DAS RÄTSELHAFTE SPIEL - Herbert Adams - E-Book

DAS RÄTSELHAFTE SPIEL E-Book

Herbert Adams

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Schweigend hörte Roger zu. Er war drauf und dran gewesen, das Mädchen mit dem Auto zu erwähnen, verzichtete aber zunächst darauf. Wahrscheinlich trafen ihre Angaben zu: Der Anblick des Toten hatte sie erschreckt. Auch konnte man wirklich nicht annehmen, dass sie zwei Tage lang mit der Leiche im Auto herumgefahren war...

So merkwürdig es auch klingen mochte, man durfte doch als wahrscheinlich vermuten, dass der Fremde während der Abwesenheit der Fahrerin auf den Weg unter das parkende Auto gelegt worden war... Ihre Augen hatten Kummer verraten... Selbstverständlich, sie hatte ihn getäuscht, aber war sie deswegen so sehr zu tadeln?... Seine eigene Darstellung musste ihr höchst unglaubhaft vorgekommen sein... Sicherlich würde man später vor Gericht ihrer als Zeugin bedürfen.

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller. Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Das rätselhafte Spiel erschien erstmals im Jahr 1936; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1953.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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HERBERT ADAMS

 

 

Das rätselhafte Spiel

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 184

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DAS RÄTSELHAFTE SPIEL 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

 

Schweigend hörte Roger zu. Er war drauf und dran gewesen, das Mädchen mit dem Auto zu erwähnen, verzichtete aber zunächst darauf. Wahrscheinlich trafen ihre Angaben zu: Der Anblick des Toten hatte sie erschreckt. Auch konnte man wirklich nicht annehmen, dass sie zwei Tage lang mit der Leiche im Auto herumgefahren war...

So merkwürdig es auch klingen mochte, man durfte doch als wahrscheinlich vermuten, dass der Fremde während der Abwesenheit der Fahrerin auf den Weg unter das parkende Auto gelegt worden war... Ihre Augen hatten Kummer verraten... Selbstverständlich, sie hatte ihn getäuscht, aber war sie deswegen so sehr zu tadeln?... Seine eigene Darstellung musste ihr höchst unglaubhaft vorgekommen sein... Sicherlich würde man später vor Gericht ihrer als Zeugin bedürfen.

 

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller.  Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Das rätselhafte Spiel erschien erstmals im Jahr 1936; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1953.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  DAS RÄTSELHAFTE SPIEL

 

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

»Wo fehlt’s? Kann ich helfen?«

Die Frage wurde an zwei mit Ledergamaschen bekleidete Beine gerichtet, die unter einem Auto hervorsahen. Die Beine gaben jedoch keine Antwort.

Roger Bennion wanderte, weil es ihm Spaß machte, aber jetzt hatte er sich unzweifelhaft verirrt. Es war bald Essenszeit, und ein guter Trunk wäre ihm mehr als willkommen gewesen. Jene beiden Füße versprachen nicht nur Auskunft über die einzuschlagende Richtung, sondern brachten ihn auch auf die Vermutung, dass er das Ziel auf bequeme Weise erreichen werde.

Das Wandern ist zwar des Müllers Lust, hat aber auch seine Nachteile. Man kommt nur langsam vorwärts, und wenn man obendrein zur Zerstreutheit neigt, dann kann es leicht passieren, dass man einen Wegweiser übersieht.

Wandern ist vielleicht nicht ganz das richtige Wort, denn unwillkürlich erweckt es die Vorstellung erhitzter, bestaubter Menschen, die mit von der Sonne verbrannten Nasen auf müden Füßen tapfer dem nächsten Ziel zustreben und dabei den Eindruck zu erwecken suchen, als machte ihnen das Vergnügen.

Das alles traf bei Roger Bennion nicht zu. Er trug einen gut sitzenden grauen Flanellanzug, ein seidenes Hemd und einen weichen, ebenfalls grauen Filzhut. Ungeachtet der warmen Oktobersonne schien er auch nicht erhitzt zu sein. Es stand aber fest, dass er sich verirrt hatte.

Vor kurzem hatte er einen Punkt erreicht, wo ein einzelner, rechtwinklig zur Straße stehender Wegweiser hinwies, dass es noch drei Meilen Weges bis Lacock seien. Er verschwieg jedoch, wo der Wanderer hingelangte, der geradeaus weitermarschierte. Ja er sagte nicht einmal, wo er - der Wanderer - herkam. Roger Bennion hatte noch nie im Leben den Namen Lacock gehört und legte auch keinen Wert darauf, den Ort kennenzulernen. Doch sollte es sich um ein einigermaßen beachtliches Dorf handelte, ließ sich dort vermutlich ein Fahrzeug auftreiben, das einen nach Melksham, den ersehnten Rastort, bringen konnte.

Kurz entschlossen schlug er also die Richtung nach Lacock ein. Noch war er nicht weit gegangen, als ihm der erfreuliche Anblick eines auf einem Seitenweg zwischen zwei Feldern haltenden Autos zuteilwurde. Er eilte darauf zu. Ein hübscher, kleiner Wagen war es, der die schnittige Form der neuesten Modelle aufwies und hellblau lackiert war. Von dem Besitzer war zunächst nichts zu sehen. Dann entdeckte Roger die Beine. Der dazugehörende Körper lag unter dem Auto. Roger verstand etwas von Motoren. Da er außerdem an die Kameradschaft der Landstraße glaubte, erkannte er die sich darbietende Gelegenheit zu einer freien Fahrt und nutzte sie.

»Wo fehlt’s?«, fragte er also. »Kann ich helfen?«

Keine Antwort. Die Beine regten sich nicht, und auch unter dem Wagen blieb alles still.

Er wartete ein wenig. Dann wiederholte er die Frage mit etwas lauterer Stimme und berührte mit der Stiefelspitze die Sohlen des Fremden.

»Kann ich helfen?«

Noch immer erfolgte nichts. Der berührte Fuß neigte sich leicht zur Seite und blieb in der neuen Lage liegen. Roger bückte sich und berührte das eine Bein oberhalb des Knies. Auch suchte er einen Blick unter das Trittbrett zu werfen.

»Stimmt etwas nicht?«

Keine Antwort. Jedenfalls stand es nun fest, dass in der Tat irgendetwas nicht stimmte. Roger packte also die beiden gamaschenbekleideten Beine und zog behutsam daran. Es wurde kein Widerstand geleistet, nur das schwere Gewicht eines leblosen Körpers machte sich bemerkbar.

Kräftiger zog Roger Bennion, bis er dem Fremden ins Gesicht zu sehen vermochte.

Tot. Darüber bestand kein Zweifel. Das bleiche Gesicht zeigte ein fahles, grünliches Aussehen. Die zugeknöpfte Lederjoppe und die Gamaschen ließen darauf schließen, dass es sich um einen Chauffeur handelte, aber nichts deutete auf die Todesursache hin.

Der Fremde mochte dreißig Jahre alt sein. Äußere Verletzungen waren nicht zu sehen. Roger besaß keine medizinischen Kenntnisse, aber die Eiskälte des Gesichts und der Hände verriet, dass der Tod schon vor einiger Zeit eingetreten sein musste.

Was nun?... Sollte er hier warten, bis Hilfe eintraf, oder war es ratsamer, den Toten ins Auto zu heben und ihn nach Lacock zu bringen, um den Vorfall dort zu melden?

Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Wagen zu. Durchs Fenster gewahrte er eine blau emaillierte Zigarettendose, die auf dem Vordersitz lag; ferner ein Feuerzeug, eine ebenfalls aus blauer Emaille gefertigte Puderdose und ein Röhrchen, das vermutlich einen Lippenstift enthielt. Auf dem Rücksitz lag ein roter Regenmantel. Davon abgesehen war der Wagen leer, es gab keine weiteren Anhaltspunkte.

Der Schlüssel musste in des Fahrers Tasche stecken. Roger war von Natur aus nicht schüchtern, aber die Aufgabe, des Toten Kleider zu durchsuchen, gefiel ihm durchaus nicht. Er führte die Suche nach dem Schlüssel dennoch durch und entdeckte dabei etwas, was sehr dazu angetan war, sein Unbehagen zu erhöhen.

Er fand keinen Schlüssel... er fand überhaupt nichts; kein Geld, keine Papiere, keine Zigaretten und keine Zündhölzer. Sämtliche Taschen waren so leer, als wären die Kleidungsstücke eben erst aus der Schneiderwerkstatt gekommen.

Der Unbekannte trug keine Weste.

Raubmord? Es fällt doch keinem Menschen ein, mit vollständig leeren Taschen zu reisen. Es war für einen Unbeteiligten alles andere als angenehm, in eine derartige Sache verwickelt zu werden. Nach wie vor konnte Roger keine Verletzungen finden.

Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Künstliche Atmung! Aber der Tote sah nicht so aus, als werde man bei ihm damit noch etwas erreichen können. Er zog den Toten noch ein wenig beiseite, um mehr Raum zu gewinnen. Dann beugte er sich nieder und versuchte es trotzdem.

Eilige Schritte ließen ihn aufsehen. Weiter unten auf dem Feldweg war ein Mädchen über einen niedrigen Zaun gestiegen und lief auf den Wagen zu, dessen Tür sie aufschloss. Die Fremde würdigte weder Roger noch den Toten eines Blickes.

»Hallo!... Ihrem Fahrer ist etwas zugestoßen.«

Die Worte fanden keine Beachtung. Die Hand, die den Schlüssel ins Schloss schob, zitterte ein wenig.

»Ihr Fahrer hat einen Unfall erlitten.«

»Lassen Sie mich zufrieden! Ich habe keinen Fahrer. Gehen Sie!«

»Ich fand ihn unter Ihrem Wagen. Da drüben liegt er und...«, hier machte der Sprecher eine Pause, »ich glaube, er ist tot.«

Jetzt endlich sah sie ihn an. Zum ersten Mal schien sie zu begreifen, was er zu ihr sagte. Ihr Blick schweifte zu dem regungslos Daliegenden hinüber.

Sonderbar war das Verhalten dieser jungen Dame. Sie schien erregt, aber auch zornig zu sein. Roger stellte fest, dass sie blaue Augen und blondes Haar hatte. Ungeachtet der im Wagen liegenden Gegenstände waren Gesicht und Lippen frei von künstlicher Aufmachung. Das schlanke, ein graues Kostüm tragende Mädchen mochte zwanzig Jahre alt sein.

»Ich weiß nicht, was Sie wollen«, murmelte die Unbekannte. »Ich ließ meinen Wagen hier stehen, während ich... während ich einen Besuch machte. Es war niemand hier. Wie kommen Sie hierher?«

»Ich bin auf einer Fußtour. Ich sah einen Mann unter dem Auto liegen und redete ihn an. Er antwortete aber nicht, er war tot.«

Ihre Augen weiteten sich. »Wenn er tot war... Dort unter meinem Wagen, dann müssen Sie ihn da hingelegt haben. Das geht mich nichts an. Ich fahre.«

Die Tür stand offen, und sie schickte sich an, einzusteigen.

»Nein, Sie fahren nicht so ohne weiteres davon!«

Seine Hand legte sich auf ihren Unterarm. »Wenn Sie wirklich nichts davon wissen, dann ist das ein Fall, der die Polizei angeht. Wir können den Menschen doch nicht einfach hier liegen lassen. Ist es wirklich nicht Ihr Fahrer? Sie kennen ihn nicht?«

»Ich habe überhaupt keinen Fahrer! Wahrscheinlich haben Sie Streit mit dem Mann bekommen und wollen nun mir die ganze Angelegenheit zuschieben. Ich denke nicht daran, mir das bieten zu lassen. Ich fahre.«

Ihre Entschlossenheit versetzte Roger in eine Zwangslage. Immerhin war sie an dem Fall stärker beteiligt als er, und vor allem besaß sie die Möglichkeit, Hilfe herbeizuholen. Er versuchte es mit Freundlichkeit.

»Begreifen Sie doch«, sagte er, »hier muss sich etwas sehr Merkwürdiges ereignet haben. Ich schlage Ihnen vor, dass Sie zu Ihren Bekannten zurückkehren und sie benachrichtigen. Ich bewache solange den Wagen. Ihre Freunde können wenigstens die Polizei anrufen.«

»Zurückgehen kann ich nicht.«

»Weshalb nicht? Ist das Haus weit entfernt? Die Leute müssen doch im Stande sein, etwas zu tun.«

»Ich... ich hatte Streit mit ihnen. Ich kann nicht... ich will nicht zu ihnen. Außerdem haben sie keinen Fernsprecher.«

Abermals sah er sie befremdet an. Was bedeutete dieses Verhalten, und wie weit durfte man sich auf ihre Wahrhaftigkeit verlassen? Er dachte daran, selbst hinzugehen, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Sie würde seine Abwesenheit nur dazu benutzt haben, samt dem Wagen das Weite zu suchen. Das aber musste unter allen Umständen verhindert werden.

»Stunden können vergehen, bis hier jemand vorbeikommt«, meinte er.

»Das ist Ihre Sache. Sie brachten ihn hierher und müssen zusehen, wie Sie mit der Geschichte fertig werden.«

»Mein liebes Fräulein, sehe ich so aus, als ob ich tote Chauffeure spazieren trage?«

»Weiß ich nicht. Ich kann nur wiederholen, dass ich nichts damit zu tun habe.«

»Wie wollen Sie das so ohne weiteres wissen? Sie haben sich ihn ja noch nicht einmal angesehen.«

Ein zorniger Blick traf den Sprecher, dann aber näherte sie sich doch der Gestalt, die dort am Wegrand lag.

»Oh!« Der Ausruf klang ganz natürlich.

»Sie kennen ihn also?«, fragte Roger schnell.

»Nein. Ich schwöre Ihnen, dass er mir unbekannt ist. Sein Aussehen erinnert mich nur an jemanden.«

»Vielleicht erinnert er Sie nicht nur...?«

Wieder trafen sich ihre Blicke, und es gab eine längere Gesprächspause. Roger glaubte, dass die Fremde log.

»Wissen Sie«, fing er wieder an, »wir stecken beide in der Tinte. Wenn Sie wirklich nichts wissen, dann müssen Sie natürlich annehmen, dass ich irgendwie mit der Sache in Verbindung stehe, da Sie mich hier fanden. Was ich Ihnen sagte, ist jedoch wahr. Eine höchst peinliche Situation. Können wir nicht gemeinsam versuchen, möglichst bald mit ihr fertig zu werden?«

»Wie wäre das möglich?«

»Bringen Sie die Leiche zur Polizeiwache von Lacock, und melden Sie dort, was sich zugetragen hat.«

»In meinem Wagen?« Der Klang ihrer Stimme verriet, wie schrecklich ihr dieser Gedanke war. »Warum sollen wir ihn nicht einfach hier liegen lassen?«

»Und... gar nichts tun?«

Sie schien zu erwägen. »Wenn man ihn fortschafft, könnte die Polizei behaupten, es wäre besser gewesen, nichts am Fundort zu verändern«, sagte sie langsam. »Ich lasse den Wagen ein wenig vorrücken, Sie legen den Toten wieder genauso hin, wie Sie ihn gefunden haben wollen, und dann holen wir Hilfe.«

»Vielleicht ist das in der Tat das beste«, nickte er. »Gut, machen wir es so.«

Roger fühlte sich wesentlich erleichtert, nun er die Möglichkeit erkannte, etwas Zweckmäßiges zu unternehmen. »Kehren Sie mit Ihrem Wagen um, derweil ich alles wieder so anordne, wie ich es fand.«

Um ihr Platz zu schaffen, musste er den Toten beiseite ziehen. Langsam glitt der Wagen an ihm vorüber und auf die Landstraße zu. Roger drehte dem Auto den Rücken zu, aber ein Geräusch ließ ihn aufspringen. Das Mädchen hatte zwar die Wagentür nicht geschlossen, fuhr aber in schnellem Tempo davon. Keine Chance, Sie einzuholen!

Der Wanderer war wieder mit seinem unheimlichen Fund allein.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

»Ich Narr!«

Er befand sich in einer wenig beneidenswerten Lage; drei englische Meilen vom nächsten Dorf entfernt und in Gesellschaft eines toten Unbekannten.

Sollte er, dem Beispiel des Mädchens folgend, schleunigst das Weite suchen und anderen die Aufklärung des Falles überlassen?

Irgendwie passte ihm das nicht. Sein Anstandsgefühl lehnte sich gegen ein solches Verhalten auf.

Ob die Erzählung der Fremden dennoch den Tatsachen entsprach? Dann musste sich ein Haus in der Nähe befinden. Er ging zu dem Zaun, über den sie geklettert war. Zwei Fußwege verliefen von dort aus in verschiedene Richtungen, aber von einer menschlichen Niederlassung war nichts zu sehen.

Stimmte die Geschichte überhaupt? Wenn das Mädchen Bekannte hatte besuchen wollen, brauchte es doch nicht den Wagen einfach stehen zu lassen. Warum fuhr es nicht am Hause vor?

Roger war ein junger Mann, der sich nicht so leicht aus der Fassung bringen ließ, aber das Erlebnis dieses Nachmittags war doch dazu angetan, selbst seinen Gleichmut zu erschüttern. Noch immer wusste er nicht, wo er sich befand. Sein Hungergefühl nahm zu, der Tote lag dort auf dem Weg und das Mädchen hatte ihm ein Schnippchen geschlagen.

Allerdings war es doch wohl nicht ganz so schlau, wie es auf den ersten Blick aussehen mochte. Roger hatte sich wenigstens die Nummer des Autos merken können. ZQM 1426. Mit dieser Kenntnis würde sich immerhin einiges anfangen lassen. Noch länger am Tatort zu verweilen, erschien ihm zwecklos, und so beschloss er, schnellstens nach Lacock zu marschieren und den Vorfall der örtlichen Polizei zu melden.

Da ließ ihn das Knattern eines Motorrades den Kopf heben. Der jugendliche Fahrer sah das ihm gegebene Zeichen und brachte seine Maschine zum Halten. Nachdem Roger ihm mit wenigen Worten erklärt hatte, um was es sich hier handelte, zeigte sich der Fremde sehr hilfsbereit, bestand aber darauf, den Toten mit eigenen Augen zu sehen.

»Donnerwetter! Ein Chauffeur. Ist der aus dem Wagen gefallen? Vielleicht erlitt er einen Herzschlag, und das Auto fuhr ohne ihn weiter. Oder meinen Sie, dass ein Mord vorliegt?«

»Ich weiß genau so viel, wie Sie«, antwortete Roger. »Mir kommt es nur darauf an, die Polizei zu verständigen und mich möglichst bald aus dem Staub zu machen.«

Den Wagen des Mädchens erwähnte er nicht. Das hätte nur weitere unbequeme Fragen hervorgerufen. »Ist Lacock ein richtiges Dorf oder nur ein Bauernhof?«

»Ein Dorf.«

»Mit einer Polizeiwache?«

»Sie nennt sich so«, grinste der Fremde, »aber so’n schwieriger Fall ist nichts für sie. Es gibt immerhin eine Fernsprechstelle in der Nähe, von der ich telefonieren kann. Besser, wir benachrichtigen Melksham, dann schicken sie von dort aus einen Wagen.«

Die ganze Angelegenheit machte dem jungen Mann sichtlich Spaß.

»Da will ich ebenfalls hin«, gestand Roger. »Die Leute können mich in ihrem Wagen mitnehmen.«

»Samt der Leiche?«

Der Wanderer schnitt ein Gesicht. Ihm war es darum zu tun, möglichst bald der Nachbarschaft des Toten enthoben zu sein.

»Steigen Sie auf«, rief der Motorradfahrer. »Später kann ich Sie selbst nach Melksham bringen, wenn Ihnen das lieber ist.«

Dankbar nahm Roger das Anerbieten an, aber gleich darauf klammerte er sich auf Tod und Leben an den Gürtel seines neuen Freundes, der offenbar der Ansicht war, die Umstände gestatteten eine erhöhte Geschwindigkeit. Nach einer atemberaubenden Hetzfahrt gelangten beide zur Telefonzelle, und die Polizei wurde verständigt. Sie fuhren zum Toten zurück.

Nach kurzer Zeit hielt neben dem Toten ein Polizeiauto, dem hastig drei Männer entstiegen. Einer von ihnen war Arzt.

»Hier fanden Sie ihn?«

Inspektor Pickard stellte die Frage. Die Laune des im Übrigen sehr tüchtigen Beamten war nicht die rosigste, denn nach aufreibendem Dienst hatte er sich gerade zu Tisch gesetzt, als er alarmiert wurde. Kein Wunder, dass er sich selbst ein wenig bemitleidete.

»Ja«, sagte Roger.

Pickard sah sich nach allen Seiten um.

»Wie kam er hierher?«

»Das lässt sich schwer sagen«, begann Roger Bennion. »Als ich...«

»Der Mann ist bereits seit zwei Tagen tot«, unterbrach ihn der Arzt, der sich inzwischen über den Chauffeur gebeugt hatte.

John Laurie, der Motorradfahrer, machte große Augen.

»Zwei Tage? Das kann nicht gut stimmen. Ich bin gestern Abend und auch heute Nachmittag hier vorübergekommen und...«

»Ich habe nicht behauptet, dass er die ganze Zeit hier gelegen hat«, fiel ihm der Arzt ziemlich barsch ins Wort.

»Ach so, Sie meinen, dass er irgendwo anders umgebracht und dann hier abgeladen wurde?«

Der Doktor beachtete die Frage gar nicht, sondern wandte sich an den Inspektor.

»Vorläufig ist weiter nichts zu machen.«

»Hinsichtlich der Zeit kann es keine Zweifel geben?«, fragte Pickard.

»Nein.«

Schweigend hörte Roger zu. Er war drauf und dran gewesen, das Mädchen mit dem Auto zu erwähnen, verzichtete aber zunächst darauf. Wahrscheinlich trafen ihre Angaben zu: Der Anblick des Toten hatte sie erschreckt. Auch konnte man wirklich nicht annehmen, dass sie zwei Tage lang mit der Leiche im Auto herumgefahren war...

So merkwürdig es auch klingen mochte, man durfte doch als wahrscheinlich vermuten, dass der Fremde während der Abwesenheit der Fahrerin auf den Weg unter das parkende Auto gelegt worden war... Ihre Augen hatten Kummer verraten... Selbstverständlich, sie hatte ihn getäuscht, aber war sie deswegen so sehr zu tadeln?... Seine eigene Darstellung musste ihr höchst unglaubhaft vorgekommen sein... Sicherlich würde man später vor Gericht ihrer als Zeugin bedürfen. Vielleicht konnte er inzwischen herausbekommen, auf welchen Namen der Wagen zugelassen war... ZQM 1426...

»Kann man schon etwas wegen der Todesursache sagen?«, erkundigte sich Pickard.

»Gift«, erwiderte der Arzt einsilbig.

»Gift, zwei Tage her...«, murmelte der Inspektor halb für sich. »Klingt sehr unwahrscheinlich. Woher wissen Sie, dass die Tat so weit zurückliegt?«

»Die Leichenstarre hat sich schon wieder gelöst und... aber es ist nicht ratsam, zu viel zu plaudern. Natürlich muss ich erst eine eingehendere Untersuchung anstellen, ehe ich mein endgültiges Urteil abgebe.«

»Spuren von Autoreifen, Sir«, meldete der Konstabler Wells, indem er auf den Boden deutete.

»Offenbar rühren sie von zwei oder drei Wagen her«, warf Roger ein.

»Ja, die werden uns wenig helfen«, stimmte Pickard zu. »Zuerst herauskriegen, mit wem wir es überhaupt zu tun haben.«

»Seine Taschen sind leer.«

Sofort wurde der Beamte misstrauisch. »Woher wissen Sie das? Warum haben Sie seine Kleider durchsucht?«

»Ich weiß, dass ich es nicht hätte tun sollen, aber ich nahm an, dass ein Unfall vorlag und dass man seinen Chef benachrichtigen müsse.«

»Dumme Geschichte«, knurrte Pickard. »Seit zwei Tagen tot, hier abgeladen und nichts, was auf seine Persönlichkeit schließen ließe.«

»Vielleicht könnte man feststellen, was für Wagen im Laufe dieses Nachmittags vorüberkamen«, schlug der Arzt vor.

»Möglich. Aber wie kommen eigentlich Sie hierher?« wandte sich der Inspektor an Roger Bennion.

»Ich wollte zu Fuß nach Melksham und hatte mich verirrt.«

»Zu Fuß?... Wo kamen Sie denn her?«

»Ich wandere gerne. Ich war aufgefordert worden, Crowbury Manor zu besuchen. Ursprünglich komme ich von Melksham, aber auf dem Rückweg muss ich eine falsche Richtung eingeschlagen haben.«

»Crowbury Manor«, wiederholte der Inspektor, als wollte er sich den Namen für später einprägen. »Wer wohnt denn jetzt dort?«

»Das weiß ich nicht. Ich nehme an, dass es leer steht.«

»Und dennoch hat man Sie eingeladen?«

»Von Einladung ist keine Rede. Ich dachte daran, es zu kaufen.«

Überrascht sahen ihn die Männer an. Crowbury Manor galt als einer der schönsten Landsitze der ganzen Grafschaft.

»Und entschlossen Sie sich zum Kauf, oder wird das Anwesen verschenkt?« Ein spöttisches Lächeln kräuselte Pickards Lippen.

»Um mich deutlicher auszudrücken, ich besichtigte es im Auftrage meines Vaters, Sir Christopher Bennion«, erklärte Roger. »Er kommt als Käufer infrage. Übrigens nehme ich an, dass Sie meiner Anwesenheit nicht weiter bedürfen. Ich kann deshalb wohl gehen.«

»Sie müssen beim Verhör der amtlichen Leichenschau und der dazugehörenden Untersuchung dabei sein. Zu diesem Zweck ersuche ich Sie um Angabe Ihres Namens und Ihrer Adresse.« Pickards Stimme klang ein wenig höflicher.

»Ich wohne im Gasthof Royal Miller in Melksham, wenigstens für etwa zwei Tage. Danach erreichen Sie mich unter der Anschrift meines Vaters, Smith Square, London. Der Herr hier bot mir an, mich mitzunehmen.«

Pickard schrieb sich auch die Adresse des Motorradfahrers auf, dann wurden beide entlassen.

»Aufgesessen!«, grinste Laurie. »In ein paar Minuten sind wir dort.«

»Wenn Sie’s machen können, geben Sie ruhig einige Minuten zu«, sagte Roger, obwohl er in Wirklichkeit darauf brannte, davonzukommen. Es dunkelte bereits, und er hatte Hunger. So freute er sich aufrichtig, als man das alte Städtchen erreichte, aber dann waren alle ihn bewegenden Gedanken plötzlich wie weggewischt.

Dort auf dem Hof des Royal Miller stand der hellblaue Wagen mit dem Zeichen ZQM 1426, und ein Mechaniker machte sich eifrig an ihm zu schaffen, als bedürfte das Auto gründlicher Instandsetzung. Von dem hellblonden Mädchen war nichts zu sehen.

»Sie müssen erst eine kleine Erfrischung zu sich nehmen«, sagte Roger zu dem Amateurrennfahrer. Es war das wenigste, was er ihm anbieten konnte, und vermutlich konnte man, beim Glase sitzend, den blauen Wagen beobachten.

Aber John Laurie lehnte dankend ab. Er sei Abstinenzler und wollte gern nochmals zu den Polizeibeamten zurückkehren, um zu sehen, was sie machten. Mit einem flüchtigen Kopfnicken sauste er wieder davon. Roger schlenderte zu dem Mechaniker hinüber.

»Sollte mich wundern, wenn der blaue Austin nicht einer jungen Bekannten von mir gehört«, meinte er.

»Mag sein. Sie scheint’s verdammt eilig zu haben.«

»Wieso?«

»Hat beinahe ’n Rad abgestoßen und will, dass ich in einer halben Stunde damit fertig bin.«

»Ist sie drinnen im Haus? Vielleicht kann ich ihr die Sache erklären.«

Der Mann zuckte die Achseln.

»Erklären oder nicht, heute Abend kann sie nicht weiter.«

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

»Gestatten Sie, dass ich an Ihrem Tisch Platz nehme?«

Die blonde, junge Dame sah den Frager forschend an, ehe sie sich zu einer Antwort entschloss, ihr Blick war nicht sehr freundlich. Roger Bennion stellte in der Eile zweierlei fest. Das bestellte Essen war sehr bescheiden, und wenn ihr Gesicht noch vor Kurzem nicht zurechtgemacht gewesen war, so traf das jetzt nicht mehr zu. Zwar hielt sich ihr Make Up durchaus in Grenzen, doch sagte sich Roger, dass sie ihm ohne diese künstliche Nachhilfe besser gefallen hatte.

»Was haben Sie... damit angestellt?«, fragte sie sehr leise, ohne auf seine Worte einzugehen.

»Ich habe es denen überlassen, die mit solchen Dingen umzugehen wissen: der Polizei.«

»Und erwähnten Sie mich?«

Ehe er zu antworten vermochte, erschien der Kellner, um die Bestellung des neuen Gastes entgegenzunehmen.

»Bringen Sie mir möglichst schnell einige Hammelrippchen.«

Sobald sie wieder allein waren, wandte sich Roger an die nicht sonderlich entgegenkommende junge Dame.

»Es war sehr töricht von Ihnen, auf solche Weise durchzubrennen. Ich merkte mir die Nummer Ihres Autos, aber der Polizei habe ich nichts davon gesagt.«

»Weshalb nicht?«

Er überhörte die Frage.

»Kann sein, dass ich es noch nachholen muss. Zuvor möchte ich aber noch einiges von Ihnen erfahren.«

»Das wäre?«

»Sie erzählten mir, Sie hätten Freunde besucht. Warum sind Sie nicht bis zu deren Haus gefahren? Warum parkten Sie auf dem Feldweg?«

»Glauben Sie noch immer, dass ich mit dem toten Mann etwas zu schaffen hatte?«

»Das sagte ich nicht. Ich stellte lediglich eine klare Frage, und zwar eine Frage, die unzweifelhaft auch die Polizei an Sie richten würde.«

Roger hatte sich inzwischen am Tisch niedergelassen. Wieder dauerte es eine geraume Zeit, ehe sie antwortete. Offensichtlich befand sie sich noch immer in einem Zustand unterdrückter Erregung.

»Ich ging querfeldein, weil man nicht bemerken sollte, dass ich einen Wagen besitze.«

»Ach so. Die Leute, die Sie aufsuchen wollten, sind etwas altmodisch und möglicherweise intolerant, nicht wahr?«

Ein rascher Blick traf ihn. »Weshalb sagen Sie das?«

Roger lächelte. »Für die Dauer des Besuches hatten Sie sich abgeschminkt. Ich kann demnach nur annehmen, dass Sie damit den Vorurteilen jener Bekannten ein Zugeständnis machen wollten.«

»Das mit den Vorurteilen stimmt. Es handelt sich um meinen Onkel.«

»Und die Unterredung, die Sie mit ihm führten, war nicht sonderlich erfreulich.«

»Das gehört nicht hierher«, erwiderte sie ärgerlich.

»Richtig. Sie sagten jedoch, dass Sie Streit hatten, und ich würde Ihnen gerne helfen, wenn es mir möglich ist. Wissen Sie, wir stecken gemeinsam in dieser unangenehmen Geschichte mit dem Leichenfund, und ich muss gestehen, dass sie mir sehr zu denken gibt. Vielleicht können wir ihr auf den Grund kommen, wenn wir zusammenhalten.«

»Vergessen Sie mich samt meinem Wagen, und tun Sie im Übrigen, was Sie für richtig halten.«

»Unmöglich. In zwei sehr wichtigen Punkten können Sie mir zudem weitgehend behilflich sein.«

In diesem Augenblick brachte der Kellner die Hammelrippchen, eine größere Gemüseplatte und ein Glas Bier.

»So viel kann ich ja gar nicht aufessen. Wollen Sie mir nicht ein wenig helfen?«

»Danke«, erwiderte sie kurz, obwohl es ihm vorkam, als streifte ihr Blick hungrig die aufgetragenen Speisen. Ehe er jedoch noch etwas zu sagen vermochte, öffnete sie ihr Handtäschchen, dem sie eine Fünfpfundnote entnahm.

»Bitte bezahlen Sie hiervon meinen Tee.«

Der Kellner entfernte sich, und Roger konnte sich dem Essen widmen.

»Welches sind die zwei Punkte?«, fragte sie nach längerer Pause.

»Wenn die Polizei wüsste, zu welchem Zeitpunkt Sie Ihr Auto abstellten und fortgingen, ließe sich die Zeit feststellen, in der der Tote unter den Wagen gelegt wurde. Das würde die in Frage kommende Spanne von zwei Tagen auf zwei Stunden zusammenziehen.«

»Zwei Tage?«

»Ja; man nimmt an, dass er seit zwei Tagen tot ist.«

»Wie kam...«, wollte sie anfangen, unterbrach sich dann aber, da der Kellner das Wechselgeld zurückbrachte. Sie gab ihm ein Trinkgeld und schob den Rest wieder in ihr Täschchen.

»Es ist seltsam, nicht wahr?«, bemerkte Roger.

Sie sah ihn interessiert und offenbar etwas weniger ängstlich an. »Wenn es so sehr darauf ankommt, den Zeitpunkt festzulegen, weshalb sagten Sie dann nichts von mir?«

»Weil ich vermutete, dass Sie sich ohnehin in Schwierigkeiten befinden. Es war mir deshalb darum zu tun, vorher mit Ihnen zu sprechen. Sie misstrauten mir, und ich misstraute Ihnen. Offenbar irrten wir uns beide. Das Schicksal selbst führte uns zusammen. Weshalb sollen wir also nicht gute Freunde sein? Sie könnten eigentlich damit anfangen, indem Sie mir Ihren Namen nennen.«

Sie stutzte.

»Pamela Thorne«, sagte sie dann.

»Danke. Ich heiße Roger Bennion. Möchten Sie mir sonst noch etwas sagen?«

»Erzählen Sie mir erst einmal einiges von sich, wenn es Ihnen recht ist; wo Sie wohnen, und was Sie tun.«

Roger lächelte. »Ich wohne überall und nirgends. Im Übrigen helfe ich meinem Vater, der vielleicht als Häusermakler angesprochen werden kann. Allerdings interessiert er sich nur für erstklassige Besitztümer, die er persönlich kauft und weiterverkauft. Das war auch der Grund, weswegen ich heute Nachmittag drüben in Crowbury Manor weilte.«

»Wollen Sie es kaufen?«

»Die Entscheidung darüber liegt bei meinem Vater. Die Sache will reiflich überlegt sein. Niemand kauft heutzutage solche Riesenhäuser. Zuweilen macht man Schulen daraus, Erholungsheime oder Klublokale. Ich war so tief in Gedanken, dass ich vom richtigen Weg abkam.«

»Mein Onkel interessiert sich gleichfalls für den Besitz. Er hat einen Teil davon gepachtet.«

»Wird er ihn kaufen?«

»Die Absicht hegt er schon lange, aber der Eigentümer gibt ihn nicht her. Vielleicht hat er zu wenig geboten.«

Es trat eine Gesprächspause ein, während der Roger sich mit der vorzüglichen Käseplatte beschäftigte.

»Nun«, lächelte er dann, »ich habe Ihnen meinen Lebenslauf erzählt; jetzt sind Sie an der Reihe.«

»Nicht doch. Sie sprachen von zwei Dingen, bei denen ich der Polizei behilflich sein könnte. Das eine war also die Festlegung eines Zeitpunktes. Und das andere?«

»Als Sie den Toten erblickten, erschraken Sie sichtlich. Sie erklärten das damit, dass er jemandem ähnlich sähe. Wem?«

»Der Mann, den ich meine, ist nicht Chauffeur.«

»Der Tote ebenso wenig.«

»Aber ich sah doch...«

»Dass er einen Chauffeurzug trug? Stimmt. Wenn man einen Ermordeten los sein will, muss man ihn irgendwie anziehen, und falls jemand den guten Einfall hatte, den Betreffenden in diesem Fall in Chauffeurlivree zu stecken, dann passte es sehr gut, ihn unter ein haltendes Auto zu schieben.«

»Sie können aber doch nicht mit Sicherheit behaupten, dass er nicht wirklich das war, was er zu sein schien?«

»Vielleicht doch. In seinen Taschen fanden sich keinerlei Papiere. Das lässt darauf schließen, dass man ihm erst kurz zuvor die Livree anzog. Aber es kommt noch etwas hinzu. Seine Hände. Ist Ihnen jemals ein Chauffeur mit sorgfältig gepflegten, sagen wir, manikürten Händen begegnet?«

»Hat das die Polizei festgestellt?«