissensanalyse für Nachhilfekräfte in einen praktischen Handlungsbezug zum Nachhilfeunterricht gebracht.
Lern- und Leistungsprozesse werden immer von emotionalmotivationalem Lernerleben begleitet. Es ist Teil der Schülerwahrnehmung durch eine Nachhilfekraft, die Gefühle der Lernenden im Blick zu haben und darauf lernförderlich einzugehen. Hierfür wird in Kapitel 5 die theoretische Grundlage gelegt und praxisnahe Möglichkeiten vorgestellt, auf die Gefühle von Schülern lernpsychologisch fundiert einzugehen.
Nachhilfekräfte deuten das Verhalten ihrer Schüler. Diese Deutungen wirken zurück auf die Qualität der Nachhilfebeziehung und damit auf die Effektivität des Nachhilfeunterrichts. Kapitel 5 stellt ein wissenschaftlich fundiertes Grundmodell der Verhaltensdeutung vor und damit die Möglichkeit für Nachhilfekräfte, ihre Verhaltensdeutung auf eine wissenschaftlich fundierte Grundlage zu stellen. Entsprechende Praxistipps zum Umgang mit Verhaltensdeutungen werden vorgestellt.
Kapitel 6 - Methoden
Kapitel 6 beleuchtet das Handlungsfeld Methoden aus lernpsychologischer Sicht. Gemäß der Nachhilfeforschung stehen von Nachhilfekräften angewendete Methoden grundsätzlich in einem engen und direkten Zusammenhang mit einer vorhergehenden Analyse des Wissens und Denkens von Lernenden.
Dieser Zusammenhang wird in Kapitel 6 durch ein lernpsychologisch fundiertes Nachhilfeschema beschrieben und praktisch angeleitet. Das Nachhilfeschema ermöglicht eine kognitivistisch orientierte, fachübergreifende und detaillierte Analyse des Schülerwissens und eine direkte Zuordnung von Methoden im Nachhilfeunterricht zu schülerspezifischen Verarbeitungsproblemen des Lernstoffs. Das Nachhilfeschema gibt Nachhilfekräften damit eine lernpsychologisch fundierte, konkrete und fachübergreifende Handlungsanleitung für die beiden zentralen Handlungsfelder Schülerwahrnehmung und Methodik.
Feedback von Nachhilfekräften an Schüler ist eine zentrale Nachhilfemethode, um den Lernprozess von Schülern zu fördern und den Dialog mit Schülern zu gestalten sowie den Lehr-Lernprozess zu steuern. Gemäß der Nachhilfeforschung ist es Teil einer lernpsychologisch fundierten Nachhilfepraxis, den Nachhilfeunterricht lerntheoretisch fundiert und flexibel am Lernstand des Schülers angepasst zu gestalten. Kapitel 6 beschreibt verschiedene Formen des Feedbacks in Abhängigkeit des lerntheoretischen Bezugsrahmens einer Nachhilfekraft.
Das Erlernen schulischer Inhalte beinhaltet fachübergreifend das Erlernen von Fachvokabular, die Bildung von Begriffen und die Ordnung von Begriffen in Begriffshierarchien. In der Nachhilfepraxis stellen die Zuordnung von Fachvokabular zu den Elementen eines Lerninhaltes und die Begriffsbildung häufig die ersten Schritte in der Bearbeitung neuer Lerninhalte sowie bei der Aufarbeitung von Vorwissen dar. Das Fachvokabular und die Begriffsbildung stellen auch einen zentralen Teil des Grundwissens in einem Fach dar, welches im Nachhilfeunterricht aufgearbeitet und gefestigt werden muss. In diesem Kapitel werden praktische Anleitungen gegeben, wie die verschiedenen Bereiche des Begriffslernens sowie des Erlernens von Fachvokabular im Nachhilfeunterricht methodisch systematisch gestaltet werden kann.
Das schlussfolgernde Denken stellt einen zentralen Bereich des schulischen Lernens dar. Die Verbindung von abstrakten Wissensformen wie Gesetze, Regeln, Konzepte und allgemein formulierte Vorgaben mit konkreten Schritten bei der Aufgabenbearbeitung stellt für viele Schüler eine große Herausforderung dar und wird von der Nachhilfeforschung als ein inhaltlicher Kernbereich des Nachhilfeunterrichts betrachtet. In diesem Kapitel werden die verschiedenen Formen des schlussfolgernden Denkens, die Deduktion, das analoge Schließen und die Induktion beschrieben. Verschiedene Methoden der Förderung des schlussfolgernden Denkens werden praxisnah angeleitet.
Weiterhin wird in diesem Kapitel die Leistungserbringung in Form der wissensgeleiteten Aufgabenbearbeitung anhand eines in der Nachhilfewissenschaft angewendeten Modells der Leistungserbringung bei der Aufgabenbearbeitung beschrieben. Anhand dieses Leistungsmodells werden die verschiedenen Schritte bei der Aufgabenbearbeitung identifiziert und jeweils detailliert beschrieben.
Auf dieser Basis kann die Aufgabenbearbeitung eines Schülers detailliert erfasst und analysiert werden, individuelle Lernziele formuliert und jeweils methodisch gezielt unterstützt werden. Für jeden Schritt in der Aufgabenbearbeitung werden in diesem Kapitel konkrete Handlungsanleitungen für eine Nachhilfekraft gegeben.
Das Modell erlaubt die Formulierung eines metakognitiven Handlungsschemas zur Aufgabenbearbeitung, welches von Nachhilfekräften fachübergreifend zur Analyse der Aufgabenbearbeitung von Schülern und zur passgenauen Hilfestellung bei der Aufgabenbearbeitung des Schülers angewendet werden kann.
Das Handlungsschema dient dabei auch zur Förderung des metakognitiven Wissens von Schülern, welches von Schülern fachübergreifend angewendet werden kann.
Kapitel 7 – Persönlichkeit
Gemäß der Nachhilfeforschung kann die Effektivität des Nachhilfeunterrichts nicht alleine durch die Analyse des Schülerwissens, inhaltliche Differenzierung und passgenaue Hilfestellungen im kognitiven Bereich erklärt werden. Für viele Schüler ist die Förderung persönlichkeitsbezogener Aspekte des Lernens und Leistens der tragende und entscheidende Faktor, welcher über den Erfolg von Nachhilfeunterricht entscheidet.
Kapitel 7 beschreibt das Handlungsfeld Persönlichkeitsförderung aus lernpsychologischer Sicht. Die Bereiche Beziehung, das Fähigkeitskonzept, die Lernmotivation, das Selbstgesteuerte Lernen und das Intelligenzkonzept werden jeweils definiert und dargestellt. Es werden zu jedem dieser Teilbereiche der Persönlichkeitsförderung im Nachhilfeunterricht praktische Handlungsanleitungen gegeben.
Kapitel 1 - Steuerung
Die Komplexität der Lern- und Leistungssituation
Nachhilfehilfekräfte sind mit unterschiedlichen Aspekten der komplexen Lern- und Leistungssituation von Schülern konfrontiert. Eine monokausale Erklärung des Lern- und Leistungsverhaltens im Hinblick auf einzelne Komponenten der Lern- und Leistungssituation eines Schülers ist im Hinblick auf die Komplexität der Lernsituation nicht möglich. Das Lernverhalten, der Lernerfolg und die Lernentwicklung eines Schülers sind demnach immer Teil eines komplexen Zusammenwirkens unterschiedlicher Faktoren und Teilprozesse der Lern- und Leistungssituation sowie des Lern- und Leistungserlebens eines Schülers.
Schulisches Lernen und Leisten finden in einem komplexen Wirkgefüge statt. Dieses kann, wie in der folgenden Abbildung dargestellt, als Wirkgefüge von vier Bereichen modelliert werden.
Abbildung 2 Die Komplexität der Lern- und Leistungssituation
Kognition – Wissen verarbeiten
Im kognitiven Bereich der Informationsverarbeitung interpretiert der Schüler neues Wissen anhand seines Vorwissens. Diese Interaktion führt, unter anderem, abhängig von der Qualität und Quantität des Vorwissens, entweder zu Lernerfolg (Assimilation/Akkommodation) oder Misserfolg (Nichtverarbeitung, isolierte Speicherung mit geringer Abrufwahrscheinlichkeit und Nützlichkeit, Fehlverarbeitung, schnelles Vergessen).
Praxistipp
• Überprüfen Sie bei der Themen- und Aufgabenbearbeitung im Nachhilfeunterricht grundsätzlich zunächst, ob der Schüler über das am Thema direkt beteiligte Vorwissen verfügt, um zu gewährleisten, dass der Schüler ein neues Thema mit dem relevanten Vorwissen in Verbindung bringen kann.
Leistung - Wissen anwenden
Die Leistungserbringung erfordert vom Schüler die Herstellung einer Beziehung zwischen der Aufgabe und seiner Wissensbasis sowie die Steuerung seines Denkens, Vorgehens und seines emotional-motivationalen Lernerlebens. Diese Steuerung ist beeinflusst von seinem Fähigkeitskonzept, seiner Lernbiografie und weiteren Persönlichkeitsfaktoren sowie sozialen Bezügen und Prozessen.
Praxistipps
• Stellen Sie sicher, dass der Schüler bei der Aufgabenbearbeitung einen bewussten Bezug zwischen der Aufgabe und dem dazu notwendigen Wissen herstellt, welches ihm eine Handlungsorientierung zur Aufgabenbearbeitung gibt, mit welchem er seine Schritte bei der Aufgabenbearbeitung begründen und mit welchem er eine Fehlerkorrektur durchführen kann.
• Geben Sie dem Schüler auch strategische und emotional-motivationale Hilfestellungen bei der Aufgabenbearbeitung („Du bist auf dem richtigen Weg“, „Nimm Dir Zeit“, „Durchdenke die Aufgabe in Ruhe“, „Denke an Aufgaben des gleichen Typs, welche Du bereits erfolgreich gelöst hast. Wie bist Du da vorgegangen?“)
• Nutzen Sie positive Verstärker wie:
o „Gute Arbeit bei ______!"
o „Du machst das wirklich viel besser bei ______!"
o „Das gefällt mir, wie Du __ gemacht hast!"
Persönlichkeit – Ich-Bezüge
Die Leistungserbringung wird von verschiedenen Faktoren der Persönlichkeit, insbesondere des Fähigkeitskonzeptes des Schülers sowie seines emotional-motivationalen Lernerlebens, welche beide wiederum von seiner Lernbiografie stark geprägt und beeinflusst sind, beeinflusst.
Praxistipps
• Sorgen Sie im Nachhilfeunterricht dafür, die Inhalte so in Teile zu zerlegen, dass der Schüler in jeder Nachhilfestunde Erfolge für sich verbuchen kann.
• Lassen Sie den Schüler alle Teilschritte bei der Aufgabenbearbeitung, die er bereits beherrscht, selbst lösen.
• Erkennen Sie die Stärkenbereiche des Schülers und nutzen Sie diese, wo immer möglich.
• Heben Sie die Stärken des Schülers immer wieder lobend hervor.
Die Lernstruktur - Soziale Bezüge
In Anlehnung an den Begriff „Lernstruktur“ von Betz/Breuninger (Betz & Breuninger, 1993), ist der gesamte Lern- und Leistungsprozess Teil einer sozialen Struktur, welche unterschiedliche Bezugspersonen und Bezugsgruppen beinhaltet wie Eltern, Geschwister, die Schulkultur, Lehrkräfte sowie die Peergroup des Schülers. Jeder dieser sozialen Bereiche beeinflusst das Lern- und Leistungsverhalten eines Schülers. Die Lernstruktur bildet laut den Autoren des Buches Teufelskreis Lernstörungen – Theoretische Grundlegung und Standardprogramm:
„den »Boden«, der den Lernprozeß begünstigen oder verhindern kann“ (Betz & Breuninger, 1993, S. 3).
Bezug zur Nachhilfeforschung
Im Vergleich pädagogischer Modelle des Nachhilfeunterrichts bezüglich ihrer zentralen Wirksamkeitskriterien (siehe Band 1 des Nachhilfekompendiums – Nachhilfeforschung) kann eine hohe Übereinstimmung darin erkannt werden, dass das Wirksamkeitskriterium Persönlichkeitsförderung/Beziehung ein zentraler Wirkfaktor des Nachhilfeunterrichts darstellt.
Bezug zur Nachhilfepraxis
Für viele Schüler ist daher die Förderung ihres schulischen Fähigkeitskonzeptes und damit ihre Hoffnung darauf, dass sie schulisch erfolgreich sein können, der den Nachhilfeunterricht tragende Faktor. Die Förderung der Hoffnung auf Erfolg ist der erste Schritt in der Motivationsförderung. Der Schüler sollte daher im Nachhilfeunterricht von der häufig anzutreffenden Motivationslage: „Ich kann das nicht und es interessiert mich auch nicht“ zu „Ich kann etwas, wenn ich die Aufgaben durchdenke und mich anstrenge“, zu „Ich kann das und es macht mir sogar Spaß“, geführt werden. Erst wenn das Fähigkeitskonzept des Schülers gestärkt wurde und erste Erfolge in Form von Notenverbesserungen sowie durch die erfolgreiche Lösung von Aufgaben im Nachhilfeunterricht eintreten, kann eine erhöhte Lernanstrengung und Selbststeuerung des Schülers im Nachhilfefach erwartet werden. Die Gestaltung einer motivierenden, das Selbstwertgefühl des Schülers stärkenden und Erfolge ermöglichenden Beziehung ist demnach für viele Schüler grundlegend, für die Effektivität von Nachhilfeunterricht sowie für das Erreichen weiterer Nachhilfeziele wie eine zunehmende Selbststeuerung ihres Lernprozesses und die Anwendung von Lernstrategien. Die Qualität der Nachhilfebeziehung und die Aufmerksamkeit der Nachhilfekraft bezüglich der persönlichkeitsrelevanten Lern- und Leistungsfaktoren im Nachhilfeunterricht kann demnach nach den Erkenntnissen der Lernpsychologie sowie nach den Wirksamkeitskriterien der pädagogischen Nachhilfemodelle wie auch entsprechend weiterer Erkenntnisse der Nachhilfeforschung über den Erfolg oder Misserfolg eines Nachhilfeunterrichts entscheiden.
Die Klassifikation von Lernproblemen
Nachhilfeunterricht hat vielfältige Möglichkeiten und ein hohes Potenzial, Lernende im Bereich der Lernstoffverarbeitung und in persönlichkeitsrelevanten Lern- und Leistungsbereichen zu fördern. Schüler mit verschiedensten Lernbiografien und Lernproblematiken werden im Nachhilfeunterricht erfolgreich gefördert. Auch Schüler mit Lernstörungen verschiedener Art können im Nachhilfeunterricht erfolgreich gefördert werden.
Jedoch hat Nachhilfeunterricht auch Grenzen, welche von Nachhilfekräften erkannt und mit Eltern, auch im Sinne der Prävention der Entwicklung weiterer Lernproblematiken oder einer Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung auf der Basis von schulischen Lern- und Leistungsproblemen, besprochen werden müssen, da Nachhilfeunterricht trotz seines hohen Potenzials der Lernförderung eine Lerntherapie nicht ersetzen und keine professionelle Diagnostik im Bereich von Lernstörungen verschiedener Art durchführen kann.
Hierbei ist es hilfreich für Nachhilfekräfte, verschiedene Formen von Lernproblemen und Lernstörungen erkennen zu können.
Teil der Steuerungsfunktion einer Nachhilfekraft besteht darin, bei speziellen Defiziten von Schülern, welche eine systematische Aufarbeitung benötigen, ein Zusatztraining oder ein spezifisches Förderprogramm in den Nachhilfeunterricht zu integrieren.
Das Kapitel Die Klassifikation von Lernproblemen vermittelt das hierzu notwendige Grundwissen für Nachhilfekräfte, anhand dessen Nachhilfekräfte spezifische Lernproblematiken sowie die Grenzen des Nachhilfeunterrichts erkennen und mit Eltern alternative oder ergänzende Formen der Lernförderung besprechen können. So können Eltern in speziellen Fällen auf die Notwendigkeit einer vertieften Diagnostik und eventuell notwendigen alternativen und/oder ergänzenden Form der Lern- und Persönlichkeitsförderung sowie über die eventuell vorliegende Notwendigkeit der Integration eines systematischen Förderprogramms oder systematischen Trainings in die Organisation des Nachhilfeunterrichts aufmerksam gemacht werden.
Teil der Steuerungsaufgabe einer Nachhilfekraft ist es, bei bestimmten Lernproblemen ein Zusatztraining zur systematischen Aufarbeitung schülerspezifischer Verarbeitungsprobleme zu integrieren. Die in diesem Kapitel vermittelten Wissensinhalte zu speziellen Lernproblematiken wie Rechenschwäche und Lese-Rechtschreibschwäche ermöglichen eine Orientierung zur Wahl, Gestaltung und Integration spezieller Trainings in den Nachhilfeunterricht.
Für alle dargestellten Formen von Lernproblemen werden Möglichkeiten der Lernförderung im Nachhilfeunterricht aufgezeigt.
Die Klassifikation von Lernstörungen nach Klauer
Das Buch „Interventionen bei Lernstörungen – Förderung, Training und Therapie in der Praxis“, (Lauth et al., 2014) gibt die folgenden Informationen zum Begriff „Lernstörung“.
„Lernstörungen bezeichnen nichts anderes als Minderleistungen beim absichtsvollen Lernen. Sie äußern sich darin, dass das gewünschte Können, Wissen und Verhalten (z. B. Lesen, Rechnen, Schreiben,Mitarbeit) nicht in ausreichender Qualität, nicht mit ausreichender Sicherheit sowie nicht in der dafür vorgesehenen Zeit erworben wird: Die erwarteten Leistungsergebnisse werden trotz als angemessen erachteter Lernangebote nicht erreicht, sodass den betroffenen Schülern mehr oder minder umfangreiche Störungen des Lernens zugeschrieben werden. Diese Störungen lassen sich wie folgt klassifizieren (s.Tabelle 1)
Tabelle 1: Arten von Lernstörungen (Klassifikation nach Klauer & Lauth, 1997)
Bereichs-spezifisch (partiell)
Allgemein (generell)
Vorübergehend (passager)
Lernrückstände in Einzelfächern
Schulschwierigkeiten Neurotische Störung
Überdauernd (persistierend)
Lese-Rechtschreibschwäche Rechenschwäche
Lernschwäche Lernbehinderung Lernbeeinträchtigung Geistige Behinderung
- Lernstörungen können inhaltlich begrenzt oder allgemein sein.
- Inhaltlich begrenzte Lernstörungen (Lesestörung, DSM-IV 315.00 [F81.0]; Störung des schriftlichen Ausdrucks, DSM-IV 315.2 [F81.8]; Rechenstörung, DSM-IV 315.10 [F81.2]) sind durch deutliche Minderleistungen in deinem Lernbereich definiert,während in den sonstigen Unterrichtsfächern eine gute Lernfähigkeit vorliegt und die allgemeine Intelligenz ein mittleres Niveau aufweist.
- Bei allgemeinen Lernstörungen (z. B. Nicht näher bezeichnete Lernstörung, [DSM-IV 315.9]; Schulversagen, Lernbehinderung, Geistige Behinderung, DSM-IV 317, 318) ist das Lernen „auf breiter Front“, d. h. in den meisten schulischen und teilweise auch in außerschulischen Bereichen deutlich beeinträchtigt. Oft sind die intellektuellen Fähigkeiten begrenzt (etwas bei Lernbehinderung).
- Lernstörungen können eher vorübergehend oder überdauernd sein. Vorübergehende Lernstörungen beziehen sich zumeist auf Leistungseinbußen, die als Reaktion auf kritische Ereignisse und situative Umbrüche auftreten (Schulwechsel, Reifungskrisen, Erlebnisstörungen, Neuorientierungen). Überdauernde Lernstörungen verharren hingegen; zumeist verschlimmern sie sich über die Zeit. Längsschnittstudien haben z. B. gezeigt, dass Lesestörungen und Störungen des schriftlichen Ausdrucks nicht nur über lange Zeit fortbestehen, sondern sich auch negativ auf das Selbstbild und das soziale Verhalten auswirken können.Einzelne Lernstörungen werden per se als relative Minderleistung definiert. Unter dem Begriff „Under-achievement“ werden z. B. Schüler subsumiert, die ihre intellektuellen Fähigkeiten nicht in angemessener Weise in schulische Leistungen umsetzen können (z. B. wegen mangelnder Motivation, hoher Leistungsangst oder defizitären Lernstrategien). DiesesPhänomen kann sich im Erwachsenenalter fortsetzen und in beruflichen Minderleistungen und sozialen Anpassungsschwierigkeiten Ausdruck finden (McCall, Evahn & Kratzer, 1992)“ (Betz & Breuninger, 1993, S. 3).
Praxistipps
• Bereits im Erstgespräch können Sie Informationen darüber gewinnen, welche eine Einteilung der Lernproblematik des Schülers in die Kategorien „global/isoliert“ und „vorübergehend/überdauernd“ erlauben.
• Dies kann bereits Hinweise darauf geben, wie groß die Lernrückstände bei einem Schüler wahrscheinlich sind und damit einen ersten Hinweis auf die Frage, ob der Schüler eher in einem Einzelunterricht oder in der Gruppe Nachhilfe bekommen sollte, sowie auf die voraussichtlich notwendige Stundenzahl zur Aufarbeitung von Lerndefiziten.
Das Lernstörungskonzept von Betz und Breuninger
Viele Schüler, die das selbstständige Lernen aufgegeben oder massiven Widerstand gegen das Lernen entwickelt haben, befinden sich in einer Lernstörung. Dies ist eine wichtige Hintergrundinformation für Nachhilfekräfte. Von Schülern in einer Lernstörung sollte das Selbstgesteuerte Lernen nicht zu früh erwartet werden. Sie sind in der ersten Nachhilfephase hauptsächlich, dadurch optimal zu fördern, indem sie bereits im Nachhilfeunterricht viele Erfolge für sich verzeichnen können, damit ihr Fähigkeitsselbstkonzept gestärkt werden kann. Erst durch ein gestärktes Fähigkeitskonzept werden eigene Lernanstrengungen wahrscheinlicher, weil der Schüler dann wieder die für die Lernmotivation notwendige Hoffnung auf Erfolg gewonnen hat.
Die Autoren des Buches „Teufelskreis Lernstörungen – Theoretische Grundlegung und Standardprogramm“ (Betz & Breuninger, 1993) schreiben über die Lern- und Leistungssituation von Schülern im Allgemeinen:
„Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass um jeden Lernprozeß herum ein Feld von Wirkungsgrößen existiert, die miteinander vernetzt sind, sich gegenseitig beeinflussen und mit darüber entscheiden, ob Lernen stattfindet oder nicht und wie Gelerntes in Leistung umgesetzt werden kann. Wir nennen dieses Feld zusammenfassen „Lernstruktur“. Sie muß später in größerem Detail dargestellt werden (s.1.2). Die Lernstruktur bildet den „Boden“, der den Lernprozeß begünstigen oder verhindern kann. So sprechen wir von einer „positiven“ bzw. einer „negativen“ Lernstruktur. Ob gelernt wird und was gelernt wird und welche Leistungen wann erbracht werden, läßt sich ohne Berücksichtigung dieser umgebenden Struktur gar nicht verstehen“ (Betz & Breuninger, 1993, S. 3).
Negative Lernstruktur
Auf der Internetseite des „Zentrum für integrative Lerntherapie e. V.“ (Was bedeutet eigentlich – ZIL Lerntherapie (lerntherapie-bs.de)) wird die negative Lernstruktur wie folgt visuell dargestellt:
Abbildung 3 Die negative Lernstruktur (Was bedeutet eigentlich, o. D.)
Positive Lernstruktur
Auf der Internetseite des „Zentrum für integrative Lerntherapie e. V.“ (Was bedeutet eigentlich – ZIL Lerntherapie (lerntherapie-bs.de)) wird die positive Lernstruktur wie folgt visuell dargestellt:
Abbildung 4 Die positive Lernstruktur (Was bedeutet eigentlich, o. D.)
Die drei Kreisläufe innerhalb der Lernstruktur
Zu den drei Kreisläufen einer Lernstruktur schreiben die Autoren der Website des „Zentrum für integrative Lerntherapie e.V (Was bedeutet eigentlich, o. D.):
„Das System gliedert sich in drei Kreisläufe:
1. Innerpsychischer Teufelskreis
Mangelnde Motivation, inadäquates Arbeitsverhalten, Angst, Stress, Blockierungen verhindern ein erfolgreiches Lernen. Hemmende Erklärungen (wie „Ich lerne das sowieso nie!“), Stigmatisierungen, Persönlichkeitsprobleme chronifizieren den Kreislauf ebenso wie eine verfestigte Misserfolgserwartung.
2. Sozialer Teufelskreis
„Auffälliges“ Schülerverhalten (ob provokativ, aggressiv oder depressiv, gehemmt) ist häufig eine Kompensation der Misserfolge. Selbst gut gemeintes Verhalten von Lehrern, Eltern oder Mitschüler*innen wird dann vom Schüler oft repressiv, als Druck oder Strafe erlebt, was einen neuen Kreislauf von Kompensationen (Vermeidungsverhalten) und Repressionen (die Wirkung, nicht das Wollen ist entscheidend) auslöst. Inkonsistentes Erziehungsverhalten schaukelt den Kreislauf ebenso auf wie soziale Belastungsfaktoren.
3. Pädagogischer Teufelskreis
Missverständnisse können Überforderungen und Enttäuschung zur Folge haben. Eine Fehleinschätzung der Defizite (Ursachen und Ausmaß) und unzureichendes Verständnis der Zusammenhängeführen zu Misstrauen, Vorurteilen, nicht passender Förderung und in der Folge zu weiterem Leistungsabfall.Ziel der integrativen Lerntherapie ist das Erreichen einer positiven Lernstruktur, ausgehend von einer sorgfältigen und umfassenden Eingangsanalyse und Diagnostik, in Kooperation mit allen Beteiligten.“ (Was bedeutet eigentlich, o. D.)
Der sogenannte „schwierige Schüler“ – Teufelskreis Lernstörung
Jedes kleine Misserfolgserlebnis führt zu einer gewissen Kränkung des Fähigkeitskonzeptes eines Schülers. Wenn Misserfolge überhandnehmen, zu lange andauern und im sozialen Umfeld mit Druck und Zwang und negativen Urteilen reagiert wird, dann kann dies zu einer Lernstörung führen, die beim Schüler durch Abwehr gegenüber allem Schulischen gekennzeichnet ist, um erneuten Kränkungen durch Misserfolge aus dem Weg zu gehen und die damit verbundenen Defizitgefühle zu vermeiden. Der Schüler in einer Lernstörung hat es aufgegeben, für seinen schulischen Erfolg zu kämpfen. An schulischen Erfolg durch eigene Lernanstrengung glaubt ein Schüler in einer Lernstörung nicht mehr. Häufig entstehen dann Fluchtmechanismen z. B. in digitale Welten, Drogen und weiteres Kompensationsverhalten.
Laut dem Buch „Teufelskreis Lernstörungen – Theoretische Grundlegung und Standardprogramm“ (Betz & Breuninger, 1993) befindet sich ein Schüler mit einer Lernstörung in einer sogenannten „Negativen Lernstruktur“.
„Lernstörungen sind auch Beziehungsstörungen und müssen als Wirkungsgefüge begriffen werden.Wer nur isoliert am Symptom arbeitet, riskiert einen pädagogischen Teufelskreis: Hilfen wirken als Schikane und werden abgewehrt; eine negative Lernstruktur etabliert sich.“ (Betz & Breuninger, 1993, S. 338)
Praxistipps
Die folgenden Elemente des Nachhilfeunterrichts sind für einen Schüler in einer Lernstörung hilfreich:
• Der Schüler in einer Lernstörung profitiert davon, wenn die Nachhilfekraft den Lernstoff in kleine „Päckchen“ zerlegt, welche in einer Stunde vom Schüler erfolgreich erlernt werden können, damit der Schüler im Nachhilfeunterricht durchgehend Lernerfolge durch die erfolgreiche selbstständige Aufgabenbearbeitung für sich verbuchen kann.
• Häufiges positives Feedback und Geduld.
• Auch minimale Fortschritte sollten von der Nachhilfekraft aufgezeigt, hervorgehoben und gewürdigt werden.
• Würdigen Sie auch sehr minimales Wissen, welches der Schüler mobilisieren kann und nehmen Sie dies als Grundlage/Anknüpfungspunkt „Da können wir anknüpfen“, „Das ist gut!“ „Aha, das weißt Du schon. Darauf bauen wir jetzt auf.“
• Erwarten Sie von einem Schüler in einer Lernstörung nicht zu früh die Selbststeuerung des Lernens. Stoßen Sie diese immer wieder an, aber erwarten Sie nicht, dass der Schüler regelmäßig Zusatzaufgaben erledigt.
• Man benötigt für Schüler in einer Lernstörung als Nachhilfekraft häufig:
o Über längere Zeit minimale bis keine Erwartungen an eigene Lernanstrengungen des Schülers außerhalb des Nachhilfeunterrichts.
o Eine dem Lernstand und dem Lernverhalten angepasste Strategie für die Vorbereitung von Leistungsprüfungen.
o Verständnis des Lernstörungskonzeptes als fundierte Grundlage für die Verhaltensdeutung
Rechenschwäche - Dyskalkulie
Definition
Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e. V. (Home – Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie, o. D.) gibt zum Begriff der Rechenschwäche folgende Informationen:
„Dyskalkulie – Was ist das?
Die Begriffe Dyskalkulie und Rechenstörung sind gleichbedeutend. Sie beschreiben ausgeprägte Schwierigkeiten beim Erlernen des Rechnens.
„Bereits Säuglinge können unterscheiden, ob eine bestimmte Menge groß oder klein ist, weshalb angenommen wird, dass ein gewisses Mengenverständnis angeboren ist. Im Kindergartenalter entwickeln Kinder dann ein erstes Verständnis für Zahlen und Mengen, die sogenannten Basiskompetenzen. Diese Basiskompetenzen werden im ersten Schuljahr weiter ausgebaut. In aufeinander aufbauenden Lernschritten erlernen die Kinder dieGrundrechenarten und verinnerlichen die Grundlagen mathematischer Logik.
Erste Anzeichen treten häufig bereits vor der Grundschulzeit auf