Den Müden ein Fest - Gerhard Engelsberger - E-Book

Den Müden ein Fest E-Book

Gerhard Engelsberger

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Beschreibung

Sinngeschichten und Trosttexte

»Ich stelle mir ein Buch vor, das jemand, der einen anderen trösten möchte, ebenso in die Hand nehmen kann wie ein Mensch, der nachts noch einmal die Nachttischlampe anmacht, um zur Ruhe zu kommen«. Gerhard Engelsberger bietet mit seinem Trostlesebuch »Streicheleinheiten« für die Seele und knüpft an die Trostbücher der Generationen vor uns – Bibel und Gesangbuch – an. In seinem Trostlesebuch erzählt er biblische Texte so, dass Betroffene sich »in den Arm genommen« fühlen. Darüber hinaus gibt es neue Trostgebete, tröstende Psalmtexte in neuer, eigener Übertragung, Trostlieder und ihre Geschichte, eigene Kurzgeschichten, Sinn-Texte und Aphorismen.

  • Ein modernes Trostlesebuch für den eigenen Gebrauch und zum Verschenken

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Seitenzahl: 165

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Gerhard Engelsberger

Den Müden

ein Fest

Tröstliches für die Seele

Gütersloher Verlagshaus

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.

Copyright © 2016 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Umschlagmotiv: © Hyeong-yong Kim/Sung-Il Kim/Corbis

Zeichnungen Innenteil: © Pit Elsasser, Wiesloch

ISBN 978-3-641-19555-7V001

www.gtvh.de

Neu anfangen:

überwintert nach dürren kalten Tagen

aufbrechen

Gewiss sein:

mit schmalen Lippen und schwacher Kraft

festen Boden spüren

Befreit werden:

nach dunklen Tagen und durchwachten Nächten

die verkrampften Arme weiten, die geballten Hände öffnen

Hoffen:

nach kurzen Sätzen und beklemmender Stille

mutig den Diagnosen trotzen

Vertrauen:

guten Wünschen, den Worten

und dem Händedruck Glauben schenken

Leben dürfen:

nach abschließender Diagnose

den Jubel des eigenen, trotzigen Herzschlags spüren

Lieben:

nach der Flucht in den Schutz des Dunkels der Einsamkeit

herausgelockt, geliebt werden

Trösten:

aus der Ohnmacht der Trostlosen aufbrechen

schöpfen aus tiefen Quellen

Staunen:

die Gnade der Geburt als Mensch

am eigenen Leib spüren

Feiern:

ich darf sein

und bleiben. –

Es gibt so vieles noch zu entdecken

Inhalt

Vorwort

Fehlstarts und Umwege

Präludium in C

Umwege

Vielleicht ein Fingerzeig?

Lass das Grübeln

Nichts bleibt – gedulde dich

Fehlender Segen

Sense

Ohren auf Durchzug

Zeige mir Gott

Keine offene Rechnung

Jahreszeiten, Lebenszeiten

Jahreszeiten

Neuer Tag

Nachtigall

Frühling – Ermutigung zum Aufbruch

Sommerwunsch

Sommer – Einladung zum Tanz Die Zeit der Freude über die Weite

Letzte Sommernacht

Herbst – Heiterkeit eines Heimwegs. Die Zeit der Freude über das Loslassen

Schnee (für Christoph)

Winter – Einladung zur Geduld. Die Freude über ein warmes Zuhause

Die schönste Nacht der Rose

Berggeschichte

Abendgebet

Kinder und Narren

Für euch

Versuche eines Testaments: Betet weiter, als ihr denkt.

Gott macht uns zum Narren

Was steckt hinter den Dingen? – Findelkinder

Wer bin ich?

Engel aus der Nachbarschaft

Dem Segen eine Feier geben

Das Lächeln von gegenüber

Drei Pagoden und andere heilige Orte

Ich möchte wie ein Brunnen sein

Keine Fragen mehr

Freude am Leben

Du hast jeden Raum mit Sonne geflutet

Das Geheimnis der Mitte

Wir schaffen nicht das Paradies

Mit dem Herzen reparieren

Mit dem Herzen reparieren

Gott – in der Mitte

Tiefe

Bei offenen Grenzen

Ich habe nichts beigetragen

Unbeschriebenes Blatt

Das fünfte Rad

Dachgeschichten

Demut

Matthias Schrott

Glauben leben

Spiritualität

Zeugen – Die Bibel und die einfachen Leute

Eine Ameise

Liebe leben – Leben lieben

Und Gott pflanzte einen Garten in Eden ...

Gott lernt dazu!

Bruder Gott

Boeing 777 und ein Mittelplatzprotestant

Beim Staunen bleiben

Ah! Whow!

Fülle

Das glückliche Wort

Weg. Weite. Übung. Gott. Mensch

Schlaffe Hände

Herzensgebet

Ein Lied für die Knospe am Zweig

Über die Brücke gehen

Über die Brücke gehen

Leben in Übergängen – Brückenhelfer – Handläufe – Erasmus

Abraham

Nun bin ich eine Brücke

Rückzug ins Schneckenhaus

Ein Leben in wenigen Sätzen

Expertinnen und Experten für Übergänge

Über den Rand, über den Fluss, über das Meer

Über den Rand, über den Fluss, über das Meer

Maria aus Magdala – und die Barmherzigkeit Gottes

Land ohne Bremsspuren

Güte, Sanftmut, Lindigkeit

Einfache Sätze

Lehre mich

Den Müden ein Fest

Den Müden ein Fest (Kindertrost)

Ich bin müde

Die Heimat des Mönchs

Er hatte sich müde gelaufen

Mein Gott, ich bin müde

Desiderata

Das Wesentliche

Anmerkungen

Quellennachweise

Vorwort

Menschen sind trostbedürftig. Wunde Seelen sind offen. Menschen sind müde, hören täglich, wie die Alterspyramide wächst und ihre Chancen sinken.

Wahrscheinlich sind die Tiere auch müde. Ja, auch der Oleander, der wie der Wein unter der Trockenheit leidet oder die Hortensie. Sie lässt die Blätter hängen. Der Boden dürstet nach Regen. Nicht anders der Fluss, der die Schwemme nicht mehr tragen kann, oder das junge Amselehepaar in unserem Garten, das drei Nestflüchter verloren hat.

»Trost« und »Trösten« sind mit guten Gründen häufig biblische Worte. Sie hängen etymologisch eng zusammen mit »trust«, mit Vertrauen. Vertrauen braucht Wiederholung. Da sind die Jahreszeiten, da sind Briefe und Besuche, da sind Gottesdienste und Gebete, die Feiertage und die Trauertage, die Lieder und die biblischen Texte, Gedanken aus der Einsamkeit wie Gedanken des Findens und Gelingens.

Wir sind eine Trostgemeinschaft. Nicht nur, weil wir älter werden.

Auch das Kind, dessen Goldhamster gestorben oder dessen Wellensittich aus dem Fenster entwischt ist, braucht Trost. Nicht minder das Kind, dessen Eltern sich nach einer gescheiterten Ehe trennen.

Ich wollte ein Buch zusammenstellen, das als »Trostbuch« einige Zeit Gültigkeit haben kann. Es sollte für möglichst viele, trostbedürftige Situationen taugen. Eben: »… den Müden ein Fest«.

Bibel und Gesangbuch, das waren die Trostbücher für Generationen vor uns. Abends beim Schein der Petroleumlampe oder einer Kerze las die Großmutter – ein selten gewordenes Wort – in und aus der Bibel. Meine alte Tante las immer aus und in einem »Andachtsbuch« (Erschienen ist das bald 800 Seiten starke Werk in Stuttgart im Jahr 1888.) Abzählverse und Familiendaten hat sie in ihre Bibel und auf die leeren Seiten ihres Andachtsbuches geschrieben. Wahrscheinlich besaß sie außer diesen beiden Büchern und dem »Lahrer Hinkenden Boten« keine weiteren Bücher. Ach, natürlich noch das Gesangbuch.

Laut gelesen, weiten Bibeltexte oder Liedtexte das Leben, öffnen Grenzen, brechen Trauer auf, rufen ins wache Leben, legen Hand an und können auch eine wunde Seele streicheln.

Wer tröstet mich, wenn ich trostbedürftig bin?

Mein Lehrer und Freund Jörg Zink hat mir einmal geschrieben: »Gerhard, warum traust du deinem Zweifel mehr als deinem Glauben?«

Der Brief liegt viele Jahre zurück. Der Satz des Freundes hat sich mir eingefurcht wie mein Tauf- und Konfirmandenspruch, wie der Bibeltext zur Einführung in meine Pfarrstellen. Wenn es um Trost geht, denke ich dankbar an diesen Brief. Er reißt immer wieder neu die Weite auf, aus der ich selbst schreibe. Dieser Satz war ein Geschenk.

Dieser Satz hat mich »weit« gemacht«, auch wenn ich mich unterm Tag beengt fühle. Jörg hat mich eingeholt. Hat mich überholt. Was bin ich ihm dankbar.

Kein Mensch außer meiner Frau Simone und meinem vor Jahrzehnten früh verstorbenen Vater hat mir einen so wuchtigen, wesentlichen Satz gesagt. Es bedarf – das habe ich inzwischen verstanden – eines »Größeren«, der mich weitet, tröstet, freispricht.

Es wäre schlimm, wenn die oder der »Größere« »von oben herab« streichelt. Dann ducke ich mich. Es muss ein Mensch sein, der mich größer und weiter macht. Er muss es nicht besser wissen. Aber es muss ein Mensch sein, der mich aufrichtet. Ein Engel, der mir Flügel verleiht. Ein Wanderrabbi wie Jesus, der mir auf dem Weg befreiende Geschichten erzählt. Gott selbst macht mich groß und richtet mir ein Fest aus.

Leben entfaltet sich widersprüchlich. Diese Widersprüchlichkeit habe ich versucht, mit kurzen biblischen oder heutigen Gedanken zu Beginn jedes Kapitels glaubwürdig einzufangen.

Meinem Grafiker- und Künstlerfreund Pit Elsasser danke ich, dass er grafisch meinen Traum gestaltet hat: zwischen Erde und Himmel, auf einer Blumenwiese, unter Wolken und Baum ein Fest feiern, lesen, dankbar genießen. Der Himmel schenkt uns immer wieder neu Menschen, die uns reicher machen: durch Partner, Kinder, Enkel, Freunde geerdet, dennoch dem Himmel verbunden … Ach, ist gelegentlich das Leben doch schön.

Unser jüngster Enkel Paul entdeckt – knapp zweijährig – in diesen Monaten die Welt. Staunt über den Mond, wippt auf dem Schaukelpferd, wenn ich mit der Gitarre ein Lied singe; geht mit mir im Keller Äpfel, Instrumente, Spielzeug und andere Schätze entdecken und macht die Arme breit, wenn er mich sieht.

Wenn Liebe Wurzeln schlägt, dann ist selbst der Opa (der Großvater) angekommen.

Ich kannte leider nur einen »Großvater«: Karl Lansche. Er ist 1958 gestorben. Ihm, dem ich wesentliche, wenn auch kurze Erinnerungen verdanke, und meinem Enkel Paul Engelsberger für die von ihm geschenkte Weite sei – über vier Generationen hinweg – dieses Buch in Erinnerung und Vorfreude gewidmet.

Gerhard Engelsberger, im Winter 2016

Fehlstarts und Umwege

Sie sind hart

bei einem Fehlstart.

Sie kennen kein Pardon

und schließen aus.

Sie lästern

über meine Ortskenntnis.

Sie meiden Umwege.

Ich brauche länger.

Wer behutsam unterwegs ist,

überholt nicht die Stille.

Lasst mich

in Ruhe!

Präludium in C

Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen.

Johannes 16,16a

Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Matthäus 28,20

Neulich sagte er, er warte nun nicht mehr. Habe lange genug gewartet. Alles habe ein Ende. Das sei keinem Esel zuzumuten. Und die hätten doch wahrlich Geduld.

Ich habe mir dann überlegt, wie das bei mir ist.

Wie viel Geduld ich habe. Eigentlich sollte sie von Jahr zu Jahr mehr werden. Ich habe aber den Eindruck, sie wird von Jahr zu Jahr weniger. Vielleicht wartet man, wenn man älter wird, nicht mehr so offen? Hat zu klare Vorstellungen, eine bemessene Zeit und ist deshalb viel häufiger enttäuscht.

Neulich also sagte er, er warte nun nicht mehr. Seit vier Jahren sitze er an dieser Straße mitten in der Stadt und spiele seine Lieder. Nun habe er lange genug gewartet, dass jemand danke sagt. Alle hätten ihm nur immer Geld hingeworfen. Aber Geld sei eigentlich nie sein Problem gewesen, sagt er.

Ich weiß nicht so recht.

Wie er aussieht! Etwas abgerissen. Etwas gestrig.

Und von weit her.

Nein, sagt er, Geld ist drittrangig.

Es hat keiner danke gesagt.

Und es hat niemand getanzt.

Er gehe nun in eine andere Stadt, oder ganz weg.

Packte seine Geige in den Kasten und ging.

Wir werden der Welt sagen, dass er wiederkommt.

Das ist unsere Berufung.

Er wird wiederkommen.

Er wird seine Geige auspacken.

Und die Menschen werden stehen bleiben.

Die Menschen werden verstehen.

Die Menschen werden danke sagen.

Und sie werden tanzen.

Und bis er wiederkommt, packen wir unsere Instrumente aus und spielen. Das ist wohl nur ein Vorspiel und klingt nicht ganz so himmlisch.

Jesus sagt: das sei schon in Ordnung so.

Ein Vorspiel unter offenem Himmel – unser Auftrag.

Unter offenem Himmel ein Präludium in C.

Mein Vater übrigens hat selbst Geige gespielt.

Und mir geduldig zugehört.

Bei allen Fehlern und Tönen.

Umwege

Das ist ein Umweg. Und du bist nicht schwindelfrei.

Und da hinten wird es schwarz.

Simone auf 2.500 m Höhe in Österreich

Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken,

und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR,

sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde,

so sind auch meine Wege höher als eure Wege

und meine Gedanken als eure Gedanken.

Jesaja 55,8.9

Nichts in der Bibel ist »glatt«.

Nichts im Talmud, nichts im Koran, nichts in den Veden.

Es gibt keine »glatten« Lebensläufe.

Es gibt Umwege, Ecken, Querungen,

steile Treppen und Gletscherspalten.

Im ersten meiner Bücher habe ich geschrieben:

»Alle unsre Wege, Herr,

führen in deine Hände.

Lass deine Hände offen, Herr,

bis wir uns finden,

komm uns entgegen

und achte auf uns –

wir kommen auf Umwegen.«

Den Verlag gibt es nicht mehr. Mein Buch1 nur noch antiquarisch. Was bleibt, ist die Sehnsucht, dass man auch auf Umwegen ankommt. Dass es für die Müden ein Fest gibt und dem Zweifler eine verständliche Antwort.

Seit dem ersten Buch sind 25 Jahre über das Land und die Zeit und die Seelen gegangen. Ob etwas Heilendes haften blieb?

Vielleicht ein Fingerzeig?

»Sag: Ich will«

Auto-Aufkleber

Weißt du, wer ihr das Maß gesetzt hat

oder wer über sie die Richtschnur gezogen hat?

Hiob 38,5

Gott misst mit anderen Maßen.

Wir messen in Stunden,

Gott in Lichtjahren oder Ewigkeiten.

Wir in Kilowatt.

Er in Liebesenergien.

Wir in Zentimetern und Metern.

Gott in Galaxien oder was auch immer.

Wir meinen unser Recht.

Und Gott meint das, was uns rettet.

Wir haben das Größte zum Wichtigsten gemacht.

Das Universum.

Den Katalog.

Hoch- und Weitsprung.

Der Andromedanebel rast auf uns zu.

Zweieinhalb Millionen Lichtjahre entfernt.

Wenn wir uns zeitlebens,

weiß Gott, kreuzen –

oder gar vernichten,

dann gibt es eher niemanden mehr

von uns.

Ich zähle mein Leben in Jahren.

Wir zählen die Zeugnisse der Bibel in Jahrhunderten.

Wir berechnen die ersten verständigen Menschen

seit 200.000 Jahren.

Ich denke neu.

Ich denke eher vom Kleinen zum Großen.

Von der Schneise zur Wucht.

Von der Schaufel zur Sprengung.

Vom kleinen »Jetzt« zu wuchtigem »Dann«.

Von Eiszeit zu Eiszeit.

Du magst über die Polarkappen wandern,

in Tibet die Achttausender erobern

oder in der Sahara

Löwen fotografieren,

oder Giraffen

oder Antilopen

oder Elefanten.

Es bleibt, dass wir übergriffig sind.

Männer auf Mädchen.

Kinder auf Abziehbilder.

Unsereins auf die Schöpfung.

Und morgen

blüht uns

ein hartes Erwachen.

Es sei denn,

wir achten

auf die Kleinigkeiten.

Lass das Grübeln

Ich mach’ mir jeden Tag einen Kopf.

Das wummert. Und ich weiß nicht weiter.

Bernd, 45 Jahre alt, geschieden, Angestellter

Denn der HERR hat deine Strafe weggenommen

und deine Feinde abgewendet. Der HERR, der König Israels,

ist bei dir, dass du dich vor keinem Unheil mehr fürchten musst.

Zephania 3,15

Drei Schüler sprechen mit ihrem Meister.

Alle drei sind sie unzufrieden.

Sie haben Tränen in den Augen.

Wünschen sich, tiefer, eins mit Gott

und eins mit sich selbst zu sein.

Aber sie sind allesamt gescheitert.

»Was trennt mich von Gott?«, fragt der eine.

»Was trennt mich von mir selbst?«, fragt der andere.

»Warum gelingt mir nicht, was dir gelingt?«, fragt der dritte.

Intensiv betrachtet der Meister seine Schüler.

Schweigt. Nickt langsam mit dem Kopf.

»Was macht ihr am Abend, bevor ihr schlafen geht?«,

fragt er schließlich.

Der eine: »Ich ziehe die Bilanz meiner Fehler. Dann bitte ich Gott um Vergebung und Besserung am morgigen Tag.«

Der Zweite: »Ich denke intensiv darüber nach, ob ich etwas Gutes und Wesentliches versäumt habe.«

Der Dritte: »Ich halte meinen Tag neben deinen Tag, Meister. Dann überlege ich, was mir noch fehlt zur Vollkommenheit.«

Der Meister schweigt lange.

Zeit vergeht.

Er hat die Augen geschlossen.

Dann erwacht er mit einem verschmitzten Lächeln aus seiner Versenkung und wendet sich seinen Schülern zu:

»Ich habe mit euren Engeln gesprochen.

Ich habe sie gefragt,

was sie am Abend tun, bevor ihr drei schlafen geht.«

»Und was tun sie?«

»Sie nehmen all das Gute, das euch einfällt, und schmunzeln. Sie packen alle eure Leistungen und Erfolge zusammen, sammeln alle eure Fehler und Misserfolge und machen daraus einen Ball.«

»Und dann?«

»Dann spielen sie damit ein wenig.

Spaß muss sein.

Und nach dem Spiel lassen sie die Luft raus aus dem Ball

– und werfen ihn weg.«

Nichts bleibt – gedulde dich

Hey, dreh mal lauter!

Marius, 12 Jahre, auf einer Kinderfreizeit

Sei nur stille zu Gott, meine Seele;

denn er ist meine Hoffnung.

Psalm 62,6

Nichts bleibt.

Morgen schon steht die Sonne

höher oder tiefer.

Auch du bist morgen

ein anderer.

Wenn du den Weg nach innen gehst,

begegnen dir deine Schatten,

leuchtet Gott dir in die Seele,

öffnen sich Türen

und schließen sich Läden.

Geh behutsam, langsam.

Wer schnell geht,

überholt die Stille.

Gedulde dich.

Eines Tages stehst du

ganz im Licht.

Fehlender Segen

Versager!

Gabriel, 12 Jahre, nach einem Fehlaufschlag beim Volleyball, zu Stephan, 11 Jahre

Der HERR segne dich und behüte dich;

der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig;

der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.

4 Mose 6,24-26

Ich erinnere mich gut an unseren zweiten von fünf Fernsehgottesdiensten. Der Regisseur, den ich sehr mochte, Akos Ravasz, Katholik, ein sehr verinnerlichter und im guten Sinn am kultischen Geschehen interessierter Mensch, hatte es schon schwer genug mit unserer nüchternen Kirche. Wie soll man aus einer solchen Kirche einen Gottesdienst übertragen?

Zum Gottesdienst gehören Stimmungen, Gefühle, Bilder.

Er hat mich nach dem Gottesdienst kopfschüttelnd umarmt.

Es war alles gut, es war mehr als gut.

Gemeinsam hatten wir aus diesem nüchternen Raum doch noch eine Kirche werden lassen.

Aber – ich hatte den Segen vergessen. Wie kann man am Ende des Gottesdienstes den Segen vergessen. »Darauf warten die Leute«, sagte er mit seinem ungarischen Akzent. »Darauf warten die Leute. Der Segen ist das Wichtigste!« Ich, froh darüber, ohne größere Pannen über die 45 Minuten gekommen zu sein, ich hatte die Menschen um das Wichtigste betrogen, um den Segen.

Von einigen Hundert Zuschriften hat nur eine das Fehlen des Segens moniert.

Aber mir ist an dieser Geschichte vieles deutlich geworden.

Natürlich können Worte helfen und trösten. Natürlich kann eine Predigt aufrütteln, nachdenklich machen, erhellen, einladen. Aber der Segen ist eine andere Kategorie. Das ist die immer wieder neue Zusage, dass du hineingenommen bist in den großen, langen Atem Gottes, in ein von Gott in Gang gesetztes Kommen und Gehen, ein stetiges Fließen.

Und eben das suchen wir eigentlich, wo doch so vieles brüchig geworden ist. Wo du hier dich rechtfertigen und dich dort absichern musst. Es ist doch keine Liebe selbstverständlich, keine Ehe, kein Arbeitsplatz, kein Frieden. Nicht einmal Rente, Pension, Kinder- und Krankengeld.

»Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche«, das heißt, darauf kannst du dich wirklich verlassen. Und wenn dann der Pfarrer das Amen vergisst, dann ist wirklich alles aus dem Lot.

Unsere Kirche darf nicht nur der Ort sein für Gedankenarbeit. Sie muss auch ein Ort der Stille werden können. Ein geschützter Raum, in dem ich mich einstimmen lassen kann in das Danklied der Schöpfung Gottes. In dem ich beten kann und schweigen. In dem ich die Gegenwart Gottes nicht nur spüren kann, wenn »etwas getan oder gesagt« wird.

Ich bin mir der begrenzten Möglichkeiten bewusst. Aber ich weiß eben auch, dass der Mensch das braucht, lebensnotwendig.

Der Segen spricht das Lebensnotwendige zu.

Der Herr schenke dir wieder neu deine Lebenskraft,

Freude an deinen Gaben, an deiner Zeit.

Der Herr lasse dich seine Nähe spüren, mit jedem Atemzug, mit jedem Gedanken, jeder Umarmung, jedem Blick.

Gott schenke dir alles, was du zum Leben brauchst.

Gott segne dich.

So etwa.

Sense

Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg,

der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!

Matthäus 7,14

Gott schreibt auch auf krummen Linien gerade!

Paul Claudel (Der seidene Schuh)

Sie ist vielleicht Mitte vierzig.

Wir haben über Rundfunksendungen schon länger brieflichen Kontakt. Und nun ist sie zwei Stunden hergefahren und wir reden miteinander. So vieles ist schiefgelaufen in ihrem Leben. Wir suchen gemeinsam − sie in ihrem, ich in meinem Leben − nach guten Lebenserfahrungen.

Sie erzählt mir von ihrem Opa.

Wahrscheinlich ein sehr einfacher Mann, aber ausgestattet mit Herzensweisheit.

Sie erzählt, dass sie Linkshänderin ist. In ihrer Kinderzeit hat man das noch als Krankheit auszutreiben versucht. Wie man Bäume auf Spalierobstgröße schneidet, damit man sich nicht mehr bücken, nicht mehr strecken muss, sondern einfach nur die reifen Früchte pflücken kann. Eine Frucht wie die andere.

Niemand erlaubte ihr damals, eine Linkshänderin zu sein.

Die linke Hand wurde beim Essen und Malen auf den Rücken gebunden.

Nur einer durchbrach dieses Gefängnis:

Es ist der Opa, der ihr eine Sense, so erzählt sie lachend, »falsch herum« dengelt, eben so, dass sie sie als Linkshänderin benutzen und ihren ganz eigenen Beitrag leisten kann.

Ohren auf Durchzug

Die ist für mich gestorben.

Ellen, 35 Jahre alt, Briefträgerin, nach einer Enttäuschung über eine Kollegin bei einem kurzen Espresso in unserem Garten

Gib dich nie auf, lass nicht deine Träume hängen.

Wenn nur Freudenglocken klängen, fiel das Schöne nicht mehr auf.

Lass für heut die Suche sein, morgen wirst du Freunde finden,

dich am frohen Mut betrinken. Morgen wirst du Sieger sein.

Christoph Engelsberger

Er steht am Fenster.

Blickt starr hinaus.

Sie weiß nicht, was ihn dort draußen so interessiert.

Sie ist aufgewühlt.

Rote Augen, fahrige Hände, unruhiger Blick.

»Aber versteh doch«, sagt sie, »so geht das nicht weiter. Ich brauche – ich brauche Verlässlichkeit. Ich muss wissen, dass mit der anderen Schluss ist. Dann kann ich wieder anfangen. Aber ich muss wissen, dass Schluss ist. Martin. Martin! Hörst du mir denn gar nicht zu?«

Er dreht sich weg vom Fenster.