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Ein Junge wächst bei einem Schuster auf, weil seine Mutter, eine Französin, früh stirbt. Aus diesem Grunde wird er "Bonapartenschuster" genannt. Jahre später möchte Wilhelm die Tochter des Bonapartenschusters, Bertha, heiraten. Sein Vater drängt ihn jedoch, eine andere zu heiraten. Wilhelm entscheidet sich für Bertha und wird von seinem Vater daraufhin verstoßen. Was er nicht weiß: Sein Vater wird erpresst… "Der Bonapartenschuster" ist eine Kurzgeschichte. Sie wurde bereits in "Aus dunklem Tann" (Band 43 der Gesammelten Werke) veröffentlicht.
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Seitenzahl: 33
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ERZGEBIRGISCHEDORFGESCHICHTE
AusKARL MAYSGESAMMELTE WERKEBAND 43„AUS DUNKLEM TANN“
© Karl-May-VerlageISBN 978-3-7802-1333-4
KARL-MAY-VERLAGBAMBERG • RADEBEUL
Am Eingang des Dorfes lag ein kleines einstöckiges Häuschen, dessen rot angestrichenes Fachwerk munter aus dem frischen Weiß der Wände hervortrat. An einem Fenster des Wohnstübchens saß Meister Walter Matthies, der ‚Bonapartenschuster‘ genannt, und betrachtete nachdenklich das gegenüberliegende Vordergebäude des stattlichen ‚Kaiserhofs‘.
„Komm her, Vater; bitte geh auch herbei, Mutter! Das Essen ist fertig!“, weckte ihn eine freundliche Stimme aus seinem Sinnen.
Die Eltern folgten der Einladung, stellten sich an ihre gewohnten Plätze, und nachdem der Hausvater der schmucken Tochter zugenickt, faltete diese die Hände und betete:
„Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du bescheret hast! Amen, in Gottes Namen!“
„Heut mag es bei Kaisers hoch hergehn!“, bemerkte die Mutter, als das Klappern der Löffel und Messer etwas nachzulassen begann. „Wenn der Beutel so groß und voll ist, wie bei denen, so kann man sich bei der Brautschau schon sehn lassen; aber Berta, du willst heut wohl gar nichts essen?“
Das Mädchen senkte das Köpfchen tiefer über den fast noch unberührten Teller und schwieg. Der Vater enthob sie einer Antwort:
„Die richtige vornehme Frau bekommt der Albert, das muss man sagen. Und fest scheint die Sache auch schon zu sein, denn sie ist ja schon gleich in der Kirche gewesen und hat mit ihrem Seidenstaat dagesessen wie die Prinzess von ‚Schaumichan‘.“
Man sah es dem offenen Gesicht des Sprechers an, dass nicht der Neid ihm diese Worte in den Mund gelegt hatte. Der tiefe Missmut, der ihn überkam, sooft von seinem Nachbar, dem Kaiserbauer, die Rede war, hatte einen ganz anderen Grund, einen Grund, der weit, weit in die Vergangenheit zurückgriff und auf Ereignissen beruhte, über denen der Schleier der Verborgenheit ausgebreitet lag.
*
Indessen saß drüben in dem Kaiserhof das Gesinde in der Knechtstube bereits beim Essen, im Staatszimmer war nun auch angerichtet, und der Hausherr erhob seine schwere Gestalt aus dem Polster des schwellenden Sofas, auf dem er mit der zukünftigen Schwiegertochter gesessen hatte.
„Na, da kommt, setzt euch her und lasst’s euch schmecken! Steinmüller, du hast mich brav ausgefüttert, als ich bei dir zum Anspruch war; nun sieh, ob der Kaiserhof auch was leisten kann! Aber wo bleibt denn der Albert?“
Der Genannte, sein einziger Sohn und Erbe, erschien erst nach längerem Rufen und Suchen und machte Miene, sich neben der Mutter niederzulassen.
„Halt, Bursch“, gebot Kaiser, „heut ist dein Platz ein anderer. Geh her zum Fräulein Gretchen und tu nicht, als könntest du kein Mädel anschaun!“
Erst auf den besorgten Blick, den ihm die Bäurin zuwarf, gehorchte er, aber obgleich seine Nachbarin sich alle mögliche Mühe gab, liebenswürdig zu erscheinen, widmete er ihr nur die allernotwendigste Aufmerksamkeit, sah ernst und wortkarg vor sich nieder, und wie ein Teller da drüben in dem kleinen Häuschen, so wollte auch der seinige nicht leer werden. Trotz der zornigen Winke, die der Vater ihm verstohlen gab, war er der erste, der sich erhob und das Zimmer verließ.
„Hör, Kaiser“, gab der Müller seinem Unmut Ausdruck, „der Junge will mir nicht gefallen. Er ist doch ein Bursch, der sich sehen lassen kann; also warum tut er denn so zimperlich mit meiner Gret? Die Steinmühle wird nicht viel geringer sein als der Kaiserhof, und meine Tochter darf nur die Hände hinausstrecken, so hängt gleich an jedem Finger einer. Das sollte der Albert doch wissen!“
„Brauchst dich nicht so in Eifer hineinzureden, Steinmüller. Er ist sonst immer lustig und hat das Herz auf der rechten Stelle, aber mit der Gret scheint er eben noch ein wenig zaghaft zu sein. Trink nur immer weiter, ich bin gleich wieder da!“