Der Bulle und der Schmetterling - Arsen und Spitzmäuschen - Martin Heimberger - E-Book
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Martin Heimberger

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Beschreibung

Folge 4: Kommissar Schiemann wird in den Schrebergarten "Sommerfrische e.V." gerufen - eine Würfelspiel-Runde unter Freunden endete tödlich. Und der einzige unbeteiligte Zeuge trägt Fell. Ganz klar ein Fall für Tierflüsterin Kira Mauerfuchs. Die hat eigentlich gerade andere Sorgen, denn sie entdeckt eine neue Spur zu den Tierquälern, mit denen sie noch eine offene Rechnung hat. Doch da kommt es zu weiteren seltsamen Todesfällen. Geht in der Kleingartenanlage ein Serienmörder um?

Über die Serie:

Kommissar Schiemanns Leben steht Kopf: Der gemütliche Genießer und Gartenfreund blickt auf eine jahrzehntelange, makellose Karriere bei der Karlsruher Kriminalpolizei zurück - bis Kira Mauerfuchs in sein Leben tritt. Diese junge Frau hat zwei besondere Eigenschaften: Erstens versteht sie sich sehr gut mit Tieren. Zweitens überhaupt nicht mit Menschen. Aber als sie im Alleingang - und mit einem Hund als Zeugen - einen Fall löst, wird klar: Kira Mauerfuchs ist ein Naturtalent! Und so nimmt das ungewöhnliche Ermittlerteam seine Arbeit auf ...

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber diese FolgeDer Bulle und der Schmetterling – Die SerieTitel123456789101112131415161718192021Über den AutorImpressum

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Über diese Folge

Kommissar Schiemann wird in den Schrebergarten »Sommerfrische e.V.« gerufen – eine Würfelspiel-Runde unter Freunden endete tödlich. Und der einzige unbeteiligte Zeuge trägt Fell. Ganz klar ein Fall für Tierflüsterin Kira Mauerfuchs. Die hat eigentlich gerade andere Sorgen, denn sie entdeckt eine neue Spur zu den Tierquälern, mit denen sie noch eine offene Rechnung hat. Doch da kommt es zu weiteren seltsamen Todesfällen. Geht in der Kleingartenanlage ein Serienmörder um?

Der Bulle und der Schmetterling – Die Serie

Kommissar Schiemanns Leben steht Kopf: Der gemütliche Genießer und Gartenfreund blickt auf eine jahrzehntelange, makellose Karriere bei der Karlsruher Kriminalpolizei zurück – bis Kira Mauerfuchs in sein Leben tritt. Diese junge Frau hat zwei besondere Eigenschaften: Erstens versteht sie sich sehr gut mit Tieren. Zweitens überhaupt nicht mit Menschen. Aber als sie im Alleingang – und mit einem Hund als Zeugen – einen Fall löst, wird klar: Kira Mauerfuchs ist ein Naturtalent! Und so nimmt das ungewöhnliche Ermittlerteam seine Arbeit auf …

Martin Heimberger

Arsen undSpitzmäuschen

1

Sie rannte um ihr Leben.

Ohne auch nur ein einziges Mal zurückzuschauen, stürmte sie davon. Die Panik spornte ihre Beine zu Höchstleistungen an, die rettende Tür war nur noch wenige Meter entfernt. Doch trotz ihres Vorsprungs holte er immer weiter auf. Seine Schritte hallten durch den Raum wie Donnerschläge, sein keuchender Atem fühlte sich an wie ein Sturm, der sie vom Boden riss. Die Freiheit lag direkt vor ihr, sie sah schon die ersten Strahlen des Sonnenlichts, das sich vom unteren Türspalt über die Holzdielen ausbreitete.

Doch ihr Fluchtversuch war von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Was ihr schließlich zum Verhängnis wurde, war eine Gießkanne, die jemand auf dem Boden vergessen hatte. Nur ein kleines Ausweichmanöver zur Seite, und schon stand ihr Verfolger unmittelbar hinter ihr. Obwohl er ihr körperlich klar überlegen war, vermied er die direkte Konfrontation, stattdessen streckte er seinen behaarten Arm aus und drückte auf den Knopf einer Spraydose. Das zischende Gas vernebelte ihr die Sinne, sie kippte kraftlos zur Seite, bis sie schließlich verkrümmt und mit zuckenden Beinen auf dem Boden lag. Während ihr Atem versiegte und das Leben aus ihr wich, beugte sich der Riese grinsend über sie. Die Spraydose hielt er triumphierend in die Höhe, wie einst König Artus das Schwert Excalibur, mit dem er den schwarzen Ritter bezwungen hatte.

»Ich habe das Miststück gerade noch erwischt«, rief er. »Bevor sie abhaut und ihre Freunde holt.«

»Ach, komm schon, Theo«, bekam er als Antwort. »Du bist mit dem Würfeln dran. Lass unsere Gäste nicht warten. Du weißt, dass heute viel auf dem Spiel steht.«

Theodor Schröder warf der toten Ameise auf dem Boden einen letzten höhnischen Blick zu, dann schnippte er sie lässig mit dem Finger davon. »Schatz, erinnerst du dich nicht?«, fragte er, während er neben seine Frau Hanna an dem mit Gebäck und Süßigkeiten überladenen Tisch Platz nahm. »Eine leere Limonadendose auf dem Tisch genügt. Zuerst kommt nur ein einziges dieser Biester, und eine Stunde später sind es Tausende. Unsere ganze Gartenlaube war voll von ihnen.«

Silke und Franz Eichinger, das Ehepaar, das den Schröders gegenübersaß, blickten sich verwundert an. »Aber so etwas gehört zu einem Schrebergarten dazu«, meinte Franz, der an einem Muffin herumknabberte. »Ihr habt euch doch bewusst für dieses Stück Natur entschieden, um der grauen Stadt zu entfliehen. Da dürften euch doch einige Krabbelviecher nicht stören. Für uns allerdings«, räumte er ein, »wäre das viel zu viel Arbeit hier draußen. Nicht wahr, Silke?«

»Na ja. Ich sehe das anders. Du weißt doch, wie gern …«

»Ach, hör schon auf«, unterbrach er sie. »Du hast doch Angst, dir die Fingernägel schmutzig zu machen, wenn du dich nur wegen eines Blättchens Unkraut bückst.«

Anders als die Schröders hatten sich die Eichingers bisher keinen Kleingarten am Karlsruher Stadtrand gegönnt. Sie genossen den Ruhestand auf dem Balkon in ihrer Eigentumswohnung im vierten Stock, wo sie von lästigem Ungeziefer weitgehend verschont blieben. Nur einmal in der Woche verließen sie ihre Komfortzone, um mit ihrer alten Urlaubsbekanntschaft Hanna und Theo einen spannenden Spielenachmittag zu verbringen.

»Jetzt würfle endlich!«, fuhr Hanna ihren Gatten an. »Deine Hinhaltetaktik geht mir langsam auf die Nerven.«

»Einen Moment noch«, erwiderte Theo. »Du weißt, was ich vorher tun muss.« Er beugte sich zur Seite, griff dabei in den Käfig, der neben dem Tisch auf dem Boden stand, und zog ein etwa handgroßes rotbraunes Fellbündel heraus. »Pauly ist mein Glücksbringer«, erklärte er, während er dem verwirrt dreinschauenden Kuscheltier sanft über den Rücken streichelte.

Hanna verdrehte die Augen. »Du kannst meinen Pauly doch gar nicht leiden. Er stinkt, haart und hat Milben, sagst du immer. Aber wenn es ums Glücksspiel geht, ist er dir gut genug?«

»Natürlich, er ist ein Goldhamster.« Theo setzte Pauly siegessicher auf den Tisch und nahm sich einen Käsespieß vom Snack-Tablett, dann schüttelte er den Becher mit den Würfeln. »Ihr werdet schon sehen«, verkündete er. »Eins, zwei, …«

Rums.

Er schlug den Becher mit solch einer Wucht auf die Tischplatte, dass Pauly für einen Moment den Boden unter den Füßen verlor.

»Du altes Ekel«, schimpfte seine Frau. »Du siehst doch, wie verängstigt der Kleine ist.«

Theo linste unter den Becher. »Ein Fünferpasch«, prahlte er mit perfekt aufgesetztem Pokerface und schob die Würfel verdeckt weiter an Franz. »Wehe, du zweifelst das an!«

»Also die Muffins sind ganz hervorragend«, meinte Silke. »Was ist dein Geheimrezept?«

»Ein Pfund Butter, zwei Pfund Zucker, und drei Pfund Liebe«, erwiderte Hanna stolz. »Und alles vermengt mit Freilandeiern vom Biobauern. Ganz frisch vom Wochenmarkt.«

Franz schnaubte. »Ich glaub dir kein Wort! Du lügst doch wie gedruckt!«

»Ach ja?«, erwiderte Theo. »Schau doch nach, wenn du dich traust. Aber vergiss nicht: Ich habe den Hamster gestreichelt. Du weißt, was das bedeutet.«

»Pah!«, stieß Franz aus und hob den Becher. Er fluchte, denn darunter lag tatsächlich ein Fünferpasch. Frustriert warf er Theo einen Fünfzig-Euro-Schein zu, dann würfelte er weiter. »Zweiundvierzig«, sagte er an, bevor er den Becher mit einem Augenzwinkern an seine Frau weiterreichte und nach einem der Kekse griff, die auf dem separaten Teller am Rand des Tisches angerichtet waren.

»Okay, das nehme ich dir ab«, bestätigte Silke. »Zweiundvierzig kann jeder. Das werde ich locker überbieten.«

In der Zwischenzeit fächerte sich Theo mit dem Fünfzig-Euro-Schein Luft ins Gesicht. »Ziemlich heiß heute«, murrte er und wischte sich mit der anderen Hand den Schweiß von der Stirn.

Franz zuckte mit den Schultern. »Wir haben August. Und wir wohnen in Karlsruhe. Was erwartest du? Genau aus diesem Grund kommen wir zu euch hier ins Grüne. In unserer Wohnung unter dem Dach erleidet man nachmittags einen Hitzschlag.«

Theo lachte hämisch. »Wenn du so mies weiterspielst, gehört eure Wohnung sowieso bald mir.« Dabei wedelte er mit dem Fünfzig-Euro-Schein. »Heute geht es in jeder Runde um Fuffis. Wir haben gerade erst angefangen, und bis heute Abend wird da so einiges zusammenkommen.«

»Freu dich nicht zu früh«, entgegnete Franz. »Sobald ich mich warmgespielt habe, ist das Glück auf meiner Seite.«

»Ach wirklich? Das glaubst du doch wohl selbst nicht.« Theo tippte mit dem Zeigefinger auf Paulys Köpfchen. »Was bitte willst du meinem Glückshamster entgegensetzen?«

»Ein Mäxle!«, schrie ihm Hanna ins Ohr. »Schau. Ich habe ein Mäxle gewürfelt! Zum ersten Mal in meinem Leben.« Sie klatschte zweimal in die Hände. »Das kannst du nicht überbieten, du Niete. Du musst es anzweifeln.«

»Also gut«, resignierte er. »Zeig her.«

Hanna jauchzte vor Glück, als sie triumphierend den Würfelbecher hob. »Tataa!«

Theo lehnte sich zurück und blies die Luft aus. »Das ist doch kein Mäxle, du Rindviech! Das ist ein Maierle.«

»Wie bitte?«

»Du hast eine Eins und eine Drei gewürfelt. Ganz klar ein Maierle. Ein Mäxle wäre eine Eins und eine Zwei. Mensch, Hanna! Wie lange spielen wir das jetzt schon? Wie wir alle wissen, hätte ich ein Maierle überbieten können!« Wutentbrannt riss er ihr den Würfelbecher aus der Hand. »Dein Wurf zählt nicht!« Schweißperlen rollten über seine Stirn, er zitterte am ganzen Leib. »Wir wiederholen diese Runde!«, entschied er, während Silke und Franz sich verdutzt anschauten. »Ich lege vor.«

Bevor irgendjemand protestieren konnte, gruben sich seine Finger in Paulys Fell, dann schloss er für einen Moment die Augen und schüttelte mit aller Kraft den Würfelbecher.

»Eins, zwei, …«

Rums.

Doch dieses Mal war es nicht der Becher, der auf dem Tisch aufschlug, sondern Theo selbst, der seitlich vom Stuhl auf den Boden plumpste. Dabei riss er den Keksteller mit sich, der klirrend neben ihm zerbrach.

»Mein Gott, Theo!«, schrie Hanna.

Auch die Eichingers sprangen auf und rannten um den Tisch. »Theo, alles in Ordnung?«, fragte Franz.

Doch nichts war in Ordnung. Theo lag zappelnd neben dem Tisch und rang nach Luft, seine Augen quollen hervor, die Lippen färbten sich blau. »Mmpff.« Irgendetwas versuchte er zu sagen, doch seine Zunge schwoll an. Schwerfällig streckte er den Arm aus und deutete auf den Tisch, wo das Tablett mit den Muffins und den anderen Snacks stand. Ein weiteres »Mmpff« presste er heraus, während er auf seine Frau zeigte.

Schließlich ließ er den Arm sinken und drehte sich unnatürlich verkrümmt zur Seite, woraufhin er nur noch sporadisch mit den Beinen zuckte. Während sein Atem versiegte und das Leben aus ihm wich, beugten sich Hanna, Silke und Franz über ihn, wie er es selbst vor wenigen Minuten noch bei der Ameise getan hatte. Das Grinsen allerdings verkniffen sie sich. Die drei blickten sich vorwurfsvoll in die Augen, dann wählte Hanna den Notruf

2

»Schauen Sie sich dieses Foto an. Erkennen Sie ihn?« Kriminalhauptkommissar Jens Schiemann hielt dem Mitarbeiter des Gartencenters das Handy mit einem Bild des Übeltäters vor die Nase. »Kriechender Günsel. Mein kompletter Vorgarten ist überdeckt davon. Man sieht kaum noch einen Grashalm.«

Der Mitarbeiter am Service-Point, der so jung aussah, als ob er gerade erst seine Ausbildung abgeschlossen hatte, beugte sich über den Tresen und kniff die Augen zusammen, während er die verwackelte Aufnahme begutachtete. »Also, wenn Sie mich fragen, sieht das eher aus wie der Gundermann. Beim Günsel sind die Blätter oval und spatelförmig, während sich der Gundermann in der typischen Herz- oder Nierenform entfaltet.«

»Aha.« Schiemann wischte zum nächsten Bild. »Und was ist das? Das Zeug wächst bei mir in der Einfahrt aus allen Ritzen. Man sieht kaum noch die Steine.«

»Also das«, überlegte der Mitarbeiter, »müsste die Gefleckte Zwergwolfsmilch sein. Sie stammt ursprünglich aus Nordamerika, inzwischen aber …«

»Inzwischen aber überwuchert sie meinen Hof in der Karlsruher Waldstadt«, ergänzte Schiemann. »Ist das noch normal? Ich zupf mir schon seit Wochen die Finger wund, aber für jedes ausgerissene Blättchen wachsen drei neue nach.«

Der Mitarbeiter winkte gleichgültig ab. »Daran müssen Sie sich gewöhnen. Unser Klima am Oberrhein wird immer mediterraner, und viele Pflanzen, für die es bisher bei uns zu kalt war, können sich munter ausbreiten. Aber wenn Sie in Ihrer Einfahrt mit einem kleinen Gartenhäckchen durch die Fugen kratzen, erwischen Sie vielleicht auch die Wurzeln.«

Schiemann steckte das Handy wieder in die Hosentasche und verschränkte die Arme. »Eigentlich hatte ich auf ein Mittelchen gehofft, mit dem ich dieses Problemchen viel einfacher in den Griff bekomme. Und zwar ganz ohne Häckchen.«

»Ach so«, meinte der Mitarbeiter und warf Schiemann einen verächtlichen Blick zu, als ob die Frage nach einem Unkrautvernichtungsmittel in einem Gartencenter ein Affront gewesen wäre. »Da kann ich Ihnen unser MagicEx empfehlen. Ist gerade im Angebot, ein Liter für nur …«

»Nein, danke«, wehrte Schiemann ab. »Das Zeug habe ich schon ausprobiert. Laut Datenblatt enthält es Essigsäure als Wirkstoff. Wissen Sie, im Supermarkt kostet ein Liter Essig vierzig Cent. Für das MagicEx verlangen Sie zwanzig Euro. Und die Wolfsmilch wird davon nicht einmal ansatzweise gelb.«

»Gefleckte Wolfsmilch«, korrigierte ihn der Mitarbeiter. »Ein stärkeres Mittel kann ich Ihnen leider nicht anbieten. MagicEx ist sehr beliebt, viele unserer Kunden schwören darauf. Vielleicht haben Sie die Verdünnung zu schwach …«

»Ich habe es pur draufgekippt«, fuhr ihm Schiemann ins Wort. »Sie können mir nicht erzählen, dass Sie nichts Wirkungsvolleres als Essig verkaufen. Was haben Sie denn dort drüben unter Verschluss?« Er zeigte neben dem Service-Point auf einen Schrank mit abgeschlossenen Glastüren, hinter denen grüne, mit Gefahrstoffsymbolen bedruckte Kanister standen. »Das sieht doch schon besser aus.«

Der Mitarbeiter wedelte abwehrend mit den Armen. »Das ist ein Herbizid, das ich Ihnen nicht verkaufen darf.«

Schiemann drückte seine Nase an die Glastür. Auf einem der Kanister las er die Marke GreenFlush, auf dem Etikett sah er ein rot umrandetes Ausrufezeichen und ein Symbol mit einem verdorrten Baum und einem toten Fisch. »Also das ist genau das, was ich suche.«

»Nein. Herbizide mit Glyphosat als Wirkstoff dürfen wir nicht mehr an Privatpersonen verkaufen. Nach Paragraf Zwölf des Pflanzenschutzgesetzes benötigen Sie eine behördliche Genehmigung und einen Sachkundenachweis. Wenn Sie nicht für eine Gärtnerei oder im Auftrag der Landwirtschaft tätig sind, kann ich Ihnen dieses Mittel nicht überlassen.«

Schiemann stieß frustriert die Luft aus, er schaute auf den frei zugänglichen Vorrat von MagicEx-Flaschen, dann wieder auf den Giftschrank. Also gut, dachte er. Hier musste er schwerere Geschütze auffahren. Aber wie? Er schaute an sich herunter. Blasse, behaarte Beine, die aus beigen Bermudashorts herausragten, und ein türkisfarbenes T-Shirt, das nur knapp sein Wohlstandsbäuchlein bedeckte, zeugten jetzt nicht unbedingt von Seriosität. Trotzdem kramte er seinen Dienstausweis aus der Brieftasche. »Hier, bitte, Herr …«, er fixierte das Namensschild auf der Brust des Mitarbeiters, »Herr Steinlein. Ich arbeite bei der Kriminalpolizei. Das Problem mit der Sachkunde ist damit wohl geklärt. Sie können sich darauf verlassen, dass das Herbizid bei mir in besten Händen ist.«

Herr Steinlein musterte den Ausweis sorgfältig, meinte aber dennoch: »Nein, das geht nicht. Sie sind kein Gärtner. Und Sie haben mir keine behördliche Genehmigung vorgelegt. Ich könnte meinen Job verlieren.«

Für Schiemann war das Maß nun endgültig voll. Er hatte heute Nachmittag extra früher Feierabend gemacht, um den Zwanzig-Prozent-Aktionstag im Gartencenter auszunutzen, und ohne einen anständigen Unkrautvertilger würde er nicht nach Hause fahren. Aber ein As hatte er noch im Ärmel. Herr Steinlein war zwar stur und gut ausgebildet, aber er war auch jung und zweifellos scharf auf eine Beförderung. Also breitete der Kommissar die Arme aus und verkündete mit einem gespielten Lächeln: »Herzlichen Glückwunsch, Herr Steinlein. Sie haben den Test bestanden. Ich bin heute inkognito in mehreren Gartencentern unterwegs, um Testkäufe durchzuführen. Wir prüfen, ob die Unternehmen gesetzeskonform handeln und ihre Mitarbeiter korrekt schulen. Sie haben alles richtig gemacht und sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.«

Herr Steinlein atmete auf. »Puuh. Da bin ich aber erleichtert. Wir haben manchmal sehr renitente Kunden, die nicht so leicht lockerlassen.«

Schiemann nickte. »Sie haben vorbildlich reagiert, das findet man heutzutage nur noch selten. Ich werde Sie bei der Marktleitung loben. Allerdings gibt es da eine Kleinigkeit, die ich zusätzlich prüfen muss: Praktizieren Sie an diesem Standort die Zwei-Faktor-Autorisierung?«

»Äh, bitte was?«

»Angenommen, es gelingt mir, GreenFlush heimlich in die Finger zu bekommen, weil der Schrank gerade offensteht und Sie von einem anderen Kunden abgelenkt werden. Erfolgt an der Kasse ein zweites Mal eine Kontrolle meiner Berechtigung?«

»Äh, also ich weiß nicht …«

»Gut, dann werde ich das überprüfen. Bitte händigen Sie mir einen Kanister aus. An der Kasse wird sich zeigen, wie gut Ihr Markt aufgestellt ist.«

Der nun sichtlich nervöse Herr Steinlein schaute sich skeptisch um und zögerte für einen Moment. Als er jedoch Schiemanns entschlossene Miene sah, öffnete er schweren Herzens den Schrank, ohne dabei weitere Fragen zu stellen. Der Kommissar bedankte sich höflich und stellte den Kanister in seinen Einkaufswagen, wo sich bereits zwei Säcke Rindenmulch, ein Beutel Rasendünger, mehrere Schachteln Schneckenkorn und ein Topf mit einer fünfzig Zentimeter hohen Paradiesvogelblume dicht aneinanderdrängten. Die Pflanze hatte er durch Zufall entdeckt und sofort als perfektes Abschiedsgeschenk für seine Ex-Frau Anne auserkoren, die als freischaffende Farbberaterin Karlsruhe endgültig verlassen und nach Stuttgart ziehen wollte.

Ausgerechnet Stuttgart! Der Kriechende Günsel unter den deutschen Städten.

Schiemann hatte sich vorgenommen, seinen Garten auf Vordermann zu bringen und Anne vor dem Umzug ein letztes Mal zum Grillen einzuladen. Dann würde er ihr die Paradiesvogelblume überreichen, um ihr den Abschied so schwer wie möglich zu machen. Die Blüte dieser Pflanze, die wie ein aufgerichteter Hahnenkamm auf den Blättern thronte, leuchtete nämlich in blau und gelb, den beiden Farben, die Anne seiner und ihrer eigenen Persönlichkeit zugeordnet hatte.

Zehn Minuten später verlangte eine mies gelaunte Kassiererin mit brünetter Hochsteckfrisur und roten Flecken im Gesicht Schiemanns Kundenkarte und begann mit dem Einscannen seiner Einkäufe. »Die Strelitzie bitte aufs Band!«, ordnete sie an.

»Die Stre… was? Ich dachte, das sei eine Paradiesvogelblume«, wunderte er sich.

»Ja sicher. Ist ’ne Strelitzie.«

»Okay, wenn Sie das sagen«, erwiderte er. »Ich habe nur Angst, dass die Blüte abfällt, wenn ich den Topf dauernd hoch und runter …«

»Aufs Band damit!«, fuhr sie ihn an. »Wenn ich so lange Arme hätte, dass ich von hier an Ihren Wagen käme, würde ich beim Zirkus arbeiten.«

»Also schön.« Schiemann hob den Topf aus dem Wagen und stellte ihn behutsam vor den Scanner.

Als Nächstes kam das GreenFlush an die Reihe. »Ist das Ihr Kanister?«, fragte die Kassiererin abfällig.

»So sieht’s aus.«

»Dann zeigen Sie mir bitte Ihren Sachkundenachweis und die unterschriebene EVE.«

»Bitte was?«

»Na, die Endverbrauchserklärung.«

»Aber man hat mir gesagt, das Mittel sei frei verkäuflich.«

»Nee, ist es nicht. Wir haben da hinten zurzeit ziemlich viel Frischfleisch im Laden. Die nehmen es mit den Gesetzen nicht so genau. Bei mir läuft das aber anders. Nach der Pflanzenschutz-Sachkundeverordnung brauch ich eine Unterschrift. Da hilft’s auch nix, dass Sie Kommissar sind.«

»Woher wissen Sie das denn jetzt?«, staunte er.

»Von Ihrer Kundenkarte, Schätzchen. Steht alles hier auf dem Bildschirm. Auch dass Sie in diesem Jahr schon drei Flaschen MagicEx gekauft haben. Taugt wohl nix, das Zeug, hm?«

Er schnaubte. »Dafür, dass Sie mit Herbiziden so penibel sind, nehmen Sie es mit dem Datenschutz aber nicht sehr genau.«

»Aber sicher doch«, meinte die Kassiererin, die kein Namensschild trug. »Beim Antrag für die Kundenkarte haben Sie unseren Geschäftsbedingungen zugestimmt. Ihre Unterschrift liegt uns vor.«

Plötzlich klingelte Schiemanns Handy. Während das Murren in der Schlange hinter ihm lauter wurde, lauschte er den Worten seines Vorgesetzten. Es gab einen rätselhaften Todesfall in der Laube eines Schrebergartens. Hinter einem vermeintlichen Unfall steckte womöglich ein heimtückischer Giftmord. Die Lage war verzwickt, und seine Anwesenheit war dringend erforderlich.

Der Kommissar seufzte, dann bezahlte er seine Einkäufe. Das GreenFlush ließ er auf dem Band zurück. »Behalten Sie den Kanister«, sagte er zur Kassiererin. »Ist vielleicht doch besser, wenn diese Giftbrühe unter Verschluss bleibt.«

3

Das Erdmännchen war in heller Aufregung. Nach dem schrillen Alarmschrei des Wächtermännchens hatten alle anderen Mitglieder der Gruppe bereits das Weite gesucht. Nur wegen einer kleinen Eidechse, mit der das Erdmännchen seinen Speiseplan bereichern wollte, war es nun als einziges ohne Schutz auf dem Präsentierteller verblieben. Von Panik getrieben fegte es quer über den Sand der Savanne. Irgendwo musste das rettende Loch doch sein. Doch da war nichts außer Steinen, vertrockneten Wurzeln und einem hohen Baum, dessen Stamm jedoch viel zu glatt war, um daran hochzuklettern.

Erschwerend kam hinzu, dass es sich bei der vermeintlichen Savanne in Wirklichkeit um ein eingezäuntes Gehege handelte, und dass das Erdmännchen eigentlich ein Weibchen war.

Und genau auf sie hatten es die Eindringlinge auch abgesehen.

»Hier. Das liebst du doch, nicht wahr?«, fragte eine Menschenstimme. »Ich kenne noch jemanden, der auf so etwas Leckeres abfährt. Komm her und hol es dir!«

Als ein Windzug den verführerischen Duft durch das Gehege trug, blieb das Erdweibchen stehen und schnüffelte. Unmittelbar vor seiner Schnauze tauchte eine geschlossene Menschenhand auf, die sich langsam öffnete. Neugierig schob es den Kopf nach vorne, der Geruch wurde immer intensiver. Und schließlich gaben die Finger ein frisch gekochtes und geschältes Hühnerei frei.

Plötzlich packte eine andere Menschenhand das Erdweibchen hinten am Genick und hob es vom Boden. Es zappelte und bellte, versuchte wild um sich zu beißen, doch es hatte keine Chance. Der Griff am Hals lockerte sich erst, als es in einer engen und dunklen Box steckte, in der es außer summenden Fliegen nichts zu Fressen gab.

»Hey, du bist so ein Rüpel, Fledermaus!«, rief Kira. »Du hättest ihr wenigstens noch das Ei überlassen können.«

»Ach komm schon, Schmetterling«, erwiderte Sebastian. »Wie wäre es, wenn du das Ei ausnahmsweise mal mir als Belohnung gibst? Ich hatte im Gegensatz zu dir heute keine Mittagspause.«

Dass es Sebastian mit regelmäßigen Mahlzeiten nicht so genau nahm, sah man ihm an. Seine Zoowärter-Hose schlackerte an den Beinen, der Gürtel war festgezurrt bis zum letzten Loch, und auch seine knochigen Arme ragten wie dürre Äste aus einem T-Shirt mit dem Aufdruck »Zoologischer Stadtgarten Karlsruhe«. Trotz der wuscheligen schwarzen Haare und den vorstehenden Schneidezähnen sah er in seiner blauen Arbeitskleidung nicht wie eine Fledermaus aus, sondern versprühte in seiner Funktion als Tierpfleger sogar einen Hauch von Seriosität. Während Kira ihm assistiert und das Erdweibchen mit der Aussicht auf Futter angelockt und beruhigt hatte, war Sebastian vom großen Baum heimlich ins Gehege geklettert, hatte sich das Tier von hinten geschnappt und in die Transportbox gesperrt.

»Was passiert jetzt mit der Kleinen?«, fragte Kira, während sie das gekochte Ei lieber in ein Taschentuch wickelte und in ihrer Känguru-Tasche versenkte, anstatt es Sebastian zu überlassen. Im Gegensatz zu allen anderen Mitarbeitern trug sie keine Arbeitsklamotten, sondern ihre löchrige Dreiviertel-Jogginghose und den orangebraunen Langarm-Hoodie. Dr. Gimpel, der Zoodirektor, hatte persönlich zugestimmt, bei ihr eine Ausnahme zu machen. Letztendlich war ihm auch nichts anderes übrig geblieben, wenn er sie als Mitarbeiterin nicht vergraulen wollte. Wie sich herausgestellt hatte, wäre es einfacher, ein Huhn bei lebendigem Leib zu rupfen als Kira neu einzukleiden.

»Wir vollziehen hier einen Frauentausch«, antwortete Sebastian. »Schon seit Jahren wünschen wir uns Nachwuchs, aber dieses Weibchen lässt einfach keinen an sich ran.« Er zwinkerte Kira flüchtig mit den Augen zu, was diese mit einem skeptischen Stirnrunzeln beantwortete. »Tja, und deswegen«, fuhr er fort, »übergeben wir das Weibchen an die Wilhelma in Stuttgart und erhalten im Austausch dafür ein anderes, das hoffentlich besser in die Gruppe passt.«

Kira schnaubte. »Vielleicht liegt es ja auch gar nicht am Weibchen, sondern an der Gesellschaft, die es umgibt? Schon mal darüber nachgedacht?« Als Sebastian ihr die Zunge rausstreckte, meinte sie: »So, Fledermaus. Ich könnte jetzt eine Pause vertragen. Was denkst du? Langos oder Waffeln?«

»Schon wieder?«, ärgerte er sich. Sein blasses Gesicht färbte sich rot. »Du hast heute schon viermal Pause gemacht, und wir haben noch so viel zu tun. Im August geht hier jedes Jahr die Post ab. Der Artenschutztag steht an, über dreißig Ausstellungsstände müssen noch dekoriert werden, und am Wochenende steigt wieder unser Lichterfest. Wir müssen jede Menge LED-Flamingos aufstellen, die Lampions in die Bäume hängen …«

»Das ist ja wohl dein Job, Klettermeister!«, unterbrach sie ihn.

»Schon, aber du könntest mir wenigstens dabei assistieren. Außerdem wartet das Gartenbauamt im Giraffen-Gehege auf dich. Die Baustelle kommt in die heiße Phase, und bevor sie den Presslufthammer anschalten, musst du dich um die Tiere kümmern. Für eine Pause haben wir keine Zeit.«