Der Bulle und der Schmetterling - Nur der Eisbär war Zeuge - Martin Heimberger - E-Book
SONDERANGEBOT

Der Bulle und der Schmetterling - Nur der Eisbär war Zeuge E-Book

Martin Heimberger

0,0
3,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2022
Beschreibung

Folge 3: Im Karlsruher Zoo liegt ein Tierpfleger leblos im Eisbärengehege. Kommissar Schiemann weiß sofort: Hier braucht er die Hilfe von Tierflüsterin Kira Mauerfuchs. Die kriegt einen Riesenschreck - handelt es sich bei dem Toten etwa um Sebastian, ihren Freund mit ungeklärtem Beziehungsstatus? Denn der war am Vorabend noch bei ihr und behauptete, er sei in Gefahr und einem Riesenskandal im Zoo auf der Spur ... und sie hat ihn weggeschickt! Die Ermittlungen in Kiras persönlichstem Fall werden bald auch für den Kommissar tierisch brenzlig ...

Über die Serie:

Kommissar Schiemanns Leben steht Kopf: Der gemütliche Genießer und Gartenfreund blickt auf eine jahrzehntelange, makellose Karriere bei der Karlsruher Kriminalpolizei zurück - bis Kira Mauerfuchs in sein Leben tritt. Diese junge Frau hat zwei besondere Eigenschaften: Erstens versteht sie sich sehr gut mit Tieren. Zweitens überhaupt nicht mit Menschen. Aber als sie im Alleingang - und mit einem Hund als Zeugen - einen Fall löst, wird klar: Kira Mauerfuchs ist ein Naturtalent! Und so nimmt das ungewöhnliche Ermittlerteam seine Arbeit auf ...

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeDer Bulle und der Schmetterling – Die SerieTitel1234567891011121314151617181920NachwortÜber den AutorImpressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

vielen Dank, dass du dich für ein Buch von beTHRILLED entschieden hast. Damit du mit jedem unserer Krimis und Thriller spannende Lesestunden genießen kannst, haben wir die Bücher in unserem Programm sorgfältig ausgewählt und lektoriert.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beTHRILLED-Community werden und dich mit uns und anderen Krimi-Fans austauschen möchtest. Du findest uns unter be-thrilled.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich auf be-thrilled.de/newsletter für unseren kostenlosen Newsletter an.

Spannende Lesestunden und viel Spaß beim Miträtseln!

Dein beTHRILLED-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über diese Folge

Im Karlsruher Zoo liegt ein Tierpfleger leblos im Eisbärengehege. Kommissar Schiemann weiß sofort: Hier braucht er die Hilfe von Tierflüsterin Kira Mauerfuchs. Die kriegt einen Riesenschreck – handelt es sich bei dem Toten etwa um Sebastian, ihren Freund mit ungeklärtem Beziehungsstatus? Denn der war am Vorabend noch bei ihr und behauptete, er sei in Gefahr und einem Riesenskandal im Zoo auf der Spur … und sie hat ihn weggeschickt! Die Ermittlungen in Kiras persönlichstem Fall werden bald auch für den Kommissar tierisch brenzlig …

Der Bulle und der Schmetterling – Die Serie

Kommissar Schiemanns Leben steht Kopf: Der gemütliche Genießer und Gartenfreund blickt auf eine jahrzehntelange, makellose Karriere bei der Karlsruher Kriminalpolizei zurück – bis Kira Mauerfuchs in sein Leben tritt. Diese junge Frau hat zwei besondere Eigenschaften: Erstens versteht sie sich sehr gut mit Tieren. Zweitens überhaupt nicht mit Menschen. Aber als sie im Alleingang – und mit einem Hund als Zeugen – einen Fall löst, wird klar: Kira Mauerfuchs ist ein Naturtalent! Und so nimmt das ungewöhnliche Ermittlerteam seine Arbeit auf …

Martin Heimberger

Nur der Eisbärwar Zeuge

1

Flusspferde sind drollig.

Zumindest könnte man das meinen, wenn man ihre großen runden Augen, die kleinen Öhrchen und das knuddelige Bäuchlein sieht. Man begegnet ihnen in Überraschungseiern, als Schoko-Snack oder in animierten Filmen, wo sie als liebenswerte Zeitgenossen für ihr Leben gern tanzen.

Sebastian Schwartz, der als Auszubildender zum Tierpfleger im Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe für ihre Fütterung zuständig war, wusste es jedoch besser.

Obwohl sie nur Pflanzen fressen, gehören Flusspferde zu den gefährlichsten Tieren der Erde. Sie sind eiskalte Killer, denen in Afrika jährlich mehr als zweihundert Menschen zum Opfer fallen – weitaus mehr als Löwenangriffen. Sie wiegen knapp fünf Tonnen, können bis zu vierzig Stundenkilometer schnell rennen und töten ihren Kontrahenten, indem sie ihn unter ihrem Gewicht zerquetschen oder zwischen den Schneidezähnen ihres riesigen Mauls gnadenlos zermalmen.

Wenn Sebastian auf seinem Rundgang das nachtaktive Flusspferd-Pärchen Margie und Splash mit Melonen und Kohlköpfen verpflegte, machte er sich jedoch wenig Sorgen. Und warum auch? Er stand im Dickhäuter-Haus stets auf dem Vorsprung eines Holzstegs, wo er in sicherer Höhe die Leckerbissen ins Becken beförderte. Margie und Splash blickten ihn dabei von unten treudoof an und dankten es ihm jedes Mal mit einem zufriedenen Grunzen.

In der heutigen Nachtschicht erinnerte sich Sebastian jedoch wieder an alles, was ihm während seiner Ausbildung über das aggressive Verhalten der Flusspferde beigebracht wurde.

Insbesondere in dem Moment, als zwei kräftige Hände ihn mit einem Ruck über das Geländer in den Abgrund schubsten.

Während er voller Panik in dem drei Meter tiefen Becken herumstrampelte, sah er, wie zwei große Nasenlöcher direkt auf ihn zu schwammen. Die Augen, die nur wenige Zentimeter aus dem Wasser ragten, gehörten eindeutig zu Margie. Er kannte ihren Blick, ebenso ihre aufbrausende Art, mit der sie wohl zeigen wollte, wer im Gehege der Flusspferde die Hosen anhatte.

Sebastian versuchte, mit hektischen Kraulbewegungen in die entgegengesetzte Richtung zu entkommen, doch seine dicke Zoowärter-Uniform zog ihn unentwegt nach unten, sodass er kaum vom Fleck kam. Sein Ziel war die kleine Insel in der Mitte der Anlage, wo mehrere Felsen und ein abgesägter Baumstamm den Flusspferden die Möglichkeit zum Ausruhen boten.

Dummerweise stand dort schon Splash, dem heute so gar nicht nach Chillen zumute war. Er riss brüllend sein Maul auf und entblößte seine gewaltigen Eckzähne, bevor auch er seinen imposanten Prachtkörper ins Becken wuchtete.

Wahrscheinlich setzten die beiden Tiere alles daran, ihr Revier gegen den kuriosen Eindringling zu verteidigen, womöglich hielten sie Sebastian wegen seines blassen Gesichts auch für einen übergroßen Weißkohl, den es zu vertilgen galt.

Vielleicht wollten sie aber auch einfach nur spielen.

Sebastian erinnerte sich an den Fußball, den er ihnen einmal zur Freizeitbeschäftigung ins Wasser geworfen hatte. Nur noch ein zerfetzter Lederlappen war davon übrig geblieben.

Da nun Margie und Splash direkt auf ihn zusteuerten und er nicht dasselbe Schicksal erleiden wollte wie der Ball, blieb ihm nur noch ein einziger Ausweg: die Flucht nach oben.

Über das Becken im Dickhäuter-Haus führte eine Brücke, die es den Besuchern ermöglichte, in geringer Höhe durch dicke Plexiglas-Scheiben das Treiben der Tiere zu beobachten. Wie ein wasserscheuer Hund paddelte Sebastian bis zur Mitte dieser Brücke, dann streckte er die Arme aus und warf sich nach oben. Beim ersten Versuch, die untere Kante des Geländers zu packen, rutschte er mit seinen nassen Fingern ab und plumpste zurück ins Wasser. Margie schnaubte und ließ Luftblasen durch ihre Nasenlöcher blubbern, Splash zeigte erneut seine Zähne und schwamm auf ihn zu.

Der zweite Sprung war erfolgreich. Noch in letzter Sekunde, im selben Moment, als er Margies heißen Atem im Gesicht spürte, gelang es ihm, sich mit beiden Händen an einem der Pfosten, die das Plexiglas stabilisierten, festzukrallen und mit aller Kraft so weit hochzuziehen, dass er mit den Beinen einen Teil der Konstruktion umklammern konnte. Warum er den Spitznamen Fledermaus trug, war spätestens jetzt offensichtlich, als er kopfüber und regungslos am Brückenboden hing. Während die Schnauzen der beiden Nilpferde abwechselnd aus dem Wasser schnellten und ihm neugierig in die wuscheligen Haare stupsten, kniff er die Augen zusammen und hielt den Atem an. Angst davor, irgendwann den Halt zu verlieren, hatte er jedoch nicht. Denn wenn Sebastian eines gut beherrschte, dann war es das Klettern.

Fünfzehn Minuten verharrte er regungslos unter der Brücke, bis Margie und Splash endlich das Interesse an ihm verloren. Während sich die beiden in eine Ecke verzogen, um sich den leckeren Melonen zu widmen, ließ er sich lautlos zurück ins Wasser gleiten. Ohne große Wellen zu erzeugen, schwamm er langsam zu der Insel in der Mitte des Beckens, wo er sich ans Ufer hievte. Die beiden Flusspferde schreckten auf, bewegten sich aber nicht vom Fleck. Wahrscheinlich wunderten sie sich über die klatschnasse Gestalt, die auf einen der Felsen kletterte, über den abgesägten Baumstamm balancierte und mit einem beherzten Sprung auf dem um diese Uhrzeit menschenleeren Besucherweg landete.

Sebastian stieß vor Erleichterung die Luft aus, dabei prustete er selbst wie ein Flusspferd.

Nervös sah er sich um. Doch niemand war hier. Es war still im Dickhäuter-Haus. Beinahe zu still für seinen Geschmack. Dann zog er das Handy mit den belastenden Aufnahmen aus der Hosentasche.

Ob es wirklich wasserdicht war, würde sich nun zeigen.

2

Wer Tropennächte erleben will, muss nicht weit verreisen.

Ein Besuch im sommerlichen Karlsruhe genügt.

Klimaforscher prophezeien für die badische Region bis zum Jahr 2100 sogar Temperaturen wie im Herzen Tunesiens.

Doch so lange musste Kira nicht warten. Schon seit drei Tagen war der Oberrheingraben ein fester Bestandteil von Nordafrika, daran bestand kein Zweifel. Schweißgebadet wälzte sie sich auf ihrer Liege hin und her. Selbst um zwei Uhr nachts zeigte das Außenthermometer noch fünfundzwanzig Grad an, in der Jurte im Garten ihres Vaters waren es sogar noch zehn Grad mehr. Obwohl in ihrem Schlafbereich ein Standventilator leise vor sich hin surrte, war die feuchte Luft zum Schneiden dick, im Vergleich dazu hätte sich selbst eine finnische Sauna wie ein Kühlschrank angefühlt. Doch Kira hatte keine Wahl. Wenn sie im Freien geschlafen hätte, wären Myriaden von Mücken und Zecken über sie hergefallen, und zwischen den kühlen Mauern des Hauses hätte sie die Sticheleien ihres Vaters ertragen müssen.

Und das wäre noch um einiges schlimmer gewesen, zumal sie sich seit Beginn der Hitzewelle wieder mit ihm heftig um die Waschmaschine zoffte.

Daher streifte sie sich das inzwischen durchgeschwitzte Bettlaken vom Körper, lauschte dem Zirpen der Grillen und quälte sich weiter durch die Nacht. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, wirre Szenen aus ihrer Vergangenheit blitzten an ihrem inneren Auge vorbei. Bilder von einem schwarzen Balinesenkater, einer meterhohen Flammenwand, einem silbernen Feuerzeug und einem mysteriösen Unbekannten in Gestalt eines finsteren Schattens, der an jenem Tag ihr Lebensglück zerstört hatte. Seitdem sie vor einer Woche bei der Aufklärung eines Mordes in einer brennenden Gartenhütte beinahe ums Leben gekommen wäre, waren alle Erinnerungen zurückgekehrt. Der Tod ihrer Mutter fünfzehn Jahre zuvor war kein Unfall gewesen. Jemand hatte das Feuer absichtlich entfacht, um die Tierpension in Schutt und Asche zu legen. Doch beim Versuch, ihre Mutter und die Hunde und Katzen aus dem Inferno zu retten, hatte sie jämmerlich versagt. Im Schock erstarrt, und unfähig, ihre Beine zu bewegen, wäre sie beinahe selbst den Flammen zum Opfer gefallen. Und zu allem Überdruss hatte man auch noch ihr die Schuld an dem Unglück gegeben, da sie ja so gerne mit dem Feuerzeug ihres Vaters gespielt hatte.

Damals war sie neun gewesen, ein Alter, in dem man noch alles glaubt, was die Erwachsenen einem erzählen. Doch heute wusste sie es besser. Sie erinnerte sich wieder an jedes einzelne Detail. Außer ihrer Mutter war noch jemand anderes im Gebäude gewesen. Jemand, der sie im tödlichen Qualm zurückgelassen und ihr sogar noch das Feuerzeug vor die Füße geworfen hatte. Jemand, der einen Menschen und Dutzende von Tieren auf dem Gewissen hatte und bis heute ungeschoren davongekommen war. Dass sie gezündelt hatte, war eine riesengroße Lüge, aber um das zu beweisen, gab es nur einen einzigen noch lebenden Zeugen: ein schwarzer Kater namens Pluto, der den Flammen in letzter Sekunde entkommen war. Aber der war altersschwach und hatte ein lädiertes Bein, das immer dicker wurde. Seine Operation stand nun kurz bevor. Doch selbst wenn es gelingen würde, ihn zu heilen: Was konnte er schon großartig berichten? Und wen würde es nach dieser langen Zeit überhaupt noch interessieren?

Kira lag triefend vor Schweiß auf dem Rücken und starrte frustriert Löcher in die Dunkelheit. An Schlaf war nicht zu denken. Also stand sie auf und stellte sich, nur in Unterwäsche gekleidet, direkt vor den Ventilator. Ihre dunkelblonden Haare mit den bunten Strähnen wirbelten wild durcheinander, während der Luftstrom sanft über ihre blasse Haut streichelte. Es fühlte sich so gut an. Minutenlang stand sie mit geschlossenen Augen einfach nur da und genoss die Berührungen, die eigentlich gar keine waren.

Plötzlich hörte sie ein Knacken.

Draußen auf der Wiese verstummte das Zirpen der Grillen.

Sofort schaltete sie den Ventilator aus und lauschte. Blätter raschelten. Etwas Großes plumpste auf den Boden. Ganz klar: Jemand war im Garten. Und dieser Jemand machte sich nun auch noch am Reißverschluss der Jurte zu schaffen.

Vorsichtig schnappte sie sich das Bettlaken und schlich zum Zelteingang, wo sie abwartend in die Hocke ging.

Das wagst du nicht, dachte sie.

Egal wer es war, er konnte sich auf etwas gefasst machen.

Zentimeter für Zentimeter schob sich der Reißverschluss nach oben. Kira hielt den Atem an, während sie in angespannter Lauerstellung verharrte. Genau in dem Moment, als der Eindringling einen Fuß ins Zelt setzte, sprang sie nach vorne, stülpte ihm das Leintuch über den Kopf und warf ihn auf den Rücken. Dann setzte sie sich rittlings auf ihn, wobei sie das Bettlaken mit ihren Knien so straff über seinem Gesicht fixierte, dass er kaum noch Luft bekam. Ein Fausthieb nach dem anderen prasselte auf ihn nieder, begleitet von nicht ganz jugendfreien Flüchen und Beschimpfungen. Erst als ein gedämpftes »Schmetterling, hör auf!« durch den Stoff des Leintuchs drang, ließ sie von ihm ab.

»Hey, Fledermaus, bist du das?«, fragte sie mit gespielter Verwunderung. Eigentlich war es ihr längst klar gewesen. Dem Geraschel nach hatte er die Abkürzung über die alte Rosskastanie genommen, um von dort in den Garten zu springen. Und niemand konnte so gut klettern wie Sebastian.

Aber egal, dachte sie. Verdient hatte er die Abreibung allemal.

»Ja, ich bin’s«, murmelte er kaum hörbar unter dem Bettlaken. »Nimm endlich diese Decke von meinem Gesicht.«

Erst jetzt fiel Kira ein, dass sie nur Unterwäsche trug. »Einen Moment!«, rief sie. »Ich muss mir erst was anziehen. Wehe, du rührst dich vom Fleck.«

Während Sebastian, eingehüllt in das Bettlaken, auf dem Boden saß wie ein Gespenst, schlüpfte Kira schnell in ihren orangebraunen Langarm-Hoodie und die löchrige Dreiviertel-Jogginghose, dann zündete sie zwei Teelichter an und riss ihm mit einem Ruck das Leintuch vom Gesicht. »Was soll die Scheiße? Dass du in der Berufsschule ständig an mir klebst wie eine Klette, kann ich noch ertragen. Aber nachts in mein Zelt schleichen? Das ist ja wohl das Allerletzte!«

Obwohl das Bettlaken nicht mehr über seinem Kopf hing, sah Sebastian immer noch aus wie ein Gespenst. Im Kerzenschein schimmerte seine Haut weiß, die schwarzen wuscheligen Haare standen in alle Richtungen, und auch seine langen fledermausartigen Schneidezähne blitzten deutlich hervor. »Hör mir zu, Schmetterling. Sie sind hinter mir her. Ich muss mich irgendwo verstecken.«

Kira verdrehte die Augen. »Sie schon wieder? Ist das dein Ernst?« Sebastians Paranoia, hinter jeder Ecke eine groß angelegte Verschwörung zu vermuten, nahm mitunter groteske Züge an, doch so aufgewühlt wie heute hatte sie ihn noch nie erlebt. »Wer ist es denn dieses Mal? Die Aliens? Der Geheimdienst? Oder doch wieder nur das Ordnungsamt?«

Er stand auf und kam näher. »Die Tierpfleger«, flüsterte er. »Ich glaube, sie haben mich erwischt.«

Erst jetzt fiel Kira auf, dass er eine Zoowärter-Uniform trug, die auch noch völlig durchnässt war. Außerdem roch er modrig wie ein alter Tümpel. »Was meinst du mit erwischt?«, wollte sie wissen. »Beim Rumschnüffeln? Oder beim Baden im Seehundbecken?«

»Schmetterling, ich habe dir doch neulich erzählt, dass ich da an einer Sache dran bin, die ungeheuerlich ist. Um es auf den Punkt zu bringen: In unserem Zoo werden mehr Drogen vertickt als am Hauptbahnhof.«

»Du hattest mal was erwähnt von Tierquälerei und Betäubungsmittelmissbrauch«, erinnerte sie sich.

»Ja. Du weißt doch, dass die Tiere im Zoo alle verhaltensgestört sind. Die jahrelange Gefangenschaft, das falsche Klima, die bohrenden Blicke Tausender Besucher. Irgendwann entwickeln sich Stereotypien. Die Löwen laufen wie unter Hypnose stundenlang im Kreis, die Gorillas wippen wie ein Wackeldackel rhythmisch mit dem Kopf hin und her. Wie ein stumpfsinniger Roboter spulen sie ihr Programm ab, und wenn man sie dabei stört, werden sie aggressiv. Manche Affen verletzen sich auch selbst, sie reißen sich die Haare büschelweise aus oder kratzen sich die Arme auf.«

Kira nickte. »Ich weiß. Zwangsstörungen und Neurosen sind bei Zootieren Standard. Aber deswegen gibt es ja euch Pfleger. Ihr müsst die Tiere beschäftigen und ihnen einen abwechslungsreichen Alltag bieten, damit sie vergessen, dass sie nicht in der freien Wildbahn leben, sondern auf zehn Quadratmetern Beton im Zentrum einer stinkenden Großstadt.«

»Genau, Schmetterling. Das habe ich früher auch gedacht. Aber weißt du, was die anderen Pfleger machen? Sie flößen den Tieren auf eigene Faust Psychopharmaka ein, um sie ruhigzustellen. Das hat viele Vorteile: Sie müssen sich danach nicht mehr um sie kümmern, sondern können ihre Kaffeepausen verlängern. Beim Reinigen des Käfigs verhalten sich die Tiere nicht mehr aggressiv, und bei den Besuchern hinterlassen sie einen zufriedenen Eindruck. Ich könnte das ja noch alles verstehen, wenn man den besonders hartnäckigen Fällen harmlose Präparate wie Johanniskraut ins Futter mischen würde, aber sie verabreichen ihnen völlig willkürlich Valium, Antidepressiva und neuerdings auch Partydrogen, wie Ketamin. Einige Tiere sind schon abhängig und drehen völlig durch, wenn sie nicht ihre tägliche Dosis bekommen.«

Kira stutzte und verengte die Augen zu Schlitzen. »Du erhebst ziemlich schwere Vorwürfe gegen einen so beliebten Zoo wie den Karlsruher Stadtgarten. Kannst du das auch alles beweisen? Oder hast du heute Nacht selbst Drogen genommen? Man könnte es fast meinen.«

»Jetzt pass mal auf, Schmetterling. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Mindestens zwei der Pfleger sind daran beteiligt, das weiß ich sicher. Und dafür habe ich auch Beweise. Schau mal hier.« Sebastian zog ein Handy aus der durchgeweichten Hosentasche und rückte näher an Kira heran. »Auf diesem Film siehst du, wie jemand eine Pille in eine Banane drückt und sie einem Elefanten zum Fressen reicht.«

Kira sah gar nichts. Mit dem Ärmel ihres Hoodies wischte sie die Wassertropfen vom Display. »Hm, also die Aufnahme ist ziemlich schlecht. Unscharf und viel zu dunkel. Ich erkenne hier nirgendwo eine Banane. Und weißt du was? Ich sehe nicht einmal einen Elefanten.«

»Also gut. Aber das hier wird dich überzeugen.« Er öffnete nun eine Serie von verwackelten Schnappschüssen. »Auf diesen Bildern füllt ein Pfleger zweifellos einen Tranquilizer in eine Babyflasche und verabreicht sie einem Schimpansen.«

Kira schüttelte argwöhnisch den Kopf. »Ich sehe nur, wie jemand liebevoll einen jungen Affen füttert. Weiter nichts. Das gehört zum Alltag in einem Zoo und ist keine Tierquälerei.«

»Aber du musst mir glauben«, protestierte Sebastian, während sein Finger vergeblich die Mediathek nach einem aussagekräftigen Foto durchforstete. »Bei uns werden systematisch Tiere ruhiggestellt, damit keiner mehr Arbeit mit ihnen hat. Die kaufen die Betäubungsmittel im großen Stil für angeblich medizinische Zwecke, und um sich das leisten zu können, wird auch noch außerhalb des Zoos damit kräftig Kohle gemacht. Niemand wird kontrolliert, wenn er den Zoo verlässt und dabei das ein oder andere Päckchen mit nach draußen schmuggelt.« Sebastian legte seine Hand auf Kiras Schulter. »Schmetterling, du musst mir helfen. Ich habe einen Hinweis bekommen, dass morgen Nacht eine neue Lieferung eintreffen soll, und ich will herausfinden, wer dahintersteckt. Aber ich befürchte, dass mich jemand ertappt hat.«

»Und deswegen bist du hier?«

»Ja, ich bin nirgendwo mehr sicher, die wollen mir an den Kragen. Ich muss mich dringend verstecken. Bitte vertraue mir.«

Als Kira spürte, wie sein Griff um ihre Schulter immer fester wurde, schubste sie ihn von sich weg und stemmte die Hände in die Hüften. »Hey, Fledermaus. Ich durchschaue dich. Das ist doch alles nur ein Trick, weil du heute Nacht bei mir schlafen willst.«