Der alte Hof von Averøya – Tage des Sturms - Harriet Hegstad - E-Book
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Der alte Hof von Averøya – Tage des Sturms E-Book

Harriet Hegstad

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Beschreibung

Kann ihre Liebe diese Prüfung bestehen? Kristiansund an der Küste Norwegens, Anfang des 20. Jahrhunderts: Die Liebe der jungen Schneiderin und Bauerntochter Emma zum Nachbarssohn Olav gerät ins Wanken, denn obwohl sie ihm treu ist, wird Olav zunehmend eifersüchtig und macht ihr Vorwürfe. Trotzdem freut sie sich darauf, auf ihre Heimatinsel Averøya zurückzukehren und mit ihm dort ein Fest zu besuchen. Bei dem ausgelassenen Abend ist es dann plötzlich Olav, der mit einem anderen Mädchen tanzt und Emma einfach stehenlässt. Emma versteht die Welt nicht mehr. Doch all das scheint gegen den Schrecken am nächsten Morgen zu verblassen, als Tora, eine Magd vom Hof der Dals, plötzlich verschwunden ist – und eine fieberhafte Suche auf der Insel beginnt, bei der alle das Schlimmste befürchten ... Die große Norwegen-Saga über einen Inselhof und die dramatischen Schicksale, die dort unter weitem, blauem Himmel ihren Lauf nehmen. Der vierte Band dieser Familiensaga wird Fans von Ines Thorn und Charlotte Jacobi begeistern.

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Seitenzahl: 264

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Über dieses Buch:

Kristiansund an der Küste Norwegens, Anfang des 20. Jahrhunderts: Die Liebe der jungen Schneiderin und Bauerntochter Emma zum Nachbarssohn Olav gerät ins Wanken, denn obwohl sie ihm treu ist, wird Olav zunehmend eifersüchtig und macht ihr Vorwürfe. Trotzdem freut sie sich darauf, auf ihre Heimatinsel Averøya zurückzukehren und mit ihm dort ein Fest zu besuchen. Bei dem ausgelassenen Abend ist es dann plötzlich Olav, der mit einem anderen Mädchen tanzt und Emma einfach stehenlässt. Emma versteht die Welt nicht mehr. Doch all das scheint gegen den Schrecken am nächsten Morgen zu verblassen, als Tora, eine Magd vom Hof der Dals, plötzlich verschwunden ist – und eine fieberhafte Suche auf der Insel beginnt, bei der alle das Schlimmste befürchten ...

Über die Autorin:

Harriet Hegstad, Jahrgang 1944, ist eine norwegische Autorin. Bevor sie sich dem Schreiben widmete, arbeitete sie als Kindergärtnerin. Viele ihrer populären Kurzgeschichten und Romane sind bereits in skandinavischen Wochenzeitschriften erschienen und sie hat an mehreren nordischen Roman- und Kurzgeschichtenwettbewerben erfolgreich teilgenommen. Harriet Hegstad liebt die Natur, das Angeln und Bücherlesen, Handarbeiten und auf Reisen gehen. Sie hat vier erwachsene Kinder und sieben Enkel.

Harriet Hegstad veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Averøya-Reihe mit den Bänden »Der alte Hof von Averøya: Die geheime Hoffnung«, »Der alte Hof von Averøya: Zeit des Schicksals«, »Der alte Hof von Averøya: Ein neuer Anfang«, »Der alte Hof von Averøya: Tage des Sturms« und »Der alte Hof von Averøya: Wandel des Herzens«.

***

eBook-Erstausgabe Dezember 2024

Die norwegische Originalausgabe erschien erstmals 2016 unter dem Originaltitel »Sorgens ansikt« bei Cappelen Damm, Oslo.

Copyright © der norwegischen Originalausgabe 2016 Cappelen Damm

Copyright © der deutschen eBook-Erstausgabe 2024 dotbooks GmbH und der deutschen Audio-Erstausgabe 2024 SAGA Egmont

Übersetzt von SAGA Egmont

Nachbearbeitung durch Sylvia Nordebo

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98952-582-5

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit gemäß § 31 des Urheberrechtsgesetzes ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Harriet Hegstad

Der alte Hof von Averøya:Tage des Sturms

Roman – Band 4

Aus dem Norwegischen von SAGA Egmont, Nachbearbeitung durch Sylvia Nordebo

dotbooks.

Personenliste

Emma Vik

Johannes Vik: Emmas Zwillingsbruder

Jacob Vik: Emmas älterer Bruder

Ragna Vik: Emmas jüngere Schwester

Karen und Peder Vik: Emmas Eltern

Serine und Einar Dal: Nachbarn der Viks

Olav, Tore, Synnøve, Dagny und Grete Dal: Kinder der Dals

Augusta Vik: Emmas Tante, Näherin

Nicolai Thorp: Künstler

Kapitel 1

Averøya 1911

Ganz vertieft in seine eigenen Gedanken, bemerkte Johannes erst, dass Tore stehen geblieben war, als er von hinten in ihn hineinlief.

»Pst!« Tore hielt sich den Finger vor den Mund. »Sei still«, flüsterte er.

»Was ist denn?«

»Da unten ist jemand. Ich habe einen Mann von hinten gesehen. Schau, da ist er.«

Johannes spähte durch das Laub, sah aber nichts.

»Wo?«

»Da unten. Gleich kommt er auf die Lichtung und wir sehen, wer es ist.«

Kurze Zeit später sahen sie einen Mann in einem dunklen Anzug aus dem Wald kommen. Johannes sah, dass er einen breitkrempigen, dunklen Hut trug, hager war und leicht hinkte. Irgendetwas an ihm kam ihm bekannt vor, aber das Gesicht lag im Schatten. In der Eile konnte Johannes nicht erkennen, wer es sein könnte.

»Jetzt habe ich diesen Mistkerl!« Tore fauchte wie eine Wildkatze und rutschte den Abhang hinunter.

Johannes blieb keine Zeit zu reagieren. Tore lief hinter dem Mann her, der stehen blieb und über seine Schulter schaute.

»Du Mistkerl! Dir werde ich es zeigen …«

»Tore!« So schnell er konnte, versuchte Johannes, den Abhang herunterzulaufen, rutschte aber auf dem glatten Untergrund aus. Er bekam Gestrüpp zu fassen, und es gelang ihm, sich auf den Beinen zu halten. »Tore!«

Er war jedoch nicht schnell genug, um Tore einzuholen. Tore stürzte sich auf den Mann, sodass beide zu Boden gingen. Der Hut des Mannes rollte davon und blieb in einer Pfütze liegen.

»Schluss jetzt! Was, um Himmels willen, machst du, Junge!« Die Stimme war unverkennbar. Es war Jens. »Willst du mich umbringen?«

»Jens?« Tores Hand fiel nach unten, und er ließ ihn los. Jens sank zurück und blieb auf dem Boden liegen. »Bist du das …? Ich dachte …«, stammelte Tore.

»Was soll das?« Endlich hatte Johannes ihn eingeholt und sah seinen Kameraden bestürzt an, bevor er sich Jens zuwandte. »Bist du verletzt?«

»Woher soll ich das wissen? Hilf mir auf, zum Teufel!«, fauchte Jens wütend. Er wischte sich den Schmutz von den Händen, bevor er Johannes die Hand hinstreckte. Er warf Tore einen eisigen Blick zu. »Kann man jetzt nicht mehr auf seinem eigenen Grund und Boden spazieren gehen, ohne Gefahr zu laufen, niedergeschlagen zu werden?«

Tore stand mit herabhängenden Armen da und starrte Jens und Johannes an, wobei ihm die Schamesröte in die Wangen stieg.

»Jetzt hilf mir! Steh nicht herum und glotze!«

»Ja … ja, natürlich.« Tore kam zu sich und beugte sich vor. Gemeinsam halfen sie Jens auf die Beine.

»Autsch!« Jens stöhnte vor Schmerz auf und wurde kreidebleich im Gesicht. Eine Weile stand er schwankend da.

»Wo tut es weh?« Johannes begann, sich Sorgen zu machen.

»Ich bin auf meine kaputte Hüfte gefallen …« Jens verzog das Gesicht, blieb eine Weile stehen und hielt sich die Seite, ehe er seinen Blick auf Tore richtete.

»Ich dachte, du wärst endlich erwachsen geworden, aber du bist immer noch der gleiche Bengel, der du schon immer gewesen bist.«

»Es tut mir leid, Jens. Ich dachte …«

»Dachtest was?«

»Dass du jemand anderes bist.«

»Jemand anderes?« Jens stützte sich auf Johannes und schüttelte langsam den Kopf. »Ich weiß nicht, was ihr hier macht. Aber du hättest dich vielleicht vorher vergewissern können, ob du dich auf den richtigen Mann stürzt. Egal, für wen du mich gehalten hast.«

»Du hast recht, und ich bitte wirklich vielmals um Entschuldigung, Jens.« Tore hob den Hut auf und schlug ihn gegen sein Hosenbein, wobei der Schlamm nur so um ihn herum spritzte. Er sah den Hut einen Moment lang an und murmelte: »Ich kaufe dir einen neuen.«

»Das ist wohl das Mindeste, was du tun kannst«, gab Jens wütend zurück.

»Kannst du laufen?« Johannes war immer noch besorgt. »Ich kann das Pferd holen.«

»Das Pferd!« Jens schnaubte verächtlich. »Hier kommst du mit dem Wagen nicht durch. Ich gehe zu Fuß nach Hause, und wenn meine Hüfte bricht!« Er machte einen Schritt, dann noch einen zweiten, schwankte und musste sich auf Johannes stützen. Sein Blick war verwirrt. »Vielleicht brauche ich doch Hilfe.«

»Wir bringen dich schon nach Hause, Jens. Stütz dich bei mir ab.« Tore legte ihm den Arm um die Schulter, aber Jens riss sich los.

»Finger weg!«, zischte er scharf. »Ich traue dir nicht.«

»Aber, Jens …« Tore sah ihn flehend an. »Du glaubst doch nicht, dass ich dir etwas tun wollte? Ich habe doch gesagt, dass ich dachte, du seist jemand anderes.«

»Wer denn?«

Tore strich sich über die Stirn und sah Johannes an.

»Wir … wir haben nach jemandem gesucht, der sich hier im Wald herumtreibt.«

»Hier treibt sich niemand im Wald herum, wie du so schön sagst. Ich gehe hier jeden Tag spazieren, und sehe nur eure Kühe, die auf meinem Grund und Boden weiden. Wer hat euch die Erlaubnis dazu gegeben?«

»Das habe ich nicht gewusst.«

»Na, sei’s drum.« Jens schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches, ehe er, auf Johannes gestützt, weiterhumpelte, der ihn um die Taille gefasst hatte.

»Wir können dich tragen«, schlug Johannes nach einer Weile vor, als er sah, wie sehr die Schmerzen Jens zu schaffen machten.

»Das kannst du machen, wenn ich im Sarg liege«, gab er zur Antwort.

Johannes konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.

»Sag Bescheid, wenn du eine Pause machen willst«, sagte er und sah Tore an, der mit dem schmutzigen Hut in der Hand neben ihm herging. So kleinlaut hatte er Tore nicht mehr gesehen, seit er um ein Haar Jens‘ Scheune angezündet hätte. Eigentlich war er damals alt genug gewesen, um zu wissen, dass er beinahe eine Katastrophe verursacht hätte.

Johannes verstand die Wut, die in ihm schwelte, und dass er den Kerl, der Synnøve vergewaltigt hatte, schnappen wollte, aber manchmal war es einfach klüger, zuerst nachzudenken und dann zu handeln.

Jens war kreidebleich und schweißüberströmt, er biss jedoch die Zähne zusammen und stolperte weiter.

Endlich waren sie da, und Johannes half Jens ins Wohnzimmer. Jens ließ sich auf den Diwan sinken, der unter seinem Gewicht knarrte.

»Kannst du mir helfen, meine Schuhe auszuziehen, Johannes?«

Johannes kniete sich hin und zog ihm die Schuhe aus. An einem Schuh waren die Schnürsenkel mehrfach geknotet und schwierig aufzubekommen. Er warf Jens von unten einen Blick zu.

»Der Doktor sollte sich deine Hüfte ansehen. Sie könnte gebrochen sein.«

»Pa! Durch diese Tür kommt mir kein Arzt, nur damit das klar ist, und du …« Er zeigte mit einem zitternden Finger auf Tore. »Du verschwindest von hier. Wenn du mit Lefse und frischem Brot zurückkommst, verfüttere ich es an die Möwen!«

»So ein Unsinn!« Tore richtete sich auf, seine Augen hatten sich verengt. »Ich würde dir nie etwas tun, das weißt du, Jens. Es war alles ein riesiges Missverständnis, und ich entschuldige mich nochmals dafür.«

»Jaja …« Jens warf die Decke beiseite und zog eine schmerzverzerrte Grimasse, als er sich zurücklehnte und den Kopf gegen das Kissen lehnte. »Von mir aus, aber jetzt will ich meine Ruhe haben.« Er wedelte mit der Hand. »Haut ab!«

»Können wir noch irgendetwas für dich tun?« In dem Zustand, in dem Jens war, wollte Johannes ihn eigentlich nicht allein lassen. »Soll ich Kaffee kochen und ein paar Scheiben Brot belegen?«

»Nein danke. Ich will nur meine Ruhe …« Jens ächzte, drehte ihnen den Rücken zu und zog die Decke bis zu den Ohren, sodass nur noch sein Haarschopf zu sehen war. »Geht jetzt«, murmelte er, »und lasst mich in Frieden.«

»Was sollte das? Hattest du wirklich nicht gesehen, dass es Jens war?«, fragte Johannes auf dem Heimweg.

»Nein, hatte ich nicht.« Sein Gesicht war unter seinem Hut verborgen. »Ich hätte nicht gedacht, dass er so weit laufen kann, so gebrechlich, wie er ist.«

»Du kennst ihn wirklich überhaupt nicht. Jens geht immer spazieren, um sich in Form zu halten.«

»Mit seiner Hüfte?« Tore schüttelte den Kopf. »Es fällt mir schwer, das zu glauben.« Er blieb stehen und sah Johannes an. »Vielleicht ist es besser, wenn wir die Geschichte für uns behalten.

»Warum das denn? Jens wird allen davon erzählen, die er trifft. Er ist wirklich wütend auf dich.«

»Ja, das habe ich mitbekommen, stell dir vor.« Tore sah ihn unsicher an: »Was meinst du, was Vater sagen wird, wenn er das hört?«

»Sag einfach, wie es war. Erklär ihm, du dachtest, dass er der Mann war, der im Bootshaus gezündelt hat.«

»Und du glaubst, das nimmt er mir ab?« Tore schnaubte. »Nie im Leben … Wenn es nur jemand anderes als Jens gewesen wäre«, murmelte er und ging weiter.

»Wie meinst du das?« Johannes sah ihn verständnislos an. »Wäre es in Ordnung gewesen, wenn es ein anderer Nachbar gewesen wäre? Vater zum Beispiel?«

»Natürlich nicht …« Tore schluckte, sein Blick ging unruhig hin und her. »Ich meinte nur, dass Jens alt und gebrechlich ist und dass …«

»So ein Quatsch!« Johannes sah ihn scharf an und fasste ihn am Arm, damit er stehen blieb. »Hast du es auf seinen Hof abgesehen, Tore?«

Tore zuckte zusammen, als hätte er eine Ohrfeige bekommen, und riss die Augen auf.

»Den Hof? Wie kommst du denn darauf?«

»Nur so.« Johannes hielt Tores flackernden Blick fest.

Tore zuckte mit den Schultern, bückte sich und hob ein Espenblatt auf. Er hielt es gegen das Licht und musterte es genau, als ob er Zeit für eine Antwort bräuchte.

»Ich dachte, du seist an seinem Hof interessiert. So wie du ihn hofierst und ständig um ihn herumscharwenzelst.«

»Jetzt reicht es aber!« Johannes wurde wütend. »Ich habe sogar ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn so selten besuche. Meine Mutter kümmert sich wirklich um ihn, aber ich war im letzten Jahr kaum bei ihm.«

»Ja, Karen kümmert sich«, antwortete Tore spöttisch. »Und ich frage mich, warum.«

»Reiß dich zusammen, Tore. Was stimmt eigentlich nicht mit dir?«

»Bei mir ist alles in bester Ordnung.« Er lachte, aber seine Augen blieben kalt. »Das wäre doch wie gemacht für dich, du hast doch schon immer von deinem eigenen Hof geträumt. Du bist nicht der Hoferbe. Wenn du also unbedingt Bauer werden willst, brauchst du einen Hof. Ist doch so, oder?«

Johannes wurde über und über rot. Wut und Bitterkeit erfüllten ihn, weil Tore alles herumdrehte. So war es schon immer gewesen, dachte er düster. Tore konnte Worte wie Pfeile setzen. Meistens wirkten sie genau, wie er wollte.

»Ich bin nicht der Hoferbe, nein, aber …« Er erhob den Finger gegen Tore. »Wenn ich meinen eigenen Hof bekomme, dann nicht hier auf Averøya, nur damit das klar ist.«

»Warum nicht?« In Tores Blick war deutlich zu sehen, dass er sich überlegen fühlte.

»Denk an meine Worte, Tore Dal.« Johannes steckte die Hände in die Hosentaschen und ging mit bestimmten Schritten weiter, blieb dann aber erneut stehen. Plötzlich lief es ihm eiskalt den Rücken herunter. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen waren wie weggeblasen. »Was, wenn er stirbt, Tore, und wir haben ihn einfach allein gelassen?«

»Er ist auf die Hüfte gefallen, nicht auf den Kopf. Übertreib nicht, Johannes.«

»Ich weiß, aber ältere Menschen vertragen nicht so viel Aufregung. Jens ist über neunzig. Er könnte einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen. Vielleicht sollten wir doch den Doktor holen.«

Tore blieb kurz stehen und dachte nach.

»Er wird ihn rauswerfen, und wir haben versprochen, ihn nicht zu rufen.«

»Das Risiko müssen wir eingehen. Ich kann das Pferd nehmen und ihn holen.«

Kapitel 2

Emma gähnte ausgiebig und ließ ihren Blick zufrieden über die Bluse schweifen, die sie genäht hatte. Jetzt fehlten nur noch die Knöpfe. Perlmuttknöpfe, die so filigran waren, dass sie Mühe hatte, mit ihnen zu arbeiten. Sie sah zu Augusta hinüber und dachte an das, worüber sie gesprochen hatten, und alles, was Augusta ihr anvertraut hatte. Ihre Tante befürchtete, dass Olav eifersüchtig war, und wollte sie warnen. Das war sicher gut gemeint, und obwohl Emma klar war, dass Olav eifersüchtig war, war er ganz anders als der Mann, mit dem Augusta zusammen gewesen war.

Augusta hätte einen Sohn oder eine Tochter haben können, dachte sie traurig, aber es hatte nicht sein sollen. Augusta schien sich unwohl zu fühlen, als bereue sie, ihr Herz erleichtert zu haben. Oder bedrückte sie noch etwas anderes? Sie wirkte zerstreut, und obwohl sie Emma für ihre Arbeit lobte, hatte sie etwas Abwesendes an sich, als ob sie mit ihren Gedanken ganz woanders war.

Emma warf einen langen Blick auf die Uhr. Es waren noch einige Stunden, bis der Tag zu Ende war.

Augusta schnitt den Faden ab und legte den Rock, den sie gerade nähte, aus den Händen.

»Ist es gestern spät geworden, Emma?«

»Es … ist ein bisschen spät geworden. Olav und ich haben aufgeräumt und geputzt …«

»Das habe ich mir gedacht. Sie winkte ab und sah nachdenklich aus dem Fenster. Dann wandte sie sich an Emma und sagte:

»Du bist nicht die Einzige, die müde ist, Emma. Gestern Abend ist etwas passiert, das mir nicht mehr aus dem Kopf geht.«

»Was denn? Es ist aber nichts zu Hause passiert, oder?«

»Nein, alles gut.« Augusta versuchte, sie mit einem Lächeln zu beruhigen. »Es tut mir leid, ich habe mich ein wenig missverständlich ausgedrückt …« Sie wischte sich mit der Hand über die Augen.

»Was ist denn, Tante Augusta?«

»Ich weiß es nicht genau, aber es war ein furchtbarer Tumult bei … Aslak.«

»Tumult … Wie meinst du das?«

»Ich habe gesehen, wie seine Frau auf einer Trage aus dem Haus gebracht wurde, und …« sie schluckte schwer, »sie lag ganz still. Sie sah aus, als wäre sie tot.«

»Tot?« Emma schüttelte mit offenem Mund den Kopf. »Wahrscheinlich hatten die Wehen eingesetzt, Tante Augusta.«

»Das dachte ich auch, aber sie hat sich überhaupt nicht gerührt. Keine einzige Bewegung war zu sehen.«

»Vielleicht irrst du dich«, flüsterte Emma. »Auf die Entfernung ist das schwer zu sehen.«

»Hoffen wir’s.

»Wann war das?«

»Gegen zehn.« Augusta nahm einen tiefen Atemzug, saß eine Weile nur da und blickte nachdenklich vor sich hin. »Irgendetwas ist nicht in Ordnung. Da bin ich mir sicher.«

»Warum sagst du das?«

Ihre Tante sah sie ernst an, biss sich auf die Lippe und krallte ihre Hände im Schoß zusammen.

»Eigentlich wollte ich dir nichts davon sagen, aber es lässt mir keine Ruhe. Ich muss es einfach jemandem erzählen. Jedes Mal, wenn ich die Augen schließe, sehe ich sie vor mir …«

»Jetzt hast du schon so viel gesagt, jetzt kannst du mir auch alles erzählen. Was hast du gesehen?«

Augusta zog den Atem ein.

»Die Schlafzimmer liegen im zweiten Stock, und dort habe ich gesehen, wie sie sich gestritten haben.«

Emma sah sie skeptisch an.

»Wie konntest du das aus dieser Entfernung erkennen?«

»Die Lampe war angezündet, und ich habe gesehen, wie sie ihm ein Stück Papier vorgehalten hat. Es war ganz deutlich, dass sie sich über etwas stritten. Sie war wütend, wie es schien, und ich habe gesehen …« Sie atmete schwer. »Ich habe gesehen, wie Aslak ihr das Papier aus der Hand gerissen hat. Sie hat ihn weggestoßen und ist vor ihm weggelaufen. Ich konnte nicht sehen, wie sie aus dem Zimmer lief, aber vermutlich hat sie es verlassen.«

»Und was hat er dann gemacht?« Emma wagte kaum zu atmen. »Ist er ihr nachgelaufen?«

»Ich konnte sehen, dass er etwas rief, danach ist er aus meinem Blickfeld verschwunden.«

Schweigend sahen sie sich an.

»Vielleicht hat sie sich so aufgeregt, dass die Wehen eingesetzt haben«, flüsterte Emma, »und dann hat es einen Unfall gegeben.« Sie stand auf, ging zum Fenster und sah eine Weile hinaus. War es möglich, von hier aus so gut zu sehen?

In diesem Moment sah sie, wie eine Frau das Haus des Reeders betrat. Sie trug eine große Tasche bei sich. Es war eine ältere Frau, kräftig gebaut und mit grauem Haar, das im Nacken zu einem Knoten hochgesteckt war. Die Frau trug einen langen, dunklen Rock und eine graue Bluse. Um ihre Schultern war ein schwarzer Schal gehüllt. Sie stand eine Weile und wartete, bis sich die Tür öffnete. Emma konnte Aslak in der Pforte ahnen. Die Frau trocknete sich die Augen mit einem Taschentuch, reichte Aslak die Hand und sagte etwas zu ihm, bevor sie im Haus verschwanden.

Weinte sie? Emma spürte einen Stich in ihrem Herzen und merkte, dass Augusta hinter ihr stand.

»Was, glaubst du, hat das zu bedeuten?«, fragte Emma leise.

»Ich weiß es nicht, Emma, aber wir werden es wohl …« In diesem Moment ertönte der Türklopfer. Augusta drehte sich jäh um und ging hinaus, um die Tür zu öffnen. »Wer könnte das sein?«, murmelte sie noch im Vorbeigehen.

Kurz darauf betrat Frau Halvorsen die Nähstube, dicht gefolgt von Augusta.

»Guten Tag, Emma«, sagte sie lächelnd. »Sie haben gut zu tun, wie ich sehe?«

»Ja, wir können nicht klagen«, antwortete Emma, ging einige Schritte zum Regal hinüber und tat so, als sei sie beschäftigt.

»Aber bitte setzen Sie sich doch, Frau Halvorsen.« Augusta zog einen Stuhl heran. »Was kann ich für Sie tun?«

»Ja …« Frau Halvorsen wirkte ein wenig unsicher. Sie öffnete ihre Tasche und holte einen grauen Wollstoff hervor. »Ich habe diesen Stoff, und wollte wissen, ob Sie daraus vielleicht einen Rock nähen können … Es ist nicht eilig«, fügte sie hinzu und legte den Stoff auf den Tisch. »Ich wollte ihn für die Herbstgarderobe.«

Augusta strich mit der Hand über den weichen Stoff.

»Ja, da spricht nichts dagegen. Schwebt Ihnen denn schon ein besonderer Schnitt vor?«

»Nein, das überlasse ich ganz Ihnen. Ich war so zufrieden letztes Mal.« Sie blickte zu Emma hinüber. »Wirklich äußerst zufrieden. Meine Maße haben Sie?«

»Ja, die habe ich.« Augusta faltete den Stoff auseinander. »Das reicht für ein ganzes Kostüm«.

»Tatsächlich?« Frau Halvorsen lächelte. »Dann hätte ich gerne, dass Sie ein Kostüm mit einer Jacke nähen, die die Taille schön betont. Bitte nicht zu lang, das steht mir nicht.« Sie reckte den Hals und sah aus dem Fenster, stieß einen tiefen Seufzer aus und strich mit ihrer Hand über ihre Oberlippe. »Sie haben schon von der Tragödie gehört, oder?«

»Welche Tragödie?« Augusta setzte sich ihr gegenüber.

Frau Halvorsen schüttelte langsam den Kopf.

»Charlotte, die Tochter des Reeders, ist gestern Abend verstorben …«

Augusta rang nach Luft und wurde blass. Emma blieb mit einer Schachtel Knöpfe in der Hand wie angewurzelt stehen.

»O je, ich muss dann auch mal wieder.« Frau Halvorsen sah Augusta entschuldigend an. »Ich war mir so sicher, dass Sie es schon wissen. Ich dachte, weil Sie ja ganz in der Nähe wohnen.«

Augusta warf Emma einen warnenden Blick zu. »Nein, wir waren gestern Abend nicht zu Hause. Was ist denn passiert?«

Frau Halvorsen beugte sich vor und flüsterte.

»Es heißt, sie sei die Treppe heruntergefallen und später in der Nacht an ihren Verletzungen gestorben.«

»Was sagen Sie da?« Augusta starrte sie entsetzt an. »Aber wie?«

»Ihr Mann, der Arme, saß in seinem Büro und arbeitete, als er ein lautes Geräusch hörte. Er lief in den Flur, um nachzusehen, was es war. Da fand er sie am Fuße der Treppe.« Frau Halvorsen sah sie betrübt an. »Ist das nicht schrecklich? Und der arme Junge, der ganz ohne Mutter aufwachsen muss.«

Augusta entfuhr ein Wimmern wie von einem verletzten Hund, doch Frau Halvorsen war nicht zu bremsen.

»Es wurde alles getan, um sie zu retten … und natürlich das Kind, aber für sie gab es keine Hoffnung. Sie ist verblutet.«

»Und … und das Kind?« Augusta krallte die Hände in ihrem Schoß zusammen.

Emma setzte sich neben ihre Tante und nahm ihre Hand.

»Sie konnten das Kind holen. Ob es durchkommt, ist allerdings schwer zu sagen, auch wenn es zum Geburtstermin nur noch drei Wochen waren. Ein wenig Hoffnung gibt esalso.« Wieder stieß Frau Halvorsen einen tiefen Seufzer aus. »Ich kann nicht aufhören, an ihren Mann zu denken. Sie waren so glücklich, und hatten ein gutes Leben vor sich. Jetzt ist er allein mit zwei kleinen Kindern. Es geht ihm sehr nahe, heißt es. Der Junge wird von einer älteren Verwandten betreut. Er ist wahrscheinlich noch zu klein, um zu verstehen, was passiert ist. Gott sei Dank, dass das so ist!« Sie nickte nachdrücklich und musste tief Atem holen, als sei sie von der Flut ihrer Worte erschöpft. »Nicht auszudenken, einen so großen Kummer und den Verlust ertragen zu müssen … Das ist wirklich unvorstellbar.« Sie hatten große Pläne für die Zukunft. Jetzt steht er ganz allein da. Meine Güte, es ist schrecklich, man darf gar nicht daran denken.«

»Kennen Sie sie gut?« Emma sah sie direkt an.

»Nun ja …« Frau Halvorsens Blick wurde unsicher. »Natürlich kannte ich Charlotte. Sie ist ja hier in der Stadt aufgewachsen, ihr Mann kam von auswärts. Ich glaube, er kommt von einer der Inseln. Hitra, Frøya, oder vielleicht Averøya. Ich weiß es nicht ganz genau.«

»Und wer hat Ihnen das erzählt?« Augusta sah sie kühl an. Ihre Nasenlöcher bebten wie immer, wenn sie empört war. Die Haut spannte sich straff und weiß über ihren Wangenknochen.

»Die Frau von nebenan arbeitet im Krankenhaus und war sehr aufgeregt. Sie hat schon vieles gesehen, aber so etwas noch nicht, sagte sie. Die arme Frau konnte sich nicht einmal von ihrem geliebten Mann verabschieden, weil sie vor ihrem Tod nicht wieder zu sich kam.

»Dürfen Krankenschwestern überhaupt über das sprechen, was im Krankenhaus passiert?« Emma fühlte Wut in sich aufsteigen.

»Sie hat natürlich nicht alles erzählt, Emma. Das ist doch klar. Aber die Sache wird sich sowieso herumsprechen.«

»Vermutlich.« Emma schüttelte den Kopf. Sie dachte an den Kieselstein, der kleine Kreise zog. So, wie Frau Halvorsen herumtratschen würde, würde daraus ein Strudel werden. Aber wie viel Wahrheit steckte in dem, was sie sagte?

Frau Halvorsen sah Augusta neugierig an.

»Sie kennen Charlottes Mann vielleicht. Sie kommen doch auch von Averøya? Wenn ich jetzt darüber nachdenke, bin ich ziemlich sicher, dass er von dort kommt.«

Augusta stand jäh auf, stützte sich auf dem Tisch ab und sagte leise:

»Er ist ein entfernter Bekannter, das ist alles. Ich muss Sie bitten, mich jetzt zu entschuldigen, ich muss heute Nachmittag noch einen Rock fertig nähen.«

»Natürlich. Meine Güte, ich habe Sie schon viel zu lange aufgehalten. Das tut mir leid.«

»Wir schaffen das, bevor du fährst, was meinst du, Emma?«

»Ja, ganz bestimmt.« Sie fing den Blick ihrer Tante auf und sah, wie sehr sie sich bemühte, die Fassung nicht zu verlieren.

Frau Halvorsen ging zum Fenster hinüber. Sie blieb eine Weile dort stehen und schaute hinaus.

»Ja, ja … Die Zeit heilt alle Wunden, sagt man, aber das …?« Sie schüttelte nahezu unmerklich den Kopf. Dann nestelte sie ein Taschentuch aus ihrer Tasche hervor, wischte damit über ihre Augen und schnäuzte sich. »Wer wird sich um den kleinen Krümel kümmern, wenn er überlebt? Früher gab es Ammen, die sich solcher Kinder annahmen. Die gibt es aber heute nicht mehr. Zumindest nicht, dass ich wüsste.« Sie ging zur Tür, drehte sich um und sagte: »Wie schon gesagt, das Kostüm muss wirklich nicht vor August fertig sein. Ich schaue ab und zu mal vorbei.« Sie nickte leicht und ging, Emma hatte aber ihre geröteten Wangen bemerkt und erkannt, dass sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte.

Emma und Augusta standen schweigend beieinander, bis sie die Tür zuschlagen hörten. Danach gingen sie zum Fenster und sahen Frau Halvorsen die Straße entlanggehen. Vor dem Haus des Reeders blieb sie einen Moment stehen, nestelte ihr Taschentuch hervor und ging weiter, das Gesicht im Stoff verborgen. Sie drehte sich um, als ob sie spürte, dass die beiden dort standen. Beinahe gekrümmt vor Kummer gingt sie mit kleinen Schritten weiter.

Augusta sah ihr kopfschüttelnd nach.

»Sie kennt wirklich keinen Anstand«, sagte sie kalt. »Vielleicht kennen Sie ihn?«,sagte sie und ahmte dabei Frau Halverson nach. »Vermutlich hat sie Wind davon bekommen, dass ich mit Aslak zusammen war, hat sich aber nicht getraut, es mir ins Gesicht zu sagen, diese Tratschtante.«

Emma streichelte ihrer Tante besänftigend über die Schulter.

»Ist sie schon lange Kundin bei dir?«

»Nein, erst seit ein paar Jahren. Ich mochte sie eigentlich, aber jetzt …? Sie ist wirklich keinen Deut besser als die anderen Klatschbasen hier in der Stadt. Und wie sie ihn dann in den höchsten Tönen gelobt hat. Mir wurde beinahe schlecht. Wenn sie wüsste, was ich gestern Abend beobachtet habe. Vielleicht hätte ich es ihr sagen sollen. Dann hätte das vermutlich schon ganz anders geklungen. Es würde mich nicht wundern, wenn er seine Frau die Treppe hinuntergestoßen hätte.«

Emma sah sie entsetzt an.

»Sag so etwas nicht, Tante Augusta! Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass er das gemacht hat?«

»Sie haben sich gestritten und ich habe gesehen, wie er ihr nachgelaufen ist. Wer weiß, was danach geschah.«

»Sie war schwanger, und schwerfälliger in ihren Bewegungen. Bestimmt ist sie auf der Treppe gestolpert und konnte sich nicht mehr halten. Es muss einfach so gewesen sein.«

Augusta strich sich müde über die Stirn.

»Wir wollen es hoffen. Bitte verzeih mir, Emma, aber ich stehe gerade ziemlich neben mir! Sie ist tot. Ich denke an sie und die beiden Jungen, aber Frau Halvorsen hat gerade darüber gesprochen, wie leid es ihr für Aslak tut. Ich ertrage das fast nicht, denn er hat nie an jemand anderen gedacht als an sich selbst.«

Kapitel 3

»Lass uns zurückgehen.« Tore schaute Johannes fest an. »Es wird nur einen riesigen Aufruhr geben, wenn wir den Doktor holen, und ich glaube nicht, dass das nötig ist. Jens ist stark wie ein Bär. Lass uns vorsichtshalber zurückgehen und noch mal nachsehen.«

Johannes nickte zögernd. Tore hatte Angst vor der Aufregung, das konnte er verstehen. Es war aber noch nicht lange her, dass Jens im Wohnzimmer gefallen war und sich den Kopf gestoßen hatte, und jetzt hatte er sich erneut verletzt. Er blieb eine Weile stehen und schaute Tore unsicher an, ehe er schließlich nickte.

»Meinetwegen, aber rechne damit, dass er nicht gerade gut gelaunt sein wird. Er mag es nicht, aus dem Schlaf gerissen zu werden.«

»Das Risiko müssen wir eingehen.« Tore zuckte mit den Schultern, als wolle er sich von einer schweren Last befreien. »Er wollte nicht, dass wir den Doktor holen, und das müssen wir respektieren. Wenn wir es gegen seinen Willen machen, wird er auf jeden Fall aus der Haut fahren. Du weißt, wie schwierig er sein kann, und er ist verdammt stur.«

»Da sagst du etwas!« Johannes schüttelte resigniert den Kopf und folgte Tore.

Es war nicht weit. Sie schlichen die Treppe hinauf und öffneten die Tür. Die Scharniere knarrten, als sie sie vorsichtig hinter sich schlossen und die Tür zur Küche öffneten. Jens saß am Tisch und aß eine Scheibe Brot mit Sirup. Er sah sie verwirrt an. Die Brotscheibe fiel ihm aus der Hand, mit der Sirupseite auf den Tisch. Er stotterte:

»Seid … seid ihr zurückgekommen? Warum das denn?«

»Wir hatten ein schlechtes Gewissen, weil wir dich allein gelassen haben, ohne den Ofen anzuzünden und dir etwas zu essen zu machen.« Tores Gesicht straffte sich. »Aber das war ganz offensichtlich nicht nötig.«

»Nein. Liegen hat so wehgetan. Ich habe gemerkt, dass es erträglicher war, aufzustehen und auf einem Stuhl zu sitzen.« Ganz verlegen saß Jens da. Er schüttelte seine Hand, nahm die Scheibe Brot und legte sie auf den Teller. Der Sirup lief an seiner Hand herunter. »Wo ihr aber schon mal da seid, könntet ihr vielleicht Wasser holen und die Brennholzkiste auffüllen?«

»Natürlich!« Johannes nahm den Eimer, der neben der Küchenanrichte stand, und ging zur Tür. Während er auf den Hof lief, musste er unwillkürlich schmunzeln. Tore kam ihm nach und machte sich auf den Weg zum Holzschuppen. Er schien erleichtert und verärgert zugleich.

»Irgendwas muss sich in seinem Kopf verschoben habe«, sagte er und verschwand im Holzschuppen.

»Wenigstens muss ich mir keine Sorgen mehr um ihn machen«, fuhr er fort, als er mit einem großen Brennholzscheit wieder herauskam.

»Er wollte uns wahrscheinlich einen Schrecken einjagen«, antwortete Johannes. Er zog den Wassereimer aus dem Brunnen, band das Seil fest und warf einen kurzen Blick auf seinen Gefährten. »Er ist und bleibt einfach ein altes Schlitzohr.«

»Eines Tages fällt er in seine eigene Falle«, antwortete Tore mürrisch und ging hinein.

Johannes kam langsam mit dem Wassereimer hinterher, den er auf der Küchenanrichte abstellte. Tore heizte den Ofen an und nahm den Kaffeekessel, um ihn mit Wasser zu füllen.