DAS SPIEL WIRD ERNST - Bill Knox - E-Book

DAS SPIEL WIRD ERNST E-Book

Bill Knox

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Beschreibung

Bei Spielzeugeisenbahnen erwacht das Kind im Manne. Es sei denn, man liegt tot in den Miniaturgleisen - wie der Autohändler Harry Durman aus Glasgow. Chefinspektor Thane und Kriminalinspektor Moss, die den Mordfall untersuchen, finden bald heraus, dass Durman nicht nur dieses eine Hobby hatte...

 

Der Roman Das Spiel wird ernst von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1973; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1992.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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BILL KNOX

 

 

Das Spiel wird ernst

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 237

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DAS SPIEL WIRD ERNST 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

Neuntes Kapitel 

Zehntes Kapitel 

Elftes Kapitel 

Zwölftes Kapitel 

Dreizehntes Kapitel 

Vierzehntes Kapitel 

Fünfzehntes Kapitel 

Sechzehntes Kapitel 

Siebzehntes Kapitel 

Achtzehntes Kapitel 

Neunzehntes Kapitel 

Zwanzigstes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Bei Spielzeugeisenbahnen erwacht das Kind im Manne. Es sei denn, man liegt tot in den Miniaturgleisen - wie der Autohändler Harry Durman aus Glasgow. Chefinspektor Thane und Kriminalinspektor Moss, die den Mordfall untersuchen, finden bald heraus, dass Durman nicht nur dieses eine Hobby hatte...

 

Der Roman Das Spiel wird ernst von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1973; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte 1992.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  DAS SPIEL WIRD ERNST

 

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Polizeisergeant Francey Lang ließ sein Auge durch die menschenleere, aber hellerleuchtete King Street Public Hall schweifen, sah zufrieden, dass lustige Fahnen und mit Plakaten beklebte Stände verschmutzte Wände und die rissige Decke den Blicken entzogen, und sagte sich, dass er gute Arbeit geleistet hatte.

Es war beinahe Mitternacht, und selbst der Hausmeister der Public Hall hatte sich in sein winziges Loch von Büro zurückgezogen, um sich noch eine Kanne Tee zu brauen. Morgen Vormittag um zehn jedoch würde die Ausstellung zum Leben erwachen. Francey Lang hatte von Anfang an die Idee einer Ausstellung gehabt, seit er für Öffentlichkeitsarbeit in der Kriminalaußenstelle Glasgow-Millside zuständig war.

Er war ein großgewachsener, schlanker Mann mit einem knochigen Gesicht, das von einer alten Rasierklingennarbe ein wenig verunstaltet war. Fünfzehn Jahre lang war er Streifenpolizist gewesen, bevor man ihm diesen neuen Posten gegeben hatte. Er ging die Halle hinunter, blickte im Vorbeigehen in die Stände und stellte fest, dass ihm der Wechsel gutgetan hatte. Erst seit kurzem gab es bei der schottischen Polizei Beamte, die sich um Öffentlichkeitsarbeit kümmern sollten. Eine Neuerung, die von der Regierung angeregt worden war und die sich als nützlicher erwies, als man dort zunächst angenommen hatte. Sie beschränkte sich auf vorbeugende Verbrechensbekämpfung und Sozialfürsorge und sollte den Leuten bewusstmachen, dass Polizisten auch nur Menschen sind. Francey Lang war fest davon überzeugt, dass man auf den letzten Punkt schon längst hätte hinweisen müssen.

Ein geschäftiges Quieken in einem Stand für Verkehrssicherheit ließ ihn kurz stehenbleiben.

Ein Haufen abgerichteter weißer Mäuse sauste in einem Käfig herum. Sie waren als besonderer Spaß für die Volksschüler gedacht. Die Mäuse sollten an einigen Modellstraßenkreuzungen richtiges Verhalten im Verkehr zeigen - die Kinder brauchten ja nicht zu wissen, dass sich die Mäuse an verborgenen Drähten einen elektrischen Schlag holten, wenn sie mit der Pfote eine falsche Stelle berührten.

Francey Lang zündete sich eine Zigarette an, ging an einigen Ständen vorbei und verlangsamte merklich seinen Schritt, als er in die Abteilung Modellbau kam.

Die Modellclubs hatten sich wirklich nicht lumpen lassen. Über maßstabsgerechten Schiffsmodellen hingen Modellflugzeuge. Es gab winzige Autos und sogar eine altmodische, glänzende Dampfmaschine.

Sein Lieblingsstück blieb jedoch die riesige Eisenbahnanlage, die da auf Holzgestellen aufgebaut worden war. Francey Lang blieb vor ihr stehen, schob sich die Mütze ein wenig aus der Stirn und verspürte plötzlich eine merkwürdige Sehnsucht.

Schmale, gleißende Schienen wanden sich durch sorgfältig gemalte Landschaften. Sie führten durch saubere Bahnhöfe, an hübschen Stellwerken vorbei, verschwanden in Tunnels unter Bergen aus Papiermache und bildeten ein verwirrendes Geflecht von Kreuzungsweichen.

Die Bedienungshebel für all das lagen vor ihm. Gedankenlos legte er einen Hebel um und kniff verblüfft die Augen zusammen, als ein rotes Licht aufleuchtete.

Sergeant Francey Lang packte die Versuchung - und die Halle war leer.

Er drückte seine Zigarette aus, vergewisserte sich, dass der Hausmeister nicht in der Nähe war, und drehte an einem Transformator.

Eine grüne Lokomotive mit einer Reihe von Schnellzugwagen fuhr surrend an und wurde schneller, als er weiter aufdrehte. Unter Klicken und Rattern fuhr der Zug über ein paar Weichen, neigte sich in eine Kurve, rauschte durch einen Bahnhof und verschwand in einem Tunnel.

Einen Augenblick später ein dumpfer Aufprall, wie rasend durchdrehende Räder und ein nicht enden wollendes Klappern. Einer der Schnellzugwagen rollte sich überschlagend über den Fußboden und blieb neben einem Papierkorb liegen.

Francey Lang fluchte und schaltete die Anlage wieder aus. Modelleisenbahner waren nicht gerade von Leuten entzückt, die sich an ihrem Eigentum vergriffen, und sollte irgendetwas beschädigt sein, so würde es ihm teuer zu stehen kommen.

Er eilte hin, kroch unter die Anlage, um zur Rückseite des Pappgebirges zu kommen, richtete sich auf - und blieb wie erstarrt stehen.

Ein Toter saß auf einem Stuhl und war mit dem Oberkörper vornüber auf die Gleise gesunken. Zwischen seinen Schultern ragte ein langer, dünner Schraubenzieher heraus. Der kahle Kopf lag in dem Papiermacheberg, um ihn herum war der Zug verstreut.

Ein winziger Teil von Francey Langs Verstand versuchte krampfhaft zu denken.

Der Tote war etwa mittleren Alters, hatte ein Gesicht, das dem Sergeanten irgendwie bekannt vorkam, war in Hemdsärmeln und trug am linken Handgelenk eine teure, goldene Uhr.

So wie er über den Gleisen lag, war es fast ein kleines

Wunder, dass die Anlage überhaupt funktioniert hatte. Als ob das jetzt noch viel ausmachte...

Sergeant Francey Lang stöhnte leise und schloss verzweifelt seine Augen.

In zehn Stunden sollte der Polizeichef von Glasgow programmgemäß die Ausstellung eröffnen. Der halbe Polizeiausschuss würde zu einem Empfang kommen, der in einem Nebenraum stattfinden sollte. An alle Presseorgane der Stadt waren Einladungen verschickt worden - und Langs Frau hatte sich in der sicheren Annahme, dass sie dem Polizeichef vorgestellt werden würde, ein neues Kleid gekauft.

Widerstrebend öffnete er wieder die Augen.

Der Tote war immer noch da, und sein Gesicht kam ihm quälend bekannt vor.

Müde drehte sich Francey Lang um und machte sich auf den Weg zum Telefon im Büro des Flausmeisters.

 

 

 

 

  Zweites Kapitel

 

 

Der erste Wagen der Kriminalpolizei traf drei Minuten später ein; er hatte eine Routinefahrt durch die High Street abgebrochen.

Einige Augenblicke später kamen zwei weitere Wagen vom Revier, und dann lief alles wie gewohnt.

»Außer, dass wir normalerweise nicht mit einem Polizisten anfangen müssen, der mit Zügen herumspielt«, murmelte Chefinspektor Colin Thane. Er seufzte und blickte sich in der Halle um. »Sergeant, Sie werden Schwierigkeiten haben, das zu erklären.«

»Ja, Sir.« Francey Lang wurde rot und schluckte schwer. Vor einer halben Stunde war ihm der Befehl gegeben worden, sich in nichts einzumischen, und seitdem hatte man ihn in einer Ecke neben den weißen Mäusen stehenlassen. »Es tut mir leid, Sir.«

»Immerhin, es hätte schlimmer kommen können.« Thane betrachtete ihn mit düsterer Miene.

»Sir?« Francey Lang konnte das kaum glauben.

»Na ja.« Thane grinste leicht. »Der Polizeichef hätte ihn finden können.«

Er drehte sich um und ging die Halle hinunter auf das Gewühl zu, das um die Eisenbahnanlage herum entstanden war. Hinter ihm brummte eine bekannte Stimme: »Da kommt der Chef der Kriminalaußenstelle - spät wie üblich.«

»Das nennt man Vertrauen in das System.« Thane wandte sich um und grinste der kleinen, grauen, ärmlich gekleideten Gestalt zu, die neben ihm aufgetaucht war. Kriminalinspektor Phil Moss bedurfte einer Rasur und eines frischen Hemds. Aber daran war nichts Ungewöhnliches. »Wie lange sind Sie schon hier?«, fragte Chefinspektor Thane.

Moss brummte mit Nachdruck: »Ich war gerade halb aus dem Büro heraus und reif für zu Hause, als sie mich erwischten. Und Sie?«

»Eben zu Bett gegangen.« Thane hatte einmal ausschlafen wollen. In der letzten Woche hatten die Beamten der Kriminalaußenstelle Millside wenig Schlaf bekommen, dank einer Welle von Raubüberfällen und einer Reihe von Kämpfen zwischen rasierklingenbewaffneten Banden. »Ich hab’ mit Francey Lang gesprochen. Was gibt es sonst noch?«

»Nicht viel. Der Hausmeister sah nichts, hörte nichts und weiß noch weniger.« Moss unterbrach sich und warf einem Mann von der Spurensicherung, der mit Instrumenten beladen, mit ihm zusammengestoßen war, einen giftigen Blick zu. »Verdammt noch mal, könnt ihr Typen denn nie aufpassen, wo ihr hinlauft?« Dann wandte sich Moss wieder an Thane. »Wir haben wenigstens einen Namen für unseren Toten. Sie werden ihn sogar kennen. Es handelt sich um Harry Durman, den Gebrauchtwagenhändler.«

»Durman?« Thane zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Was hatte der hier zu suchen?«

»Hat mit der Eisenbahn herumgespielt, genau wie Francey Lang. Oder, dem herumliegenden Werkzeug nach zu schließen, hat er an den Gleisen etwas repariert.« Moss nahm die Zigarette, die Thane ihm anbot, und beide teilten sich in ein Streichholz. »Auf jeden Fall habe ich Beech in seine Wohnung geschickt. Ich glaube nicht, dass Durman Verwandte hat, aber ich wollte da lieber sichergehen.«

»Schauen wir ihn uns an«, sagte Thane. »Damit wir es hinter uns bringen.«

Sie gingen gemeinsam die Halle hinunter, und die anderen Polizeibeamten traten zurück, um Thane vorbeizulassen. Die meisten waren aus seinem eigenen Revier, aber alle kannten ihn vom Sehen... selbst Außenstehenden fiel es nicht schwer, sich an den Chef der Kriminalaußenstelle Millside zu erinnern.

Colin Thane war Anfang Vierzig, hatte kurzgeschnittenes, dunkles Haar und ein Gesicht, das selbst ihm wohlgesonnene Menschen als mächtig durchfurcht bezeichneten. Er trug einen hellbraunen Tweedanzug, der wie angegossen saß und in dem er stämmig und muskulös wirkte. Seine gemessenen, kraftvollen Bewegungen waren die eines Mannes, der auf dem Höhepunkt seines Lebens steht - wenn er jetzt auch mehr wog als zu der Zeit, da er als Schwergewichtler dem Boxverein der Polizei angehört hatte.

Für den Leiter einer Kriminaldienststelle war er noch jung an Jahren. Und das Stadtviertel Millside, in dem man von Hafenslums angefangen alles finden konnte, war eines der schwierigsten Reviere von ganz Glasgow. Das war mit ein Grund, warum man ihm den Posten gegeben hatte.

»Hier durch.«

Moss deutete auf eine Stelle, wo man die Eisenbahnanlage auseinandergeschoben hatte.

Auf der anderen Seite lag Harry Durman noch so, wie man ihn gefunden hatte. Die Umgebung war mit grauem Staub bedeckt, durch den Fingerabdrücke sichtbar wurden. Der Schraubenzieher war inzwischen entfernt worden. In der Nähe packte eine Gestalt in einem blauen Anzug eine Arzttasche wieder ein..

»Morgen, Doc«, grüßte Thane zwanglos. »Was können Sie bis jetzt sagen?«

Der Polizeiarzt zuckte mit den Achseln.

»Dass Sie auf den vollständigen Autopsiebericht warten sollen, Chefinspektor.«

»Hm.« Thane nickte kaum merklich. Doc Williams konnte gelegentlich schlechter Laune sein, vor allem mitten in der Nacht. »Ein Wort würde mir schon weiterhelfen.«

Williams seufzte theatralisch und gab dann nach.

»Es sieht nach einer einzigen Stichwunde aus, die im Winkel nach unten führt. Es wurde mit großer Kraft zugestochen. Die Tatwaffe drang ein wenig links von der Wirbelsäule so ein, dass sie vermutlich direkt ins Herz traf. Der Tod ist aller Wahrscheinlichkeit nach sofort eingetreten.«

»Haben Sie die Waffe hier?«

Doc Williams hielt wortlos einen Plastikbeutel in die Höhe, der schon verschlossen und mit einer Aufschrift versehen worden war.

Moss neben ihm sagte: »Keine Fingerabdrücke. Das

Ding stammt wahrscheinlich aus Durmans Werkzeugtasche.«

Auf den Brettern der Eisenbahnanlage lag neben der Leiche die Werkzeugtasche, und der Schraubenzieher passte genau in eins der leeren Fächer darin.

»Manche Leute borgen sich einfach alles aus.« Doc Williams unterdrückte ein Gähnen. »Trotzdem, eine hübsche, saubere Stichwunde ist mal was anderes, verglichen mit den Axtgeschichten, mit denen Sie sonst ankommen.«

»Wie steht’s mit der Todeszeit, Doc?«

»Es kann noch nicht lang her sein.« Der Polizeiarzt schüttelte langsam den Kopf. »Der Körpertemperatur nach zu schließen, ist er etwa eine Stunde tot.« Er warf einen Blick auf Moss. »Kann das stimmen?«

»Möglich«, sagte Moss. »Der Hausmeister meint, dass alle um elf gegangen sind - bis dahin war reges Kommen und Gehen, und die Seiteneingänge waren geöffnet.« Moss schwieg und fuhr sich mit einem langen Fingernagel über sein Stoppelkinn. »Weil wir gerade von offenen Türen reden - wird die Ausstellung stattfinden?«

»Nein.« Thane schürzte die Lippen, als er daran dachte, was das hieß. »Ich werde mich darum kümmern.«

»Schieben Sie das ruhig etwas auf«, murmelte Doc Williams. »Es heißt nicht von ungefähr, man soll schlafende Polizeichefs nicht aufstören. Und weil wir gerade vom Schlafen reden« - er nahm seine Tasche - »für mich gibt’s hier nichts mehr zu tun. Die Autopsie werde ich sofort nach dem Frühstück erledigen, und Sie bekommen den vorläufigen Bericht noch vor dem Mittagessen. Dabei wird sicher nichts Aufregendes zum Vorschein kommen.«

Thane nickte, sah ihm nach, als er fortschlenderte, und wandte sich wieder Moss zu. »Wo ist der Hausmeister?«

»Wartet in seinem Büro. Übrigens, ich lasse gerade den Vorsitzenden des Modelleisenbahnclubs holen.«

Thane schwieg einen Augenblick und dachte nach, wieviel er eigentlich über Harry Durman wusste.

Durman war nicht nur Gebrauchtwagenhändler gewesen. Mehr als einmal war sein Name im Zusammenhang mit Fällen in Millside aufgetaucht, und zweimal wäre er beinahe festgenommen worden, weil man ihn des Betruges verdächtigte.

Erst kürzlich hatte sich ein aufsehenerregender Fall zugetragen - als ein Feuer einen Bingo-Saal einäscherte, an dem Durman zur Hälfte beteiligt gewesen war. Das Feuer war spät nachts ausgebrochen, und danach hatte die Abteilung für Brandstiftung im Präsidium das Gebäude durchsucht, konnte aber nichts finden. Schließlich hatte die Versicherung, wenn auch widerstrebend, gezahlt.

Aber in die Sache mit dem Bingo-Saal war noch jemand verwickelt gewesen, Durmans Teilhaber. Thane gab sich Mühe, auf den Namen zu kommen.

»Jarrold Walsh.« Er sagte ihn laut, sah, dass Moss die Augen zusammenkniff, und erklärte: »Walsh, der König der Spielclubs. Er war Teilhaber von Durman bei diesem Bingo-Saal, der abbrannte.«

»Und?« Moss blickte immer noch erstaunt drein.

»Nur so.«

Das Feuer war im Januar gewesen, und jetzt hatten sie Anfang Mai. Jarrold Walsh besaß einen der lukrativsten Spielclubs in der Stadt und war an einer Reihe weiterer Bingo-Säle beteiligt.

»Phil«, fuhr Thane fort, »sagen Sie dem Archiv, dass ich Einzelheiten über alle Geschäftspartner von Durman haben möchte, von denen man weiß.«

Moss nickte, zog plötzlich ein Gesicht und ließ einen gewaltigen Rülpser los.

Zwei Beamte in Zivil, die eben vorübergingen, blickten ohne eine Spur von Überraschung leicht interessiert zu ihm hinüber.

Phil Moss hatte sein Magengeschwür zehn Jahre lang vor Ärzten im Allgemeinen und Chirurgen im Besonderen geschützt, und so war es in allen Revieren der Stadt bekannt. Kein gewöhnliches Magengeschwür, wie seine Untergebenen behaupteten. Wie an einem Barometer konnte man an ihm von Tag zu Tag die Stimmung des zweithöchsten Beamten der Kriminalaußenstelle Millside ablesen.

»Wann haben Sie zuletzt gegessen?«, wollte Thane aus Erfahrung wissen.

»Ganz nach Plan. Aber in der Kantine - alles mit Fett gemacht.« Moss schüttelte sich bei der Erinnerung, dann wechselte er plötzlich das Thema. »Können wir uns jetzt den Hausmeister vornehmen?«

Bevor Thane antworten konnte, kam ein uniformierter Polizei-Constable vom anderen Ende der Halle auf sie zugetrabt. Als er bei Ihnen war, begrüßte er Thane mit der Hand an der Mütze.

»Sir, wir haben eine Nachricht für Sie über Funk bekommen. Von Kriminal-Constable Beech in Durmans Wohnung - er sagt, sie ist leer, aber es wäre ihm lieb, wenn jemand zu ihm kommen könnte.«

»Um ihm die Hand zu halten?«, fragte Moss unschuldig.

Thane unterbrach ihn: »Hat Beech gesagt, wieso, Constable?«

Der Mann nickte: »In die Wohnung ist eingebrochen worden, Sir.« Er grinste ein wenig. »Ich - äh - nun, er sagt, er weiß nicht, was er machen soll.«

Thane selbst war das Lachen vergangen. Beech war nicht der Typ, der bei Schwierigkeiten gleich angerannt kam.

»Phil, ich werde gehen. Übernehmen Sie hier wieder die Leitung - und versuchen Sie vor allem, genau herauszubekommen, was der Hausmeister gemacht hat. Warum er zum Beispiel die Türen nicht irgendwie unter Aufsicht hatte.«

Moss brummte zustimmend. »Und Sie kommen hierher zurück?«

»So schnell ich kann. Lange werde ich nicht brauchen.«

Thane ging zum Haupteingang hinüber.

Kriminalinspektor Moss drückte seine Zigarette aus, drehte sich auf dem Absatz herum und steuerte auf das Büro des Hausmeisters zu.

 

 

 

 

 Drittes Kapitel

 

 

Harry Durmans Apartmentwohnung war im Erdgeschoss eines roten Sandsteinhauses in der Fraser Street im westlichen Millside.

Der Dienstwagen war in weniger als zehn Minuten dort. Er war durch fast leere Straßen gefahren, an Häusern vorbei, in denen nur noch wenige Lichter anzeigten, dass einige der Bewohner noch nicht zu Bett gegangen waren. Die Fraser Street lag ebenso verlassen da, nur dass dort auf beiden Seiten eine Reihe von Autos parkte.

»Es ist Nummer zweiundsechzig.« Thane bemerkte, wie der Fahrer wegen des Parkproblems die Stirn runzelte, und sagte: »Lassen Sie mich einfach hier heraus, und quetschen Sie sich irgendwo weiter vorn dazwischen - halten Sie aber die Ohren offen, ob auf Funk etwas durchkommt.«

Der Mann nickte, hielt den Wagen an, wartete, bis Thane ausgestiegen war, und fuhr wieder an.

Thane ging durch den gefliesten Eingang und sah den Namen Durman an der linken Tür.

Bevor er noch auf die Klingel drücken konnte, ging die Tür auf.

»Ich sah den Wagen, Sir.« Kriminal-Constable Michael Beech sah für einen Polizisten fast zu jung aus. Aber er war erst vor kurzem Vater von Zwillingen geworden. Er machte die Tür ganz auf und fügte hinzu: »Ich hatte nicht gedacht, dass Sie herkommen würden.«

»Es klang interessant.« Thane trat ein und wartete auf Beech, der die Tür schloss. »Nun, was gibt’s?«

»Kriminalinspektor Moss hat mich mit den Schlüsseln zu Durmans Wohnung geschickt, Sir. Die Tür war abgeschlossen, aber sobald ich hier drin war, also...« Beech deutete durch den Flur auf ein Zimmer im hinteren Teil der Wohnung. »Sehen Sie selbst.«

Thane ging hin und blieb in der offenen Tür stehen, suchte den Lichtschalter und pfiff leise, als eine Neonröhre aufflackerte.

Das Zimmer war eine Mischung aus Arbeitsraum und Werkstätte. Alle Schränke und Schubladen standen offen, und ihr Inhalt lag verstreut umher.

Aber selbst abgesehen davon war das Zimmer ungewöhnlich genug. Eine Anzahl fertiger und halb zusammengebauter Modelle stand herum, und daneben lagen unzählige Einzelteile für weitere Modelle.

»Das Fenster wurde aufgebrochen, Sir«, sagte Beech ruhig. »Mit den anderen Räumen wurde ebenso verfahren - hier hat jemand wirklich das Unterste zuoberst gekehrt.«

»Langsam bin ich froh, dass ich hergekommen bin«, murmelte Thane.

Mit Beech zusammen schaute er sich den Rest der anspruchslos eingerichteten Wohnung an. Es war zu sehen, dass jedes Zimmer rasch, aber gründlich durchsucht worden war.

Thane kehrte in das Zimmer im hinteren Teil des Apartments zurück, ging ans Fenster und blickte hinaus. Der Hinterhof lag etwa einen Meter tiefer.

»Haben Sie draußen nachgesehen?«, fragte Thane.

Beech nickte. »Bevor ich mich über Funk meldete, Sir. Ich konnte nichts finden. Dann rannte ich zu meinem Wagen, rief die Zentrale an - und kam danach sofort wieder hierher zurück.«

»Und die Nachbarn?«

»Ich habe noch keinen gesprochen, Sir.«

Thane zuckte mit den Achseln. Die Fraser Street lag in einer Gegend, in der die Nachbarn bestimmt etwas unternahmen, wenn sie etwas hörten.

Er trat vom Fenster zurück und sah sich noch einmal in dem Raum um, der die andere Seite von Harry Durmans Leben darstellte.

»Der hat sich wirklich gesteigert, was?« Beech deutete beinahe neidisch auf ein schnittiges, silbernes Flugzeugmodell. »Mit Dieselmotor und ferngesteuert - das kostet Geld.«

Thane spitzte den Mund und überlegte, wieviel Durman wohl sein Steckenpferd gekostet hatte und woher er das Geld genommen hatte.

Er winkte Beech zu sich heran, und beide gingen los, um sich die Wohnung ein zweites Mal anzusehen.

Sie waren im Flur, als es klingelte. Das Geräusch war noch nicht verklungen, als sich ein Schlüssel knirschend im Türschloss drehte.

Thane bedeutete Beech, sich zu verstecken, und drückte sich selbst hinter der aufgehenden Tür an die Wand. Ein junger Mann mit dunklem, fast schulterlangem Haar und einem schütteren Bart betrat selbstsicher, ein großes Paket in den Händen, die Wohnung.

»Harry - sind Sie da?«, rief er mit fröhlicher Stimme.

Ohne auf eine Antwort zu warten, stieß er mit dem Fuß die Tür hinter sich zu. Dann sah er Thane, und der Unterkiefer fiel ihm herunter.

Er hatte sich aber schnell wieder in der Gewalt, schluckte und legte argwöhnisch die Stirn in Falten.

»Wer zum Teufel sind Sie?«

»Das wollte ich Sie gerade fragen«, sagte Thane, während Beech aus dem Schlafzimmer hervorkam. »Wohnen Sie hier?«

»Nein.« Der junge Mann, der etwa zwanzig sein mochte, blickte sie aufmerksam an und sagte dann: »Polizei?«

»Genau.« Thane zeigte ruhig seinen Dienstausweis vor. »Von wem haben Sie den Schlüssel zu der Wohnung?«

»Von Harry - von Harry Durman.« Der Neuankömmling sah sich um, runzelte die Stirn und hielt immer noch das Paket in den Händen. »Was ist überhaupt los? Wo ist er?«

»Er ist tot«, sagte Thane geradeheraus und wartete auf die Reaktion.

»Tot?« Der Bärtige holte tief Luft. »Aber - ich meine wie, was ist passiert?«

Thane zuckte mit den Achseln. »Hätten Sie etwas dagegen, mir zuerst zu erzählen, was Sie hier machen?«

»Ich - ich heiße Roy Davidson.« Der junge Mann machte ein paar Schritte auf das hintere Zimmer zu, blieb dann stehen, als sich ihm Beech in den Weg stellte. »Ich bin ein Freund von ihm, könnte man sagen.« Er blickte auf das Paket in seinen Händen. »Ich hab’ Harry versprochen, das hier heute Nacht vorbeizubringen. Er sagte, dass er erst spät zurückkommt, und gab mir deshalb den Schlüssel.«

»Und Sie benutzen ihn noch nach ein Uhr nachts?«, sagte Thane mit ausdruckslosem Gesicht.

»Also, er wollte das Ding eben unbedingt wiederhaben.«

Davidson sah sich nach einem Platz um, wo er das Paket ablegen konnte.

Beech nahm es ihm ab, wog es in den Händen und blickte Thane an.

»Machen Sie es auf«, sagte Thane nur.

»He - wer sagt, dass Sie das tun können?« Der Bart des jungen Mannes zuckte, während sich Beech an die Arbeit machte. Dann wandte sich Davidson erbost an Thane: »Hören Sie, ich hab’ Sie schon einmal gefragt. Was ist mit Harry passiert?«

»Er wurde ermordet, Mr. Davidson.« Thane schwieg, und der junge Mann starrte ihn sprachlos an. »Deshalb sind wir hier, und deshalb interessieren wir uns für Sie. Wie alt sind Sie?«

»Zwanzig.« Davidson schluckte schwer. »Ich - ich bin Student, im zweiten Jahr auf der Universität, ich studiere Naturwissenschaften.«,

Beech, hatte das Paket geöffnet. Darin befand sich ein länglicher Metallkasten, der eine doppelte Reihe von Skalen und Schaltern trug.

»Gehört das Ihnen?«, fragte Thane.

»Nein.« Davidson biss sich auf die Lippen. »Es - also, ich hatte es mir geliehen, aber es gehörte Harry, und er wollte es zurückhaben.« Er sah sich um und zupfte sich dabei unruhig am Bart. »Ist es - ist er hier ermordet worden?«

»Nein, in der King Street Public Hall, kurz vor Mitternacht.« Thane sah ihn überrascht zusammenfahren und nickte. »Er hat dort mitgeholfen, eine Miniatureisenbahnanlage aufzubauen.«

»Ich weiß.« Davidson wurde rot. »Das heißt, ich - ich gehöre demselben Club an.«

»Und das hier?«

Thane zeigte auf den Metallkasten.

»Ein Gerät zur Fernsteuerung von Modellen.« Davidson bemerkte, dass man mehr von ihm hören wollte und seufzte. »Mit dem Apparat hier kann man auf getrennten Frequenzen über eine halbe Meile hinweg verschiedene Funktionen steuern. Ich brauchte das Gerät für ein Modellflugzeug, das ich gebaut habe.«

»Na schön, warum bringen Sie es hierher?«, fragte Thane etwas weniger zurückhaltend. »Warum haben Sie es nicht Durman in die King Street Hall gebracht?«