Der blaurote Methusalem - Karl May - E-Book + Hörbuch

Der blaurote Methusalem E-Book

Karl May

4,6

Beschreibung

Zwischen Dieben, die Götterbilder stehlen, Beamten, die gegen klingende Münze einsperren und auch wieder laufen lassen, und gefährlichen Dschunkenpiraten spielt diese humorvolle wie auch spannende Erzählung. Karl May zeichnet in ihr ein farbenprächtiges Bild vom damaligen China. Die vorliegende Erzählung spielt in der ersten Hälfte der 70er-Jahre des 19. Jahrhunderts.

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KARL MAY’s

GESAMMELTE WERKE

BAND 40

DER

BLAUROTE METHUSALEM

EINE LUSTIGE

STUDENTENFAHRT NACH CHINA

VON

KARL MAY

Herausgegeben von Dr. Euchar Albrecht Schmid

© 1951 Karl-May-Verlag

ISBN 978-3-7802-1540-6

1. Kong-kheou, das Ehrenwort

Mein lieber Leser, hast du vielleicht den ‚blauroten Methusalem‘ gekannt? Ganz gewiss, wenn du nämlich in der betreffenden Universitätsstadt zu Hause bist oder jemals als Gast dort geweilt hast. Er war das lebendige Wahrzeichen der dortigen Alma Mater. Niemand konnte an ihm vorübersehen, und wer ihn einmal erblickt hatte, dem war es unmöglich, ihn wieder zu vergessen.

Er wohnte seit wer weiß wie vielen Semestern im Pfeffergässchen und studierte – ja, wer konnte das wohl sagen! Wem es eingefallen wäre, ihn danach zu fragen, dem hätte er mit der Klinge geantwortet, und er war als Schläger bekannt und gefürchtet.

Zur ganz bestimmten Minute trat er aus dem Hause, in dessen Parterre der chinesische Teehändler Ye-kin-li einen prächtig eingerichteten Verkaufsladen besaß, schritt, gefolgt von seinem Wichsier[1], die Straße entlang, bog rechts in die Humboldtstraße ein und verschwand dort in der Tür des ‚Geldbriefträgers von Ninive‘. So nämlich nannten die Studenten dieses vielbesuchte Bierlokal. Genau zu einer ebenso bestimmten Minute verließ er dasselbe, um nach seiner Wohnung zurückzukehren.

Das geschah täglich dreimal: vormittags, nachmittags und abends, und zwar mit solcher Regelmäßigkeit, dass die Anwohner der Humboldtstraße und des Pfeffergässchens es sich angewöhnt hatten, ihre stehen gebliebenen oder falsch gehenden Uhren nach ihm zu richten.

Eines Tages aber warteten sie vergeblich auf sein Erscheinen. Man wunderte sich, man schüttelte den Kopf. Als er auch am nächsten Tag nicht erschien, begann man bedenklich zu werden. Am dritten Tag beschloss man, Frau Stein, seine Wirtin, zu interviewen, und erfuhr auf diesem Weg, dass er die Miete auf zwei Jahre vorausbezahlt habe und dann verschwunden sei. Wohin? Das war nicht zu erfahren. Und den Sohn der Wirtin hatte er mitgenommen! Diese musste das Ziel der Reise kennen, und da sie sich kein Wort darüber entlocken ließ, so handelte es sich jedenfalls um ein Geheimnis, dessen Enthüllung man der Zukunft überlassen musste.

An jenem Vormittag, an dem der ‚blaurote Methusalem‘ zum letzten Mal im ‚Geldbriefträger von Ninive‘ gesehen worden war, hatte er selbst keine Ahnung davon gehabt, dass er am Nachmittag nicht wiederkommen und sogar für viele Monate sich fern von hier befinden werde.

Wie gewöhnlich schritt er in gravitätischer, bärenhafter Langsamkeit die Humboldtstraße zurück und ergötzte sich im Stillen über die Aufmerksamkeit, die er heute wie stets erregte. Seine Erscheinung war auch freilich auffallend genug.

Er war von hoher, breiter, wahrhaft hünenartiger Gestalt und trug sein Hektoliterbäuchlein mit dem Anstand eines chinesischen Mandarins erster Klasse. Sein Gesicht war von einem dunklen, wohlgepflegten Vollbart eingerahmt und zeigte die Fülle und Farbe eines braven Germanen, der sich darüber freut, dass die deutschen Biere längst ihren Triumphzug um die Erde vollendet haben. Quer über dieses Gesicht zog sich eine breite Narbe, die Nase in zwei ungleiche Hälften teilend – aber was für eine Nase! Ursprünglich war sie wohl das gewesen, was man eine Habichtsnase nennt; nach und nach aber hatte die Schärfe ihres Schnitts sich gemildert, um einer Fülle zu weichen, die von Semester zu Semester bedenklicher geworden war. Dazu war eine Färbung getreten, die mit der Zeit alle zwischen dem lieblichen Fleischrot und einem tiefen Rotblau liegenden Abstufungen durchlaufen hatte. Der Besitzer dieser Nase behauptete freilich, dass die Säbelwunde an der Färbung schuld sei; seine Korpsbrüder hingegen waren anderer Meinung. O Jugend, bewahre dich vor ähnlichem Ungefähr!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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