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Nie hätte Alpha Tobias erwartet, einen schlafenden Menschen in seinem Schuppen vorzufinden. Schon gar keinen, der sich als sein vom Schicksal vorbestimmter Gefährte entpuppt. Aber so sehr Tobias' Instinkte ihn auch dazu treiben, sich mit Pete zu verbinden, das Risiko der Entdeckung der Gestaltwandler ist einfach zu groß. Tobias findet sich schweren Herzens damit ab, Pete zurück zu seiner Reisegruppe zu schicken – bis sein verstoßener Halbbruder Zev auf die Idee kommt, Pete für sich zu beanspruchen und Tobias seine Position als Alpha streitig zu machen. Um Pete zu schützen, muss Tobias ihn in seiner Nähe behalten – und das bringt sie beide gefährlich in Versuchung, ihren Bund zu vollziehen… Buch 3 der "Alphas"-Reihe. Buch ist in sich abgeschlossen.
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Seitenzahl: 347
Deutsche Erstausgabe (ePub) Oktober 2017
Für die Originalausgabe:
© 2017 by Dirk Greyson
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Darknes Rising«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2017 by Cursed Verlag
Inh. Julia Schwenk
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
ISBN-13: 978-3-95823-663-9
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www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Nina Hunter
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Klappentext:
Nie hätte Alpha Tobias erwartet, einen schlafenden Menschen in seinem Schuppen vorzufinden. Schon gar keinen, der sich als sein vom Schicksal vorbestimmter Gefährte entpuppt. Aber so sehr Tobias‘ Instinkte ihn auch dazu treiben, sich mit Pete zu verbinden, das Risiko der Entdeckung der Gestaltwandler ist einfach zu groß. Tobias findet sich schweren Herzens damit ab, Pete zurück zu seiner Reisegruppe zu schicken – bis sein verstoßener Halbbruder Zev auf die Idee kommt, Pete für sich zu beanspruchen und Tobias seine Position als Alpha streitig zu machen. Um Pete zu schützen, muss Tobias ihn in seiner Nähe behalten – und das bringt sie beide gefährlich in Versuchung, ihren Bund zu vollziehen…
Für Kate Douglas,
die mich zu dieser Serie inspiriert hat.
Die Nacht brach schnell herein. Pete drehte sich um, als er ein Rascheln hinter sich hörte, und rannte dann davon. Er verfiel gerade in Panik und er wusste es.
Am liebsten hätte er seinem besten Freund Roger den Hals umgedreht. »Fahr in den Westen, damit du mal etwas anderes siehst – das wird dich inspirieren.« In Petes Kopf klang Rogers Stimme eine ganze Oktave höher als sonst und Pete hätte sie am liebsten zum Schweigen gebracht.
Er wollte nur noch den Wanderweg wiederfinden oder irgendein Zeichen von Zivilisation. Aber das würde nicht passieren. Er hatte den Pfad nur verlassen, weil er ein paar unglaublich schöne Wildblumen entdeckt hatte. Wie gefährlich konnte das schon sein? Aber er musste auf dieser verdammten Wiese irgendwo falsch abgebogen sein und hatte sie auf einem anderen Weg wieder verlassen, als er sie betreten hatte. Jetzt wanderte er einsam, mitten in der Nacht, durch die Wildnis. Wie dumm konnte man sein?
»Ich will darauf keine Antwort«, sagte er zu der Eule, die im Baum über ihm ihren Ruf ausstieß.
Pete blieb unter einem großen Baum stehen. Seine Lungen brannten und er lehnte sich gegen den Baum, während er versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Er musste nachdenken. Aber alles, woran er denken konnte, war, dass er sterben und niemand jemals seine Leiche finden würde. Die einzigen Menschen, denen sein Verschwinden auffallen würde, wären sein Lektor und sein Verleger, die sich fragen würden, wo sein nächstes Buch blieb. Das wäre es aber auch schon. Na ja, vielleicht machte sich Roger noch Sorgen, aber wenn Pete sterben würde, hatte er sich fest vorgenommen, den Bastard für den Rest seines Lebens heimzusuchen. Er könnte ja immer wieder die Bierdosen in Rogers Kühlschrank öffnen, damit das Bier darin schal würde. Oder er könnte ihn mit einem Stock anstupsen, wenn Roger gerade versuchte einzuschlafen. Ja, die Idee gefiel ihm.
»Nimm das, du Bastard.«
Er hatte vor einiger Zeit auf sein Handy gesehen, und festgestellt, dass er keinen Empfang hatte. Er zog es wieder aus der Tasche und diesmal war ein einzelner Balken zu sehen. Er betete stumm zu Gott und wählte 911, aber der Balken verschwand und der Anruf wurde gar nicht erst durchgestellt. Er sah sich in dem schwächer werdenden Licht um, entdeckte eine Art Lichtung zwischen ein paar Bäumen einen Hügel und beschloss, dort hinzugehen. Vielleicht hatte er dort oben Empfang und dann könnte er jemanden anrufen. Sie könnten einen Helikopter schicken und ihn damit vom Rand des Abgrunds aufsammeln, damit er nicht doch noch von einem Bären gefressen würde, der ihn mit seinem Abendessen verwechselte – okay, das hier war keines seiner Bücher. Er musste sich konzentrieren. In ein paar Minuten würde es vollkommen dunkel sein, also nahm er seinen Rucksack ab und wühlte darin herum. Vor Einbruch der Dunkelheit würde er es nicht schaffen, den Hügel zu erreichen. Wie es aussah, saß er die Nacht über hier fest.
»Streichhölzer, Streichhölzer …« Seine Finger fanden eine Plastikbox. »Gott sei Dank.« Pete sah sich um, fand ein paar Stöcke und schichtete sie in der Mitte einer Lichtung auf. Das sollte reichen, um ein Feuer anzuzünden. Zumindest hätte er dann etwas Licht und würde nicht frieren müssen. Er sammelte noch ein wenig Zunder und einige kleinere Hölzer zusammen, öffnete die Box mit den Streichhölzern, entzündete eines und steckte den kleinen Zunderhaufen damit an. Die trockenen Blätter fingen Feuer und Pete legte kleine Zweige oben drauf. Er legte so lange nach, bis das Feuer ordentlich brannte.
»Danke«, sagte er und schickte ein stummes Gebet gen Himmel.
Natürlich entschied sich das Universum, ihm zu antworten, und das auf wenig schöne Weise. Ein Blitz zerriss den Himmel und Donner rollte über das Land hinweg. Genau das, was er gerade gebrauchen konnte.
Pete steckte die Streichhölzer wieder ein und legte weiteres Holz aufs Feuer, in der Hoffnung, der Sturm würde an ihm vorüberziehen. Nachdem er noch ein paar Stöcke auf das Feuer geworfen hatte, waren die Flammen hoch genug, dass er den Waldboden um sich herum erkennen konnte. Wieder war ein Blitz zu sehen; der Donner grollte noch lauter als zuvor und die Erde bebte unter dem lauten Geräusch, das mit einem Knurren verklang.
Es dauerte eine Sekunde, ehe Pete wieder einfiel, dass Donner nicht knurrte. Er sah von den Flammen auf, musterte die Lichtung vor sich und blickte direkt in ein Paar gelbe Augen. Mehr konnte er nicht sehen, bis die Raubkatze sich duckte und näher schlich. Das Licht spiegelte sich auf ihrem dichten, lohfarbenen Fell. Ein Puma. Na toll, genau das, was er jetzt verdammt nochmal brauchte. Er legte mehr Holz aufs Feuer, griff sich dann einen brennenden Ast und warf ihn nach der Katze, die ziemlich mutig wirkte und wahrscheinlich auch sehr hungrig war.
Petes erster Impuls war es, wegzulaufen, aber die Raubkatze wäre schneller als er und würde ihn von hinten anspringen. Er hatte bereits genug Filme gesehen, in denen irgendwelche dummen Kinder genau das getan hatten und am Ende doch eines von ihnen zu Katzenfutter wurde.
Er steckte einen Ast ins Feuer, dann einen zweiten und einen dritten, und dann zog er die brennenden Holzstäbe wieder aus dem Feuer und nahm sie in beide Hände. Er wusste, das war wahrscheinlich dämlich, aber es war die einzige Verteidigung, die er hatte.
Die Katze schlich am Rand der Lichtung entlang und kam mit geöffnetem Maul näher, bleckte die riesigen Zähne. Pete machte einen Satz zurück und holte aus, als die Raubkatze auf ihn zusprang. Er verfehlte sie, aber sie zog sich zurück und begann wieder damit, ihn zu umkreisen und zu beobachten. Pete hoffte, dass es nicht noch weitere Pumas gab, die nur darauf warteten, ihn rücklings anzufallen. Er hatte immer gedacht, Großkatzen wie diese jagten allein. Zumindest hoffte er jetzt verzweifelt, dass es so war.
»Verschwinde. Husch.« Er begann zu schreien und Krach zu machen. Das war alles, was ihm einfiel: Mit den Ästen in seiner Hand zu wedeln und dabei so groß wie möglich auszusehen. Die Raubkatze duckte sich und Pete wusste, sie bereitete sich auf den Angriff vor. Die Katze stieß sich vom Boden ab und er schlug mit beiden Händen zu, gerade als das Tier auf ihn zugeschossen kam. Die brennenden Enden der Äste trafen auf den Kopf des Raubtieres und er hörte ein Zischen und roch brennendes Fell. Die Katze jaulte auf und fiel zu Boden, dann lief sie rasch in den Wald zurück, genau in dem Moment, als der Himmel seine Schleusen öffnete und es zu regnen begann. Ein paar Minuten lang schützten die Blätter des Baumes über ihm ihn vor dem Wasser, aber schließlich gaben auch sie nach und der Regen durchdrang das dichte Blätterdach.
Das Feuer zischte und setzte sich tapfer gegen das Wasser zur Wehr, aber es war nicht heiß genug und ging bald aus. Pete schmiegte sich eng an den Baumstamm, in der Hoffnung, dort ein wenig Schutz zu finden, aber es war vergeblich. Binnen weniger Minuten war er nass bis auf die Knochen, ihm war kalt, er zitterte und zuckte bei jedem Blitz und Donner zusammen.
Er wusste nicht mehr, was er noch tun konnte. Es gab keinen Unterschlupf und der große Baum, unter dem er stand, war der perfekte Blitzableiter. Er konnte nichts mehr tun und wie es aussah, hatte ihn sein Glück verlassen, also nahm er seinen triefenden Rucksack und trottete in die entgegengesetzte Richtung zu der, in die die Raubkatze verschwunden war, auf den Hügel zu, den er vorhin noch gesehen hatte. Er benutzte sein Handy als Taschenlampe und dankte stumm dem Verkäufer im Laden, weil er ihm ein wasserdichtes Modell aufgeschwatzt hatte.
Nach etwa zehn Minuten wurde aus dem Platzregen ein Nieseln, aber immerhin hämmerten ihm die Tropfen nicht mehr auf den Kopf und ins Gesicht. Pete war aber noch immer nass und kühlte mit jeder Sekunde weiter aus. Er hatte in seinem Rucksack einen Satz trockener Kleidung in einer Plastiktüte, aber das nützte ihm nichts, wenn er nicht endlich aus diesem verdammten Regen herauskam.
Er lief etwa eine halbe Stunde lang auf den Hügel zu und sah dabei immer wieder auf sein Handy, um zu prüfen, ob er schon wieder Empfang hatte. Manchmal erschien ein Balken auf dem Display, aber er verschwand ebenso schnell wieder und er hoffte, auf dem Gipfel des Hügels mehr Glück zu haben. Natürlich hielt das nur so lange an, bis sein Handy zu piepsen begann, weil der Akku fast leer war. Wenn er eine Chance bekommen wollte, jemanden anzurufen, musste er sich den restlichen Akku aufsparen, also schaltete er das Handy aus, steckte es wieder in seine Hosentasche und sah sich mit der vollkommenen, nassen, elendiglichen Dunkelheit konfrontiert, während Wasser seinen Rücken hinablief.
Er konnte nichts tun, außer nach einem Unterschlupf zu suchen und darauf zu warten, dass der Regen aufhörte. Pete fand sich damit ab, dass er die Nacht im Freien verbringen würde. Er öffnete abermals seinen Rucksack und versuchte sich zu erinnern, ob er eine Taschenlampe eingepackt hatte. Er hätte schon früher danach suchen sollen, aber wie es aussah, hatte er in den letzten Stunden, was logisches Denken anging, nicht so gut abgeschnitten. Er war ja auch nicht davon ausgegangen, dass er so spät noch hier draußen sein oder sich sogar verlaufen würde, also hatte er keine Taschenlampe eingepackt… wie es aussah, hatte er also kein…
Pete schloss die Augen und durchsuchte die Außentasche seines Rucksacks. Dort fand er eine flache, kleine, batteriebetriebene Taschenlampe, die er mal irgendwo auf einer Messe geschenkt bekommen hatte. Er drückte auf den Knopf und das winzige Lämpchen leuchtete auf. Viel Licht war es nicht und der Regen und die Dunkelheit schluckten das meiste davon, aber es reichte, um ein paar Schritte weit zu sehen, und mehr brauchte er nicht. Pete beschloss, noch ein bisschen weiterzugehen, in der Hoffnung einen Unterschlupf zu finden, denn das war alles, was ihm jetzt noch blieb – Hoffnung. Er streifte sich den Rucksack wieder über und suchte sich einen Weg zwischen Bäumen und Büschen hindurch.
Er achtete dabei die ganze Zeit auf den Boden und wäre beinahe Kopf voraus in die Ecke einer Hütte hineingelaufen. Sie war aus grob behauenem Holz und wahrscheinlich schon ziemlich alt, aber Pete war das egal. Solange es keine Pumahöhle war, würde es schon gehen. Langsam ging Pete um die Hütte herum. Das Licht der Taschenlampe flackerte. Er fand die Tür und stieß sie auf. Im letzten Licht der Lampe sah er sich um.
Es war eine Art altes Lagerhaus. Viel gab es darin nicht, aber das Gebäude wirkte solide und einigermaßen trocken. Auf der Rückseite stapelten sich Säcke bis zur Decke und nahmen fast die Hälfte des Raumes ein. Der Rest der Hütte war leer, abgesehen von Heu, das durch Planen geschützt wurde.
Pete wusste, Heu bedeutete, dass irgendjemand diese Hütte als Scheune benutzte. Doch er hoffte, derjenige hatte nichts dagegen, dass er hier Schutz vor dem Sturm suchte. Er schob das lose Heu mit dem Fuß zusammen und breitete eine der Planen darüber aus, um sich ein Lager auf dem harten Boden zu bauen. Dann kramte Pete in seinem nassen Rucksack herum und zog seine trockene Kleidung heraus. Die Plastiktüte, in der sie verpackt war, hatte dichtgehalten. Er schälte sich aus seinen nassen Sachen und zog sich hastig um. Er wrang die nassen Kleidungsstücke in der offenen Tür aus, schloss die Tür und legte die Kleider zum Trocknen auf ein Brett, da er wusste, der Besitzer der Hütte würde es ihm übelnehmen, wenn das Heu nass würde.
Pete zog seine letzte Flasche Wasser und einen Müsliriegel aus dem Rucksack, aß den Riegel, trank die Flasche halb aus und stellte den Rest dann wieder weg. Wie zur Hölle war er in diese Situation gekommen? Er legte sich auf die Plane und zog eine zweite als Decke über sich. Ihm war noch immer kalt, aber es half ein bisschen. Zumindest war er jetzt endlich aus dem Sturm raus und konnte dem Regen dabei zuhören, wie er auf das Dach trommelte, anstatt ihm ständig ins Gesicht zu schlagen. Er hatte etwas gegessen und getrunken. Im Augenblick war er trocken und fühlte sich einigermaßen sicher, und das war alles, worauf er im Moment hoffen konnte. Bei Tagesanbruch würde er seine Zuflucht verlassen und sich auf den Weg den Hügel hinauf machen, damit er Empfang bekam und hoffentlich jemanden anrufen konnte, damit sein jämmerlicher Hintern gerettet würde.
Ein Blitz zerriss den Himmel und erhellte den Raum durch das einzige kleine Fenster neben der Tür. Donner grollte und der Wind pfiff um seinen Unterschlupf. Es klang, als würde Mutter Natur in dieser Nacht ihre ganze Wut herauslassen. Pete rollte sich noch ein wenig fester unter seiner Plane zusammen und hoffe inständig, die Hütte würde diese Nacht unbeschadet überstehen.
Pete war völlig erschöpft, aber der Sturm hielt ihn wach. Als er nachließ, konnte Pete die Geräusche von draußen hören – allen voran das Heulen der Wölfe und die Antworten darauf – und es machte ihm eine Heidenangst. Die Geräusche erklangen nicht in der Nähe der Scheune, aber das musste nichts heißen. Nach der Begegnung mit der Raubkatze und jetzt den Wölfen um ihn herum wollte Pete einfach nur noch weg und so schnell wie möglich zurück nach New York, wo er am liebsten einfach nur die Wände angestarrt hätte. Er würde nie wieder die Sicherheit der Stadt verlassen, Schreibblockade hin oder her. Nichts schreiben zu können war immer noch besser, als das Leben zu verlieren und von dem, was da draußen noch so herumschleichen mochte, in Stücke gerissen zu werden.
Noch mehr Blitze zuckten und der Donner ließ die Hütte um ihn herum erzittern. Kleine Grashalme schwebten von den Dachsparren herunter. Pete wollte sich die Plane über den Kopf ziehen, aber sie roch nicht besonders appetitlich. Er zitterte ein wenig und betete, dass der Sturm endlich ganz nachlassen oder weiterziehen möge.
Unglücklicherweise schien der Sturm es sich an diesem Ort gemütlich gemacht zu haben und jeder neue Donnerschlag schien zu versuchen, die Hütte einstürzen zu lassen, was noch mehr Unrat von der Decke rieseln ließ. Pete rollte sich wie ein Embryo zusammen und versuchte, sich selbst Trost zu spenden. Er war so dumm, weil er geglaubt hatte zu wissen, was er tat. Aber immerhin ging es ihm hier drin besser, als draußen, was ihm der Wind, der an der Tür rüttelte und ums Haus pfiff, eindrucksvoll bewies.
»Roger, falls ich das hier überlebe, werde ich dich, so wahr mir Gott helfe, sobald ich dich das nächste Mal sehe windelweich prügeln. Fahr in den Westen. Erlebe ein Abenteuer. Sieh mal etwas Neues. Das wird dich bestimmt für dein nächstes Buch inspirieren. Bastard!« Ein weiterer Donnerschlag ließ die Hütte erzittern und Pete umklammerte die Plane. Sie hatten diese Reise eigentlich gemeinsam machen wollen. Aber nein. Roger hatte es irgendwie geschafft, sich das Pfeiffersche Drüsenfieber einzufangen, wahrscheinlich, weil er mittlerweile jeden Mann in New York geküsst hatte. Aber dieses Arschloch hatte ihn mit seiner schwachen, von der Krankheit gezeichneten Stimme gedrängt, alleine zu fahren. Der Sinn dieser Reise war doch, dass du neue Ideen bekommst und aufhörst zu jammern. Es ist eine Tour durch den Yellowstone Park. Du wirst neue Leute kennenlernen und Spaß haben.
Diese Worte klangen jetzt hohl. Er hatte andere Leute getroffen, aber dann seine Gruppe verloren. Diese ganze Sache war dabei, sich in einen Alptraum zu verwandeln und Roger hätte jetzt wenigstens bei ihm sein und das alles mit ihm durchstehen können.
Nach gefühlten Stunden zog der Sturm endlich weiter und draußen wurde es ruhiger. Pete legte seinen Kopf auf die Plane und schloss die Augen. Wenn er noch ein bisschen schlafen könnte, würde ihm das am nächsten Morgen zugutekommen.
Pete entspannte sich ein wenig, weil er nicht mehr dem Sturm ausgesetzt war, und trotz des harten Bodens unter sich schloss er die Augen, stellte sich vor, wie er zu Hause in seinem warmen, weichen, großen Bett lag, und schlief schließlich ein.
Tobias Montford trat aus seiner Hütte, die sich auf einer kleinen Anhöhe am Rand der Lichtung befand, und betrachtete das winzige Gelände seines Rudels. Seit sie sich nach der Zerstörung, die Anton über die meisten Rudel in dieser Gegend gebracht hatte, vor ein paar Jahren neu formiert hatten, hatte Tobias sein Bestes gegeben, um für sein Rudel zu sorgen. Sie hatten drei Häuser gebaut, die bereits bewohnbar waren – na ja, eigentlich waren es erst zweieinhalb Häuser. Das letzte Haus würde bald fertig sein und dann konnte sich das Rudel ein wenig ausbreiten. Nicht, dass das besonders wichtig war.
Das Rudel bestand im Augenblick lediglich aus neun Wölfen, aber seine Schwester und sein Schwager erwarteten Nachwuchs und er wollte ihnen ein eigenes Zu Hause bieten können, damit sie dort ihre Welpen aufziehen konnten. Lorraines Bauch war so groß, dass sie mindestens Zwillinge, wenn nicht gar Drillinge bekommen würde, und sein Schwager Sasha arbeitete, gemeinsam mit Tobias, besonders hart, damit ihre Hütte bald fertig wurde.
Den Rest des Rudels bildeten seine Mutter Clarie, sein bester Freund Ryan Hastings, mit dem er schon als Welpe befreundet gewesen war und Tobias' Beta Elayne, Ryans Schwester, mit ihrem Ehemann, Hayden. Es gab auch noch zwei weitere Wölfe namens Greg und Brick, deren Familien Teil des Greenview-Rudels gewesen waren, ehe Anton es übernommen und zerstört hatte. Die meisten ehemaligen Mitglieder des Rudels waren in alle Winde zerstreut, andere hatten den stürmischen Wandel und das nachfolgende Chaos nicht überlebt.
Greg kam in seiner Wolfsform – er war ein wunderschöner, starker, grauer Wolf – zu ihm gelaufen, setzte sich auf den Rand der kleinen Veranda, sah zu ihm auf und zwinkerte. Greg bevorzugte es, in seiner Wolfsform zu sein, und er liebte die Nacht. Er war dann am glücklichsten, wenn er umherstreifen, das Gelände beobachten und für die Sicherheit aller sorgen konnte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Tobias, wie jeden Morgen, und normalerweise bekam er auch immer dieselbe Antwort.
An diesem Morgen senkte Greg jedoch den Kopf und gab ein leises Bellen von sich.
»Zeig es mir.« Tobias folgte Greg, als der unter den Bäumen entlanglief, die sie des Schattens wegen nicht gefällt hatten. Er führte ihn zu dem dichten Unterholz, das den Rand ihres Zu Hauses markierte.
Er schnüffelte und wusste sofort, was Greg störte. Jemand war hier durchgelaufen. Der Geruch war nicht mehr frisch und nach dem Sturm und dem ganzen Regen konnten sie froh sein, überhaupt noch etwas zu riechen. Aber es war beängstigend, dass jemand dem Lager so nahe gekommen war. Er folgte Greg über das Gelände, hinauf zur Scheune, in der sie die Vorräte lagerten, wo Greg wieder bellte und weiterlief. Tobias blieb stehen, schnüffelte und fragte sich, was hier los war.
Der Eindringling war ein Mensch.
Nach ein paar Minuten erschien Greg wieder in seiner menschlichen Form. Er war wieder angezogen und wachsam. Er hasste seinen menschlichen Körper. Sein Körper war groß, schlaksig und tollpatschig; er warf ständig Dinge um oder stolperte, wenn er ein Mensch war. Aber als Wolf war er groß und lang, schlank und wendig. Als Tobias nach der Tür griff, stand Greg neben ihm bereit, legte aber seine Hand auf Tobias' Arm und der drehte sich herum. »Wir müssen es den anderen sagen.«
Scheiße. Das Letzte, was dieser Mensch sehen durfte, waren Wölfe, die herumliefen und sich gerade verwandelten. Er würde wahrscheinlich ohnmächtig wären, aber ihr Geheimnis wäre dann keines mehr.
»Geh und sag es allen.«
Greg verschwand und Tobias lauschte. Aus dem Inneren der Scheune war nur leises Atmen zu hören. Wer auch immer dort drin war, schlief, oder tat zumindest so. Das Fenster neben der Tür war beschlagen, was bedeutete, der Mensch befand sich schon eine ganze Weile da drin.
Als Greg zurückkehrte, öffnete Tobias leise die Tür.
Unter einer der Abdeckplanen, die als Decke benutzt wurde, lugte ein blonder Haarschopf hervor. Tobias konnte nasse Kleidung sehen, die über einem Holzbrett hing, und er konnte sie auch riechen. Aber das wurde von einem waldigen Duft überlagert, einem Duft nach Zu Hause, der ihn bis ins Mark traf.
»Stimmt etwas nicht?«, fragte Greg. »Du bist ganz rot und…«
Greg sah zu dem schlafenden Mann und dann wieder zu Tobias. »Denk nicht einmal daran.« Seine Stimme war so leise, dass nur jemand mit dem Gehör eines Wolfes die Worte hören konnte.
Tobias wirbelte mit zusammengebissenen Zähnen zu Greg herum und starrte ihn an. Er konnte seine Alpha-Stimme nicht benutzen, weil er sonst den jungen Mann aufgeschreckt hätte, aber er konnte Greg dennoch wissen lassen, dass er seine Grenzen überschritt. Erst als Greg seinen Kopf ergeben senkte, wandte Tobias sich wieder dem schlafenden Mann und seinem göttlichen Duft zu.
Er wollte die Scheune betreten, die Tür hinter sich abschließen, um alles andere auszusperren, sich ausziehen, unter die Plane schlüpfen und den kleineren Mann in seine Arme nehmen. Tobias wollte ihn, und als Greg an Tobias vorbei in die Hütte ging, zog er Greg wieder hinter sich. Er hatte noch nie jemanden angesehen und dabei den Rest seines Lebens vor seinem inneren Auge ablaufen sehen. Er wusste, er war vollkommen am Arsch. Er musste sich so cool und ruhig wie möglich verhalten, auch wenn er sich ziemlich sicher war, dass Greg bemerkte, dass sein Herz raste, und er verdammt erregt war.
»Geh zu den anderen, stell sicher, dass es ihnen gut geht.« Er hörte, wie Greg wegging, und schnaubte, aber Tobias konnte seine Augen einfach nicht von diesem bezaubernden Mann nehmen, als er die Hütte betrat und zu der Stelle hinüberging, wo dieser schlief. Tobias war sich nicht sicher, wie er ihn wecken sollte, da er ihn nicht erschrecken wollte. Offensichtlich war er gestern in den Sturm geraten und hatte hier Unterschlupf gesucht.
Wie standen die Chancen dafür, dass Tobias seinen Gefährten ausgerechnet in seiner eigenen Scheune finden würde?
»Hallo«, sagte er leise. »Es ist Zeit aufzuwachen.«
Der Mann richtete sich erschrocken auf, versuchte, auf die Füße zu kommen und wäre dabei fast ausgerutscht. »Ich wollte nichts stehlen. Ich bin nur in den Sturm geraten und brauchte einen trockenen Unterschlupf. Ich nehme meine Sachen und bin in ein paar Minuten verschwunden.« Er lief bereits zu seinen Kleidern und stopfte sie in seinen noch immer nassen Rucksack.
Tobias streckte die Hand aus. »Ganz ruhig. Ich werde dir nichts tun. Ich weiß, der Sturm letzte Nacht war schlimm. Aber wie bist du hier gelandet?« Das Lager war weit von der Zivilisation entfernt. Der einzige Weg dorthin war eine zweispurige Straße, auf der man nur mit einem Truck vorwärtskam, und dem Rudel war das nur recht.
»Ich habe eine Wandertour gemacht und bin stehengeblieben, um mir ein paar Blumen anzusehen. Die Tourguides haben mich einfach zurückgelassen. Ich dachte, ich finde den Weg zurück zum Pfad wieder, habe mich aber verlaufen und es wurde dunkel. Dann habe ich versucht ein Feuer zu machen, wurde aber von einem Puma angegriffen, der Regen hat mein Feuer gelöscht und ich habe versucht, Empfang auf meinem Handy zu bekommen, dabei bin ich zufällig auf deine Scheune gestoßen und da drin war es trocken, also… Wie ich schon sagte, ich habe nichts gestohlen.« Er hielt seinen Rucksack wie einen Schild vor sich. »Wenn ich etwas kaputtgemacht haben sollte, werde ich das bezahlen, aber ich glaube, es ist alles heil geblieben. Zeig mir nur, wo es zur Straße geht und dann gehe ich einfach weiter, bis ich wieder Empfang habe und jemanden anrufen kann, der kommt um mich zu retten.«
Der Mann redete so schnell. Wenn er nicht so offensichtlich verängstigt gewesen wäre, wäre es süß gewesen. Sein Herz schlug rasend schnell und der beißende Geruch von jämmerlicher Angst lag in der Luft.
»Schon gut. Wie ich bereits sagte, niemand wird dir etwas tun. Komm mit nach draußen, dann rufe ich meine Mutter und sie wird dir etwas zu essen geben. Hier draußen gibt es keinen Empfang – wir liegen zu weit ab vom Schuss. Aber wenn du willst, kann ich dir ein Telefon zur Verfügung stellen. Wir haben hier auch Internet via Satellit.« Verdammt, er wollte diesen hübschen Mann mit den blausten Augen, die er je gesehen hatte, hierbehalten. Aber was konnte er schon machen, sollte er ihn etwa kidnappen?
»Deine Mutter ist auch hier?«, sagte er und ging zur Tür. Seine Augen waren so groß wie Untertassen und in seinem Duft lag noch immer der Hauch von beißender Angst.
»Ja.« Was dachte der Mann, was das hier war, eine Szene aus Beim Sterben ist jeder der Erste?
»Meine ganze Familie ist hier. Wir leben hier.« Er folgte dem Mann hinaus und streckte ihm seine Hand entgegen. »Ich heiße Tobias.«
»Pete. Mein richtiger Name ist Peter, aber alle nennen mich Petey. Ich habe keine Ahnung, warum. Bisher hat mich noch jeder so genannt und ich habe es einfach akzeptiert. Aber dadurch wirke ich wie ein Kind und ich bin kein Kind, also…«
Dieser Typ begann wirklich zu plappern, wenn er nervös war. Es war einfach zu niedlich. »Soll ich dich Peter nennen?«
»Wie bitte?«
»Also dann doch Pete.« In Tobias' Kopf drehte sich alles und er zog die Tür hinter sich zu. »Komm mit.«
Er führte ihn zu der größeren Hütte – auch wenn die nicht viel größer war als die andere –, die auch als Rudelhaus diente und in der er mit seiner Mom lebte. Da sich bereits herumgesprochen hatte, dass sich ein Mensch auf dem Gelände befand, war das gesamte Rudel im Freien und jeder tat, als wäre er mit etwas beschäftigt. Tobias zog die Tür zu seiner Hütte auf und führte Pete in die Küche.
»Mom.«
»Süßer«, sagte sie, kam näher und wandte sich direkt an Pete. »Alles in Ordnung?« Sie umarmte ihn, noch ehe er reagieren konnte. »Komm. Ich mache dir etwas zu essen und dann sehen wir zu, dass deine Sachen trocken werden. Dann kannst du uns erzählen, was passiert ist.« Sie klopfte auf einen der Hocker und begann dann, die Zutaten für das Frühstück hervorzuholen. Seine Mutter war die Köchin des Rudels und liebte es. Sie war immer glücklich, wenn sie hungrige Mäuler stopfen konnte.
»Meine Mutter mag es, jemanden zu haben, den sie beglucken kann.« Tobias setzte sich auf den Hocker neben Pete. Er musste so nah bei ihm sein, wie möglich. Es schien ihm unerträglich, auch nur einige Meter von ihm entfernt zu sein.
»Warum sind alle so nett? Ich meine, ich bin nur irgendein Typ, der in eurer Scheune Schutz vor dem Sturm gesucht hat.« Pete schob sein Besteck auf dem Tisch herum.
Tobias wünschte, er könnte ihn dazu bringen, sich wohler zu fühlen, aber ihm fehlten die Worte. Pete war sein Gefährte und ein Wolf würde fast alles für seinen Gefährten tun. Er wollte nett zu ihm sein. Ach, zur Hölle, Tobias wollte Pete die Kleider vom Leib reißen und ihn von Kopf bis Fuß ablecken. Wenn auch nur die Chance bestünde, dass er damit durchkäme, hätte er es bereits getan.
Die Anwesenheit seiner Mutter dämpfte seinen Enthusiasmus ein wenig.
»Süßer, wir mögen zwar aussehen wie Leute, die nicht viel mit anderen Menschen zu tun haben, aber wir sind nicht böse. Das Land hier draußen ist rau und man überlebt hier nur, wenn man aufeinander aufpasst.« Sie wandte sich ab und brachte dann eine Pfanne voller Eier an den Tisch.
»Ist das für eine ganze Armee gedacht?«, fragte Pete, während sie das Essen auf Tobias' Teller aufhäufte. Pete bat um eine viel kleinere Portion, aber sie tat ihm dennoch mehr auf, als er wahrscheinlich erwartet hatte. Sie kochte sonst immer für Wandler und die aßen verdammt viel.
»Nein, Süßer. Nur für uns.«
Andere Rudelmitglieder kamen herein und sie stellte das restliche Essen für sie auf den Tisch. Alle warteten und beobachteten Pete neugierig. Greg war nicht unter ihnen und Tobias ging davon aus, dass er in den Wald verschwunden war, um auf Patrouille zu gehen.
Tobias' Mutter bot Pete Bacon an und stellte dann die riesige Platte auf den Tisch. Es gab auch Toast und Schinken, sowie Bratkartoffeln. Angesichts der Menge an Essen blieb Pete der Mund offen stehen, aber Tobias wusste, das Essen würde nicht lange vorhalten. Es brauchte immer viele Vorräte, nur um das Rudel durchzufüttern, und das schafften sie nur mit Hängen und Würgen.
Pete hatte ein wenig von allem auf seinem Teller, aber er starrte weiterhin die anderen an, die die Reste unter sich aufteilten.
»Essen hier immer alle so viel?« Er nahm einen Bissen und begann dann rasch zu essen. Tobias' Mom wusste, wie man kocht, das stand verdammt noch mal fest.
»Ja. Hier draußen besteht das Leben aus harter Arbeit und dafür braucht man eine Menge Treibstoff.«
Er versuchte, es wie einen Witz klingen zu lassen. Dabei konnte er aber riechen, wie sich der Duft nach Neugierde im Raum manchmal mit dem von Erregung mischte, wenn zwei Gefährten sich zusammen hinsetzten und einander nah waren. In seinem Haus war das normal und er versuchte, nicht darauf zu achten, auch wenn er es bemerkt hatte. »Sobald du aufgegessen hast, bringe ich dich in die nächstgelegene Stadt, wenn du willst. Du kannst dort jemanden anrufen und dich wieder zu deiner Gruppe bringen lassen.«
»Wie kommt es, dass du hier bist?«, fragte Sasha zwischen zwei Bissen. Sie waren Wölfe, wenn man langsam aß, konnte schon der nächste auf das eigene Essen schielen.
»Ich wurde von meiner Wandergruppe getrennt. Ich war dumm genug, den Pfad zu verlassen und mit einem Mal waren sie weg. Ich habe mich verlaufen und landete hier.«
»Er hat einen Puma abgewehrt.« Tobias war sich nicht sicher, warum er so stolz auf Petes Erfolg war. »Aber er wurde vom Sturm überrascht und ist in unsere alte Vorratshütte gestolpert.« Er sah jeden einzelnen Wolf an und sein Blick blieb an Lorraine hängen.
Sie musterte Pete, als wäre er der Teufel höchstpersönlich. Sie hatte schon immer nach Hintergedanken gesucht. Tobias fing ihren Blick ein und hielt ihn fest, bis sie nachgab.
Es würde nichts bringen, seinen Gefährten Lorraine gegenüber zu verteidigen. Zu seiner Enttäuschung war er sich sicher, dass Pete nicht lange bleiben würde, und Tobias musste sich an die Tatsache gewöhnen, dass er nicht mit seinem Gefährten zusammenbleiben konnte, auch wenn er ihn jetzt endlich gefunden hatte. Tobias war sich nicht sicher, wie er damit umgehen sollte, aber er würde es irgendwie schaffen. Er musste sein Rudel führen und das hatte im Augenblick Priorität vor allem anderen. Das Rudel war nach dem Chaos und der fast völligen Vernichtung durch Antons Gier nach Macht gerade erst dabei, sich zu erholen. Anton war von dem aktuellen höchsten Alpha, Mikael Volokov, dem Anführer des benachbarten Old Faithful-Rudels, zur Strecke gebracht worden. Mikael hatte Tobias' Bitte, das Rudel seines Vaters wieder aufbauen zu dürfen, zugestimmt. Dieser Wiederaufbau war noch nicht abgeschlossen und im Augenblick musste er sich dem mit Leib und Seele widmen. Zumindest sagte er sich das selbst.
Tobias aß seinen Teller leer und brauchte dann etwas, um sich von seinen eigenen Gedanken abzulenken.
Seine Mutter hatte schon immer gewusst, was er gerade brauchte. »Geh draußen nachsehen, ob der Sturm nicht irgendwelche Schäden angerichtet hat.« Sie räumte seinen Teller weg. »Ich passe solange auf deinen Besucher auf und sobald du fertig bist, kannst du dich ja wieder um ihn kümmern.«
»Ich begleite dich.« Sasha lehnte sich zu Lorraine, um sie zu küssen und ihren Bauch zu berühren – und damit auch seine zukünftigen Welpen – und folgte Tobias dann. Sasha war ein stolzer zukünftiger Papa und man konnte es an den anbetenden Blicken sehen, mit denen er seine Frau ansah.
Sobald sie vor der Tür waren, sagte Tobias: »Es wird schön sein, wieder Welpen im Rudel zu haben.« Er verließ die Veranda und ging um das Gebäude herum, um zu sehen, ob es irgendwo beschädigt worden war.
»Ich habe schon nachgesehen; wir haben den Sturm ohne Probleme überstanden.«
Tobias hielt inne. »Was soll das hier dann?«
»Der Junge ist in der Hütte. Wieso hast du ihn nicht gleich weggeschickt? Alle sind nervös und unruhig. Lorraine steht kurz davor, die spanische Inquisition wieder ins Leben zu rufen. Und Clarie tut so, als würde er zur Familie gehören. Ich verstehe nicht, was los ist.«
Tobias war sich nicht sicher, wie er das beantworten sollte. Die Verbindung zwischen zwei Gefährten war Wölfen heilig, vor allem die, die vom Schicksal bestimmt wurden. Wenn man das wusste, war es völlig falsch, Pete gehen zu lassen, und normalerweise hätte Tobias alles in seiner Macht Stehende getan, um ihn hierzubehalten und Pete so schnell wie möglich davon zu überzeugen, mit ihm in sein Bett zu steigen. Aber sein Rudel war misstrauisch und angespannt, weil Pete hier war und solange Tobias ihm noch nicht alles erklärt und es ihm verständlich gemacht hatte… Wie zur Hölle sollte er das anstellen, ohne dass Pete gleich schreiend davonlief? Wenn er Pete von den Wölfen erzählte und der das falsch verstand und versuchen würde, ihnen zu schaden, müsste Tobias ihn töten, damit sein Rudel und auch die anderen in Sicherheit wären. Sie versteckten sich bereits seit Hunderten von Jahren und wenn sie überleben wollten, mussten sie sich auch weiter verstecken. Es war besser, wenn er wusste, Pete war irgendwo da draußen und am Leben – wenn er wusste, er hatte einen Gefährten – als derjenige sein zu müssen, der ihn tötete.
»Wir sind einfach nur gastfreundlich. Okay? Wenn wir gemein zu ihm sind, meldet er es vielleicht der Polizei. Aber im Augenblick sind wir nur eine kleine Gruppe von Leuten, die unter sich bleiben, und wir haben ihm etwas zu essen gegeben und stellen sicher, dass er dort hinkommt, wo er hin will. Entspann dich einfach und nimm es locker.«
»Wenn du meinst.«
»Was ist hier los?«, fragte Ryan, der gerade auf sie zu trampelte. Er war ein riesiger Wolf und wenn er ein geborener Anführer gewesen wäre, hätte er sicher das Zeug gehabt, Alpha zu werden. Aber Ryan hatte ihm schon früher gesagt, dass es ihm gefiel, die rechte Hand zu sein. Er wollte nicht langfristige Pläne schmieden und die großen Entscheidungen darüber treffen, wohin der Weg des Rudels führen sollte. Ihm war das zu viel.
»Was denkst du denn?«
»Geht es um den Jungen?« Ryan wandte sich dem Rudelhaus zu. »Er wirkt recht nett, aber er hat die Hosen voll vor Angst. Ich habe nicht das Gefühl, dass er uns belügt. Er ist einfach nur ein Typ, der sich verlaufen hat und zufällig auf uns gestoßen ist.«
»Aber…«
Ryan legte seinen Arm um Sashas Schulter. »Mach dir keine Sorgen, Kumpel.« Ryan grinste und sah zu Tobias. »Ich glaube, er ist bereit zu gehen. Soll einer von uns dich begleiten, wenn du ihn wegbringst?«
»Nein. Bleib hier und sorg dafür, dass diese Hütte endlich fertig wird, damit Sasha und Lorraine bald einziehen können. Old Faithful hat bereits Möbel für die Hütte gemacht und bringt sie in ein paar Tagen her – quasi als Geschenk von den Rudelnachbarn – und ich will, dass die Hütte fertig ist, bevor sie kommen. Wenn wir nur eine halbfertige Hütte präsentieren können, würden wir undankbar wirken, wo sie so viel Arbeit investiert haben, nur um uns zu helfen.«
»Einverstanden.« Ryan ließ Sasha los. »Dann lass uns anfangen. Sasha, ruf die anderen zusammen und dann geht es los. Wenn wir ein oder zwei Tage hart arbeiten, sollte das Ding endlich stehen.«
»Gut, und dann beginnen wir mit der Planung für die nächste Hütte.« Tobias drehte sich um und auch wenn keiner der beiden anderen etwas sagte, konnte er förmlich hören, was sie dachten: Sie sollten die nächste Hütte sofort bauen. Wohnraum war kostbar und jetzt, wo das Rudel größer wurde, brauchten sie mehr davon. Tobias dachte zwar nicht, dass es nötig war, gleich eine weitere Hütte zu bauen, aber er wollte für die Zukunft vorbereitet sein. Sie könnten die Lichtung jederzeit vergrößern, aber das würde sie viel von ihrem Schutz kosten. »Ich denke, wir sollten mehr Platz schaffen und ein paar der Bäume hier fällen, damit wir mehr Raum zur Verfügung haben. Die übrigen Bäume bieten uns dann noch genug Schutz.«
»Alpha«, sagte Sasha und wandte sich Tobias zu.
»Das ist nicht dringend, eher ein langfristiges Projekt. Beendet erst einmal diese Hütte und dann reden wir über die nächsten Schritte.« Das schien ihn zu entspannen. Sasha war ein guter Mann, aber im Voraus zu planen und Entscheidungen zu treffen waren nicht gerade seine Stärken. Aber es waren Tobias' Stärken. Sasha war ein guter Ehemann und würde später auch ein guter, liebevoller Vater sein, aber Planungen würden niemals zu seinen Talenten zählen. »Ich helfe auch, sobald ich wieder zurück bin.«
Die anderen kamen aus dem Rudelhaus und gingen zu Sasha und Ryan. Jeder wusste, was er zu tun hatte, und Ryan schickte sie alle zur Baustelle, während Tobias wieder hineinging.
Pete saß noch immer auf seinem Hocker. Seine Augen waren noch immer weit aufgerissen und er hielt seinen Rucksack fest an sich gedrückt. »Sie haben mich alle angesehen, als wäre ich… Ich weiß nicht…als käme ich von einem anderen Planeten.«
»Schon in Ordnung. Wir bekommen hier draußen nicht oft Fremde zu Gesicht.«
»Ich habe deine Kleidung getrocknet.« Tobias Mutter brachte den kleinen Wäschestapel herein und steckte ihn in eine Plastiktüte, die vor ihm lag.
»Danke.« Pete verstaute sie in seinem Rucksack und glitt vom Hocker.
»Komm. Bringen wir dich mal wieder zurück.« Bei jedem Wort brach Tobias' Herz ein wenig, aber es war das Richtige. Auch wenn das bedeutete, dass er dem Mann Lebewohl sagen musste, der für ihn bestimmt war – dem Gefährten, den das Schicksal für ihn vorgesehen hatte. Er konnte einfach nicht das Risiko eingehen, dass sie entdeckt wurden.
Tobias spürte ein Seufzen in seiner Kehle aufsteigen, aber er kämpfte dagegen an. Wenn es entkommen würde, würde seine Mutter sich fragen, was mit ihm los war. Und er wusste, wenn sie ahnen würde, was Pete für ihn bedeutete, würde sie ihm für das, was er tat, den Hals umdrehen. Seine Mutter und sein Vater waren vom Schicksal vorherbestimmte Gefährten und immer sehr glücklich miteinander gewesen.
Als Anton seinen Vater besiegt und dessen Platz eingenommen hatte, war Tobias ein Teenager gewesen und er hatte, so gut es ging, versucht, vor Anton zu verbergen, wer er war. Seine Mutter hatte damals vor Trauer einfach zusammenbrechen und sterben wollen. Aber sie hatten beide überlebt und Tobias würde nicht zulassen, dass sie so eine Zeit noch einmal erleben musste.
Er führte Pete durch die Hintertür hinaus zu einem alten, aber immer noch fahrtüchtigen Pick-up-Truck. Früher war er einmal blau gewesen, aber jetzt überdeckten Staub und Schmutz die Farbe. Er öffnete die Tür, stieg ein und wartete darauf, dass Pete es ihm nachtat. Sobald die Türen geschlossen waren, umgab Tobias in dem beengten Raum Petes Duft. Wann immer er einatmete, drang ein berauschender Mix aus Pheromonen in seine Nase, der ihn völlig um den Verstand brachte.
Sein ganzes Wesen schrie ihm zu, er sollte Pete in seine Arme nehmen, ihn küssen, bis ihm der Atem wegblieb und ihm noch auf dem Beifahrersitze die Kleider vom Leib reißen. Er wandte sich ab, denn seine Augen drohten, sich zu verwandeln und er konnte seine Fangzähne durch sein schmerzendes Zahnfleisch spüren. Tobias hatte sonst immer perfekte Kontrolle über seinen Wolf und die Verwandlung. Immerhin war er ein Alpha und er schob sein Verlangen beiseite und hielt die Verwandlung zurück. Aber sein Wolf heulte laut und deutlich, dass er sich das, was er als sein Eigentum betrachtete, nicht verwehren ließ. Er war ein Mensch, wiederholte Tobias wieder und wieder, startete den Motor und schaltete die Lüftung an, um etwas Luft in den Wagen zu bekommen, die ihm dabei helfen sollte, seine Libido etwas abzukühlen.
»Es tut mir leid, wenn ich dich und deine Familie bei etwas gestört habe.« Pete hielt noch immer seinen Rucksack umklammert und Tobias konnte Angst riechen.
»Das hast du nicht. Ich bin nur froh, dass du während des Sturms einen Unterschlupf gefunden hast. Um diese Zeit können die Stürme wirklich schlimm wüten. Wenn es lange nicht geregnet hat, brennt es auch schon einmal. Wir hatten in den letzten Jahren schon solche Stürme, dann ist es gefährlich draußen und auch sehr unangenehm. Der Blitz kann jederzeit einen Baum treffen, und wenn du gerade darunter stehst, war es das für dich.«