JILL UND JACK - Herbert Adams - E-Book

JILL UND JACK E-Book

Herbert Adams

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2021
Beschreibung

Ein oberflächlicher Beobachter würde sie für Zwillinge gehalten haben; beide waren von gleicher Größe, hatten fast die gleichen Gesichtszüge; kecke Stupsnasen, nicht zu schmale Lippen, die sich bereitwillig zu freundlichem Lächeln öffneten und hübsche, regelmäßige Zähne sehen ließen; graue, schalkhaft blitzende Augen und volles braunes Haar. Auch ihre Kleider waren völlig gleich.

Aber Jacqueline war, wie der Anwalt sehr gut wusste, bereits zweiundzwanzig Jahre alt, während Jill elf Monate jünger war. Dass man sie für Zwillinge hielt, belustigte die Mädchen, und sie bemühten sich sogar, diese Ansicht durch ihr Verhalten zu bestärken...

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller. Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Jill und Jack erschien erstmals im Jahr 1939; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1960.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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HERBERT ADAMS

 

 

Jill und Jack

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 176

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

JILL UND JACK 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

 

Das Buch

 

Ein oberflächlicher Beobachter würde sie für Zwillinge gehalten haben; beide waren von gleicher Größe, hatten fast die gleichen Gesichtszüge; kecke Stupsnasen, nicht zu schmale Lippen, die sich bereitwillig zu freundlichem Lächeln öffneten und hübsche, regelmäßige Zähne sehen ließen; graue, schalkhaft blitzende Augen und volles braunes Haar. Auch ihre Kleider waren völlig gleich.

Aber Jacqueline war, wie der Anwalt sehr gut wusste, bereits zweiundzwanzig Jahre alt, während Jill elf Monate jünger war. Dass man sie für Zwillinge hielt, belustigte die Mädchen, und sie bemühten sich sogar, diese Ansicht durch ihr Verhalten zu bestärken...

 

Herbert Adams (* 1874 in Dorset, South West England; † 1958) war ein englischer Schriftsteller.  Adams veröffentlichte beinahe sechzig Kriminalromane; viele unter seinem eigenen Namen, einige unter dem Pseudonym Jonathan Gray. Seine Leser – wie auch die Literaturkritik – verglichen Adams oft mit seiner Kollegin Agatha Christie.

Der Roman Jill und Jack erschien erstmals im Jahr 1939; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1960.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  JILL UND JACK

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Mr. Bootle war das Musterbeispiel eines altmodischen Familienanwaltes. Unter schütterem, grauem Haar blickten seine Augen gütig in die Welt, aber sein Mund verriet Willensstärke. Väterlich sah er auf die beiden jungen Mädchen, die ihm gegenüber auf der anderen Seite des großen Schreibtisches in seinem Büro in Lincoln’s Inn saßen.

Ein oberflächlicher Beobachter würde sie für Zwillinge gehalten haben; beide waren von gleicher Größe, hatten fast die gleichen Gesichtszüge; kecke Stupsnasen, nicht zu schmale Lippen, die sich bereitwillig zu freundlichem Lächeln öffneten und hübsche, regelmäßige Zähne sehen ließen; graue, schalkhaft blitzende Augen und volles braunes Haar. Auch ihre Kleider waren völlig gleich.

Aber Jacqueline war, wie der Anwalt sehr gut wusste, bereits zweiundzwanzig Jahre alt, während Jill elf Monate jünger war. Dass man sie für Zwillinge hielt, belustigte die Mädchen, und sie bemühten sich sogar, diese Ansicht durch ihr Verhalten zu bestärken.

»Onkel Jack war furchtbar großzügig«, sagte Jill, »und ermöglichte uns ein Leben, wie es vielleicht nur wenigen beschieden war. Ich möchte ja nicht undankbar erscheinen, aber ich glaube, es wäre doch besser gewesen, wenn er uns hätte wissen lassen, dass dies Leben nicht ständig so weitergehen konnte. So haben wir nichts anderes kennengelernt als Vergnügungen, Sport und Tennisspielen - sonst können wir nichts!«

»Vielleicht hatte er unrecht, meine Liebe«, gab der Anwalt zu, »aber sehr wahrscheinlich war er sich selbst über seine Lage nicht klar. Seine größte Freude bestand darin, Ihnen das Leben so angenehm wie möglich zu machen.

Bei den Tennisturnieren von den großen Erfolgen der Tempel-Zwillinge - denn unter diesem Namen waren Sie ja auf allen Sportplätzen bekannt - zu lesen, war seine größte Freude.

Er schickte Sie nach Beendigung der Kämpfe in England nach Nizza und Monte Carlo und war begeistert, dass man Sie mit der ausgewählten Mannschaft zu den Turnieren nach Südafrika schicken wollte. Die beiden Mädchen sind die besten Doppelspieler der Welt hat er mir oft genug gesagt.«

Die Mädchen schwiegen. Vielleicht tauchten in ihren Gedanken Bilder vergangener Tage auf, wo zahllose Zuschauer ihnen begeistert zujubelten.

Doch jetzt war alles vorbei. Zu Beginn der neuen Saison, als sie mit voller Berechtigung auf den Meisterschaftstitel im Doppelspiel rechnen konnten, war ihr Onkel, Jack Kearing, gestorben. Und mit ihm war ihnen, wie es schien, die Möglichkeit genommen, ein so sorgloses, glückliches Leben weiterzuführen.

»Wir haben selbst nie etwas besessen«, begann Jacqueline wieder. »Er war Mutters Bruder, und wir hatten keinerlei Ansprüche an ihn. Er gab uns alles, nichts war ihm gut genug für uns. Wusste er denn nicht, dass dies einmal ein Ende haben würde?«

»Nein, er wusste es nicht, glaubte immer, dass er sich noch halten könnte. Lebte er noch, wäre dies Leben sicher noch eine Zeit lang so weitergegangen. Aber das Ende wäre dann vielleicht noch schlimmer gewesen. Wie er mir einmal sagte, hoffte er, dass Sie jung heiraten würden.«

Beide Mädchen hatten bereits viele Anträge erhalten, aber ihr Leben war so voller Vergnügen und sie lebten so glücklich miteinander, dass der Gedanke an Heirat oder Zukunft nie aufkam.

»Wie Sie sagen, Mr. Bootle«, begann Jill, »hat Onkel Jack uns alles hinterlassen, was er besitzt - und das ist nichts! Wir besitzen die Kleider, die wir anhaben, noch eine ganze Menge Wäsche und Garderobe, zahlreiche Tennispreise, - aber das ist auch alles.«

»Ganz so schlimm ist es nun doch nicht«, erwiderte der Anwalt. »Ein Haus an der Küste, das den merkwürdigen Namen Bluff trägt, gehört mit allem Mobiliar Ihnen und ist völlig schuldenfrei.«

»Was ist der Bluff wert?« fragte Jacqueline plötzlich. Als ältere der beiden Schwestern war sie auch praktischer veranlagt.

»Darüber wollte ich gerade sprechen«, erwiderte der alte Herr. »Das Haus liegt am Rande eines steilen Abhanges direkt an der Küste. Allerdings ist die Gegend recht einsam, und das Grundstück dürfte sich daher nicht sehr leicht verkaufen lassen. Da aber verhältnismäßig viel Land dazugehört, wird es meiner Meinung nach immerhin dreitausend Pfund einbringen. Wenn Ihr Onkel seine Absicht, dort weitere Gebäude zu errichten, ausgeführt hätte, wäre natürlich der Verkaufswert bedeutend höher. Leider hat er das aber nicht getan.

Der Verkauf der Einrichtung - mit Ausnahme der Gegenstände, die Sie persönlich zu behalten wünschen - wird immerhin noch mehrere hundert Pfund einbringen. Sie sehen also, dass für Ihre persönlichen Bedürfnisse noch genügend Geld vorhanden ist, und ich stehe Ihnen gern mit jeder einigermaßen vernünftigen Summe zur Verfügung.«

Die beiden Mädchen atmeten erleichtert auf.

»Ich habe überlegt«, unterbrach er ihre gemurmelten Dankesworte, »wie ich Ihnen am besten helfen oder raten kann und möchte Ihnen Folgendes vorschlagen. Eine sofortige Entscheidung ist ja nicht erforderlich.

Das Haus können Sie selbstverständlich nicht bewohnen, da Ihnen die Mittel zur Bestreitung Ihres Lebensunterhalts fehlen. Sie müssen also verkaufen. Der Erlös wird ungefähr dreitausend Pfund betragen, die, in sicheren Papieren angelegt, Ihnen ein Einkommen von vielleicht hundertzwanzig Pfund jährlich verschaffen.

Ganz angenehm natürlich, aber für Sie beide nicht genug, um davon leben zu können. Wie Sie mir sagten, haben Sie nichts gelernt... das heißt«, unterbrach er sich hastig, »keinen praktischen Beruf. Wie wäre es nun, wenn Sie schneidern lernen würden?

Das ist natürlich nur ein Vorschlag, vielleicht haben Sie mehr Neigung zu irgendetwas anderem. Sie hätten nur eine kleine Summe für Ihre Lehrlingszeit zu zahlen, müssten zwei oder drei Jahre sehr sparsam leben, könnten dann aber mit dem Rest Ihres Kapitals einen Geschäftsanteil kaufen oder selbst ein Geschäft gründen.«

Die großen, grauen Augen der beiden Mädchen sahen ihn fest an. Erst jetzt wurden Jill und Jacqueline klar, welch einschneidende Änderung ihres Lebens eingetreten war.

»Natürlich können Sie auch eine Stelle als Sekretärin oder Kinderfräulein suchen - ich werde Ihnen gern dabei behilflich sein und so kann jede den Beruf wählen, der ihr zusagt. Jeder steht ja die Hälfte des Geldes zur Verfügung.«  

»Wir bleiben zusammen«, erklärte Jacqueline fest.

»Selbstverständlich«, bekräftigte Jill.

»Das freut mich. Dann überlegen Sie sich einmal meine Vorschläge und teilen mir Ihre Entscheidung mit. Ich brauche wohl nicht noch einmal zu betonen, dass ich Ihnen immer behilflich sein werde.«

»Ich habe mich schon entschieden«, entgegnete Jacqueline bedächtig. »Und ich glaube, das ist die beste Lösung.«

Der Anwalt blickte überrascht auf. Nach seiner Erfahrung mussten junge Mädchen und Frauen, erst stundenlang eine Angelegenheit besprechen, ehe sie zu einer Entscheidung kamen - und diese war dann meistens nicht endgültig.

»Hat nicht Onkel Jack das Haus einmal möbliert vermietet?«

»Ja.«

»Könnten wir das nicht auch machen?«

»Zweifellos, aber das wäre auch nur eine vorübergehende Regelung. Die Miete würde Ihnen ja ein bestimmtes Einkommen sichern, aber das dürfte kaum genügen. Sie wollen leben, und vergessen Sie das nicht - der Unterhalt eines Hauses, Ausbesserungen, Neuanschaffungen, was weiß ich, verursachen erhebliche Kosten.«

»Die Mieter würden natürlich auch Hausangestellte verlangen«, sagte Jacqueline, ohne seine Einwendungen zu beachten. »Selbstverständlich«, gab Mr. Bootle zu.

»Wenn nun Jill und ich die Hausangestellten wären, würden wir nicht nur Lohn, sondern auch Kost erhalten. Nicht wahr?«

»Wenn Sie die Hausangestellten wären?«, wiederholte der Anwalt verblüfft.

»Ja. So weit ich dies bis jetzt beurteilen kann, ist das wohl das Einzige, wozu wir taugen. Für Bettenmachen, Zimmer aufräumen, Staub wischen brauchen wir doch keine Lehrzeit. Warum können wir nicht den Bluff vermieten und uns zu gleicher Zeit mit? Das müsste doch gehen!

Zum Haus mit Blick auf die See hinaus gehören zwei Tennisplätze und ein eigener Badestrand, zu dem ein Zickzackweg hinunterführt. Die Lage ist zwar sehr einsam, aber manche Menschen lieben das.«

Jill starrte sie an.

»Du glaubst, dass unsere Bekannten dorthin kommen würden...«

»Nein. Damit ist es aus. Die Tempel-Zwillinge verschwinden, und Mary und Martha oder Susan und Kate übernehmen die Hausarbeit für eine achtbare Familie, die Erholung und Ruhe in dem idyllisch gelegenen Haus an der Küste sucht.«

»Wäre nicht eigentlich so eine Art Pension besser?«, fragte Jill. »Vielleicht, aber darin haben wir gar keine Erfahrung. Wenn wir jedoch als Angestellte mit dem Haus zusammen vermietet werden, wird unsere Herrschaft uns nicht nur bezahlen und beköstigen, sondern uns auch beibringen, was wir noch nicht wissen. Finden wir einen Mieter für ein halbes Jahr, dann werden wir am Schluss der sechs Monate sehr genau wissen, was von einem perfekten Mädchen verlangt wird. Und dann können wir es ja mit einer Pension versuchen. Was meinst du dazu?«

»Das klingt wunderschön«, rief Jill, »aber müssen Hausmädchen nicht Zeugnisse oder dergleichen vorweisen?«

»Nicht«, erklärte die Ältere, »wenn sie zusammen mit dem Haus vermietet werden; die Leute sind ja froh, wenn sie gleich Bedienung vorfinden. Natürlich wird es uns im Anfang sehr schwerfallen, aber schließlich auch nicht schwerer, als wenn wir irgendeinen Beruf lernen müssten... Und vergiss nicht: Wir verdienen sofort Geld und brauchen nichts auszugeben.«  

»Ich nehme an, ich bin das Hausmädchen und du das Zimmermädchen. Du bedienst bei Tisch, gehst an die Tür, wenn es klingelt, und wirst natürlich den gut aussehenden ältesten Sohn kennenlernen, der sich sofort in dich verliebt und die Folge: Happy End und Heirat...«

»In solchen Fällen«, erklärte Jacqueline bestimmt, »gibt es keine Heirat, und die Folgen hat meistens das Mädchen zu tragen. Aber das Mädchen im Bluff sicher nicht, das kannst du mir glauben! Wenn du willst, kannst du Tony die Geschichte erzählen, falls du nicht doch seinen Antrag annehmen willst.«  

Jill zauderte einen Augenblick - aber nur einen kurzen Augenblick. Dann schüttelte sie energisch den Kopf.

»Nein, dreimal habe ich ihn schon abgewiesen, und ich kann doch jetzt, wo unsere Lage so ganz anders geworden ist, nicht auf einmal ja sagen...« 

»Wir können ja auch jede Woche wechseln. Kein Mensch wird merken, wer von uns beiden in dem Servierkleid steckt. Dann hast du die gleiche Chance mit dem gut aussehenden Sohn, aber auch das gleiche Risiko.«

Mr. Bootle hustete und klopfte etwas ungeduldig mit dem Finger auf die Tischplatte. Die beiden jungen Mädchen schienen ihn völlig vergessen zu haben.

»Ja, meinen Sie denn das im Ernst?«, fragte er.

»Aber natürlich«, antworteten sie wie aus einem Munde.

»Halten Sie denn das nicht auch für eine großartige Idee?« fügte Jacqueline hinzu.

»Ja...«, entgegnete er vorsichtig. »Das scheint mir eine etwas eigenartige Lösung zu sein; haben Sie auch bedacht, welche Folgen eine solche Lösung für Sie mit sich bringen wird? Die langen Arbeitsstunden - die Tatsache, dass Sie in abhängiger Stellung sind, jeden Wunsch, jeden Auftrag sofort zu erfüllen haben?«

»Ich glaube, dass es heutzutage die Hausangestellten gar nicht so schlecht haben«, sagte die Ältere. »Wenn man zu viel von uns verlangt, können wir ja immer sagen, dass man so etwas früher nie von uns verlangt hat...«  

»Und das wäre die reine Wahrheit«, kicherte Jill.

»Und wenn nun Ihre Freunde oder Ihre Bekannten im Dorf dies erfahren?«

»Das ist ja nicht nötig«, erklärte Jacqueline. »Und wenn sie es erfahren sollten, macht uns das nichts aus. Wir schämen uns der Arbeit doch nicht. Und im Übrigen ist das Dorf mehr als drei Kilometer entfernt, wir sind seit Jahren nicht dort gewesen. Ich glaube kaum, dass uns noch jemand kennt.«

»Aber einen Punkt, und zwar einen sehr wichtigen, scheinen Sie doch übersehen zu haben. Das Haus hat, so weit ich mich erinnere, sieben oder acht Schlafzimmer, abgesehen von den Wohnräumen. Die Arbeit können Sie vielleicht leisten, wenn es auch sehr harte Arbeit für Sie sein wird. Wie steht es aber mit der Küche? Zum Personal gehört unbedingt eine Köchin, und - vergessen Sie das nicht - die Köchin ist naturgemäß Ihre ständige Gesellschaft.«

Einen Augenblick blickten die Mädchen einander betroffen an. Ja, das hatten sie völlig vergessen! Aber so schnell gaben sie sich nicht geschlagen.

»Marie!«, rief Jill.

»Aber selbstverständlich«, stimmte ihre Schwester bei. »Marie«, wandte sie sich dem alten Herrn zu, »ist unser Mädchen. Sie ist, solange wir leben, bei uns gewesen, hat uns auf allen unseren Reisen begleitet. Sie wäre unglücklich, wenn sie sich von uns trennen müsste.«

»Aber kann sie kochen?«

»Sie ist Französin und kann alles! Auf einem Spirituskocher würde sie die feinste Mahlzeit zurechtbringen. Das einzig Schwierige wird sein, ihr beizubringen, dass sie nicht auch noch unsere Arbeit mitmacht. Die Mieter werden sicherlich von ihren Omelettes begeisterter sein als von unseren perfekten Manieren.«

»Wenn Sie also wirklich fest entschlossen sind«, sagte der Anwalt immer noch etwas zweifelnd, »wann gedenken Sie denn zu beginnen?«

»Je eher, desto besser. Wir werden uns Schürzen und Häubchen und ein paar schwarze Kleider besorgen und sofort im Bluff einziehen. Sicherlich finden wir im Dorf einen Jungen, der sich um den Garten kümmern kann und die Stiefel putzt. Und Sie, lieber Mr. Bootle, werden schon einen Mieter für uns finden; einen Mieter, der sich glücklich preist, ein so wunderschön gelegenes Haus mit so tadellosem Personal gefunden zu haben.«

»Wir wollen das Beste hoffen«, sagte der Anwalt kopfschüttelnd.

 

 

 

Zweites Kapitel

 

 

Ein stolzer Mann war Sir Christopher Bennion, als ihm seine Frau ein Mädchen schenkte. Aber leider kam die junge Mutter nicht so schnell wieder zu Kräften, wie es wünschenswert gewesen wäre. In solchen Fällen werden meistens Seeluft und völlige Ruhe als bestes Mittel empfohlen.

Es war ihm ein Haus an der See zur Miete angeboten worden, das seine Ansprüche zu erfüllen schien. Dass er das Personal mit zu übernehmen hatte, war ihm sogar sehr angenehm, denn so brauchte er sein Haus in London nicht abzuschließen und würde immer seine gewohnten Bequemlichkeiten in der Stadt finden, wenn Geschäfte ihn von der See zurückriefen.

Aber eine starke Erkältung machte ihm die persönliche Besichtigung des angebotenen Hauses unmöglich und er beauftragte daher seinen Sohn, dies an seiner Stelle auszuführen.

Roger, mehrere Jahre älter als seine Stiefmutter, arbeitete mit seinem Vater, der einer der bedeutendsten Grundstücksmakler war, zusammen. Der junge Mann hatte in der Beurteilung von Häusern und Grundstücken im Kauf oder Verkauf weitgehende Erfahrungen gesammelt. Aber der Kauf eines historischen Schlosses war nicht so schwierig wie das Mieten eines behaglichen Landhauses, das Lady Bennion und ihre kleine Tochter bewohnen wollten.

Ausgerüstet mit allen nur möglichen Ermahnungen und Vorgaben, die er bei Besichtigung des Hauses um keinen Preis außer Acht lassen dürfte, fuhr Roger an einem sonnigen Aprilnachmittag an die Küste. Er parkte seinen Wagen nach nicht allzu langer Fahrt vor einem verschlossenen Gittertor, das die Aufschrift Bluff trug. Die See war nicht sichtbar, aber die scharfe, würzige Luft, die über die Felsen strich, verriet ihre Nähe.

Er stieg aus dem Wagen und betrat das Grundstück durch eine kleine, offenstehende Seitentür. Langsam schlenderte er die Auffahrt zu dem Haus entlang, das durch Büsche und Bäume noch verborgen war.

Noch ehe er das Haus erreicht hatte, blieb er plötzlich stehen. Ein nicht unbekanntes Geräusch war an sein Ohr gedrungen:

Plong - Plong. Plong - Plong. Er blickte durch die Büsche und sah ein Bild, das ihn überraschte. Zwei junge Mädchen spielten Tennis. Er war  von ihrem ausgezeichneten Spiel voll begeistert.

An einem sonnigen Nachmittag war dies nichts Auffälliges - abgesehen davon, dass man ihm berichtet hatte, das Haus stehe leer, und nur die Angestellten hielten sich dort auf.

Ihr Spiel war wirklich faszinierend. Wäre er Tennisspieler gewesen, würde er die beiden Mädchen vielleicht erkannt haben, aber sein sportliches Interesse galt dem Golfspiel; bei Tennisturnieren war er nur ein mehr oder weniger zufälliger Zuschauer. Aber er erkannte sofort, dass hier erstklassiges Tennis gespielt wurde.

Jedes der Mädchen - beide ahnungslos, dass sie beobachtet wurden - ging darauf aus, zu gewinnen. Ein Angriff folgte dem anderen. Und dann kam das Malheur.

Einem der beiden - Jacqueline, wenn er es gewusst hätte - riss durch einen kräftigen Hochschlag ein Träger, sodass die Hälfte des Badeanzugs bis zu den Hüften herunterfiel. Sie kümmerte sich aber nicht darum, sondern spielte weiter, schickte den Ball an Jill zurück und erwartete gespannt den Rückschlag. Jill schlug ihn in die äußerste Ecke des Feldes, verfolgte seinen Flug - und sah den Kopf eines Mannes durch die Büsche blicken.

Sie warf ihren Schläger zu Boden und lief auf ihn zu.

»Was wünschen Sie?«, fragte Jill.

»Ich bedauere, wenn ich Ihr Spiel unterbrochen habe«, sagte er. »Es war ein so vorzügliches Tennis, das ich tatsächlich zusehen musste. Ich habe erfahren, dass das Haus zu vermieten ist. Ist es möglich, dass ich es besichtigen kann?«

»Oh« - sein Lächeln war so angenehm, dass es ihr schwierig wurde, über seine Indiskretion verstimmt zu sein - »wir hatten gebadet und haben gespielt, um warm zu werden.«

»Ist es nicht etwas zeitig um Baden? Die See muss doch noch ziemlich kalt sein.«

»Ja, sehr sogar.«

Dann kam Jack heran. (Von allen ihren Bekannten wurde Jacqueline nur Jack genannt). Wie hatte der Mann es wagen können, sie zu beobachten! Die Röte ihrer Wangen war nicht allein auf das lebhafte Spiel zurückzuführen.

»Wussten Sie nicht, dass jede Besichtigung nur nach vorhergehender Anmeldung erfolgt?«, fragte sie.

»Ich bin auf gut Glück gekommen, um das Haus anzusehen. Es tut mir wirklich leid, wenn ich Ihr Spiel unterbrochen habe.«.

Sie wandte sich ab und sagte mit kühlem Ton:

»Das Haus ist vermietet.«

Er glaubte ihr nicht, war überzeugt, dass sie dies nur sagte, weil sie sich über ihn geärgert hatte. Mädchen waren wirklich merkwürdige Geschöpfe.

»Sind Sie sicher, dass das Haus vermietet ist? Ich wollte es nicht für mich, sondern für meinen Vater besichtigen. Nach der Beschreibung und nach allem, was ich bis jetzt gesehen habe, dürfte es gerade das sein, was er sucht.«

Über die Schulter hinweg warf sie ihm in demselben abweisenden Ton zu: »So viel ich weiß, ist es vermietet. Wenn Sie sich zum Haus bemühen wollen, werde ich mich durch telefonischen Anruf in London überzeugen.«

Das Haus war ein einfaches, aber solide errichtetes Gebäude, das sicherlich schon mehr als hundert Jahre alt war und ebenso sicher noch weitere Jahrhunderte hindurch von der Küste in das Meer schauen würde.

»Wollen Sie bitte hier warten, während ich telefoniere?«

Eines der beiden Mädchen führte ihn in einen kleinen Raum, von dem aus man eine wundervolle Aussicht auf die See hatte. Soweit das Auge blicken konnte, sah man das unendliche Meer vor sich. Nicht einmal ein Schiff war in Sicht. Ein überwältigendes Schauspiel musste, von hier aus betrachtet, das Meer bieten, wenn der Sturmwind die Wellen gegen das steinige Ufer peitschte.  

Roger trat dicht an das Fenster und sah nun, dass das Gebäude doch in beträchtlicher Entfernung von dem steil abfallenden Abhang lag. 

Die Ausstattung des Zimmers war einfach, aber gut. Das ganze Haus machte einen außerordentlich sauberen, gepflegten Eindruck und schien genau das zu sein, was sein Vater verlangte. Was vielleicht noch fehlte, konnte leicht aus der Stadt hierher gebracht werden.

»Das Haus ist vermietet. Der Anwalt hat es mir soeben noch einmal bestätigt.«

Das Mädchen, es war dasselbe, dessen Badekostüm sich so schlecht betragen hatte, sprach sehr kurz. Der Ton schien beinahe zu sagen, dass sie sich freue, ihn so abweisen zu können. Aber er achtete kaum darauf, er starrte sie an.

In den wenigen Minuten ihrer Abwesenheit hatte sie sich angezogen, und sie trug jetzt das korrekte Kostüm eines Hausmädchens: ein gut sitzendes schwarzes Kleid mit weißen Manschetten, weißer Schürze und weißem Häubchen.

Im Augenblick konnte er nicht sofort antworten, er blickte sie nur an. »Da ist also nichts zu machen?«, fragte er schließlich.

»Nein.«

»Sollte diese Vermietung vielleicht durch irgendeinen Zufall rückgängig gemacht werden, so wäre ich dankbar, wenn Sie meinem Vater Nachricht zukommen ließen. Mein Vater ist Sir Christopher.«

»Das ist ausgeschlossen. Der Vertrag ist unterzeichnet, die Miete bereits bezahlt, und der Mieter selbst wird unverzüglich einziehen.«

»Dann«, lächelte Roger, »ist natürlich nichts zu machen. Es tut mir wirklich leid, dass ich zu spät gekommen bin. Darf ich Ihnen dies für Ihre Bemühungen geben?«

Er hielt ihr ein Zweischillingstück hin. Er war nicht allzu überrascht, als er sah, dass sich ihre Wangen wieder rot färbten.

»Nein, danke«, entgegnete sie. »Hätten wir dies früher gewusst, würden wir Ihnen natürlich das unnötige Herauskommen erspart haben.«

Sie stand schon in der Tür und wartete, dass er ging. Da war wirklich nichts zu machen!

 

Roger hatte kaum die Hälfte der Auffahrt zurückgelegt, als er einem Mann begegnete, der einen Handkoffer trug.

»He, Sie!«, sagte der Unbekannte. »Gehören Sie hier ins Haus? Tragen Sie mal den Koffer hinein und kommen Sie dann ans Tor und holen Sie das andere Gepäck. Warum, zum Teufel, ist denn das Tor verschlossen?«

Roger sah ihn an. Der große Mann hatte ein ausgesprochen brutales Gesicht, dunkles Haar, vortretendes Kinn und eine Nase, die vielleicht in einem Faustkampf gebrochen sein mochte. Der Ausdruck seiner Augen wurde durch ein sehr deutliches Schielen nicht gebessert. Da Roger ohne Hut war, schien ihn der Mann für einen Angestellten des Hauses zu halten.

»Wer sind Sie denn?«, fragte Roger kühl.

»Ich bin Mr. Bradley Weir und habe das Haus gemietet. Hat Ihnen der Idiot von einem Anwalt das nicht mitgeteilt? Ich ziehe spätestens übermorgen ein, will aber inzwischen ein paar Koffer hier lassen. Na los, beeilen Sie sich!«

Ohne ein weiteres Wort nahm Roger den Handkoffer auf und trug ihn in das Haus. In der Vorhalle traf er mit dem anderen Mädchen - Jill, obwohl er natürlich ihren Namen nicht wusste - zusammen. Sie sah ihn überrascht an, als er den Koffer absetzte.

»Der gehört Bradley Weir«, sagte er, »ist das vielleicht Ihr neuer Mieter?«

»Ich glaube, ja.«

»Haben Sie ihn schon gesehen?«

»Vor einer Woche hat er das Haus besichtigt.«

»Und Sie und Ihre Schwester wohnen hier und arbeiten für ihn?«

»Allerdings«, versetzte Jill kurz.

»Dann wünsche ich Ihnen alles Gute!«

»Danke«, lächelte sie.

»Und vergessen Sie nicht, nachts Ihre Tür ab zuschließen!« Dann fügte er schnell hinzu: »Wo haben Sie so Tennis spielen gelernt?«

»Dürfen Hausangestellte nicht Tennis spielen?«, fragte sie, und ein Grübchen erschien auf ihrer Wange.

»Natürlich, aber wenn man so spielt wie Sie, dann überrascht das doch sehr.«

»Vielen Dank, dass Sie den Koffer heraufgetragen haben«, lenkte sie ab, nahm ihn auf und ging zur Treppe.

Als Roger das Parktor erreichte, fand er Mr. Bradley Weir ungeduldig auf ihn wartend.

»Na, Sie haben sich auch kein Bein ausgerissen«, sagte er scharf. »Hier, nehmen Sie die Koffer und bringen Sie beide nach oben.« Er wies auf zwei andere Handkoffer, die aber Roger unbeachtet ließ.

»Ich kann nicht sagen, dass ich mich besonders beeilt hätte«, sagte er ruhig. »Ich gehöre nämlich nicht zum Haus. Da drüben steht mein Wagen. Ich bin nur noch einmal zurückgegangen, um die Bewohner schonend darauf vorzubereiten, dass der neue Mieter angekommen ist.«

Er drehte ihm den Rücken zu, stieg in sein Auto und fuhr ab.

 

 

 

Drittes Kapitel

 

 

»Jetzt werde ich euch eine Überraschung bereiten!«

Mr. Bradley Weir saß, nachdem er seine Koffer selbst in das Haus geschleppt hatte, in dem Zimmer mit der Aussicht auf die See. Die beiden Mädchen standen in ihrer netten Dienstkleidung bescheiden vor ihm. Wenn er lächelte, erschien sein Gesicht nicht so abstoßend, und in diesem Augenblick versuchte er, so freundlich wie möglich auszusehen.

»Sie wissen jedenfalls, dass der Anwalt, Mr. Bootle, Ihren Lohn aus den eingehenden Mieten bezahlt?«

Sie nickten.

»Sehen Sie, ich brauche Sie nämlich nicht. Für die Zeit meines Aufenthalts hier gebe ich Ihnen Urlaub. Sie bekommen also Ihren Lohn, brauchen aber nicht dafür zu arbeiten. Na, wie gefällt Ihnen das?«

Das gefiel ihnen nun ganz und gar nicht. Ihr Plan, Erfahrung in der Führung eines Haushaltes zu erwerben, wurde dadurch umgestoßen. Außerdem kam ihnen das Angebot sehr eigenartig vor. Warum Lohn an sie zahlen, wenn man sie nicht haben wollte?

»Ich glaube, das wird nicht gehen«, sagte Jack.

»Und ich glaube, das wird gehen«, gab er zurück. »Das Haus gefällt mir, ich habe es gemietet und die Bedingungen angenommen. Aber ich habe mein eigenes Personal, und Sie müssen verschwinden.

 Ich will Ihnen auch noch Kostgeld zahlen, solange Sie nicht hier sind. Wenn das nicht großzügig ist! Lohn von Bootle und außerdem noch Kostgeld von mir! Entweder können Sie sich vergnügte Ferien gönnen oder meinetwegen auch für die kommenden sechs Monate eine andere Stellung suchen, wo Sie auch noch Lohn bekommen. Also seien Sie vernünftig und packen Sie Ihre Sachen. Ich ziehe übermorgen ein, und Sie können dann abziehen.«

»Das können wir nicht«, sagten beide wie aus einem Munde.«

»Warum nicht? Dann entlasse ich Sie, gebe Ihnen Lohn für einen Monat und werfe Sie hinaus! Aber so hart will ich gar nicht sein. Ich schenke Ihnen den Lohn für sechs Monate. Mehr kann man doch nicht verlangen.«

»Sie können uns nicht entlassen.«

»So? Das kann ich nicht? Das werden wir mal sehen. Wenn ich nun mit Ihrer Arbeit nicht zufrieden bin? Wenn Sie mir zu impertinent sind?«

Das war ein unglückseliger Anfang. Sie fühlten sich nicht so sicher, wie sie auszusehen versuchten, und wie gewöhnlich war es Jack, die antwortete.

»Wir werden uns die größte Mühe geben, Sie zufriedenzustellen, aber das Haus verlassen dürfen wir nicht. Wir haben doch die Verantwortung für alles hier.«

»Ach, das ist es«, lachte Weir. »Sie denken wohl, ich will mit Ihren Stühlen und Tischen durchgehen?« Er sah sich um. »Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Der alte Bootle ist mit meinen Referenzen zufrieden. Also nutzen Sie die Chance aus - doppeltes Geld bekommen Sie auch noch - und niemand wird etwas davon erfahren.«

»Das geht nicht«, sagte Jill schüchtern. »Man hat uns immer großes Vertrauen bewiesen.«

»Seien Sie doch nicht närrisch.« Er begann ärgerlich zu werden und schielte mehr denn sonst. »Da ist doch noch ein Frauenzimmer im Haus? Die Köchin? Ich glaube, die wird wohl die eigentliche Verantwortung hier haben. Ich will sie sprechen. Hoffentlich hat sie mehr Verstand als Sie.«

Marie erschien. Sie war vielleicht vierzig Jahre alt, klein und rundlich und hatte ein vergnügtes rotes Gesicht, das an die Äpfel ihrer heimatlichen Normandie denken ließ. Sie hatte die Mädchen von klein auf betreut, lebte nur für sie, und war zugleich eine Haushälterin und Köchin, wie man sie sich nur wünschen konnte.

»Also hören Sie mal - wie heißen Sie doch gleich? - Marie, nicht wahr?« begann er, als die drei in einer Reihe vor ihm standen. »Ich habe den beiden Mädchen mitgeteilt, dass ich mein eigenes Personal habe und ihre Dienste nicht benötige. Sie bekommen aber ihren Lohn und außerdem noch Kostgeld. Was sagen Sie dazu? So etwas finden Sie doch nicht alle Tage...«

Marie wusste nicht recht, was sie antworten sollte. Die plötzliche Veränderung in den Verhältnissen ihrer beiden Schützlinge hatte sie sehr bekümmert, aber nie war ihr auch nur der Gedanke gekommen, sich von ihnen zu trennen. Was sollte sie sagen? Der große, hässliche Mann vor ihr gefiel ihr gar nicht.

»Mais non«, sagte sie zögernd.

»Marie ist Französin«, unterbrach Jack, »und so bin ich für die Verwaltung des Hauses verantwortlich.«

Sie hatte schnell überlegt und sich zu einem kühnen Entschluss entschieden. »Ich werde Mr. Bootle anrufen und ihm mitteilen, dass Sie uns nicht gebrauchen können. Zweifellos wird er Ihnen dann den Vertrag und jede schon geleistete Zahlung zurücksenden. Ein anderer Interessent war heute Nachmittag hier, der bereit ist, das Haus unter den vorgeschlagenen Bedingungen zu mieten.«

Mr. Bradley Weir starrte sie an - mit einem Auge wenigstens. Niemals zuvor war ihm eine Hausangestellte begegnet, die sich in dieser Weise ausdrückte. Augenscheinlich vertraute man ihr sehr, und sie war sich ihrer Verantwortung völlig bewusst. Wenn er das Haus behalten und Komplikationen vermeiden wollte, musste er vorsichtiger zu Werke gehen.

»Sie brauchen nicht an Bootle zu telefonieren, und ich will keinen Ärger haben. Ich bin jetzt Herr hier, und Sie haben sich meinen Anweisungen zu fügen. Offen gesagt, war mein Vorschlag mehr in Ihrem Interesse gemacht. Ich habe nur männliches Personal. Die Leute gefallen mir, aber ich befürchte, dass ihre - hm - Manieren nicht ganz so sind, wie es vielleicht wünschenswert wäre. Schon aus diesem Grunde wäre es besser, Sie würden meinen Vorschlag annehmen.«

»Als Ihre Frau hierher kam«, warf Jill ein, »schien es ihr sehr angenehm zu sein, uns im Hause zu wissen.«

»Meine Frau!...«, fuhr er sie an. »Ich bin Herr im Hause, nicht sie! Übrigens ist sie sehr oft nicht hier. Wollen Sie wirklich mit einem Haufen Männer zusammen hausen?«

Er starrte sie wütend an. Einen solchen Widerstand hatte er nicht erwartet. Bootle hatte ihm zwar gesagt, dass die Hausangestellten bleiben müssten, aber er war überzeugt gewesen, sich mit ihnen ohne jegliche Schwierigkeiten einigen zu können. Er war überzeugt gewesen, dass sie bereitwilligst ihren Lohn annehmen, verschwinden und kein Wort darüber verlieren würden. - Er versuchte sein Glück noch einmal.

»Sie sind sehr adrette Mädchen und werden mit Leichtigkeit eine andere Stellung finden. Bedenken Sie doch: Doppelten Lohn für sechs Monate. Ist denn das nicht viel besser als hierzubleiben? Es wird verflucht harte Arbeit für Sie geben - und meine Laune ist nicht immer die beste...«

Das bezweifelten sie keineswegs, aber wenn er das Haus haben wollte, musste er sie auch behalten.

»Wir waren viele Jahre bei Mr. Kearing«, sagte Jack. »Es war sein Haus, Mr. Bootle vertraut uns. Wir können wirklich nichts hinter seinem Rücken machen.«

»Sie müssen sich mit einem Zimmer bescheiden Sie alle drei!«

»Mr. Bootle hat uns gesagt, dass wir laut Vertrag unsere kleinen Räume behalten können.«

»Ja, aber nicht, wenn ich meine Angestellten mitbringe.«

»Warum geben Sie denn Ihren Angestellten keine Ferien? Wir werden für Sie tun, was wir nur können.«

»Jetzt habe ich aber genug! Ich bin an meine Leute gewöhnt und will sie hier haben. Wenn Sie also bleiben wollen, müssen Sie zusammen hausen, und das dürfte verdammt unbequem sein.«

Er glaubte, den Weg gefunden zu haben, die Mädchen aus dem Hause zu bringen. Aber Jill und Jack waren nicht umsonst als die Tempel-Zwillinge in den großen Turnieren gefürchtet. Sie waren geborene Kämpfer und außerdem wussten sie, dass Mr. Bootle in dem Mietvertrag drei kleine Räume im obersten Stockwerk für sie reserviert hatte.

»Ich werde Mr. Bootle anrufen und ihn fragen, wie der Vertrag lautet«, sagte Jack ruhig.

»Hören Sie auf mit Ihrer verfluchten Telefoniererei an Bootle«, fuhr Weir sie an. »Bin ich der Herr hier oder der Anwalt? Wenn ich Koteletts zum Lunch bestelle, wollen Sie wohl auch noch anrufen und ihn fragen, ob gekochtes Rindfleisch nicht besser ist? Wir müssen zu einer Einigung kommen, aber ohne den alten Anwalt mit hinein zuziehen.«

Die Mädchen antworteten nicht und Mr. Weir versuchte seinen Rückzug so gut wie möglich zu decken.

»Ich habe ja nur Ihr Bestes im Auge gehabt, wollte Ihnen die Chance geben, mehr zu verdienen, ohne sich überarbeiten zu müssen. Wenn Sie nicht wollen, haben Sie die Folgen zu tragen. Ich ziehe jedenfalls am Donnerstag ein. Das ist alles.«

»Le diable!«, murmelte Marie. »Mes enfants, müsst Ihr den Mann behalten?«