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Denkanstöße, Ratschläge oder Suggestionen, die in eine Geschichte verpackt sind, entfalten oftmals eine "Depotwirkung", die um ein Vielfaches stärker ist als jede direkte Intervention. Bernhard Trenkle steht mit seinen Erzählungen von gefundenen und persönlich erlebten Geschichten in dieser Tradition der indirekten Interventionen von Milton H. Erickson. Eingebettet in kurze Fallvignetten aus Therapie, Coaching und Supervision, werden die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten rasch deutlich. Neun Grundregeln für das Erzählen von persönlichen Geschichten ebnen den Zugang zu dieser Beratungsform. Hilfestellungen, wie einem im richtigen Moment die passende Geschichte einfällt, erleichtern die Umsetzung im Praxisalltag. Über den fachlichen Nutzen hinaus hat dieses Buch mit seinen mal witzigen, mal ergreifenden, oft überraschenden Geschichten einen hohen Unterhaltungswert und gibt Einblick in die Schatzkiste eines der erfahrensten und international bekanntesten Hypnotherapeuten.
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Seitenzahl: 270
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Bernhard Trenkle
Direkt-indirekte Botschaften für Therapie, Beratung und über den Gartenzaun
Mit einem Vorwort von Manfred Lütz
Vierte Auflage, 2021
Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats des Carl-Auer Verlags:
Prof. Dr. Rolf Arnold (Kaiserslautern)
Prof. Dr. Dirk Baecker (Witten/Herdecke)
Prof. Dr. Ulrich Clement (Heidelberg)
Prof. Dr. Jörg Fengler (Köln)
Dr. Barbara Heitger (Wien)
Prof. Dr. Johannes Herwig-Lempp (Merseburg)
Prof. Dr. Bruno Hildenbrand (Jena)
Prof. Dr. Karl L. Holtz (Heidelberg)
Prof. Dr. Heiko Kleve (Witten/Herdecke)
Dr. Roswita Königswieser (Wien)
Prof. Dr. Jürgen Kriz (Osnabrück)
Prof. Dr. Friedebert Kröger (Heidelberg)
Tom Levold (Köln)
Dr. Kurt Ludewig (Münster)
Dr. Burkhard Peter (München)
Prof. Dr. Bernhard Pörksen (Tübingen)
Prof. Dr. Kersten Reich (Köln)
Dr. Rüdiger Retzlaff (Heidelberg)
Prof. Dr. Wolf Ritscher (Esslingen)
Dr. Wilhelm Rotthaus (Bergheim bei Köln)
Prof. Dr. Arist von Schlippe (Witten/Herdecke)
Dr. Gunther Schmidt (Heidelberg)
Prof. Dr. Siegfried J. Schmidt (Münster)
Jakob R. Schneider (München)
Prof. Dr. Jochen Schweitzer (Heidelberg)
Prof. Dr. Fritz B. Simon (Berlin)
Dr. Therese Steiner (Embrach)
Prof. Dr. Dr. Helm Stierlin (Heidelberg)
Karsten Trebesch (Berlin)
Bernhard Trenkle (Rottweil)
Prof. Dr. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Köln)
Prof. Dr. Reinhard Voß (Koblenz)
Dr. Gunthard Weber (Wiesloch)
Prof. Dr. Rudolf Wimmer (Wien)
Prof. Dr. Michael Wirsching (Freiburg)
Prof. Dr. Jan V. Wirth (Meerbusch)
Themenreihe »Hypnose und Hypnotherapie«
hrsg. von Bernhard Trenkle
Umschlaggestaltung: Uwe Göbel
Umschlagfoto: © Johannes Gstöttenmay – Fotolia.com
Satz: Drißner-Design u. DTP, Meßstetten
Printed in Germany
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Vierte Auflage, 2021
ISBN 978-3-89670-774-1 (Printausgabe)
ISBN 978-3-8497-8286-3 (ePUB)
© 2012, 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag
und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg
Alle Rechte vorbehalten
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Carl-Auer Verlag GmbH
Vangerowstraße 14 • 69115 Heidelberg
Tel. + 49 6221 6438 - 0 • Fax + 49 6221 6438 - 22
Vorwort
Einleitung
Acht Grundregeln zum Erzählen von selbsterlebten persönlichen Geschichten
Regel 1: Die Fleischerregel
Regel 2: Die Geschichten müssen eine klare, zielorientierte Botschaft haben
Der erste Schultag oder: Den nehm’ ich zum Üben
Regel 3: Den Unterschied zwischen Großstadt und Kleindorf berücksichtigen
Regel 4: Angehörige um Erlaubnis fragen
Regel 5: Bei ungutem, unstimmigem Gefühl – Geschichten einfach abbrechen
Regel 6: Geschichten einmalig verändern – Geschehen an einen anderen Ort bzw. in eine andere Zeit verlegen
Regel 7: Kontraindikation und der Umgang damit
Regel 8: Klienten zum Schweigen verpflichten oder: Geschichten mit Depotwirkung
Regel 9: Das Erzählen von selbst erlebten Geschichten muss zum Therapeuten passen
Paartherapie, Paarberatung
Von Winzer- und Fischerfrauen
Paartherapie – »Du könntest die Kinder auch mal übernehmen!«
Eigentlich 100 % sicher: Was ich nicht weiß, macht mich nicht kalt
An meinem Wesen wird selbst ein Krimineller genesen
Von unwilligen Vätern, Müttern und der »Riss in der Schallplatte«-Technik
Von sexuellen Fantasien
Paartherapie – Wer spinnt hier wirklich?
No risk, no fun
Vom Blick aufs Negative und ewigen Glückspilzen
Meine Frau hatte vor langer Zeit eine Affäre – was ist jetzt?
Getrennte Wohnungen im Rentenalter oder: Don’t marry – stay happy!
Erziehungsprobleme, Schul- und Verhaltensprobleme
Von verstockten Schülern und verzweifelten Eltern
Von Kuranyi und Zidane lernen heißt fürs Leben lernen
Von speziellen Diäten und nervenden Nervenenden
Noch mal Baby spielen kann gesund sein
Familienprobleme
Loyalität gegenüber Kaiser und Familie
Hellinger, von Weizsäcker und die Familienschande
Meinen Kindern gegenüber bin ich so blockiert – Wie kann ich spontaner sein?
Von Missbrauchern und anderen komischen Männern
Mütter und Schwiegermütter als Denksportaufgabe nutzen
Bin ich schuld an den Problemen meines Kindes?
Persönliche Krisen und Entwicklung – Definition von Lebens- und Therapiezielen
Lebendig eingemauert
Kontext 1
Kontext 2
Wenn ich mein Ziel kennen würde, könnte ich mich auf den Weg machen
Weitere Geschichten zur Zielorientierung
Wie bringst du Gott zum Lachen? Erzähl ihm deine Pläne!
Der Schiffskompass im Auto
Von inneren Kindern, Kindern, die früher erwachsen sein müssen, und Erwachsenen, die spät noch Kind sein sollen
Früher hingen die Wäscheleinen noch höher
Warum spiele ich nicht wie Paco di Lucia? Oder: Wer am Zweifel verzweifelt, soll am Zweifel zweifeln
Vom Flohzirkus in die große Zirkuswelt wechseln
Sucht- und Verhaltensprobleme
Ergänzende Geschichte für Suchtprobleme – und viele andere Probleme, die eigentlich Entscheidungsprobleme sind
Coaching, berufliche Probleme, Burn-out
Von der Unzufriedenheit im Erfolg und russischer Entwicklungspsychologie
Von Burn-out und Schutzsperren oder: Körperliche Abwesenheit ist oft besser als Geistesgegenwart
International und interkulturell im Einsatz
Denksport mit sich selbst oder: Vom Umgang mit geschulten Verkäufern
Teamprobleme – Teamentwicklung
Bei uns macht jeder das, was er nicht kann
Die Axt im Walde – und andere Tests zur Teambefähigung
Von Jagdfieber und Betriebsblindheit
Von Himmel und Hölle
Verschiedenes
Die Hochzeitsrede
Ist mein Problem körperlich oder psychisch?
Von Knoblauch und Zwiebeln
Vom Umgang mit Hochwasser und unvorstellbar komplexen Fällen
Immer erreichbar
Wenn ich in die Disco gehe, bekomme ich immer Prügel
Diagnose Krebs – oder: Was will ich noch vom Leben?
Von Wissenschaftsstars und dem größten Mann der Welt
Reale Geschichten vs. Märchen oder: Gefundene und erfundene Geschichten
Schuld und Verdienst bei Erbstreitereien
Wie man Erfolg im Leben hat
Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt
Lebendig eingemauert – Teil 2
Von Manualen und bewährten Verfahren
Vom Zünden und Steuern von Feststoffraketen
Schluss: Und erstens kommt es anders und zweitens als man denkt
Nachwort
Über den Autor
Jahrtausendelang haben die Menschen die Welt nicht gemessen, gewogen und berechnet, sie haben sie erzählt. Der Mensch ist das Tier, das erzählt. Und aus den vielen kleinen Geschichten wurde die eine große Geschichte. Aber nicht nur das. Geschichten erzählte man zu allen möglichen Zwecken. Immer schon erzählte man gewisse Geschichten, um Kinder zu beruhigen, um etwas zu erklären, um für Orientierung zu sorgen in einer unübersichtlichen Welt. In Geschichten war aber vor allem viel Weisheit aufgehoben, viel Erfahrung im Umgang mit schwierigen Situationen. Nicht der neueste Gag, sondern die älteste, am längsten im mitmenschlichen Kontakt bewährte Geschichte versprach eine gute Lösung. Natürlich gibt es Probleme, die man schlicht durch Informationen lösen kann. Das ist die Domäne der Gebrauchsanweisungen. Die eigentlich wichtigen Probleme des menschlichen Lebens aber kann man wahrscheinlich immer noch am besten durch Geschichten lösen. Doch wer erzählt heute noch Geschichten? Auch Psychoexperten sind oft nur noch Seelenklempner, die mehr oder weniger schematisch auf seelisches Leid reagieren.
In dieser Situation ist Bernhard Trenkle ein strahlender Fixstern am Himmel der Psychotherapie in Deutschland. Denn er versteht es wie kein anderer, Geschichten zu erzählen, heilende Geschichten, die Patienten den Weg aus der Sackgasse weisen und ganz sachte mögliche Lösungen in die Problemverstrickungen flechten. Seit er 1994 den Weltkongress für Psychotherapie in Hamburg organisierte, ist er einer der ganz großen Wissenschaftsorganisatoren für die Psychotherapie in Deutschland. Doch vor allem ist er ein begnadeter Psychotherapeut. Allerdings fragt man sich immer wieder, wie er das macht – die genau passende Geschichte für einen Patienten zu finden. Und deswegen gibt es dieses Buch. Mit Geschichten, wie den hier erzählten, »bereitet er den Boden«. Bernhard Trenkle ist ein Meister des Seedings, jener Erickson’schen Technik, den Klienten auf eine Veränderung oder eine Intervention vorzubereiten bzw. ihn noch mal zum Nachdenken und Umdenken zu bewegen. Manchmal sind die Erzählungen einfach Beispiele dafür, wie man es machen könnte, wie andere in schwierigen Situationen gehandelt haben oder wie eine ungewöhnliche Denk- oder Handlungsweise zum Erfolg führen kann. Das Besondere an diesen Geschichten ist, dass sie nicht nur bewusst verarbeitet werden, sondern dass der Zuhörer daneben unbewusst diejenigen Informationen herausfiltert, die für ihn im Augenblick relevant sind. Schon kleine, kurze, unscheinbare Anekdoten können auf diese Weise durch die Fokussierung der Aufmerksamkeit in der bedeutsamen therapeutischen oder beraterischen Situation für die Problemlösung wichtige Suchprozesse auslösen. Gute Geschichten können die Perspektive verändern, Klienten sehen ihre Situation aus einem neuen, manchmal humorvollen Blickwinkel. Wenn sie vielleicht sogar erstmals über sich selber schmunzeln oder gar lachen können, kann das neue Ideen zur Veränderung freisetzen.
Bei Bernhard Trenkle wirkt das alles so einfach, aber wenn man dann selbst die richtige Geschichte für den richtigen Patienten sucht, fällt einem bisweilen nichts ein. Und deswegen haben so viele auf dieses Buch gewartet. Es ist ein Buch für erfahrene Fachleute jeder Schulrichtung, die ihre Therapie um ein äußerst wirksames und nachhaltiges Instrument erweitern möchten, aber auch für Anfänger, die frappante Erfolge in kurzer Zeit erleben wollen. Und schließlich ist dies auch ein Buch für Laien, für Nichttherapeuten, die sich an unterhaltsamen Geschichten erfreuen wollen, nicht irgendwelchen Geschichten, sondern Geschichten, die es in sich haben.
Bernhard Trenkle sammelt schon sein ganzes Leben lang Geschichten, und er erzählt in diesem Buch nicht nur seine besten Geschichten für Therapie, Beratung und Supervision, er verrät hier auch seine Geheimnisse, so vor allem, welche Geschichte für welche Patienten am besten geeignet ist.
Das Buch ist gut gegliedert. Am Anfang gibt es einige Grundregeln für das Erzählen persönlicher Geschichten. Frei nach dem Motto »lächelnd lernen« kommt man schon hier um das Schmunzeln nicht herum. Und dann folgt eine Fundgrube wirkungsvoller Geschichten, gut sortiert in verschiedene Themengebiete, sodass man einfach mal nachschlagen kann, was für eine Geschichte aktuell von Nutzen sein könnte. Sei es, dass das Kind die Schule verweigert, der Mann über einen längst vergangenen Seitensprung der Partnerin nicht hinwegkommt oder Klienten Probleme mit der persönlichen Zielsetzung, mit der beruflichen Situation oder mit diffusen Ängsten haben. Da gibt es Geschichten für die Paartherapie, fürs Coaching, für die Krebstherapie, beruhigende und aufrüttelnde, lustige und nachdenklich stimmende, kurze und lange. Es sind Geschichten für tausendundeinen Fall.
Und noch ein kleiner Tipp zum Schluss: Stellen Sie sich beim Lesen einfach mal vor, diese Geschichte würde in diesem Augenblick speziell Ihnen erzählt, und beobachten Sie, was geschieht!
Dazu fällt mir eine Geschichte ein ist ein kluges Lehrbuch und ein unterhaltsamer Reader zugleich, vor allem aber ein wundervolles, lehrreiches Lesevergnügen.
Manfred LützKöln, im Juli 2012
In Therapien und Beratungen benutze ich häufig persönlich erlebte Geschichten. Dabei orientiere ich mich an Milton Erickson, der in seinen Therapien und Lehrseminaren hauptsächlich persönlich erlebte Anekdoten und Fallgeschichten benutzte.
Es handelt sich also um »gefundene« und nicht um »erfundene« Geschichten, wenn man eine Unterscheidung von Peter Härtling benutzen will. Härtling hat in einer Reihe von fünf Vorlesungen in Frankfurt reflektiert, wie ein Dichter von einer ersten Idee zum fertigen Werk kommt, und das Ergebnis in dem schönen kleinen Buch Der spanische Soldat publiziert. Dort postuliert er, dass ein Dichter mit Gefundenem und Erfundenem arbeitet. Er findet ein Thema und beschließt, daraus eine Geschichte zu machen. Die Geschichte besteht also teils aus Fakten und teils aus Fiktion. Auf der Titelseite dieses kleinen Buches findet sich ein berühmtes Foto aus dem Spanischen Bürgerkrieg: ein Soldat im Moment des Todesschusses. Bis vor wenigen Jahren war nicht bekannt, wo und wie dieses Bild genau entstand. Härtling beschloss, dazu eine Geschichte zu schreiben. Er recherchierte zuerst die bekannten harten Fakten und schrieb dann dazu eine Geschichte. In den erwähnten fünf Vorlesungen dokumentiert er seine Überlegungen während des Schreibens.1
Eine der fünf Vorlesungen befasst sich mit Theodor Fontane und seinem Roman Effi Briest. Das Buch beruht auf einem realen Geschehnis. Fontane hatte davon gehört – er hat das Grundthema also gefunden. Den Rest hat er erfunden. Mit dem fertigen Stück war Fontane nicht so recht zufrieden, insbesondere mit der Charakterisierung der Hauptfigur. Auf einer Reise sah er schließlich eine Frau, die die Figur der Effi Briest so verkörperte, wie er sie sich insgeheim immer vorgestellt hatte. So baute er diese Frau in seinen Roman ein. Es handelt sich also sozusagen um eine mehrfache Verschränkung von Gefundenem und Erfundenem.
Ein Therapeut, Berater oder Coach kann auf ähnliche Weise mit Gefundenem und Erfundenem arbeiten. Einige Kollegen wie Erickson arbeiten fast ausschließlich mit eigenen Geschichten und kaum mit Gefundenem bzw. selbst Erlebtem. Andere nutzen den riesigen Fundus an Märchen, Weisheitsgeschichten, Gleichnissen, Fabeln und Parabeln aus der ganzen Welt. Oder – sie erfinden ihre Geschichten gleich selbst. Für viele ist das keine Frage von Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.
Ich selbst arbeite überwiegend mit Gefundenem, genauer gesagt oft selbst erlebten, manchmal auch selbst gefundenen Geschichten. Letzteres z. B., wenn ich in einer Therapie erzähle, was ich in einer Fernsehsendung gesehen, in einer Wissenschaftssendung im Radio gehört oder in einer Fachzeitschrift oder Zeitung gelesen habe.
Hierfür nun ein Beispiel:
Eine Mutter von mehreren Kindern kommt in ein Beratungsgespräch. Bei der Untersuchung in einer Universitätsklinik hatte ein Neurologe eine Verdachtsdiagnose gestellt. Die Wahrscheinlichkeit sei nicht groß, aber man müsse das im Auge behalten.
Die Mutter kommt nun mit der Frage, wie sie sich verhalten solle. Seit dieser Diagnose müsse sie ihren Jungen ständig beobachten, ob an dieser Diagnose vielleicht doch was dran sein könnte.
Ich erzähle der Mutter die folgende Geschichte, die ich unterdessen häufiger in Erziehungsberatungssituationen eingesetzt habe.
Das biologische Experiment
Auf einer unserer Tagungen hatten wir einen Biologen eingeladen. Wir wollten wissen, was in anderen Fachgebieten der Stand der Kunst ist. Er gab uns einen guten Überblick, was in der Biologie geforscht wird und berührte dabei auch Fragen der Physik. Er schilderte ein interessantes Experiment. Dieses Experiment kam mir gerade in den Sinn, als Sie mich fragten, wie Sie sich verhalten sollen.
Die Biologen haben im Versuchslabor einen biologischen Prozess angesetzt. Nach vier Wochen gibt es ein unerwartetes Ergebnis. Man wiederholt das Experiment und macht jeweils nach einer Woche eine Zwischenmessung. Aber auch da hat man den Ablauf noch nicht verstanden. Das Experiment wird ein drittes Mal gestartet, und dieses Mal misst man täglich. Allerdings ist das Endergebnis nicht mehr dasselbe. Durch das ständige Messen wird der biologische Prozess offensichtlich irritiert und läuft langsamer an. Schließlich will es jemand ganz genau wissen und misst viermal täglich. Nach kurzer Zeit passiert gar nichts mehr. Durch das häufige Messen ist der Prozess abgestorben.
»Nun, um auf Ihre Frage zurückzukommen: So zu tun, als ob es diese Verdachtsdiagnose nicht gäbe, wäre unverantwortlich. Dauernd beobachten und täglich oder gar stündlich zu messen ist in anderer Hinsicht gefährlich, da schaffen wir ein anderes Problem. Einmal die Woche zu messen ist ja laut dem Biologen noch nicht bedenklich. Dann lassen Sie doch einfach ihren Sohn springen wie bisher und schauen Sie mal an schulfreien Samstagen, ob es irgendwann irgendwelche Hinweise bezüglich dieser Vermutung gibt.«
Dem Leser dieses Buches wird schnell auffallen, dass ich in der Arbeit mit Klienten zum Teil auch persönliche Geschichten bis hin zu eigenen Problemen und Krisen nutze. Wenn man das tut, sollte man einige Grundregeln berücksichtigen, die sich in meiner Arbeit über die Jahre herauskristallisiert haben.
1Dieses Buch hatte ich im Urlaub dabei. Meine drei Kinder im Alter von 15 bis 18 Jahren haben es damals alle gelesen. Die Älteste hat mir später berichtet, dass es ihr sehr geholfen habe, bessere Aufsätze in der Schule zu schreiben.
Die vielleicht wichtigste Regel für das Erzählen persönlicher Geschichten in Therapien und Beratungen stammt aus dem Fleischerhandwerk: Die Geschichte sollte »gut abgehangen« sein oder in anderen Worten: zeitlich lange zurückliegen. Es ist nicht zwangsläufig das Kennzeichen einer guten therapeutischen Geschichte, wenn der Therapeut mehr weinen muss als der Klient.
Wenn mir eine Mutter die Probleme mit ihrer pubertierenden Tochter erzählt und ich mit der Antwort beginne: »Oh, das verstehe ich gut, dasselbe Problem hatte ich gerade gestern mit meiner Tochter ebenfalls. Ich möchte Ihnen mal davon erzählen«, befinde ich mich meist auf dem Königsweg zu einer hochideologischen Auseinandersetzung über sinnvolle Erziehungsstile. Nach meiner Erfahrung verbieten sich in aller Regel Pacing-Geschichten unter dem Motto »Wir Frauen haben es schwer«, »Wir Väter haben es schwer« etc.2
In einer Stadt wird unerwartet ein Bürgermeister gewählt, der nicht der seit Jahren führenden Partei angehört. Ein Amtsleiter dieser Stadt kommt zur Beratung, da er sich vom neuen Bürgermeister gemobbt fühlt. Mein Klient hat das Gefühl, dass er aus dem Amt gedrängt werden soll, obwohl er doch bisher anerkannt gute Arbeit geleistet habe. Er kommt eher zum Jammern, als dass er einen klaren Beratungsauftrag gibt.
Humorvoll provokativ frage ich ihn: »Gehe ich recht in der Annahme, dass der neue OB nicht zusammen mit Ihnen zur Paartherapie zu mir kommen wird?« Darüber muss er lachen. Daran schließe ich an:
»Wissen Sie, das mit der Fernhypnose beherrsche ich auch noch nicht so richtig. Also, wie ich aus der Ferne den neuen OB beeinflussen soll, ist mir noch nicht klar. Soweit ich sehe, sind Sie der Einzige, mit dem ich hier arbeiten könnte. Stimmen Sie dem zu?
Nun möchte ich eine persönliche Geschichte erzählen, um Ihnen zu illustrieren, wie ich mir das vorstellen könnte. Mein Sohn hatte gleich am ersten Schultag im Gymnasium Pech. Am Ende dieses ersten Schultags hatte er Kunstunterricht. Der Kunstlehrer hatte einen guten Ruf als Künstler, aber keine so gute Reputation als Pädagoge. Er ließ die Kinder Bilder malen. Mein Sohn zeigte dem Lehrer stolz sein Bild. Der schaute auf das Bild und fragte meinen Sohn: ›Welche Note hattest du in der Grundschule?‹ Mein Sohn antwortete ›Eine Drei.‹ Der Lehrer erwiderte: ›Dann hast du bei mir eine Vier. Setz dich wieder hin.‹
Mein Sohn kam weinend und sehr verletzt nach Hause. Ich war total ärgerlich und wütend und wollte mir den Lehrer in der nahen Schule gleich ›krallen‹, bevor er nach Hause gehen konnte. Mein Ärger tat meinem Sohn offensichtlich gut. Dann hatte ich noch eine andere Idee. Schon in der Jacke, setzte ich mich zu ihm: ›Weißt du, wenn du willst, gehe ich jetzt los und sag dem Lehrer die Meinung. Ich finde es unmöglich, wie der mit dir umgegangen ist! Aber jetzt habe ich noch eine andere Idee. Weißt du – du wirst ja mal groß sein und in einer Firma arbeiten. Da gibt es vielleicht einen Chef und der gibt dir einen Auftrag. Du machst deine Sache gut und legst ihm die Unterlagen vor. Aber dein Chef schmeißt deine Arbeit in den Papierkorb und sagt, es tauge nichts. Dabei hast du einen guten Job gemacht! Solche Leute gibt es immer mal. Manchmal haben sie einen schlechten Tag, und manche sind immer so. Jetzt überleg mal – ich kann hingehen und dem Lehrer sagen: So was hört auf, sonst bekommt er Ärger mit mir. Oder du nimmst den zum Üben, dann weißt du schon, wie man später im Leben mit solchen Leuten umgeht. Was soll ich jetzt machen? Soll ich sagen: Das hört auf!, oder möchtest du ihn zum Üben haben?‹
Nach minutenlangem Schweigen sagte mein Sohn: ›Den nehm’ ich zum Üben.‹
Ich habe nie mehr was von diesem Lehrer gehört. Mein Sohn hat ihn zum Üben genommen und erwarb sich in seiner Schullaufbahn die Reputation, mit den verschiedensten Lehrern geschickt umzugehen. Er hat schon früh geübt.«
Gut – nach dieser Geschichte fällt es einem 42-jährigen Spitzenbeamten einer größeren Stadt recht schwer, weiter über seinen OB zu jammern. Wenn ein 10-Jähriger erst weinend nach Hause kommt und dann nach kurzer Zeit beschließt, seinen »schrägen« Lehrer zum Üben zu nehmen, dann fällt es einem berufserfahrenen, ambitionierten Beamten schwer, sich der Idee zu verschließen: Den neuen OB nehmen wir zum Üben, um härter im politischen Geschäft zu werden.
Wir haben darauf gemeinsam Ideen entwickelt, wie er dem OB signalisieren kann: Mich packt ihr nicht! Da müsst ihr einen Dümmeren suchen.
Die beste Idee, die wir hatten, war, ein Schild an die Bürotür zu hängen: »Ich bin nicht so hart, wie ihr denkt. Ich bin noch viel härter.«
Mein Klient blieb noch ein Jahr auf seinem Posten und bewarb sich dann erfolgreich in eine fünf- bis sechsmal größere Stadt. Das war ein Glücksfall für ihn, da seine neue Wirkungsstätte in einer der attraktivsten Städte Deutschlands lag. Er ging erhobenen Hauptes und hat sich deutlich verbessert.
Persönliche Geschichten sollten also eher weniger bis gar nicht als Pacing-Geschichten (»Oh je, das ging mir mal ähnlich«) verwendet werden. Solange Geschichten handlungsorientierte Botschaften haben wie »Den nehme ich zum Üben«, lassen sich aber ohne Weiteres auch sehr persönliche Geschichten verwenden.
Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ich persönliche Geschichten in einer Großstadt erzähle, in einer Kleinstadt oder gar auf dem Dorf verwende. Dort steht der einzige Arzt oder Psychologe in der Regel unter spezieller Beobachtung. Es ist aber auch in der Großstadt ein Unterschied, ob man gerade neu zugezogen ist oder seit Generationen dort lebt. Es ist ein Unterschied, ob die Familie unbekannt ist oder der Vater als Oberbürgermeister bzw. der Ehepartner als TV-Größe oder Sportstar ständig unter Medienbeobachtung steht.
Speziell in einer Kleinstadt ist es deshalb sinnvoll, seine Angehörigen um Erlaubnis zu fragen, bevor man Geschichten einsetzt, die von ihnen handeln. Meine Kinder habe ich mehrfach um Erlaubnis gefragt: »Das, was wir eben erlebt haben, das, was dir gerade passiert ist – darf ich das einem Patienten erzählen, wenn ich denke, das könnte ihm helfen?« Meine Kinder haben mir das immer stolz erlaubt. Teilweise habe ich sie dann als Erwachsene noch mal gefragt, ob ich das weitererzählen darf. Interessanterweise hatten sie die meisten Geschehnisse vergessen.
Sowohl beim Erzählen von Witzen auf Partys wie beim Erzählen von Geschichten in Therapie- und Beratungssituationen hat man manchmal plötzlich das Gefühl: Irgendwas passt hier nicht. Mein Rat für solche Fälle: die Geschichte einfach abbrechen. Die Klienten werden zwar in der Regel betteln: »Es hat doch so spannend angefangen. Warum erzählen Sie denn nicht weiter?« Ich bestehe dann jedoch darauf, dass es doch keine so gute Geschichte sei.
Manchmal schon Sekunden nach dem Stopp, manchmal erst später verstehe ich meist, warum meine Intuition vor dem Weitererzählen gewarnt hat. Ich wäre beim Weitererzählen in ein Fettnäpfchen getreten bzw. hätte den Klienten an einem wunden Punkt verletzt, oder die Geschichte hätte gründlich missverstanden werden können.
Wenn man diese Regel nicht beherzigt, dann kann es einem so ergehen wie jenem Witzeerzähler auf einem Geburtstagsfest. Er wurde vom Gastgeber gebeten, doch einen seiner berühmten guten Witze zum Besten zu geben. So beginnt er den Witz von der Elefantenherde, die am Nil Wasser trinkt. Der kleinste Elefant ist unvorsichtig, und ein Krokodil beißt ihm den Rüssel ab. Die großen Elefanten lachen den kleinen aus. Die Pointe ist dann, dass der Erzähler den kleinen Elefanten imitiert, wie er durch den abgebissenen Rüssel spricht: »Fffffindet ihr sssssaaaassch hhhluschdig?«
Wie gesagt, der Erzähler beginnt die Geschichte, und die Elefanten ziehen durch die Lande. Sie nähern sich schließlich dem Nil. In diesem Moment hat der Erzähler kurz ein ungutes Gefühl, und er weiß auch gleich, warum. Der Gastgeber – das Geburtstagskind – hat eine operierte »Hasenscharte« und spricht noch immer etwas merkwürdig. Das ist sein ganz empfindlicher Punkt. Es ist klar, dass Gastgeber inklusive versammelte Gäste die Pointe dieses Witzes als schräge Anspielung auf dieses Gebrechen ansehen würden. Aber alle hängen wie gefesselt an seinen Lippen, und er weiß nicht, wie er diese Situation lösen soll. Unser Witzerzähler beginnt zu schwitzen. Die Elefanten nähern sich unaufhaltsam dem Nil und der entscheidenden, verhängnisvollen Szene. In seiner Not lässt der Erzähler die Elefanten noch einmal weiterziehen. Sie kommen wieder an den Nil und wieder an den Nil. Es wird einem weiteren Elefanten ein Rüssel abgebissen. Und noch einem Elefanten. Er schwitzt immer mehr. Jeder merkt: Irgendwas stimmt hier nicht. Der Gastgeber unterbricht schließlich, indem er sagt: »Ffsagen Sie mal, ffffinden Fsie sssssdaaaassch hhhluschdig?«
Also, bevor einem das passiert – denken Sie an meinen Rat: Man kann Geschichten oder Witze auch mitten drin einfach abbrechen.
Milton Erickson benutzte oft Anekdoten aus seinen Therapien, um für Klienten und Kollegen Ideen illustrativ zu transportieren. Das ist in einer anonymen Großstadt wie Phoenix einfacher als in einer Kleinstadt. Ich habe immerhin den Vorteil, dass ich früher an anderen Orten gearbeitet habe und oft im Ausland Seminare halte. Wenn ich ein aktuelles Therapiegeschehen als höchst geeignet empfinde, es in Zukunft als therapeutische Geschichte zu verwenden, dann setze ich mich an den Computer und lege wie bei einer Publikation eine Version fest, die die zentralen Inhalte des Geschehens wahrheitsgemäß widerspiegelt, aber alle Dinge ausfiltert, mit denen Klienten identifiziert werden könnten. Ich improvisiere also nicht jedes Mal neu über die Realität, sondern lege einmal eine Variante fest. Dies auch, weil ich meinem Gedächtnis da zu wenig traue. Es käme über kurz oder lang dazu, dass ein Klient mir sagen würde: »Diese Geschichte haben Sie mir schon mal erzählt, aber letztes Mal war es nicht ein 7-jähriges Mädchen, sondern ein 9-jähriger Junge.« So verlege ich das Geschehen manchmal in die Uniklinik nach Heidelberg, an der ich früher tätig war, oder gleich nach Polen.
Ich könnte zum Beispiel erzählen:
Seit vielen Jahren organisieren wir zusammen mit dem polnischen Milton-Erickson-Institut eine Seminarwoche in einem wunderschönen polnischen Kloster. Das polnische Institut organisiert auch sonst landesweit große Fortbildungsveranstaltungen. Einmal sollte ich vor 200 polnischen Kollegen mit Übersetzung live demonstrieren, wie ich mit einem 17-jährigen Mädchen arbeite, das auf einer Eliteschule von Lehrern und Schülern gemobbt wurde. Sie ging bereits 14 Tage nicht mehr zur Schule und wollte die Schule abbrechen. Die Familie fuhr mit ihr die ganze Nacht mit dem Zug von Danzig nach Krakau, wo die Tagung stattfand. Als das Mädchen ankam, stellte ich fest, dass man sie über die besondere Bühnensituation nicht unterrichtet hatte. Ich musste längere Zeit im Hintergrund alleine mit ihr reden, bis sie sich dann dieser Vorlesungssituation stellte. Die Situation stellte sich dann folgendermaßen dar …
Dann erst beginne ich die eigentliche Geschichte von einem Mädchen mit Schulschwierigkeiten aus meiner Heimatstadt. Beide Geschichten stimmen. Aber nach der Einleitung von Danzig über Krakau nach Rottweil kommt niemand auf die Idee nachzugrübeln, wer das wohl gewesen sein könnte. Da ich die polnische Geschichte so erlebt habe, kann ich sie natürlich besonders lebendig erzählen und bei Bedarf sogar auf Fragen und Zwischenbemerkungen antworten.
Mein Tipp: Solche Geschichten einmal wie bei einer Publikation wirklich gut vorbereiten und niederschreiben.
Da ich in einer relativ kleinen Stadt arbeite und auch das Umland dünn besiedelt ist, kennen sich viele Leute untereinander. Hier stellt die Schweigepflicht natürlich ein Problem dar, und vieles lässt sich leider nicht verantwortungsvoll nutzen, auch wenn es einem manchmal um diese Geschichten mit ihrer guten Botschaft leidtut.
Es gab schon mal einen Klienten, der suchte eher einen Freund als einen Therapeuten. Dabei handelte es sich um einen Kollegen, der auch vorschlug, man könne doch zusammen Seminare anbieten. Es gibt Klientinnen, die verlieben sich in ihre Therapeuten. Von diesen Klienten könnte das Erzählen von privaten Geschichten als Eingehen auf entsprechende Beziehungsangebote verstanden werden. Wenn man in solchen Fällen trotzdem aus guten Gründen eine persönliche Geschichte erzählen möchte, dann könnte dies so geschehen:
»Bis zur nächsten Stunde möchte ich Ihnen eine Hausaufgabe vorschlagen. Mit dieser Aufgabe habe ich selbst gute Erfahrungen gemacht. Davon möchte ich Ihnen gerne erzählen. Seit ich meinen Klienten von meiner eigenen Erfahrung mit dieser Aufgabe berichte, funktioniert sie viel besser. Sie wird dann einfach besser verstanden. Die Hausaufgabe besteht darin, …«
Wenn ich die Hausaufgabe so einleite, mache ich klar, dass ich das aus therapeutischen Gründen tue und dass ich es bei anderen Klienten aus diesen Gründen ebenso gemacht habe. Es wird damit klargestellt, dass dies kein exklusives, privates Privileg ist und dazu gute therapeutische Gründe hat.
In seltenen Fällen habe ich die Klienten auf Schweigepflicht »vereidigt«. Zum Beispiel so:
»Zum Abschluss des heutigen Gespräches möchte ich Ihnen gerne ein Erlebnis schildern, das ich vor einigen Jahren hatte. Nun ist es ja so, dass ich als Therapeut unter Schweigepflicht stehe. Also, ich erzähle natürlich weder meiner Frau noch sonst jemandem etwas von dem, was Sie mir erzählt haben. Da ich jetzt etwas von mir erzähle, wäre es mir wichtig, mich auch darauf verlassen zu können, dass es unter uns bleibt. Ich denke, dass dieses Erlebnis eine wichtige Botschaft für Sie und Ihre Ziele enthält. Kann ich mich auf Ihr Schweigen verlassen?«
Man kann sich vorstellen, dass diese Geschichte dem Klienten lange im Gedächtnis bleiben und eine lange »Depotwirkung« haben wird.
Manche Therapeuten können nicht paradox arbeiten, andere nicht mit Humor. Als bloße Technik wird das wahrscheinlich nichts. Man sollte wohl schon eine Affinität zu dieser Art von Arbeit haben.
2Warum hat Abraham Isaac als kleines Kind opfern wollen? Wenn er bis zur Pubertät gewartet hätte, wäre es kein echtes Opfer mehr gewesen.
KLIENTIN: Ich habe ins Ausland geheiratet. Nach meiner gescheiterten ersten Ehe und über 15 Jahren ohne feste Beziehung habe ich nicht mehr damit gerechnet, dass mir noch die große Liebe über den Weg läuft. Ich warte auf das Visum, um in das Land meines neuen Mannes ausreisen zu können. Für ihn habe ich hier alles aufgegeben, inklusive meiner beruflichen Führungsposition.
Er stellt sich vor, dass ich bei ihm einfach die Frau spiele. Er selbst wird aber immer wieder beruflich unterwegs sein, und ich möchte selbstständig etwas aufmachen – vielleicht etwas in Richtung einer Galerie oder Kunsthandwerk. Ich werde das ohnehin machen. Wie kann ich ihn davon überzeugen, dass das auch in seinem Sinne ist?
THERAPEUT: Dazu fällt mir eine Geschichte ein. Damals stand ich noch am Anfang meines Psychologiestudiums, und ich besuchte die erste Familientherapietagung meines Lebens. In einem kleinen Seminar berichtete eine Psychologin über Forschungen in Spanien. In einem Küstenort wurden Erhebungen zur Häufigkeit von psychiatrischen Erkrankungen durchgeführt. Dabei fiel auf, dass bei Winzerfrauen sehr häufig Depressionen zu beobachten waren. Bei den Frauen von Fischern gab es praktisch keine Depressionen. Die deutschen Forscher hatten zuerst die These, dass hier offensichtlich nach »Kasten« geheiratet wird – also Fischerfamilien heiraten Partner aus Fischerfamilien, und die Winzer bleiben ebenfalls unter sich. Diese Annahme hat sich aber nicht bestätigt. Wie ließ sich dieser merkwürdige Unterschied nun erklären? Man musste etwas länger mit den Leuten reden, um dieses Rätsel zu lösen. Die Winzer waren zu großen Teilen des Jahres zu Hause, und der Mann regierte auch in der Küche sozusagen bis in den Kochtopf der Frau hinein. Er hatte alle wichtigen Kundenkontakte unter sich, während die Frau nur am Herd stand. Bei den Fischern war es ganz anders: Der Mann war immer wieder draußen auf dem Meer. Die Kundenkontakte inklusive der Verwaltung der Finanzen lagen bei der Frau. Die Freude war oft groß, wenn der Mann wieder gesund von seiner Meerestour nach Hause zurückkam.
Vielleicht können Sie, wenn Sie die Geschichte Ihrem neuen Mann erzählen, noch anfügen: »Das Paradox der Ehe ist, dass der Mann sich wünscht, dass seine Frau für immer so bleibt, wie sie ist. Die Frau dagegen wünscht sich, dass der Mann sich in der Ehe mit ihr ändert. Also, Liebling, wenn du dir eine Frau wünschst, die so bleibt, wie du sie kennengelernt hast, dann lass uns lieber so wie die Fischer leben und nicht wie die Winzer.«
THERAPEUT: Wie geht es Ihnen?
FRAU: Unser eigentlicher Konflikt mit den manchmal eskalierenden Streitereien ist weitgehend gelöst, aber wir haben ein neues Konfliktfeld. Ich mache nächstes Jahr ein Sabbatjahr als Lehrerin. Zusammen mit einer Studien-Kollegin möchte ich mal wieder mindestens drei Wochen oder besser vier bis fünf Wochen nach Südamerika. Nun habe ich meinem Mann solange den Rücken freigehalten, und ich finde, jetzt kann er auch mal voll verantwortlich unsere Kinder übernehmen (9, 7, 4 Jahre).
MANN: Im Prinzip ja, ich finde, das bin ich dir auch schuldig, aber ich habe das Gefühl, dem bin ich nicht gewachsen.
FRAU: Das ist doch eine Ausrede! Du hast doch auch schon an Wochenenden die Kinder gehabt. Andere Männer sind Hausmänner und machen das jahrelang. Du führst ein großes Institut mit vielen Mitarbeitern, und das ist in deiner vorlesungsfreien Zeit.
MANN: Gerade, weil ich das schon gelegentlich an Wochenenden gemacht habe, habe ich da Bammel davor.
SIE: Ich glaube nicht, was ich da höre, ich mache das doch jahraus, jahrein.
THERAPEUT: Gut, ich höre, dass der Ehemann prinzipiell dazu bereit ist. Und ich höre, dass die Frau nicht genug würdigt, was sie im Haushalt und mit den Kindern leistet.
SIE: Das verstehe ich nicht. Wieso würdige ich nicht, was ich für Haushalt und Kinder mache? Was hat das damit zu tun?!
THERAPEUT: O. K. Ich habe ja Psychologie im Zweitstudium studiert, und meine Frau und ich bekamen in diesen Jahren drei Kinder. Meine Frau hat als Lehrerin gearbeitet, und ich habe studiert und