Der alte Mann und sein inneres Kind - Uwe Böschemeyer - E-Book

Der alte Mann und sein inneres Kind E-Book

Uwe Böschemeyer

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  • Herausgeber: Benevento
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

Es ist nie zu spät für ein glückliches Leben In »Der alte Mann und sein inneres Kind« lässt Bestsellerautor und Psychotherapeut Uwe Böschemeyer den siebzigjährigen Henry auf sein Leben zurückblicken. Im Dialog mit seinem inneren Kind wandert er durch seine Lebensjahre von der Kindheit bis ins hohe Alter und refl ektiert dabei die Beziehung zu seinen Nächsten ebenso wie sein Denken und Handeln. Eine feinsinnige, würdevolle und gleichsam poetische Vergegenwärtigung der eigenen Vergangenheit.

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Seitenzahl: 86

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Uwe Böschemeyer

Der alte Mann undsein inneres Kind

Das Leben wirklich leben

Sämtliche Angaben in diesem Werk erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung ohne Gewähr. Eine Haftung der Autoren bzw.

Herausgeber und des Verlages ist ausgeschlossen.

1. Auflage

© 2018 Benevento Verlag bei Benevento Publishing,

eine Marke der Red Bull Media House GmbH, Wals bei Salzburg

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des öffentlichen Vortrags, der Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie der Übersetzung, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Medieninhaber, Verleger und Herausgeber:

Red Bull Media House GmbH

Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15

5071 Wals bei Salzburg, Österreich

Satz: MEDIA DESIGN: RIZNER.AT

Gesetzt aus der Minion Pro, Book Antiqua

Umschlaggestaltung: b3K design, Andrea Schneider, diceindustries

Umschlagmotiv: © Quint Buchholz, Vier Stühle (2004)

ISBN 978-3-7109-0026-6

eISBN 978-3-7109-5044-5

Für Yara und Mika

Wir träumen von Reisen durch das Weltall:ist denn das Weltall nicht in uns?Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. –Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg.In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten,die Vergangenheit und Zukunft.

Novalis

Inhalt

Vorwort

Der Junge am Meer

Der jugendliche Henry

Die ersten Jahre im Beruf

Die Zeit mit Ingrid

Die Jahre als alleinerziehender Vater und Großvater

Wer bin ich selbst?

So manche ungelöste Frage

Hatte mein Leben einen Sinn?

Was wäre, wenn ich noch einmal leben dürfte?

Auch ich muss irgendwann sterben

Wie sieht meine Lebensbilanz aus?

Der Abschied vom Meer

Nachwort

Vorwort

Da ist etwas im Menschen, das es nur einmal im Leben gibt. Ich nenne es das innere Kind. Dieses Etwas ist unvergleichlich, unverwechselbar, einzigartig. Sie und ich und wir alle miteinander sind einmalig. Das ändert sich auch nicht, wenn wir heranwachsen – in welcher Umwelt auch immer – und irgendwann, wie man sagt, erwachsen sind. Das Einmalige in uns bleibt. Wie wir aber mit dem Einmaligen in uns umgehen, bestimmt wesentlich den Verlauf unseres Daseins und bildet das innere Kind in uns aus. Ob wir uns mögen oder uns ablehnen; ob wir das Leben bejahen oder es verachten; ob wir stark sind oder schwach – das innere Kind beeinflusst weite Bereiche unserer Seele, vielleicht sogar bis zum Tod.

Es gibt viele Wege, das eigene innere Kind kennenzulernen: Sie können zum Beispiel in ruhigen Stunden Ihr ganzes Leben aufschreiben oder es einem Freund erzählen. Sie können meditierend nach Ihrem inneren Kind fragen. Es gibt Träume, die Ihnen Aufschluss über Ihr inneres Kind geben. Ein anderer Weg, es kennenzulernen, sind Wertimaginationen: bewusste »Wanderungen« ins Unbewusste. Und wann immer wir dem inneren Kind begegnen, berührt es uns. So kann es sein, dass uns bei einer Wanderung in die Tiefe ein fröhliches und gesundes Baby begegnet, das unsere eigenen Gesichtszüge trägt. Es kann aber auch sein, dass uns ein trauriges, von uns abgewandtes Kind zu Tränen rührt.

Von Henry ist in diesem Buch die Rede. Henry kam mir in den Sinn, als ich mich mit diesem Buch zu beschäftigen begann. Er hatte sich vorgenommen, nach seinem siebzigsten Geburtstag Rückschau auf sein bisheriges Leben zu halten. Er kannte keine Methode, die ihm seinen Weg zurück hätte öffnen können. Die ungewöhnlichen Bilder empfand er als Geschenke aus dem weiten Raum seiner Erinnerungen. Es gab jedoch immer wieder Anlässe, die ihn scheinbar unmittelbar mit früheren Erlebnissen verbanden. Ein Beispiel: Aus der Bar des Hotels weht der Wind einen Tango zu ihm hoch auf seinen Balkon. Einen Augenblick lang hört er dem Tango zu. Dann entführt ihn seine Erinnerung in den Ballsaal seiner Heimat, in dem er mit seiner Frau zärtlich den ersten Tango tanzte.

Oder: Im Anfangskapitel dieses Buchs sieht der alte Henry von seinem Balkon aus einen zehnjährigen, Muscheln suchenden Jungen. Magisch von ihm angezogen verfolgt Henry den Weg des kleinen Muschelsuchers, ehe ihm einfällt, dass er selbst auch einmal als Junge an diesem Strand Muscheln gesucht hat. Henry bemerkt nicht, wie sein Blick über den Jungen am Strand hinausgeht und er sich als zehnjähriger Junge im Garten seiner Eltern wiederfindet. Auch Bernhard, sein bester Freund ist da – und Karlchen, der Junge von nebenan, den Harry beschützte, wie später viele andere, die nicht stark genug fürs Leben waren.

Immer wieder erlebt Henry bei seinem Rückblick auf sein alt gewordenes Leben, wie seinen bewussten Erinnerungen jene folgen, die ihn aus der gegenwärtigen Zeit heraus in die frühere leiten. Und ihm geht auf, dass sich ein großer Zusammenhang entwickelt hat zwischen damals und heute, ja dass vieles, was er erlebt hat, durch sein früheres Leben vorgeformt war.

Am Ende der Rückschau auf sein Leben ist Henry zufrieden, zufriedener gewiss als viele Menschen heute. Dieses Gefühl steigert sich noch dadurch, dass er den weiten Raum seiner verinnerlichten Erfahrungen zu öffnen wagte, sodass die vielen schönen und wertvollen Stunden seine Gegenwart bereichern konnten.

Nein! Unsere innere Welt ist nicht nur von Bildern ausgefüllt, die unser Lebensgefühl verdunkeln. Da sind, wenn wir denn zur Suche danach bereit sind, viele Erinnerungen, die hell aus dem Dunkeln hervorragen. Lassen Sie sich darauf ein, auf Henrys, auf Ihre Wanderung durch die Zeit, auf ein Gespräch mit Ihrem inneren Kind.

Der Junge am Meer

Es ist der erste Tag in den Ferien. Henry sitzt auf dem Balkon seines Hotels und schaut aufs Meer. Fünf Wochen Urlaub liegen vor ihm. Seit zwanzig Jahren verbringt er seine Ferien hier in diesem Hotel. Allein. Seine Frau ist vor zwanzig Jahren verstorben. Er ist vor Kurzem siebzig geworden. Man hat ihn gefeiert. Einige Gäste haben ihn seit Jahren nicht mehr gesehen und über sein »jugendliches« Aussehen gestaunt. Zum Nachdenken ist er bislang nicht gekommen. Dabei hat er sich fest vorgenommen, nach dem Fest noch einmal sein ganzes Leben an sich vorbeiziehen zu lassen. An diesem Morgen jedoch findet er nicht die Ruhe, die er sich dafür gewünscht hat.

Nicht dass es im Hotel zu laut wäre – es ist unruhig in ihm.

Von seinem Balkon aus sieht er aufs Meer. Graue Wolken ziehen über den Himmel, als wären sie vor etwas auf der Flucht. Dann wieder brechen sich ein paar Sonnenstrahlen Bahn, aber nur für kurze Augenblicke. Das Meer ist etwas unruhig. In der Ferne schlagen die Wellen ans Ufer, sie sind nur leise zu vernehmen. Kein Mensch ist zu sehen. Keine Möwe kreischt. Henry fühlt sich ein wenig melancholisch, obwohl er, wie er meint, keinerlei Anlass dazu hat. Wie schön war sein Geburtstag gewesen! Die Gäste waren bester Laune. Viele Freundlichkeiten waren ihm entgegengebracht worden. Er fühlte sich jung. Er lachte viel. Auch die Jungen suchten das Gespräch mit ihm. Schön war es, rundum schön.

Er schließt die Augen und überlässt sich seinen Erinnerungen an den festlichen Tag. Vor seinem inneren Auge sieht er die Gäste wieder, so nah, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Nein, Melancholie will er heute keinesfalls aufkommen lassen, das wäre diesem Festtag, überhaupt dem Leben gegenüber nicht angemessen.

Henry war ein erfolgreicher Geschäftsmann, konnte seine Firma vor fünf Jahren seinen tüchtigen Söhnen Andreas und Ingo überlassen. An seinen vier Enkeln hatte er viel Freude. Dass seine Frau vor zwanzig Jahren an Krebs gestorben war – das ist es, was immer noch wehtat. Sie hatten eine glückliche Ehe geführt. Wären nach ihrem Tod nicht seine Söhne und Freunde gewesen … Aber sie waren da – und sind es noch immer!

Er steht auf, ergreift das hölzerne Geländer des Balkons und sagt mit lauter Stimme »Jawoll!« – ein Wort, das ungewöhnlich für ihn ist, ein Ausruf, der ihm etwas peinlich ist. Er sieht nach rechts und links zu den nachbarlichen Balkonen, um sich zu vergewissern, dass ihn niemand gehört hat.

Dann sieht er den Jungen. Er geht langsam am Strand entlang. Er scheint das Meer gar nicht zu beachten, auch nicht die anderen Spaziergänger. Offenbar sucht er etwas Bestimmtes. Seine Schritte wendet er mal nach rechts, mal nach links. Vermutlich sucht er nach Muscheln. Henry beobachtet ihn aufmerksam. Er scheint nicht älter als zehn Jahre zu sein. Zehn Jahre? Hatte nicht auch er damals – also vor sechzig Jahren! – Muscheln an diesem Strand gesucht? Damals, in den Sommerferien mit seinen Eltern? Er erinnert sich an eine große weiße Muschel. Er hatte in sie hineingehorcht und war fasziniert gewesen von dem aus der Tiefe dringenden Rauschen.

Henry verliert den Muschelsucher aus den Augen, sein Blick wandert über den Strand hinaus und verliert sich in der Weite des Horizonts. Er bemerkt nicht, wie sich seine Augen schließen. Er schläft nicht, doch er vergisst seine Umgebung. Er träumt nicht, aber es ist ihm, als hole seine Seele ihn weit zurück in eine frühere Welt.

Er sieht einen Jungen in einem großen Garten. Der Junge spielt mit einem anderen Jungen Ball. Der mit der Lederhose – das ist doch er selbst! Ja, tatsächlich! Er trägt ein rotes Hemd und einen auffälligen Gürtel um seine Hose. Sein volles Haar fällt ihm ins Gesicht. Er lacht. Der Junge im Garten ruft etwas. Henry versteht es nicht. Da formen sich seine Lippen zu einem Ruf. »Henry, Henry!«, ruft es in ihm – aber der Junge hört ihn nicht.

Dann geschieht etwas Seltsames: Der alte Henry sieht sich selbst im Garten – und spielt mit! Er lupft den Ball leichtfüßig hoch und schießt ihn einem anderen Jungen zu. Der andere – das ist ja Bernhard! Bernhard, sein bester Freund! Bernhard war für ihn wie ein Bruder gewesen. Es gab kaum einen Tag, den die beiden nicht miteinander verbrachten. Auch in der Schule saßen sie nebeneinander. Dann zog es Bernhard ins Ausland. Aber die Beziehung hielten beide aufrecht – bis zu Bernhards Tod vor zwei Jahren. Ja, hätte es diesen Freund nicht gegeben, sein Leben wäre ärmer gewesen. Auf Bernhard war immer Verlass gewesen.