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In seiner Fabrik in Glasgow fiel Bill Carter einem raffinierten Mordanschlag zum Opfer. Der Mörder war sicher, keine Spuren hinterlassen zu haben.
Aber noch im Tode hatte Bill den Mörder überlistet: Unter seiner Armbanduhr fand man einen Zettel...
Der Roman Der tiefe Fall von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr (unter dem Titel Blutgruppe B).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
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Veröffentlichungsjahr: 2021
BILL KNOX
Der tiefe Fall
Roman
Apex Crime, Band 235
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
DER TIEFE FALL
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
In seiner Fabrik in Glasgow fiel Bill Carter einem raffinierten Mordanschlag zum Opfer. Der Mörder war sicher, keine Spuren hinterlassen zu haben.
Aber noch im Tode hatte Bill den Mörder überlistet: Unter seiner Armbanduhr fand man einen Zettel...
Der Roman Der tiefe Fall von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr (unter dem Titel Blutgruppe B).
Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.
Es war ein grauer, feuchter Sonntagabend, und ein kalter Nordwind wehte. Die ersten Straßenlaternen flammten auf, warfen einen trüben Schein auf das regennasse Pflaster, über das nur selten mit singenden Reifen ein Auto huschte. Im Innern des Gebäudes aber summte elektrische Energie, rauschte Luft durch die riesigen Ansaugstutzen, wurde erhitzt, gefiltert und erneut erhitzt, bis sie schließlich in die Kammer strömte.
Die Kammer mit ihren weißgekachelten Wänden erinnerte an einen Operationssaal. An der Decke befanden sich ein engmaschiges Röhrensystem und große Heizstrahler, der Boden bestand aus schwarzen, aber blitzsauberen Gitterrosten.
Es war heiß in der Kammer, unerträglich heiß. Sie war leer - nur ein Mann war darin. Verzweifelt kroch er zu der Stahltür, über der ein Bimetall-Thermometer angebracht war. Der Mann kam nur langsam voran, denn jede Bewegung schmerzte.
Er stöhnte gequält auf. Die trockene, sengende Hitze drang erbarmungslos in die Kehle, in die Lunge. Längst hatte er es aufgegeben, um Hilfe zu rufen. Die Anstrengung war zu groß, und er musste mit seinen Kräften haushalten. Das Stöhnen ging unter im monotonen Zischen der einströmenden Heißluft. Der Mann war völlig ausgedörrt, denn in der trockenen Luft verdunstete der Schweiß sofort.
An der Tür richtete er sich mühsam auf. Der Zeiger des Thermometers hatte sich nicht um einen Strich zurückbewegt. In der Tür war ein kleines Kontrollfenster aus Panzerglas angebracht. Der Mann glaubte in seinem Fieberwahn, auf der anderen Seite der Scheibe eine Bewegung wahrzunehmen, und sein Mund öffnete sich zu einem stummen, verzweifelten Flehen.
Doch die Heißluft strömte weiter, und die Heizlampen strahlten glühende Hitze.
Der Mann sank wieder zu Boden, schleppte sich über den Rost zu einigen Kleidungsstücken, die er abgeworfen hatte, als das Inferno losbrach. Er griff nach dem Jackett, zog es sich mit zitternden Händen über den Kopf, doch der heiße, fast versengte Stoff bot keinen Schutz.
Hilflos lag der Mann am Boden. Die Fäuste zuckten, ein Zittern lief durch seinen Körper, in den sich unbarmherzig die Hitze einfraß.
Schließlich war alles vorüber, aber noch immer rauschte die Heißluft durch die Filter, und die Heizlampen verbreiteten sengende Hitze. Erst nach einer weiteren Stunde schaltete die Zeituhr den Strom aus. Die Lampen verlöschten, der Heißluftstrom versiegte, und langsam, unsagbar langsam kroch der Zeiger des Thermometers zurück.
Dr. Williams pfiff leise vor sich hin, während er den Toten untersuchte. Der Polizeiarzt trug, wie stets, dunklen Mantel und weißen Kragen. Plötzlich drehte er sich um, weil er das Gefühl hatte, beobachtet zu werden.
»Morgen, Colin.« Er legte den Kopf schief und lächelte den kräftigen, dunkelhaarigen Mann an, der an der Tür des weißgefliesten Raums stand. »Die Woche fängt gut an, wie?«
Inspektor Colin Thane, Chef der Kriminalaußenstelle Millside, rührte sich nicht von der Stelle. Er hatte die Hände tief in den Taschen seines Tweedanzugs vergraben. Ein junger Kriminalwachtmeister stand respektvoll hinter ihm.
»Ein Mord ist immer unschön«, erwiderte Thane.
Er betrachtete zunächst die Decke mit den Heißlufteinlässen und der Batterie von Heizlampen. Dann sah er sich den Toten an, und sein breites, zerfurchtes Gesicht verriet Abscheu. Das Innere eines Trockenofens war eine Hölle, und ein Mord machte alles nur noch schlimmer.
»Nun, diesmal dürfte die Todesursache auch ohne Obduktion feststehen«, meinte Dr. Williams vergnügt. Er war seit über zehn Jahren als Polizeiarzt tätig und hatte längst gelernt, dass man diesen Beruf nur ausüben konnte, wenn man sich mit guter Laune panzerte. »Synkope, Colin - Tod durch Herzlähmung. Er erlitt einen Hitzschlag. Wurde zu Tode geröstet.«
Thane stöhnte leise, bewegte sich fast widerwillig über den Metallrost, Der Trockenofen für Einbrennlacke, eine der letzten Errungenschaften von Hydrostat Drives, hatte die Größe eines geräumigen Schlafzimmers. Der Tote lag noch an der Stelle, an der man ihn gefunden hatte - ungefähr fünf Meter von der Tür entfernt. Lediglich das Jackett hatte man von seinem Kopf gestreift. Der Mann war Mitte Dreißig, hatte ein schlankes Gesicht und eine lange, nahezu römische Nase. Das blonde Haar war sehr kurz geschnitten - offensichtlich, um die Wirkung der Stirnglatze abzumildern.
»Das Gesicht ist leicht zyanotisch, wie nicht anders zu erwarten«, fuhr Dr. Williams fort und kratzte sich mit dem Zeigefinger im Nacken. »Es mag seltsam klingen, aber niemand hat bisher einwandfrei klären können, wie es zum Versagen des Herzens kommt. Trotzdem erzählen wir den Studenten mit dem unschuldigsten Gesicht der Welt, dass übergroße Hitze zum Kreislaufkollaps führt.«
Thane brummte höflich. »Wann ungefähr ist der Tod eingetreten?«
»Tja!« Der Arzt spitzte die Lippen. »Durch die gewaltige Hitze sind alle Erfahrungswerte über Körpertemperatur und Totenstarre unbrauchbar. Lediglich anhand der Obduktion können wir die Todeszeit auf ein paar Stunden eingrenzen - wenn wir Glück haben.« Er musterte den Inspektor aus zusammengekniffenen Augen. »Dieser Fall wird Ihnen Kummer bereiten, Colin.«
Thane seufzte und blickte auf die Uhr. Es war eine Minute vor neun. Vor einer knappen Stunde hatte man das Polizeiamt Millside von der Auffindung des Toten verständigt.
Die Fabrik war über das Wochenende geschlossen gewesen. Als bei Arbeitsbeginn der Ofen für eine neue Charge vorbereitet werden sollte, hatte man den entsetzlichen Fund gemacht.
Es war nicht schwer gewesen, den Toten zu identifizieren. William Carter, der geschäftsführende Direktor von Hydrostat Drives, hatte ein markantes Gesicht, das nicht nur seine Freunde und Angestellten kannten, denn noch vor einigen Jahren war er einer der besten Läufer unter den britischen Leichtathleten gewesen.
Nachdem auf dem Polizeiamt die Meldung über den tödlichen Arbeitsunfall eingegangen war, hatte sich Kriminalsergeant MacLeod sofort mit dem Streifenwagen auf den Weg gemacht, während gleichzeitig Dr. Williams von seiner Wohnung abgeholt wurde.
Doch als Sergeant MacLeod in der Fabrik eingetroffen war, hatte er sofort gesehen, dass es sich um keinen Arbeitsunfall handelte. Nun wurde Inspektor Thane verständigt und im Präsidium der Erkennungsdienst angefordert.
»Wissen Sie über den Zettel Bescheid, Doktor?«, fragte Thane.
»Ich habe davon gehört. Gesehen habe ich ihn nicht.« Der Polizeiarzt packte seine Instrumente in die schwarze Ledertasche.
Thane wandte sich an den Wachtmeister. »Holen Sie bitte Sergeant MacLeod.« Nachdem der Beamte verschwunden war, schob der Inspektor den Hut ins Genick. »Sie sprachen von Hitzschlag, Doktor. Daran starben doch früher manchmal die Heizer auf Schiffen mit Kohlenfeuerung?«
»Ja - da besteht eine gewisse Ähnlichkeit.« Der Polizeiarzt ließ die Instrumententasche zuschnappen und richtete sich auf. »Der Mensch hält viel aus. Manche können noch bei einer Temperatur arbeiten, bei der andere bereits sterben. Aber hier?« Er schüttelte den Kopf. »Wie heiß wird es wohl hier drin?«
Thane verzog das Gesicht. Er hatte bereits den Meister der Lackiererei danach gefragt.
»Der Ofen war drei Stunden lang auf hundertzwanzig Grad Celsius eingestellt.«
»So hoch?« Dr. Williams pfiff durch die Zähne. »Bedeutend weniger hätte auch genügt,«
Stimmen näherten sich, und gleich darauf erschien die stämmige Gestalt von Sergeant MacLeod in der Tür.
»Sie haben mich rufen lassen, Inspektor?«
»Den Zettel, Mac«, sagte Thane leise.
Der Sergeant zog einen Plastikumschlag mit einem kleinen, zerknitterten Zettel aus der Tasche. Dr. Williams nahm ihn mit spitzen Fingern entgegen.
»Wo haben Sie ihn gefunden?«
MacLeods grimmiges Gesicht verriet Genugtuung. »Er hatte den Zettel hinter das Band der Armbanduhr geschoben.«
Die zitterigen, oft kaum lesbaren Buchstaben waren mit Bleistift geschrieben: »Wurde eingesperrt. D hilf bitte L...« Dann folgte noch ein Wort, das möglicherweise holt heißen konnte, dahinter drei unentzifferbare Striche.
»Nun, er hat wenigstens noch einen Versuch unternommen.« Dr. Williams reichte den Zettel zurück. »Schade, dass er den Satz nicht vollenden konnte. Aber die meisten Leute warten, bis es zu spät ist. Deuten irgendwelche Anzeichen auf Einbruch, Colin?«
»Nein.«
»Seine Schlüssel scheinen zu fehlen«, warf MacLeod ein. »Aber als heute Morgen das Personal eintraf, war die Fabrik ordnungsgemäß abgeschlossen. Und in seiner Brieftasche stecken sechzig Pfund.«
»Dafür bringt heutzutage niemand mehr einen Menschen um«, brummte der Polizeiarzt. »Das ist eine der Segnungen unseres Wohlfahrtsstaates. So - hier bin ich fertig. Wie soll es nun weitergehen, Colin?«
»Der Tote wird weggebracht, sobald die Spuren gesichert worden sind«, versprach Thane. »Doktor, ich halte es in diesem Fall für besser, wenn wir MacMaster hinzuziehen.«
»Sie möchten sichergehen?« Dr. Williams war von dem Vorschlag nicht begeistert. Professor MacMaster war der Inhaber des Lehrstuhls für Gerichtsmedizin an der Universität Glasgow, und deshalb nahm Dr. Williams Leichenöffnungen lieber allein vor. »Na schön, ich werde ihm Bescheid sagen.« Er ging zur Tür, drehte sich aber noch einmal um. »Wo steckt eigentlich Phil Moss?«
Ein Lächeln huschte über Thanes Gesicht. Kriminalsergeant Moss, die rechte Hand des Inspektors, hatte im Augenblick Sorgen.
»Er hat zwei Stunden freigenommen«, antwortete Thane. »Zur Regelung einer persönlichen Angelegenheit.«
»Sagen Sie ihm doch, er soll mich gelegentlich anrufen«, meinte Dr. Williams. »Ich möchte ihn sprechen. Und falls Sie mich dringend benötigen - in den nächsten Stunden bin ich als Zeuge bei einer Gerichts Verhandlung. Es geht um eine Frau, die ihrem Freund unbedingt mit dem Messer ihr Monogramm einschnitzen wollte.«
Der Arzt entfernte sich, und Thane blickte ihm schweigend nach. Dieser neue Fall bereitete ihm Kummer, und solange er nicht geklärt war, würden noch andere Leute gewaltigen Kummer haben. Hydrostat Drives gehörte zu den Firmen, die Regierungsaufträge ausführten. Aufträge, die unter die Geheimhaltungs-Bestimmungen fielen.
Sonst wusste Thane nur wenig. An der Entwicklung von Flüssigkeitsantrieben arbeiteten Ingenieure in mehreren Ländern, aber er hatte gerüchteweise gehört, dass Hydrostat Drives auch am Bau von Raketenkreuzern beteiligt war.
Sergeant MacLeod räusperte sich. »Ich habe mich nach seinen Angehörigen erkundigt, Inspektor. Dieses L auf dem Zettel bezieht sich wahrscheinlich auf seine Frau. Sie heißt Lynne. Aber der Betriebsleiter sagte mir, dass sie verreist ist - sie ist vermutlich in London. Weitere Angehörige sind nicht vorhanden.«
»Dann ist es kein Wunder, dass er nicht vermisst wurde, als er in der vergangenen Nacht nicht nach Hause kam.« Thane betrachtete den Toten und kräuselte die Lippen. »Mac, sind Sie sicher, dass nicht eingebrochen wurde?«
MacLeods Gesicht nahm einen beleidigten Ausdruck an. »Ich habe mir sogar das Dach angesehen. Es gibt zwar keinen Nachtwächter, aber das Gebäude ist mit Alarmanlagen gesichert.«
»Wo ist der Betriebsleiter?«
»Im Büroflügel, im Zimmer von Carter, Er heißt Hayston - Peter Hayston.« MacLeod strich sich über das glattrasierte Kinn. »Die Geschichte scheint ihn ziemlich mitgenommen zu haben. Er versucht festzustellen, ob etwas fehlt. Ich habe ihm gesagt, dass er nur berühren soll, was unbedingt nötig ist.«
Thane nickte. »Gut. Überwachen Sie alles, bis der Erkennungsdienst eintrifft. Dann horchen Sie herum - wie Carter mit seinen Leuten ausgekommen ist, ob es kürzlich Streit gegeben hat, wie man ihn als Chef schätzte und so weiter. Sie wissen ja Bescheid. Ich unterhalte mich jetzt mit Hayston.«
»Inspektor - wäre hier nicht ein besonderer Gesichtspunkt zu berücksichtigen?«, fragte MacLeod. »Ein Teil der Produktion unterliegt doch den Geheimhaltungs-Vorschriften.«
»Mac...« Thane stöhnte. »Müssen Sie auch noch damit anfangen! In dieser Hinsicht werden mich eine Menge Leute löchern. Für uns gibt es im Augenblick nur einen Gesichtspunkt, und der heißt Mord.«
Die Fabrik war in einem einzigen zweigeschossigen Gebäude untergebracht, das rings um einen großen Hofraum errichtet war, der Laderampen und Parkplatz enthielt. Ein Fremder konnte sich mühelos zurechtfinden, denn in allen Korridoren waren Wegweiser angebracht.
Thane verließ die Lackiererei, die im Erdgeschoss untergebracht war, kam an einigen kleineren Werkräumen und einer Montagehalle vorüber. Die meisten Maschinen standen still, und als der hünenhafte Inspektor erschien, verstummten die in kleinen Gruppen zusammenstehenden Arbeiter.
Im vorderen Teil des Gebäudes wies ein Pfeil mit der Aufschrift Büro zu einer schmalen Eisentreppe. Thane stieg die Stufen hinauf und gelangte in einen kurzen Korridor. Hinter den Mattglastüren war Schreibmaschinengeklapper zu hören. Vor der Tür mit der Aufschrift W. Carter - Privat blieb Thane stehen.
Er klopfte kurz an und öffnete. An dem großen Schreibtisch in der Nähe des Fensters stand ein Mann. Er hielt Papiere in der Hand und war so darin vertieft, dass er den Inspektor nicht bemerkte. Erst als Thane eintrat und die Tür geräuschvoll schloss, fuhr der Mann erschrocken und zugleich ärgerlich herum.
»Was, zum...«
»Inspektor Thane«, sagte der Kriminalbeamte kurz. »Mr. Hayston?«
»Oh.« Der Mann schluckte und warf die Papiere in einen Schreibtischkasten, den er hastig schloss. »Ja, ich bin Hayston.«
»Gut.«
Thane sah sich um. Teppich und Hausbar - die unvermeidlichen Attribute eines Direktionsbüros. An den Wänden hingen gerahmte Fotografien, die an Carters sportliche Vergangenheit erinnerten: Carter auf der Aschenbahn, Carter im Trainingsanzug und immer wieder Carter, der mit triumphierendem Lächeln eine Siegestrophäe entgegennahm.
Ein riesiger Schreibtisch mit gläserner Platte, an der Wand einige Aktenschränke und ein schwerer, moderner Safe. Das breite Fenster ging nach Nordosten, bot einen Blick auf die City von Glasgow.
»Wollen Sie nicht Platz nehmen?« Peter Hayston schob einen Stuhl an den Schreibtisch. »Zigarette?« Er öffnete eine Silberdose, die auf dem Schreibtisch stand, runzelte die Stirn, klappte den Deckel wieder zu und zog ein Lederetui aus der Tasche.
»Danke.«
Thane nahm sich eine Zigarette, zündete sie mit dem eigenen Feuerzeug an und setzte sich. Hayston zögerte kurz, dann nahm er hinter dem Schreibtisch Platz.
Peter Hayston bot nicht das Bild, das man sich vom technischen Leiter eines Betriebes macht. Er war ungewöhnlich klein, nur reichlich einen Meter fünfzig groß. Thane schätzte ihn auf Ende Zwanzig. Das verhärmte Kaninchengesicht wurde von einem dichten schwarzen Haarschopf gekrönt. Die Augen blinzelten ängstlich hinter einer dicken Hornbrille. Zu einem hellblauen Hemd trug er eine rote Schleife, einen braunen Kordanzug und Wildlederschuhe mit dicken Profilsohlen.
»Einfach schrecklich.« Hayston fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Dass Mr. Carter so etwas passieren musste - wir können es einfach nicht fassen.«
»Haben Sie eine Ahnung, was er am Wochenende hier im Betrieb gewollt hat?«
»Nein.« Hayston holte tief Luft. »Ich kann mir nicht vorstellen, was geschehen ist.«
»Aber es steht fest, dass ihn jemand in den Trockenofen gesperrt hat«, meinte Thane barsch. »Das wissen Sie doch wohl, oder?«
Der Mann blinzelte erschrocken, und sein Mund zuckte. »Ja - einer unserer Leute war dabei, als der Sergeant den Zettel fand. Ich könnte mir auch nicht vorstellen, wie es sonst geschehen sein sollte. Die Tür kann nur von außen verschlossen werden.«
Thane nickte. »Er schrieb: D hilf L. Damit dürfte seine Frau Lynne gemeint sein, und wer noch...?«
»Vermutlich David Stanley, sein Teilhaber.«
»Wo finde ich ihn?«
Hayston schüttelte den Kopf. »Er ist in der Schweiz, führt einige Tests durch. Ein Hotel in der Nähe von Luzern dient ihm als Operationsbasis. Ich habe ihm bereits telegrafiert.«
Thane zog die Brauen hoch. »Testversuche für Marinegeräte in der Schweiz?«
»Marinegerät ist nur ein Zweig unserer Fertigung.« Hayston seufzte ungeduldig. »Ich wäre froh, wenn er jetzt hier wäre. Mrs. Carter ist ebenfalls verreist...«
»Und damit liegt die ganze Verantwortung bei Ihnen«, vollendete Thane den Satz. »Mein Sergeant sagte mir, dass Sie nachsehen wollten, ob etwas fehlt. Nun, ist alles vorhanden?«
»Alles.« Der Betriebsleiter errötete. »Schließlich treffen wir entsprechende Vorsorge. Alle geheimen Pläne und Zeichnungen werden bei Arbeitsschluss eingesammelt.« Er deutete auf den Safe. »Sie werden dort drin aufbewahrt. Wenn etwas ausgegeben wird, muss es quittiert werden, und es wird scharf überwacht, dass auch alles wieder zurückgegeben wird.«
»Wieviel Personal haben Sie?«
»Zweiundsechzig Arbeiter und Angestellte.«
»Aber keinen Nachtwächter?«
»Nein.«
Thane zog die linke Braue hoch. »Obwohl ein Teil Ihrer Fertigung geheim ist?«
Haystons Kaninchengesicht wurde abweisend. »Wir besitzen ein lückenloses Alarmsystem. Mr. Stanley hat die Installation persönlich überwacht.«
»Und doch ist jemand ins Haus gekommen - und auch wieder verschwunden. Carters Schlüssel fehlen. Besitzen Sie ebenfalls welche?«
»Ja.« Der Mann wurde unruhig. »Mr. Stanley und unser Meister haben ebenfalls Schlüssel.«
»Einschließlich des Schlüssels zu Carters Schreibtisch?« Thane zog an seiner Zigarette und lehnte sich zurück.
Haystons Augen funkelten feindselig. »Nein, aber der Schreibtisch war nicht verschlossen, und deshalb dachte ich...«
»Ja?«
»Nun, dass vielleicht eine Notiz zu finden ist, wo sich seine Frau aufhält. Ich weiß lediglich, dass sie in einem Londoner Hotel wohnt.«
»Und was ist mit dem Safe?«
»Die Kombination ist Mr. Carter, Mr. Stanley und mir bekannt.« Die Hände des Mannes zuckten nervös. »Hören Sie, Inspektor - vor heute Morgen acht Uhr konnte niemand den Safe öffnen. Er besitzt nämlich neben dem Kombinationsschloss noch eine Zeitsperre. Ich habe selbst gesehen, wie sie eingestellt wurde, bevor ich am Freitag ging. Einen Moment.« Er drückte auf einen Klingelknopf. »Fragen Sie die Sekretärin, Miss Maulden. Sie war dabei.«
»Kennt sie die Kombination?«
»Nun ja, inoffiziell. Mrs. Carter kennt sie im Allgemeinen ebenfalls. Aber sonst niemand - dafür kann ich garantieren.«
Die beiden Männer schwiegen, und nach einigen Sekunden klopfte es. Als die Tür geöffnet wurde, erhob sich Thane.
Jane Maulden war schwarzhaarig und Anfang Zwanzig. Sie hatte eine sportliche Figur und sah sehr gut aus. Das Make-up konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie geweint hatte. Das dunkelgraue Kleid unterstrich die Blässe ihres Gesichts.
»Jane, dies ist der Kriminalbeamte, der - der die Ermittlungen führt«, stotterte Hayston.
»Sie können mir vielleicht helfen, einige Punkte zu klären«, sagte Thane und beglückwünschte Carter insgeheim zu dem guten Geschmack, den er bei der Auswahl seiner Sekretärin bewiesen hatte. Zumindest, was ihr Äußeres anbelangte.
Sie nickte, und man merkte ihr an, dass sie nur mühsam die Fassung bewahrte. »Gern - soweit ich dazu in der Lage bin.«
»Es handelt sich um den Safe...«, begann Hayston.
Thane fiel ihm sofort ins Wort. »Waren Sie hier im Zimmer, als am Freitag der Safe geschlossen wurde, Miss Maulden?«
»Selbstverständlich«, antwortete sie ruhig. »Es gehört zu meinen Aufgaben, abends nachzukontrollieren, ob alle Pläne und Detailzeichnungen, die unter die Geheimhaltungspflicht fallen, zurückgegeben wurden.«
»Und es waren alle zurückgegeben worden?« Als sie nickte, fuhr Thane fort: »Wer war am Freitag noch anwesend?«
»Mr. Carter - und Mr. Hayston. Mr. Carter stellte das Zeitschloss ein.«
»Für welche Zeit?«
»Für Montag früh acht Uhr. Er bat mich noch, die Einstellung zu überprüfen, bevor er die Safetür schloss.« Sie versuchte zu lächeln, doch es misslang kläglich. »Das tat er gewöhnlich. Er befürchtete immer, eine falsche Zeit einzustellen, so dass womöglich der ganze Betrieb stillliegen würde.«
»Nun? Wie ich Ihnen sagte.« Hayston warf dem Inspektor einen triumphierenden Blich zu.
Thane ignorierte ihn. »Ist er auch früher über das Wochenende in den Betrieb gekommen?«
»Selten.« Das Mädchen biss sich auf die Unterlippe. »Nur wenn ein besonders wichtiger Auftrag zu erledigen war. Aber diesmal hat er mich nicht davon unterrichtet.«
»Schien er sich Sorgen zu machen?«
»Nein.« Jane Maulden musste erneut um Fassung ringen. »Falls er Sorgen hatte, hätte er sich nichts anmerken lassen. Das war nicht seine Art.«
Thane bedankte sich und wartete, bis die Sekretärin das Zimmer verlassen hatte, dann trat er ans Fenster. Die Fabrik lag an der Peripherie seines Amtsbereichs. Auf der neuen Schnellstraße strebten die letzten Wagen des morgendlichen Stoßverkehrs in rascher Fahrt dem Stadtinnern zu. Hinter den Bungalows und hohen Wohnblöcken lag die City in einem leichten Rauchschleier. Es war fast windstill, nur wenige Wolken waren zu sehen - das Wetter versprach also schön zu werden.
Thane wandte sich um und sah, dass Hayston ihn aufmerksam beobachtete. »Nun zu diesem Trockenofen. Was hat er mit Ihrer normalen Produktion zu tun?«
Hayston zuckte die Schultern. »Das war Mr. Carters Idee. Ein großer Teil unserer Produkte erhält einen Überzug aus Einbrennlack. Früher mussten wir Lackieranstalten damit beauftragen. Dann aber kam Mr. Carter zu der Überzeugung, dass es für uns wirtschaftlicher ist, wenn wir diese Arbeiten selbst ausführen und zur Ausnützung der Kapazität des Ofens Lohnaufträge übernehmen.«
»So eine Ofenanlage ist ziemlich teuer?«
»Sie hat rund zehntausend Pfund gekostet, macht sich aber mehr als bezahlt.«
Thane kehrte an den Schreibtisch zurück. »Welche Vorkenntnisse benötigt man, um den Ofen in Betrieb zu setzen?«
»Nur wenige.« Hayston verzog das Gesicht. »Man muss auf einer Schalttafel einige Werte einstellen: Dann braucht man nur noch auf zwei Knöpfe zu drücken, und alles weitere geschieht automatisch.«
»Innerhalb des Ofens befindet sich keinerlei Sicherheitsvorrichtung oder Warnanlage?«
»Nein.« Der Betriebsleiter zögerte kurz. »Wir hatten bereits erwogen, eine Sicherheitsvorrichtung einbauen zu lassen. Erst in der vergangenen Woche wurde ein Mann eingeschlossen, aber glücklicherweise nach wenigen Minuten entdeckt.
Es ist ihm nichts passiert. Die Temperatur war noch nicht hoch.«
Da haben wir’s!, dachte Thane. Das hat jemanden auf die Idee gebracht, Carter auf gleiche Weise aus dem Weg zu räumen.
»Noch etwas«, fuhr Thane fort. »Hatte Carter einen Wagen?«
Hayston nickte. »Einen blauen Ford Executive. Aber er hat ihn nur selten benützt. Normalerweise fuhr er mit dem Bus und ging den Rest des Weges zu Fuß - das war sozusagen sein sportlicher Ausgleich.«
Wenigstens auf einen kurzen Spaziergang wollte der frühere Leichtathlet nicht verzichten. Thane stieß die Zigarette im Aschenbecher aus.
»Das wäre zunächst alles, Mr. Hayston. Ich hätte nur noch gern den Namen dieses Hotels in Luzern und Carters Adresse.«
Der Mann langte nach dem Notizbloch, doch Thane hielt seinen Arm fest.
»Wir wollen alles lassen, wie es ist, Mr. Hayston. Schließen Sie bitte das Zimmer ab und geben Sie mir den Schlüssel. Sie erhalten ihn zurück, sobald der Erkennungsdienst die Spuren gesichert hat.«
»Aber...« Hayston blinzelte. »Wenn der Betrieb weiterlaufen soll...«
»Ihr Chef ist ermordet worden«, fuhr Thane ihn an. »Ich werde einen Posten vor die Tür stellen, der darauf achtet, dass niemand das Zimmer betritt - auch Sie nicht, Mr. Hayston. Ist das klar?«
Hayston nickte, aber die Augen hinter den Brillengläsern funkelten ärgerlich.
Im Polizeiamt Millside wurde gerade die übliche Kaffeepause abgehalten, als Colin Thane um zehn Uhr vorfuhr. Der Inspektor blieb am Eingang stehen und blickte dem Dienstwagen nach, der in den Hof des Polizeiamts fuhr. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite spielten die Kinder aus den verrußten Mietskasernen. Die meisten schienen lange nicht mehr mit Wasser in Berührung gekommen zu sein, und Thane musste lächeln. Ein Junge entdeckte ihn und streckte die Zunge heraus. Thane verstand den Wink und verschwand in der Eingangstür.
Im Wachraum hatte der diensthabende Sergeant einige Mühe mit zwei aufgeregten alten Damen. Das Telefon schrillte, und aus dem Lautsprecher kam krächzend eine Durchsage über einen gestohlenen Kraftwagen.
Im ersten Stock war die Kriminalaußenstelle untergebracht. Hier war es ruhiger. Thane marschierte durch den großen Dienstraum, nickte dem einzigen anwesenden Beamten zu, der einen Bericht tippte, und verschwand in seinem Büro.
»Ich dachte mir, dass Sie jetzt kommen«, sagte ein kleiner, schmächtiger Mann, der mitten im Zimmer auf einem Stuhl saß. »Dieser Becher ist für Sie.« Er deutete mit dem Daumen zum Fensterbrett, auf dem ein dampfender Kaffeebecher stand, und nippte mit mürrischem Gesicht an seinem eigenen Becher. Kriminalsergeant Moss hatte eben eigene Ansichten über eine anständige Tasse Kaffee, und die wichen beträchtlich von denen des Kantinenpächters ab.
»Danke, Phil.« Thane hängte den Hut an den Kleiderständer neben der Tür, ging zu seinem Schreibtisch und sank mit einem Seufzer der Erleichterung in den großen, verschlissenen Ledersessel. »Nun?«
Moss zuckte die Achseln. »Berichten Sie zunächst. Was macht der neue Fall?«
»Eine undurchsichtige Geschichte.« Thane legte die Füße auf den Schreibtisch, holte die Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine an. Er bemerkte, wie Moss eine Braue hochzog, schob ihm Zigarettenpäckchen und Feuerzeug zu. »Bedienen Sie sich.«
»Zu liebenswürdig.« Moss nahm sich eine Zigarette, doch sein Gesicht blieb mürrisch. »Was hat es gegeben?«
»Carters Frau ist auf Urlaub, aber niemand weiß, wo. Und der Teilhaber ist in der Schweiz. Nach dem Zettel, den Carter hinterlassen hat, scheint er keine Ahnung gehabt zu haben, von wem und warum er umgebracht wurde.«
»Dann fängt die Sache ja gut an«, meinte Moss sarkastisch.
Thane war erst Anfang Vierzig, während Phil Moss stets nur davon sprach, Mitte Fünfzig zu sein, ohne jemals ein genaues Geburtsdatum zu verraten. Aber die beiden Männer unterschieden sich nicht nur altersmäßig.
Der dunkelhaarige Colin Thane mit dem fröhlichen, zerfurchten Gesicht war verheiratet und hatte zwei schulpflichtige Kinder. Er wohnte in einem Bungalow am Stadtrand. Trotz eines leichten Übergewichtes war er noch immer elastisch, und man glaubte ihm gern, dass er als junger Wachtmeister bei den Boxmeisterschaften zweimal ins Finale gekommen war. Er musste allerdings zugeben, dass er beide Male gewaltig zusammengeschlagen worden war.
Phil Moss hingegen war eisern entschlossen, Junggeselle zu bleiben. Den kleinen blassen Mann mit dem schütteren Blondhaar hielt man eher für einen überarbeiteten Angestellten als für einen Kriminalbeamten. Ein Angestellter hätte allerdings unmöglich ausgebeulte Anzüge und ungebügelte Oberhemden tragen können. Doch Moss kümmerte sich nicht um sein Äußeres. Sein ganzes Interesse galt dem Magengeschwür, das er mit einer riesigen Kollektion an Pillen und Tabletten gegen das Messer der Chirurgen verteidigte. Dieses Magengeschwür und die verzweifelten Bemühungen des Sergeants, einer Operation zu entgehen, bildeten für sämtliche Polizeibeamten Glasgows ein unerschöpfliches Gesprächsthema. Aber man lächelte nicht nur über den schmächtigen Kriminalbeamten, man hatte auch größten Respekt vor ihm. Thane und Moss bildeten ein schlagkräftiges Gespann - und das lag nicht zuletzt daran, dass die beiden auch eine persönliche Freundschaft verband.
»Hydrostat Drives gehört zu den Rüstungsbetrieben.« Thane angelte sich den Kaffeebecher vom Fensterbrett und nahm einen langen Schluck. »Es wird also nicht lange dauern, dann sind die Herren von der Abwehr bei uns.«
»Sie sind bereits munter geworden.« Moss schob dem Inspektor einen Zettel zu. »NATO-Oberkommando, Clyde-Abschnitt. Ein Commander Allowes von der Marineabwehr. Dies ist seine Nummer. Sie möchten ihn anrufen.« Der Sergeant brummte. »Er brachte kaum die Zähne auseinander. Anscheinend ist ihm gar nicht wohl.«
»Und was ist mit dem Präsidium?« Thane lehnte den Zettel an den Telefonapparat.
»Man möchte bis Mittag einen kurzen Bericht über das Ergebnis der Ermittlungen haben. Außerdem beschwert man sich, dass die Kriminalstatistik der vergangenen Woche nicht eingegangen ist.« Darüber schien sich Moss besonders zu ärgern. »Ich habe Ihnen das Ding am Freitag zur Unterschrift auf den Schreibtisch gelegt.«
»Schon erledigt.« Thane zog einen Schreibtischkasten heraus, kramte in einem Stapel Papieren. Schließlich hatte er die Statistik gefunden. Er nahm den Federhalter und setzte seine Unterschrift darunter.
»Gut.« Moss nahm das Formular entgegen. »Und was ist mit Carter?«
»Ich muss rasch noch ein paar Dinge erledigen, dann fahren wir zu seinem Haus. Es wäre möglich, dass ungebetener Besuch dort war - seine Schlüssel fehlen nämlich. MacMaster und Doktor Williams werden die Obduktion gemeinsam vornehmen. MacLeod habe ich in der Fabrik gelassen. Er hört ein wenig herum. Drei Beamte helfen ihm dabei. Er müsste also rasch vorankommen.«
Moss nickte. »Die Wachtmeister, die in der fraglichen Zeit Streifendienst hatten, werden bereits befragt. Vielleicht hat einer von ihnen etwas Ungewöhnliches bemerkt.«
Thane fuhr sich mit dem Daumen über das Kinn. »Phil, erledigen Sie noch zwei Dinge: Sehen Sie nach, ob in der Straftäterkartei etwas über Peter Hayston vorliegt. Er trägt Brille, ist Ende Zwanzig und Leiter des technischen Betriebs. Vielleicht ist er gar nicht so harmlos, wie er tut. Und dann erkundigen Sie sich bei der Zulassungsstelle nach der Nummer von Carters Wagen. Ein blauer Ford Executive. Es würde mich nicht wundern, wenn er verschwunden wäre.«
»Was ist mit seiner Frau und dem Teilhaber?«
»Um die kümmere ich mich.« Thane runzelte die Stirn. »Versuchen Sie doch auch etwas über die Finanzlage der Firma herauszufinden.«
»In Ordnung.« Moss erhob sich.
»Phil...« Thane beugte sich vor, und seine Stimme verriet Mitgefühl. »Nun, was gab es heute Morgen? Haben Sie ihn gefunden?«
Der Sergeant verzog den Mund. »Ja. Zum Schluss musste ich mir sagen lassen, ich solle mich gefälligst um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
Seit fünf Jahren wohnte Phil Moss bei Emma Robertson zur Untermiete, und er musste, wenn auch widerstrebend, eingestehen, dass er seine Wirtin ins Herz geschlossen hatte. Deshalb schwante ihm sofort Unheil, als die Witwe von einem vierzehntägigen Urlaub an der See in Hochstimmung zurückgekehrt war.
Am Samstag hatte sie die Bombe platzen lassen: Sie wolle wieder heiraten. Ihr künftiger Ehemann werde sie am Sonntagabend besuchen.
Wenn man bedachte, wie sich Emma Robertson bisher um Moss gekümmert hatte, wie sie ihn mit Diät versorgt, wie sie ihm die Socken gestopft und die Knöpfe angenäht hatte, dann bedeutete die bevorstehende Heirat für den Sergeant eine Katastrophe.
Als Moss dann aber sah, wie am Sonntag Arthur Robert Splits Clark im Wohnzimmer von Emma Robertson verschwand, nahm die Geschichte eine dramatische Wendung. Splits Clark war vor sechs Monaten aus dem Gefängnis von Perth entlassen worden, wo er fünf Jahre auf Staatskosten gelebt hatte.
»Er wohnt in einem kleinen Hotel in der Nähe von Queen’s Park«, brummte Moss. »Er frühstückte gerade, als ich heute Morgen dort war. Er habe mich erwartet, meinte er.«
»Und was hat er sonst noch erzählt?«
»Er arbeite jetzt als Graveur und führe ein ehrliches Leben. Falls ich versuchen sollte, ihn bei seiner Emma zu verleumden, würde er mich gerichtlich belangen lassen.« Moss fühlte plötzlich ein wohlbekanntes Stechen im Magen. »Ihn verbinde eine ehrliche Zuneigung mit Emma. Nun ja, das glaube ich gern - allein ihr Haus ist etliche tausend Pfund wert.«