Das Vaterunser - David Steindl-Rast - E-Book

Das Vaterunser E-Book

David Steindl-Rast

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Beschreibung

Vom großen Webstuhl des Betens Betrachtungen über das zentrale Gebet der Christenheit Kein Gebet verbindet die gläubigen Christen so wie das Vaterunser – miteinander und auch mit Gott. Es entdeckt ihn als Vater und großzügigen Geber allen Lebens, als Verbindung von Himmel und Erde, wenn die Menschen beginnen, ihr Brot zu teilen, Habgier zu überwinden und einander Schuld zu vergeben. So stellt Bruder David nach seinen erfolgreichen Gedanken zum Credo in diesem Buch nun seine vielschichtigen Überlegungen zum zentralen Gebet der Christenheit vor und versucht es in eine Sprache der Zukunft zu übertragen – damit nicht nur die Christen, sondern alle Menschen daraus schöpfen können. Er führt ein in die kunstvolle Anordnung, die reiche Symbolik und die bedeutungsvollen Beziehungen der einzelnen Teile zueinander. Er lotet zentrale Begriffe wie Vater und Himmel, Wille und Reich, Brot und das Böse aus und findet Auslegungen, die den grundlegenden Sehnsüchten und Bedürfnissen des Menschen, gleich welcher Konfession, gerecht werden. Diese kontemplativen Perspektiven des großen Mönchs und Mystikers werden in vertiefenden Gesprächen mit der Medizinsoziologin Brigitte Kwizda-Gredler noch um viele aktuelle Bezüge zu Zeitereignissen und zu globalen Problemen bereichert. Im Zentrum steht dabei eine universale Solidarität und auch der Anspruch, die Botschaften dieses Gebetes aktiv mitzugestalten und als Auftrag für das eigene Leben zu sehen. So kann die Fülle der Strukturen, Bedeutungen und Inhalte des Vaterunsers in viele Richtungen entfaltet werden und es selbst zu einem "Webstuhl des Betens" werden.

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David Steindl-RastmitBrigitte Kwizda-Gredler

DasVaterunser

Ein Gebet für alle

Inhalt

Einladung zur Stille

Eine verborgene christliche Botschaft

Ein „Webstuhl des Betens“Zur Struktur des Vaterunsers

Betrachtungen zu den Bitten des Vaterunsers

Vater unser im Himmel

Vater? Mutter? Himmel, Hölle, Fegefeuer

Geheiligt werde dein Name

Mein liebster Gottesname heißt „Überraschung“

Dein Reich komme

Reich Gottes als konkrete Aufgabe

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden

Der Wille Gottes ist aufblühende Lebendigkeit

Unser tägliches Brot gib uns heute

„Die Erde schenkt“ – so viel wir brauchen, nicht so viel wir haben wollen

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Schuld als Zerreißen, Schuldigbleiben und Aus-dem-Schritt-Fallen

Und lass uns nicht in Versuchung fallen

Jeder Augenblick kann zu einer Erfahrung von Ostern werden

Sondern erlöse uns von dem Bösen

Das Böse als das Noch-nicht-Gute

Amen

Das Vaterunser hat über die christliche Tradition hinaus Bedeutung

Dank

Quellenangaben

Einladung zur Stille

Dieses Buch verdankt sein Dasein zwei Kindern. Das eine lebt in meiner Erinnerung, das andere in meiner Fantasie. „Sternkind der Zukunft“ nenne ich das Fantasiekind, das andere bin ich selber. Ich knie neben meiner Großmutter, die auf ihrem Betschemel für mich Platz gemacht hat und laut das Vaterunser betet. Wort für Wort prägt dieses Gebet sich mir ein. Mit der gleichen Frische wie der Lavendelduft ihres Kleides und das Ticken der alten Wanduhr ist unser gemeinsames Beten heute noch in meiner Erinnerung lebendig. Es schwingt mit, sooft ich das Vaterunser bete, nun schon fast hundert Jahre lang.

Zugleich schwingt aber noch weit mehr für mich mit bei diesem Gebet. Denn wer hat es meine Großmutter gelehrt? Vielleicht eine ihrer Großmütter? Und dahinter standen ungezählte Generationen von Christen bis zurück zu den Mönchen, die vor weit mehr als tausend Jahren aus Irland in die Wildnis kamen, die später Österreich werden sollte, und von denen meine Vorfahren das Vaterunser lernten. Oder vielleicht hatten deren Vorfahren es sogar noch früher gelernt von christlichen Soldaten in römischen Legionen. Salzburg, damals Iuvavum, war ja eine Garnisonsstadt in der römischen Provinz Norikum, und viele meiner Ahnen stammten aus dieser Gegend. Nicht nur für mich, sondern für uns alle schwingt das ganze christliche Europa und seine Vergangenheit mit, wenn wir das Vaterunser beten, denn in allen vergangenen Generationen gab es bei uns keinen Menschen, der es nicht kannte.

Auch das Sternkind der Zukunft ist mir beim Vaterunser-Beten gegenwärtig. Es steht für alle kommenden Generationen. Werden auch sie lernen, das Vaterunser zu beten? Schon heute kennt es nur noch eine Minderzahl der Kinder Europas. Alle aber knien im Bilde des Sternkindes beim Beten neben mir, wie ich neben meiner Großmutter kniete. An dieses Sternkind möchte ich weiterschenken, was ich empfangen habe. In welcher Sprache aber? Niemand kennt noch die Sprache der Zukunft, nur dass sie anders sein wird als die Unsrige, das wissen wir in dieser Wendezeit. Daraus ergab sich meine Aufgabe: So über das Vaterunser zu sprechen, dass nicht nur Christen, sondern grundsätzlich alle Menschen verstehen können, worum es geht – weil wir uns ja alle mit dem Großen Geheimnis auseinandersetzen müssen, das Christen „Gott“ und „Vater unser“ nennen.

Wieweit mir das gelungen ist, kann nur entscheiden, wer dieses Buch gelesen hat. Versuchen wollte ich es jedenfalls, und zwar auf zweierlei Weise: durch Erwägungen und durch Gespräche. In den kurzen Erwägungen machte ich mir das Vaterunser, das ja ein Gemeinschaftsgebet ist, persönlich zugänglich. Vielleicht kann das andere dazu anregen, es selbst zu versuchen. Das würde mich freuen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt kam ich wieder auf meine Erwägungen zurück und wir machten sie zum Sprungbrett für Gespräche, indem wir den einen oder anderen Punkt herausgriffen und uns darüber unterhielten. „Wir“ bedeutet hier: Brigitte Kwizda-Gredler und ich.

Durch ihre kleine Enkelin Karlotta hat Brigitte eine handgreiflichere Beziehung zum Sternkind der Zukunft als ich. Als Medizinsoziologin, als Geistliche Begleiterin und als Wegbegleiterin in Grenz- und Schwellensituationen wie Altersdemenz, Sterben und Trauer steht sie mitten in den Zeitereignissen, während mir als Mönch die Perspektive einer gewissen Distanz geschenkt ist. Und doch verbindet uns zutiefst die bewusste, lebenslang immer neue Begegnung mit „Gott“, dem Großen Geheimnis. Alle, die eines unserer Gespräche lesen, sind eingeladen, daran teilzunehmen, indem sie uns innerlich widersprechen oder zustimmen; vielleicht wollen sie sogar mit Freunden das Gespräch auch äußerlich weiterführen oder dabei einen von uns nicht berührten Punkt der Betrachtung herausgreifen. Lesekreise und Studiengruppen könnten sich dafür besonders gut eignen.

Diese Anmerkungen mögen wie ein Vorwort klingen, sind aber nicht so gemeint. Das ganze Vaterunser ist eigentlich ein einziges Wort – „Abba“. Seine weiteren Bitten sowie auch die Erwägungen und Gespräche in diesem Buch wollen nur dieses eine Wort entfalten. Vor einem Wort aber, wenn’s denn ein echtes Wort sein soll, kommt nicht ein andres Wort, sondern das Schweigen. Statt eines Vorwortes laden wir also hier zu einem kurzen Vorschweigen ein.

Br. David Steindl-Rast

Ein „Webstuhl des Betens“

Zur Struktur des Vaterunsers

Vater unser im Himmel,

Geheiligt werde dein Name.

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib uns heute.

Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben

unseren Schuldigern.

Und lass uns nicht in Versuchung fallen,

Sondern erlöse uns von dem Bösen.

Amen.

Es kann uns eine große Hilfe beim Beten des Vaterunsers werden, wenn wir auf sein verborgenes Grundgerüst achten. Wir haben ja nicht einfach eine Aneinanderreihung von sieben Bitten vor uns, sondern sie sind in höchst kunstvoller Weise angeordnet und aufeinander bezogen.

Zunächst hat das Vaterunser eine Mittelachse zwischen der Anrufung „Vater“ und der Bitte um das tägliche Brot. Dadurch soll das zentrale Bild für dieses Gebet wachgerufen werden: Der Vater als Brotspender für seinen ganzen Haushalt. Nicht um mein, sondern um unser tägliches Brot