VERGIFTETE AUSTERN - Bill Knox - E-Book

VERGIFTETE AUSTERN E-Book

Bill Knox

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Beschreibung

Die Thrift versorgt als schwimmende Bankfiliale regelmäßig die Inseln vor der schottischen Küste. Eines Tages jedoch ist sie spurlos verschwunden.

Das Fischereischutzboot Marlin spürt sie auf - von der Besatzung verlassen.

Bankraub auf hoher See?

Webb Carrick, Erster Offizier der Marlin, steht vor einer höchst ungewöhnlichen Aufgabe. Und das rassige Mädchen Arran ist dabei für ihn eine gefährliche Ablenkung...

 

Der Roman Vergiftete Austern von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

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Veröffentlichungsjahr: 2021

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BILL KNOX

 

 

Vergiftete Austern

 

Roman

 

 

 

 

Apex Crime, Band 261

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

VERGIFTETE AUSTERN 

Erstes Kapitel 

Zweites Kapitel 

Drittes Kapitel 

Viertes Kapitel 

Fünftes Kapitel 

Sechstes Kapitel 

Siebtes Kapitel 

Achtes Kapitel 

 

 

Das Buch

 

Die Thrift versorgt als schwimmende Bankfiliale regelmäßig die Inseln vor der schottischen Küste. Eines Tages jedoch ist sie spurlos verschwunden.

Das Fischereischutzboot Marlin spürt sie auf - von der Besatzung verlassen.

Bankraub auf hoher See?

Webb Carrick, Erster Offizier der Marlin, steht vor einer höchst ungewöhnlichen Aufgabe. Und das rassige Mädchen Arran ist dabei für ihn eine gefährliche Ablenkung...

 

Der Roman Vergiftete Austern von Bill Knox (* 1928 in Glasgow; † März 1979) erschien erstmals im Jahr 1966; eine deutsche Erstveröffentlichung erfolgte im gleichen Jahr.

Der Apex-Verlag veröffentlicht eine durchgesehene Neuausgabe dieses Klassikers der Kriminal-Literatur in seiner Reihe APEX CRIME.

  VERGIFTETE AUSTERN

 

 

 

 

 

 

  Erstes Kapitel

 

 

Der Fischereischutzkreuzer Marlin lief Höchstfahrt. Nach den ruhigen Gewässern des Sound of Mull traf er nun auf die ersten schweren Seen im offenen Minch. Der schlanke graue Schiffsleib krängte in der hohen Dünung, behielt aber unverändert die Geschwindigkeit von dreißig Knoten bei. Die beiden Schrauben peitschten Schaum auf, das Kielwasser zog sich in einem weiten Bogen nach Osten. Ein böiger Wind ließ die blaue Flagge am Heck des Fischereischutzkreuzers knattern, trieb weiße Gischtschleier über das Deck.

Es war Mittwochmorgen, die Sonne schien am Oktoberhimmel, an dem Wolkenfetzen entlangjagten. Vom Festland im Norden ragte Ardnamurchan Point mit seinem weißen Leuchtturm wie ein gezackter Finger herüber. Doch die Männer auf der Brücke des Fischereischutzkreuzers hatten keinen Blick für Naturschönheiten. »Es frischt auf«, meinte Webb Carrick, der Erste Offizier der Marlin, als wieder ein Gischtvorhang über den spitz vorstehenden Bug wehte.

»Ich habe es bemerkt.« Kapitän Shannon blickte über den Rudergänger hinweg seinen Ersten Offizier an. »Beunruhigt es Sie?«

Carrick entgegnete nichts, schüttelte nur langsam den Kopf, und der Rudergänger grinste verständnisvoll.

In der Nacht hatte ein schwerer Sturm getobt, doch seine Gewalt war gebrochen, bevor der Morgen dämmerte. Nur noch eine steife Brise wehte, und lediglich der vorübertreibende Seetang, der in der Tiefe des Meeres losgerissen worden war, erinnerte an die wütenden Naturgewalten.

Der Kommandant der Marlin hatte offensichtlich keine Lust zu leerem Geschwätz. Das runde, bärtige Gesicht des untersetzten Mannes hatte einen mürrischen Ausdruck. Nach dem Tagesplan, den der Kapitän während des Frühstücks aufgestellt hatte, hätte die Marlin Nordkurs einschlagen sollen.

Doch vor zwanzig Minuten war im Funkraum des Fischereischutzkreuzers eine Meldung eingegangen, die den ganzen Plan umgeworfen hatte. Während der vergangenen Nacht war das Hummerboot Mora von seinem Ankerplatz auf der Insel Kenbeg verschwunden. Der Leuchtturm auf Black Reef - dreißig Seemeilen von der Marlin entfernt - hatte gemeldet, dass ein anscheinend manövrierunfähiges Boot gesichtet worden sei.

»Zwei Strich Steuerbord!« Kapitän Shannon wartete, bis der Rudergänger, ein finster blickender Seemann von der Ostküste, den Befehl wiederholt hatte. Nachdem sich das schlingernde Schiff wieder auf gerichtet hatte, trat er zu Carrick. »Sie möchten, dass ich mit der Geschwindigkeit heruntergehe, Eins O?«

»Nein, Sir. Ich frage mich nur...« Webb Carrick ließ den Rest des Satzes unausgesprochen in der Luft hängen.

Shannon war der dienstälteste Kapitän der Fischereischutzbehörde, und die Marlin - vierundfünfzig Meter lang und so konstruiert, dass sie auch bei schwerstem Sturm operieren konnte - brauchte durchaus nicht geschont zu werden. Allerdings besaß sie lediglich einen Tiefgang von zweieinhalb Metern, um auch in seichten Gewässern patrouillieren zu können, und das führte dazu, dass der Fischereischutzkreuzer unangenehm schlingerte, wenn er trotz rauer See Höchstfahrt lief.

»Sie fragen sich, warum ich es so eilig habe, wie?« Shannon brummte. »Sehen Sie sich die Karte an, Mister. Kenbeg ist die Hauptinsel der Rathbeg-Gruppe und liegt fünfzehn Meilen nordwestlich vom Black Reef. Das ist offenes Wasser, aber wenn das Boot, das beim Black Reef gesichtet wurde, tatsächlich die Mora ist, dann ist es nicht aus eigener Kraft hingekommen. Da hätte es gegen die Tide, gegen die Strömung, gegen den Sturm, und was ich mir sonst noch denken kann, antreiben müssen.«

Wenn Kapitän Shannon dies behauptete, stimmte es. Der Sechzigjährige kannte seine Küstengewässer und die Fischer wie kein zweiter.

»Wenn also jemand das Boot gestohlen haben und noch an Bord sein sollte...« Carrick pfiff leise durch die Zähne.

In der Fischereischutzzentrale hatte man bereits dicke Ordner mit Briefen und Berichten, mit Klagen und Gegenklagen wegen der Hummerfischer von Kenbeg. Sie hegten eine tief eingefleischte Feindschaft gegen jeden, der sich in ihre Fanggründe wagte. Einige hatten es dennoch gewagt, ihnen zu trotzen, aber sie konnten nun Narben vorweisen, die zeigten, dass man auf Kenbeg raue Methoden anwandte.

»Glauben Sie, dass es wieder einmal Scherereien geben könnte?«, fragte Carrick.

»Wenn die Mora von einem Boot aus Kenbeg gefunden werden sollte, ja.« Shannon wartete, bis sich die Marlin, die gerade weit überholte, wieder aufgerichtet hatte. »Die Mora gehört einem alten Unruhestifter«, fuhr er fort, »einem gewissen Sawny MacKenna. Halb Kenbeg ist mit ihm verwandt, und nun benimmt er sich wie ein Großadmiral, der über alle Boote zu befehlen hat.«

»Sie kennen ihn, Sir?«, fragte Carrick - und bereute es im gleichen Moment, denn das Gesicht des Kapitäns lief rot an.

»Und ob ich ihn kenne!«, polterte Shannon los. »Und er kennt mich!« Er blickte über die aufgewühlte See, und seine Augen bildeten schmale Schlitze. »Es wird bald weiter aufklaren. Ich gehe jetzt in meine Kajüte. Aber rufen Sie mich, sobald Black Reef in Sicht kommt oder dieses verdammte Boot.«

Carrick nickte und wartete, bis der Kapitän im Kartenraum und dem anschließenden Niedergang verschwunden war, dann machte er es sich bequem. Am Schott neben dem Kreiselkompass schlug das Pendel des Neigungsmessers erneut aus. Ein gewaltiger Gischtschleier fegte über die Scheiben des Ruderhauses. Der Rudergänger schnalzte mitfühlend mit der Zunge, als er sah, dass ein Besatzungsmitglied im Ölzeug auf dem Vordeck unterwegs war.

Webb Carrick war einen derartigen Anblick längst gewöhnt. Er war seit zwei Jahren beim Fischereischutz. Eines Tages hatte man ihn auf Grund einer längst vergessenen Bewerbung vorgeladen, und am Ende der Besprechung war er Erster Offizier der Marlin gewesen und hatte gleichzeitig den schwarz eingebundenen Dienstausweis eines Fischereiinspektors erhalten. Er hatte Glück gehabt. Das nagelneue Kapitänspatent in der Tasche, hatte er feststellen müssen, dass es zwar eine Menge junger Schiffsoffiziere mit den gleichen Fähigkeiten gab, aber viel zu wenige Schiffe, um sie alle unterzubringen.

Für Carrick hatte es eine große Umstellung bedeutet, die riesigen Frachtschiffe, auf denen er bisher gefahren war, mit der schlanken, nur vierhundert Tonnen großen Marlin zu vertauschen. Nun war er eine Art Polizeibeamter zur See. Die kleinen grauen Fischereischutzkreuzer, die einem Zerstörer ähnelten - ohne allerdings bewaffnet zu sein -, hatten eine verantwortungsvolle Aufgabe zu erfüllen. Sie führten eine blaue Flagge mit einem goldenen Anker, der von einem Distelkranz eingerahmt wurde, und hatten darauf zu achten, dass das Gestrüpp aus Gesetzen und Verordnungen von den Fischern beachtet wurde. Da aber Fischer in ganz besonderem Maße ihre Freiheit und Unabhängigkeit lieben, war dies keine leichte Aufgabe.

Am Vortag hatte die Marlin ihr Schwesterschiff, die Skua, bei der Hebriden-Patrouille abgelöst. Die Inselkette, die sich in einer Länge von hundertdreißig Meilen vor der Nordwestküste von Schottland erstreckt, besteht aus rund fünfhundert Inseln, worunter allerdings auch viele unbewohnte Felseilande sind. Dichter und Maler mochten die Einsamkeit dieser Inseln romantisch finden, nicht aber die Besatzungen der Fischereischutzkreuzer. Für sie bestanden die Hebriden aus heimtückischen Untiefen, aus gefährlichen Passagen und unberechenbaren Strömungen. Einen Monat lang hatte die Marlin die Aufgabe, in den Gewässern der Hebriden für Ruhe und Ordnung zu sorgen und darauf zu achten, dass die Fischereigesetze eingehalten wurden. Kein Wunder, dass die Beamten der Fischereischutzbehörde bei den Inselbewohnern genauso unbeliebt waren wie die Finanzbeamten.

Bei diesem Gedanken huschte über Carricks breites Gesicht ein amüsiertes Lächeln. Er war einunddreißig Jahre alt, wirkte aber jünger. Seine Lippen waren schmal und erweckten zusammen mit der kräftigen Nase und den dunkelbraunen Augen den Eindruck, als könnte er sehr zynisch sein. Von der Seeluft gebräunt, das dunkelbraune Haar kurz geschnitten, konnte man sich den einszweiundsiebzig großen, stämmigen Mann eigentlich nur in Marineuniform, in Seestiefeln und weißem Rollkragenpullover vorstellen.

Die gewaltigen Dieselmotoren ließen das Ruderhaus erzittern. Carrick wusste, dass die Mannschaft nicht begeistert war, wenn aus der ruhigen Patrouillenfahrt eine wilde Jagd wurde, wenn das Schiff schlingerte und Gischtschleier über das Deck wehten.

Carrick blickte auf den Kompass, verglich den anliegenden Kurs und nickte dem Rudergänger zu. Der Kurs stimmte. Nicht mehr lange, dann würde die Radarantenne, die fünfundzwanzig Meilen weit reichte, den Leuchtturm von Black Reef erfassen. Doch zuvor gab es noch verschiedenes zu erledigen.

Er nahm den Hörer des Brückentelefons ab, drückte auf den vierten Knopf und wartete, bis sich Jumbo Wills, der Zweite Offizier der Marlin, meldete.

»Klettern Sie aus Ihrer Koje und kommen Sie herauf«, sagte Carrick kurz. »Ich habe Arbeit für Sie.«

Die Marlin hatte vierundzwanzig Mann Besatzung. Dazu gehörten normalerweise neben Kapitän Shannon drei wachhabende Offiziere. Aber der Dritte Offizier war an Land, musste als Zeuge vor Gericht erscheinen, weil er einen Trawler beim illegalen Fischen ertappt hatte. Nun kam der Zweite Offizier kaum zur Ruhe.

»Wann soll ich eigentlich schlafen?« protestierte er.

»Später«, antwortete Carrick, »bringen Sie den Bootsmann mit! Und die Brückenwache braucht heißen Kaffee.«

Er legte den Hörer auf und langte in die Tasche, um sich eine Zigarette anzustecken, als der Rudergänger interessiert den Kopf hob.

»Sehen Sie sich das an, Sir - an Backbord!«

»Sehr schön.« Carrick nickte anerkennend.

Von Süden näherte sich mit vollen Segeln ein großes Auslegerboot. Altertum und Neuzeit waren auf das glücklichste vereint. Der schlanke Doppelrumpf wurde durch den verglasten Brückenaufbau verbunden. Der Wind kam von achtern, die schnittige Yacht machte volle Fahrt. Ein karmesinroter Nylonspinnaker mit achtundzwanzig Quadratmeter Segelfläche blähte sich an ihrem Mast. Der Doppelrumpf durchschnitt die aufgewühlte See mit erstaunlicher Leichtigkeit, und trotz ihrer Schnelligkeit schien die Yacht völlig ruhig zu liegen.

»Die macht gut ihre zwölf Knoten«, meinte der Rudergänger.

»Da versteht aber auch jemand ausgezeichnet mit den Segeln umzugehen«, pflichtete Carrick gedankenverloren bei.

Er rechnete blitzschnell nach und kam zu dem Schluss, dass die Achtmeterjacht dicht am Heck der Marlin passieren müsste, wenn Schiff und Boot Kurs und Geschwindigkeit unverändert beibehielten. Die Mannschaft der Yacht schien zu demselben Schluss gekommen zu sein und blieb auf dem bisherigen Kurs.

In diesem Augenblick näherten sich Schritte. Jumbo Wills trat auf die Brücke und stellte sich neben Carrick.

»So ist das Leben lebenswert, Webb!«, murmelte der Zweite Offizier, und seine Stimme klang fast ehrfurchtsvoll. »Wenn ich solch ein Boot hätte...«

»...dann würden Sie sich ein paar unternehmungslustige Mädchen einladen und Richtung Südsee losbrausen«, fuhr Carrick sarkastisch fort. »Aber ich glaube nicht, dass Sie Ihr Ziel erreichen würden. Gewiss, die Yacht ist schnell - sie dürfte über vier Meter breit sein.«

Wills - untersetzt und blond - nahm das Brückenglas und richtete es auf den karmesinroten Spinnaker. Mit wachsendem Interesse betrachtete er die Yacht.

»Es sind zwei Mann an Bord. Das ist doch... Tatsächlich, ein Junge steht am Steuer.«

»Wie ist der Name?«

»Wie bitte?« Wills setzte das Glas ab und blinzelte.

»Das Boot meine ich natürlich«, entgegnete Carrick gereizt. »Geben Sie mal her!«

Er presste das Glas an die Augen und unterdrückte einen leisen Fluch, als die Marlin gerade weit überholte. Gleich darauf hatte er das Auslegerboot im Gesichtsfeld. Die Aufbauten waren weiß, aber der Doppelrumpf - genau wie der Spinnaker - karmesinrot. Carrick versuchte, trotz des aufschäumenden Gischts den Namen zu erkennen.

»Coosh..., nein: Gooshgash. Hm, weiß der Teufel, was das bedeutet.«

Er zuckte die Achseln und betrachtete das Boot genauer. Deck und Takelage blitzten vor Sauberkeit. Auf der Brücke, hinter dem umklappbaren Mast, waren deutlich zwei Personen zu erkennen. Ein Mann, ungefähr in Carricks Alter, trug Ölzeug und Wollmütze. Der andere... Carrick musterte ihn aufmerksam, schnalzte plötzlich mit der Zunge.

»Jumbo...«

»Ja?«

»Ihr Junge ist ein Mädchen.«

Sie stand an Backbord, bediente das Steuer, das die beiden großen Ruder bewegte, mit erstaunlicher Sicherheit. Sie hatte kurzes dunkles Haar, ein herzförmiges Gesicht und eine schlanke, aber durchaus nicht knabenhafte Figur, die unter der roten Segeljacke prächtig zur Geltung kam. Im Übrigen... Sie drehte sich um, sagte etwas zu ihrem Begleiter und lachte. Carrick erhaschte durch einen Gischtschleier einen Blick auf hohe Wangenknochen und volle Lippen, dann setzte er seufzend das Glas ab.

»Nun?«, fragte Wills ungeduldig.

»Es ist tatsächlich ein Mädchen«, erklärte Carrick. »Wo ist der Kaffee?«

»Den bringt der Bootsmann mit.« Wills pfiff leise durch die Zähne, als er den Tourenzähler ablas. »He, haben wir’s aber eilig!«

»Sagen Sie das doch dem Kapitän«, erwiderte Carrick bissig.

»Lieber nicht.« Damit war das Thema für den Zweiten Offizier erledigt. Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf. »Das Katamaran signalisiert.«       

Sie beobachteten das blinkende Licht. Die Morsezeichen kamen unregelmäßig, aber verständlich.

Carrick lachte, als die Meldung abgesetzt war.

»Wo brennt’s denn? - Na, wenn sie unser Kielwasser kreuzen, werden sie ganz schön durchgeschaukelt werden.«

»Soll ich antworten?«, fragte Wills.

»Nein. Winken Sie einfach.«

Jumbo kam dieser Aufforderung mit Begeisterung nach. Als die Yacht achtern zurückblieb, rief ihn Carrick wieder in die Wirklichkeit zurück.

»Jumbo, Sie übernehmen die Radarwache...« Er brach ab.

Eine hünenhafte Gestalt schob sich durch die Tür, eine Thermosflasche unter dem Arm, einige Becher in der Hand. Maat William Clapper Bell, der Bootsmann der Marlin, blickte sich strahlend um.  

»Gibt’s Arbeit, Sir?« Seine Stimme klang erwartungsvoll.

Carrick nickte. »In der Nähe von Black Reef treibt ein Fischerboot. Falls jemand an Bord sein sollte, dürfte er uns kaum begeistert begrüßen.«

Der Bootsmann fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Durchaus verständlich, wenn er es gestohlen hat.«

»Lassen Sie die Pinasse fertigmachen, damit sie sofort zu Wasser gelassen werden kann. Zwei Mann sollen sich in Bereitschaft halten. Später benötigen wir Ausguckposten auf den beiden Brückennocks. Bootsmann, Sie begleiten mich dann.« Carrick wandte sich an Wills. »Jumbo, veranlassen Sie, dass der Funker mit dem Leuchtturm von Black Reef Verbindung aufnimmt und anfragt, ob es etwas Neues gibt.«

»Wird erledigt.« Der Zweite Offizier zog die Brauen hoch. »Haben Sie eine Ahnung, wem das treibende Boot gehört, Webb?«

»Es ist die Mora. Sie gehört einem Hummerfischer - einem gewissen MacKenna. So erfuhr ich vom Käpt’n.«

»Nein, so was!« Clapper Bell schnaufte überrascht und erfreut zugleich. »Vor drei Jahren hat der Kapitän ihn zum letzten Mal getroffen. Wir erwischten MacKenna in flagranti. Er jagte Seehunde. Aber der schlaue Fuchs ließ doch unseren Käpt’n glatt...« Er blickte zum Rudergänger und brach ab. »Na ja, die Welt ist klein. Viel zu klein für die beiden!«

»Dann haben wir also ein paar lustige Stunden zu erwarten.«

Carrick verzog das Gesicht und sah nach achtern. Das Katamaran hatte das Kielwasser der Marlin gekreuzt, und das Mädchen am Steuer hatte alle Hände -voll zu tun.

»Wie wär’s mit dem Kaffee?«, fragte Wills.

Clapper Bell stellte die Becher auf den Brückentisch, entkorkte die Thermosflasche und roch genüsslich daran.

»Aus der Kombüse?«, meinte Carrick und grinste, während der Bootsmann das gewohnte Ritual vollführte.

»Jawohl - aber ein klein wenig verstärkt«, antwortete der Maat und zwinkerte. Er wusste eben stets, wo eine Flasche Rum zu finden war.

 

Wie nicht anders zu erwarten, stimmte Kapitän Shannons Wettervorhersage haargenau. Als um 9 Uhr 40 der Leuchtturm von Black Reef auf dem Radarschirm erschien, hatte sich die See weitgehend beruhigt. Eine halbe Stunde später war der schlanke Leuchtturm nur noch zehn Meilen entfernt. Der steife Wind war einer sanften Brise gewichen, die Dünung flacher und länger geworden. Carrick kontrollierte die Ausguckposten auf den beiden Brückennocks, dann rief er in der Kapitänskajüte an.

Shannon kam sofort auf die Brücke. Er nahm hinter dem Rudergänger im Kommandosessel Platz, lehnte sich mit zufriedenem Brummen zurück und sah sich um.

»Wie ist die Lage, Eins O?«

Carrick zuckte die Achseln. Die letzte Nachricht vom Leuchtturm hatte eine Enttäuschung gebracht.

»Black Reef hat das Boot aus den Augen verloren. Es trieb außer Sichtweite.«

»Hm.« Shannon runzelte ärgerlich die Stirn. »In welcher Richtung trieb das Boot ab?«

»Nach Nordwest.«

Am Horizont tauchte der Leuchtturm als weißer Punkt aus dem Meer auf, wurde immer größer. An seinem Fuße schäumte die Brandung, ließ die Felsen ahnen, vor denen er warnen sollte.

»Schön.« Shannon seufzte. »Gehen Sie auf Nordwestkurs und reduzieren Sie die Geschwindigkeit auf zwölf Knoten. Die Ausguckposten sollen scharf aufpassen, außerdem beobachten Sie den Radarschirm. Stellen Sie die Entfernung auf zwei Meilen ein. - Bootsmann!«

»Sir!« Clapper Bell trat zum Kapitän.

»Sorgen Sie dafür, dass die Ausguckposten ihre Augen offenhalten. Die Leute wissen, wonach sie Ausschau halten sollen?«

»Ich habe es ihnen gesagt, Sir.« Bell zögerte, sein zerfurchtes Gesicht zuckte. »Ich kann mich an die Mora erinnern, Sir. Ein altes Fünfmeterboot mit eingebautem Motor. Wer sollte wohl einen solch alten Kahn stehlen?«

»Stehlen?«, knurrte Kapitän Shannon. »Das wäre auch eine Möglichkeit - vielleicht ist es tatsächlich so. Aber MacKenna könnte ebenso gut das Boot losgemacht haben, um es sinken zu lassen. Anschließend hätte er den Versicherungsbetrag kassiert. Bei ihm muss man auf alles gefasst sein.«

Die erste Suchaktion verlief ergebnislos. Wäre ein größeres Schiff vermisst worden, wäre alles ganz einfach gewesen: Man hätte lediglich die Leuchtpunkte auf dem Radarschirm beachten müssen. Aber das Hummerboot war klein, lag viel zu tief im Wasser und konnte deshalb vom Radar nur aus nächster Nähe erfasst werden. Schließlich ließ Kapitän Shannon auf neunzig Grad Backbord drehen. Zehn Minuten behielt der Fischereischutzkreuzer den neuen Kurs bei, dann ließ der Kapitän erneut um neunzig Grad nach Backbord abdrehen, und die Marlin lief parallel zum ursprünglichen Kurs zurück.

Der Steuerbordausguck entdeckte das undefinierbare Gebilde, das in dem stahlblauen Wasser trieb. Der Maschinentelegraf schrillte, langsam schob sich der Fischereischutzkreuzer auf das rätselhafte Treibgut zu, während die Dieselabgase als schwarze Wölkchen aus dem niedrigen Schornstein quollen. Irgendetwas schien nicht in Ordnung zu sein, denn Carrick sah, wie der Kapitän die Lippen zusammenkniff, als er das Glas von den Augen nahm.

»Hier...« Shannon reichte seinem Ersten Offizier das Glas.

Carrick stellte es scharf ein.

»Nun?«, fragte der Kapitän, und er wirkte plötzlich seltsam bedrückt.

»Ein Kabinenkreuzer - das Deck wird überspült. Keinerlei Lebenszeichen zu entdecken.« Carrick musterte die Yacht sorgfältig, denn er hatte genau gespürt, welch nervöse Ungeduld den Kapitän ergriffen hatte. Das Boot drohte jeden Moment unterzugehen, selbst die niedrigen Wellen rollten darüber hinweg. »Meines Erachtens handelt es sich um ein Zwölfmeterboot - ungefähr zehn Tonnen.«

Über dem Steuerhaus ragte ein kleiner Funkmast empor, in der Nähe des Bugs war ein Dingi angebunden, und ein langer Streifen Seetang trieb um die überflutete Niedergangskappe am Bug. Teufelstang nannten die Fischer diese langen, braunen Algen mit den ausgefransten, lederartigen Wedeln, die nach einem Sturm auf dem Meer trieben.

Plötzlich verstand Carrick Shannons Nervosität. Zwischen den einzelnen Wellen wurde der Rumpf sichtbar. Er war weiß, und ein grün-rot kariertes Band lief an der Bordwand entlang.

»Nun, Eins O, erkennen Sie das Boot?« -fragte Shannon ungeduldig.

Carrick holte tief Luft. »Es ist die Thrift, Sir.«

Sie hatten ein Hummerboot gesucht, doch was sie gefunden hatten, konnte für Kapitän Shannon eine persönliche Tragödie bedeuten.

Seit einem knappen Jahr war die Thrift als schwimmende Zweigstelle der Bank of Central Scotland unterwegs. Sie versorgte die Bewohner der Inseln - von Stornoway im Norden bis Barra im Süden. Die für diese Zwecke besonders eingerichtete Kabinenjacht brachte ihnen die Segnungen von Scheckbuch und Sparkonto, von Darlehen, Hypotheken und all den Vorteilen, die eine moderne Bank bot. Der Schalterbeamte war Shannons Neffe.

»Drei Männer müssten an Bord sein.« Die Stimme des Kapitäns klang heiser, und die Männer auf der Brücke vermieden es, ihn anzublicken. Nachdenklich kaute er auf der Unterlippe. »Ich weiß zufällig, dass die Thrift wie ein Rettungsboot mit Luftkästen ausgestattet wurde.«

»Und diese Luftkästen verhindern, dass die Yacht sinkt«, murmelte Clapper Bell.

Shannon schien diese Bemerkung gar nicht gehört zu haben. Unbeweglich, wie eine Statue, saß er schweigend auf seinem Sessel. Schließlich stand er auf.

»Carrick - Sie und der Bootsmann holen jetzt Ihre Froschmannausrüstungen, die Sie so gern anziehen. Versuchen Sie herauszufinden, was da drüben passiert ist und ob die Beschädigungen schwer sind. Aber riskieren Sie nicht Kopf und Kragen - verstanden?«

 

Die Marlin schob sich auf die Luvseite des wasserüberspülten Kabinenkreuzers, und die Pinasse legte ab. Carrick schloss die Reißverschlüsse seines schwarzen Kälteschutzanzugs und wartete, bis Clapper Bell ebenfalls die Tauchausrüstung angelegt hatte. Sie trugen Nassanzüge, bei denen eine Schaumgummischicht, die sich voll Wasser sog, als Isolierung gegen das kalte Meerwasser diente. Das Pressluftgerät lag griffbereit vor ihnen.

Die Pinasse näherte sich rasch der Thrift, und die beiden Männer musterten den Kabinenkreuzer kritisch. Weder eine Beschädigung noch Lebenszeichen waren zu entdecken.

»Gehen Sie längsseits«, wies Carrick den Mann am Ruder an. »Aber vorsichtig - sehr vorsichtig!« Er wandte sich an Bell. »Clapper, legen Sie das Tauchgerät an und kontrollieren Sie den Bootsrumpf. Ich sehe mich inzwischen an Deck um.«

Als die Fender der Pinasse sanft gegen die Bordwand der Thrift tippten, erhoben sich die beiden Männer. Clapper Bell zog die Tauchermaske über das Gesicht, prüfte die Ventile der Pressluftflaschen, nickte und ließ sich ins Wasser gleiten. Sein Kopf verschwand, nur die aufsteigenden Luftblasen verrieten, wo er sich befand. Carrick hatte ebenfalls die Aqualunge umgeschnallt, die Tauchermaske aber noch auf der Stirn. Er schwang sich über die Reling, Wasser spritzte auf, als er das überspülte Deck des Bankboots betrat. Die schwere Tauchausrüstung behinderte ihn, schwerfällig watete er über das leicht geneigte Deck zum Cockpit. Ein leises Tuckern drang von der Pinasse herüber, sonst aber herrschte, vom Plätschern der Wellen abgesehen, völlige Stille. Nur wenn die Yacht von der Dünung hochgehoben wurde, knarrte der Rumpf, und in den Kabinen polterten die im Wasser treibenden Gegenstände gegen die Wand.

Im Cockpit stand das Wasser einen knappen Meter hoch. Carrick bückte sich, und die Wellen umspülten seine Schenkel. Er betrachtete das Armaturenbrett.

Der Gashebel war geschlossen, ein Gang war nicht eingelegt. Eine offenstehende Schranktür, die von der Strömung bewegt wurde, erregte Carricks Aufmerksamkeit. Er öffnete sie und pfiff durch die Zähne. Das Funkgerät der Thrift war zerstört worden.

Carrick watete weiter. Auf dem Navigationstisch war mit zwei Federklammern eine durchweichte Karte befestigt. Er betrachtete sie, blickte aber auf, weil er ein Geräusch vernahm. Gleich darauf erschien Clapper Bell. Er schob die Tauchermaske in die Stirn, das Mundstück seines Atemgeräts baumelte vor seiner Brust, und Wasser tropfte von seinem Kälteschutzanzug.

»Ich kann von außen nicht die geringste Beschädigung entdecken«, meldete der Bootsmann, eine steile Falte erschien zwischen seinen Brauen. »Anscheinend überrascht Sie das nicht...« Er brach ab, als Carrick wortlos auf das zerstörte Funkgerät deutete. »Hm - wenn es tatsächlich so sein sollte, wie mir scheint, dann ist das eine böse Geschichte.«

Carrick nickte. An Land nennt man so etwas Bankraub. Auf See hat man dafür einen viel älteren Ausdruck: Piraterie.

»Clapper, wo würden Sie auf der Thrift die Bodenventile suchen?«

»Vermutlich im Salon unter der Bilge.« Der Bootsmann fuhr sich mit der Hand über den Mund. »Dort ist der Schalterraum untergebracht, die Wohnräume liegen achtern. Ich habe die Thrift einmal besichtigt, als sie in Stornoway lag. Der Käpt’n gab mir einen Brief für seinen Neffen mit. Übrigens ein netter junger Mann.«

»Wo stand der Safe?«

»Moment - in der Mitte des Salons.« Bell konnte sich denken, was nun kam, und es gefiel ihm gar nicht. »Hören Sie, Sir - dort unten ist es stockdunkel. Wenn das Boot kentern sollte...« 

»...dann werde ich blitzschnell wieder auf der Bildfläche erscheinen.« Carrick schüttelte den Kopf. »Wenn die Yacht bis jetzt nicht gesunken ist, wird sie sich auch weiterhin über Wasser halten. Aber seien Sie beruhigt, Clapper, ich bin nicht lebensmüde. Ich sehe mich nur ganz rasch einmal um.«

Der Bootsmann zuckte die Achseln. »Sie haben zu bestimmen. Aber ich möchte nicht gern allein auf die Marlin zurückkehren.«

Carrick lächelte, zog die Tauchermaske über das Gesicht und schob das Mundstück des Atemschlauchs zwischen die Zähne. Dann watete er zum Niedergang, der gerade noch über dem Wasser sichtbar war. Er öffnete das Ventil der Pressluftflasche, stützte sich auf die beiden Geländerstangen und ließ sich die Treppe hinabgleiten, bis ihm das Wasser bis zur Brust reichte. Er schauerte zusammen, als sich die Schaumgummieinlage des Taucheranzugs voll Wasser sog, dann entschwand er den Blicken des Bootsmanns.

Clapper Bells Schilderung traf im Großen und Ganzen zu. Carrick hatte das Gefühl, durch einen dicken grünen Nebel zu schwimmen. Nur ein schwacher Lichtschimmer drang durch die Bullaugen in den Salon. Carrick stieß gegen einen im Wasser treibenden Stuhl, musste sich durch eine Wolke gespenstisch zusammenklebender Papiere kämpfen und eckte schließlich gegen einen harten Gegenstand. Er tastete ihn ab: Es war ein senkrechtes Metallgitter. Vermutlich der Bankschalter, dachte er, ließ sich tiefer sinken und kroch am Boden zurück, bis der schwarze Stahlklotz des Safes auftauchte. Er zerrte am Türgriff, doch der Safe war verschlossen. Er versuchte es erneut, wendete seine ganze Kraft an, aber die Tür rührte sich nicht. Carrick hockte sich auf den Boden und überlegte.

Zunächst musste er etwas feststellen. Er tastete den Boden ab und fand bereits nach wenigen Sekunden, was er gesucht hatte: Ein rechteckiges Stück Planke war entfernt worden. Er drehte sich zur Seite, Luftblasen entwichen dem Ausatemventil, als er den Arm bis zur Schulter in das Loch schob. Seine Finger stießen gegen das Bodenventil - es stand offen.

Carrick richtete sich auf, schwamm zum Niedergang zurück, zog sich die Stufen hinauf und tauchte auf. Clapper Bell erwartete ihn voller Ungeduld. Sein ledernes, zerfurchtes Gesicht hatte einen nachdenklichen Ausdruck.

»Nun, haben Sie gefunden, was Sie gesucht haben?«, fragte er.

Carrick löste den Atemschlauch aus dem Mund, holte mehrmals tief Luft, dann nickte er.

»Die Bodenventile sind geöffnet, aber der Safe ist geschlossen.«

»Sie meinen - es war gar kein Überfall?«

»Ich weiß nicht recht.« Carrick hockte sich auf die Reling. »Wir müssen uns einmal achtern umsehen, Clapper. Dann signalisieren wir der »Marline. Wir brauchen Unterstützung, bevor die Yacht abgeschleppt werden kann.«

»Abschleppen?« Der Bootsmann schnaufte skeptisch. »Nun, versuchen kann man’s ja. Was ist übrigens mit den drei Leuten, die an Bord waren? Haben Sie...?«

Carrick schüttelte den Kopf. »Nein. Aber wenn die Wohn- räume achtern liegen, schauen wir am besten dort nach.«

 

Die drei kleinen Kajüten in der Nähe des Hecks waren leer, bildeten aber ein einziges Chaos: Kleidungsstücke und Bettzeug trieben im Wasser. Was mit der Besatzung geschehen war, ließ sich nicht sofort feststellen. Für intensive Nachforschungen war im Augenblick keine Zeit.

Sie hatten zwei Stunden schwer zu arbeiten, bis der Kabinenkreuzer gesichert war - die meiste Zeit im Innern des Bootes.

Zunächst wurde von der Marlin ein halbes Dutzend aufblasbarer Rettungsflöße herübergeschickt. Sie wurden unter Deck verteilt, die Ventile der COs-Flaschen geöffnet. Die Gummiflöße quollen auf und erhöhten die Schwimmfähigkeit der Yacht.

Nachdem dies erledigt war, tauchten Carrick und der Bootsmann auf, wechselten an Bord der Pinasse die Pressluftflaschen und legten eine Zigarettenpause ein. Die Thrift ragte bereits etwas weiter aus dem Wasser.

»Da kommt Besuch«, meinte Clapper Bell und stieß Carrick in die Seite.

Ein zweites Beiboot hatte sich vom Fischereischutzkreuzer gelöst und näherte sich in rascher Fahrt. Carrick sog noch einmal an seiner Zigarette, warf sie ins Wasser und blickte sich um. Er verzog das Gesicht. Auf der Achterbank saß Kapitän Shannon.

Zwei Minuten später stieg er auf die Pinasse über und nickte kurz.

»Ich habe über Funk einen Bericht durchgegeben«, erklärte er. »An Land ist jetzt der Teufel los. Sind Sie sicher, dass der Safe noch verschlossen ist?«

»Absolut sicher.« Carrick hatte das ungute Gefühl, Shannon wollte seine nervöse Laune an ihm abreagieren.

»Hoffen wir, dass Sie recht haben«, brummte Shannon. »In diesem verdammten Safe müssten nämlich rund fünfzigtausend Pfund liegen. Die genaue Summe war nur dem Bankpersonal bekannt.«

»Fünfzigtausend Pfund!«, wiederholte Carrick überrascht.

»Diesmal war der Betrag besonders hoch«, fuhr Shannon mit grimmiger Stimme fort. »Ich habe die Einzelheiten aus Oban erfahren. Die Thrift ist vor zwei Tagen dort ausgelaufen. Ihre Tour ging hinauf nach Uist. Die übliche Routinefahrt, aber einmal im Monat werden größere Geldbeträge zu den Zweigstellen auf den Hauptinseln gebracht. Außerdem findet in dieser Woche auf Uist ein Viehmarkt statt, und die Viehhändler wünschen Bargeld auf die Hand.«

»Was ist eigentlich mit der Mannschaft?«, fragte Clapper Bell törichterweise.