Der Dichter Theodor Fontane als Apotheker Erster Klasse - Georg Schwedt - E-Book

Der Dichter Theodor Fontane als Apotheker Erster Klasse E-Book

Georg Schwedt

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Beschreibung

Anhand Fontanes biografischer Schriften wird sein Weg als Apotheker von der Apotheke seines Vaters in Neuruppin bis zur letzten Tätigkeit im Diakonissenhaus Bethanien in Berlin beschrieben. Stationen sind Apotheken in Berlin, Burg bei Magdeburg, Leipzig, Dresden und Letschin im Oderbruch. Fontanes Interesse an den angewandten Naturwissenschaften spiegeln auch die Wanderungen durch die Mark Brandenburg in Bad Freienwalde, Zernikow, Werder und Glindow sowie auf der Pfaueninsel in Berlin, die ebenfalls besucht werden.

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INHALT

Einleitung

Vater Fontanes Apotheke in Neuruppin

In der Adler-Apotheke von Swinemünde

Swinemünde im 19. Jahrhundert

Vom Gymnasium in Neuruppin in die Friedrichswerdersche (Klödensche) Gewerbeschule in Berlin

Exkurse:

Johann Friedrich Ruthe

Als Botaniker in Grunewald und Jungfernheide, in den Rehbergen und am Schlachtensee

Die Berliner Lesecafés im Vormärz

Als Lehrling in der Apotheke von Wilhelm Rose in Berlin

Die Apothekerfamilie Rose in Berlin

In der Adler-Apotheke zu Burg bei Magdeburg

Fontane und der Roland von Burg

Gehilfe in Leipzig und Dresden

In der Apotheke „Zum weißen Adler“ in Leipzig

Fontane über seine Unterkunft und Arbeit

In der Struveschen Salomonis-Apotheke in Dresden

Die Struvesche Apotheke am Neumarkt

Die Struvesche Mineralwasseranstalt

Defektar und Rezeptar in Letschin

In der Polnischen Apotheke in Berlin

Exkurs:

Ipecacuanha

Friedrich Witte

Julius Eduard Schacht

Analytische Chemie bei Professor Sonnenschein

Franz Leopold Sonnenschein

Exkurs: Zur Ausbildung der Apotheker in Berlin

In Jungs Apotheke zum schwarzen Adler

In der Diakonissen-Anstalt Bethanien in Berlin – mit historischer Fontane-Apotheke

Robert Wilms – Sohn eines Apothekers

Fontane als Lehrer der Pharmazie

Zu Besuch in der

Fontane-Apotheke

in Bethanien heute

Angewandte Naturwissenschaften

aus den „

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

“:

Erster Teil – Die Grafschaft Ruppin:

Auf Fontanes Spuren in Neuruppin

Museum Neuruppin – aus der Geschichte

Bei Friedrich des Großen „Alchemisten“ Fredersdorff in Zernikow

Fredersdorfers Bier

Zweiter Teil – Das Oderland:

Zu Besuch in Bad Freienwalde

und im Fontanehaus Schiffmühle

Aus der Geschichte der Stadt

Kurfürstenquelle

Dritter Teil – Havelland:

Beim

Alchemisten

Kunckel auf der Pfaueninsel

In Werder: „Christus als Apotheker“ in der Heilig Geist Kirche

Glindow: Märkische Ziegelbrennereien

Aus der Geschichte von Glindow

Literatur

EINLEITUNG

Am 30. Dezember 1819 in Neuruppin als Sohn des dort tätigen Apothekers Louis Henry und dessen Ehefrau Emilie Fontane geboren, wurde Theodor Fontane wie sein Vater zunächst ebenfalls Apotheker. Seine Geburtsstadt nennt sich seit dem 100. Todestag (1998) Theodor Fontanes offiziell Fontanestadt. In der Löwen-Apotheke, Friedrich-Wilhelm-Straße 84 (heute Karl-Marx-Straße) verbrachte er bis 1826 seine Kinderjahre, über die er in seinem autobiografischen Werk Meine Kinderjahre berichtete. Sein Vater musste die Apotheke verkaufen, um Spielschulden bezahlen zu können – die Familie zog in die Friedrich-Wilhelm-Straße 94 und 1827 nach Swinemünde, wo sein Vater eine neue Apotheke, die Adler-Apotheke, erworben hatte – auch diese Zeit beschrieb Fontane in Meine Kinderjahre.

Von 1836 bis 1840 absolvierte er, nach Besuch des Gymnasiums in Neuruppin und der Friedrichwerderschen Gewerbeschule in Berlin (Abgang mit dem „Einjährigen“), seine Lehrzeit in der Apotheke von Wilhelm Rose “Zum weißen Schwan“ in der Spandauer Straße in Berlin.

Danach (1840/41) war er als Provisor in Burg bei Magdeburg in der privilegierten Adler-Apotheke des Apothekers August Theodor Kannenberg am Markt, 1841/42 in der Hofapotheke zum weißen Adler von Dr. Neubert (heute Adler Apotheke, Hainstraße 9 – seit 1709 am gleichen Platz) in Leipzig und 1842/43 in der Salomonis-Apotheke von Friedrich Adolf Struve, dem Besitzer der „Königlich Sächsischen concessionierten Mineralwasseranstalt“ am Dresdner Neumarkt, tätig.

1843/44 war er Defektar bzw. Rezeptar in der Apotheke zu Letschin im Oderbruch, wo sein Vater 1838 eine Apotheke erworben hatte (heute Fontane-Apotheke in der Fontanestraße).

Nach seiner Dienstzeit bei den Kaiser-Franz-Grenadieren in Berlin und einer zweiwöchigen Reise nach England trat er 1845 eine neue Stelle in der Polnischen Apotheke in Berlin (heute Dorotheenstädtische Apotheke in der Friedrichstraße 154, in der Nähe des alten Stammhauses) an.

Im März 1847 erhielt er nach einer Prüfung, über die er in seinem zweiten biografischen Werk Von Zwanzig bis Dreißig berichtete, die Approbation als Apotheker 1. Klasse in den königlichen Landen. Im Spätherbst 1847 trat er in die Apotheke Zum Schwarzen Adler von Johann August Ferdinand Jung ein und 1848 war er Pharmazie-Ausbilder für Krankenschwestern im Diakonissenhaus Bethanien, bis er schließlich im Oktober 1850 den erlernten Beruf des Apothekers aufgab und nächst als „Diätar“ im Preußischen Staatsministerium bis 1859 tätig wurde.

Nicht nur über die Zeit als Apotheker sondern auch über seine Sicht auf Naturwissenschaftliches (als angewandte Naturwissenschaften) bei seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg, beim Besuch von Bad Freienwalde und auf der Pfaueninsel (beim Alchemisten und Glasmacher Kunckel), beim Kammerdiener Fredersdorff und seiner Beziehung zur Alchemie in Zernikow sowie in Werder an der Havel und bei den Ziegelbrennern in Glindow wird in diesem Buch mit Vorschlägen zu einer Spurensuche heute berichtet.

Vater Fontanes Apotheke in Neuruppin 1819-1827

1819

30. Dezember Geburt von Henri Theodor Fontane in der Löwenapotheke, Sohn des Apothekers Louis Henri Fontane und Emilie Fontane, geb. Labry

1826

Verkauf der Apotheke, Umzug der Familie in eine Wohnung in der Nähe des Rheinsberger Tores

Aus „Meine Kinderjahre“:

Ostern 1819 hatte mein Vater die Neu-Ruppiner Löwenapotheke in seinen Besitz gebracht, Ostern 1826, nachdem noch drei von meinen vier Geschwistern an eben dieser Stelle geboren waren, gab er diesen Besitz wieder auf.

Historisches Bild der Löwen-Apotheke

Am 18. Januar 2010 wurde die Löwen-Apotheke zum Denkmal des Monats Januar. Aus der Pressemitteilung zu diesem Termin (offiziell am 28. Januar um 17 Uhr) ist zu erfahren: Das Haus in der heutigen Karl-Marx-Straße 84 wurde 1788 ein Jahr nach dem großen Stadtbrand erbaut. Über den Apothekenräumen lag die Wohnung der Familie Fontane, in der auch Theodor geboren wurde. Zum Verkauf heißt es: „1826 sah sich Louis Henry Fontane gezwungen, das Haus mit der Apotheke zu verkaufen, um Spielschulden bezahlen zu können.“ 1867 wurde das Gebäude um ein drittes Geschoss aufgestockt und die Fassade erhielt eine vorgeblendete historische Verputzung.

Gedenktafel an der Apotheke des Fontanehauses heute

Ein Apothekenprivileg ist für Neuruppin bereits 1630 nachweisbar.

Den Einzug seiner Eltern beschrieb Fontane wie folgt:

An einem der letzten Märztage des Jahres 1819 hielt eine Halbchaise vor der Löwen-Apotheke in Neuruppin, und ein junges Paar, von dessen gemeinschaftlichem Vermögen die Apotheke kurz vorher gekauft worden war, entstieg dem Wagen und wurde von dem Hauspersonal empfangen. Der Herr – man heiratete damals (unmittelbar nach dem Kriege) sehr früh – war erst dreiundzwanzig, die Dame einundzwanzig Jahre alt. Es waren meine Eltern.

Die Offizin der Löwen-Apotheke in Neuruppin – historische Darstellung

Über den Vater Louis Henry Fontane (1796-1867) berichtete der Sohn (1893), dass dieser bis zum Herbst 1809 das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin besucht habe und dann als Lehrling in die Berliner Elefanten-Apotheke eintrat. Diese Apotheke befand sich schon damals, wie heute noch, am oberen Ende der Leipziger Straße, jedoch nicht genau an gegenwärtiger Stelle, sondern eben dieser Stelle gegenüber, an der durch Leipziger- und Kommandantenstraße gebildeten Ecke. Bis vor wenigen Jahren sah man noch den Elefanten, in Höhe des ersten Stocks, aus dem großen Eckpfeiler heraustreten; jetzt ist er fort, und nur die zahlreich über den Parterrefenstern angebrachten und an Elefantenrüsseln hängenden Gaslaternen erinnern noch an die frühere Geschichte des Ortes.

[Eine Apotheke mit dem Namen Elefanten-Apotheke gibt es heute nicht mehr an diesem Ort, aber in Berlin-Adlershof in der Dörpfeldstraße.]

In eben dieser Elefanten-Apotheke war mein Vater viertehalbjahr lang und verlebte diese Zeit mutmaßlich nicht gut und nicht schlecht, was ich daraus schließe, daß er über diesen Lebensabschnitt nie sprach. Vielleicht hatte dies Schweigen aber auch seinen Grund einfach in den großen Ereignissen, die folgten, so daß ihm für die vorausgegangenen Jahre von Durchschnittscharakter kein rechtes Interesse blieb. Herbst 1813 wäre seine Lehrzeit zu Ende gewesen, indessen König Friedrich Wilhelms III. Aufruf an sein Volk kürzte diese Zeit um eine volles halbes Jahr, denn unter den sich freiwillig zum Eintritt Meldenden war auch mein Vater, damals noch nicht volle siebzehn Jahre alt…

Nach den Teilnahme an den Befreiungskriegen gegen Napoleon kam Fontanes Vater, ob auf seinen Betrieb oder auf Antrag seines Vaters, aus dem Heere zurückgezogen und einer Feldlazarett-Apotheke zugewiesen worden, in dieser machte er den Rest des Krieges mit, sprach aber nie davon.

Die Elefanten-Apotheke wurde mit dem am 2. August 1775 von Friedrich dem Großen unterzeichneten Privileg von dem aus Dresden stammenden Apotheker Christian Gottlob Weinlig gegründet. Als Louis Henry Fontane dort seine Lehrzeit absolvierte, war der ehemalige Provisor August Wilhelm Behrend (1754-1833) Eigentümer dieser Apotheke in der Leipziger Straße 54 – neben dem Palais Hardenberg.

Hardenberg-Palais, heute Dönhoff-Platz, 1905 abgerissen (aus: Die Gartenlaube 1868. Nr. 20, S. →)

Fontane berichtet dann weiter über seinen Vater:

Sommer 1814 war er wieder in Berlin und begann nun in verschiedene Stellungen einzutreten, oder, wie der Fachausdruck lautet, »zu konditionieren«. Zuerst in Danzig, das er mit der damaligen Fahrpost, wie er gern erzählte, in sechs Tagen und sechs Nächten erreichte. Die dort zugebrachte Zeit blieb ihm durchs Leben eine besonders liebe Erinnerung. Seinem Danziger Engagement folgten ähnliche Stellungen in Berlin selbst, bis 1818 die Zeit für ihn da war, sich zum Staatsexamen zu melden. Als er in den Vorbereitungen dazu war, lernte er (…) meine Mutter kennen und verlobte sich mit ihr.

Fontanes Mutter war Emilie Labry (1797-1869), älteste Tochter des Seidenkaufmannes Labry, Firma Humbert und Labry.

Der Verlobung meines Vaters folgte das Staatsexamen, damals nicht viel mehr als eine Form, und an das glücklich bestandene Examen schloß sich, beinah unmittelbar, der Ankauf der Neu-Ruppiner Apotheke. Am 24. März [1819], dem Geburtstage meines Vaters, war Hochzeit, und drei Tage später traf das junge Paar in seiner neuen Heimat ein.

Fontanes Eltern: Louis Henry Fontane 1859 (Bleistiftskizze von Helmuth Raetzer, 1838-1909)/ Emilie Fontane, geb. Labry 1817 (Pastellporträt von Pierre Barthélemy Fontane, 1757-1826; Großvater Theodor Fontane, Maler, Zeichenlehrer der königlichen Prinzen, Kabinettssekratär der Königin Luise, zuletzt Kastellan im Schloss Schönhausen)

In der Adler-Apotheke von Swinemünde 1827-1832

1827

Fontanes ziehen nach Swinemünde. Fontane besucht zunächst die Stadtschule, wird später vom Vater und von Hauslehrern befreundeter Familien unterrichtet; historisches und poetisches Interesse erwacht.

Nach dem Verkauf der Apotheke in Neuruppin begab sich Fontanes Vater auf Reisen – auf die Suche nach einer neuen Apotheke. Die Reisen durch die Uckermark, Mecklenburg-Strelitz und das frühere Schwedisch-Vorpommern begannen Ende Juni 1827. Fontane berichtete darüber in seinen Kindheitserinnerungen Meine Kinderjahre u.a. wie folgt – er war damals 7 Jahre alt:

Ich bemerkte schon, daß solche Ausflüge nach Berlin damals öfters stattfanden, aber noch häufiger waren Reisen in die Provinz, weil es meinem Vater oblag, sich nach einem neuen Apothekenbesitz umzutun. Wär‘ es nach ihm gegangen, so hätte er diesen Zustand der Dinge wohl nie geändert und das Interim in Permanenz erklärt; denn er hatte, während ihm die Spielpassion eigentlich nur durch den Wunsch, die Zeit hinzubringen, aufgedrungen war, eine ganz aufrichtige Passion für Pferd und Wagen, und sein Lebelang in der Welt herumzukutschieren, immer auf der Suche nach einer Apotheke, ohne diese je finden zu können, wäre wohl eigentlich sein Ideal gewesen. (…)

Das Reisen dauerte dreiviertel Jahr und ging zuletzt in östlicher Richtung auf die Odermündung zu. Kurz vor Weihnachten fuhr er mit der Fahrpost, weil ihm sein Schimmel zu schade für die Winterstrapazen sein mochte, nach Swinemünde, das er bei 26 Grad Kälte erreichte. Der Kognak in seiner Flasche war zu einem Eisklumpen gefroren. Desto wärmer empfing ihn die verwitwete Frau Geisler, die, weil ihr das Jahr vorher der Mann gestorben war, ihre Apotheke so schnell wie möglich zu verkaufen wünschte. Dazu kam es denn auch. In dem diesen Geschäftsabschluß anmeldenden Briefe hieß es; »Wir haben nun eine neue Heimat, die Provinz Pommern, Pommern, von dem man vielfach falsche Vorstellungen hat; denn es ist eigentlich eine Prachtprovinz und viel reicher als die Mark. Und wo die Leute reich sind, lebt es sich auch am besten, Swinemünde selbst ist zwar ungepflastert, aber Sand ist besser als schlechtes Pflaster, wo die Pferde ewig was am Spann haben. Freilich ist noch ein halbes Jahr bis zur Übergabe, was ich beklage. Man muß doch wieder etwas tun, wieder eine Beschäftigung haben.«

Drei Tage nach Eingang dieses Briefes war er selbst wieder da. Wir wurden verschlafen aus den Betten geholt und mußten uns freuen, daß es nach Swinemünde gehe.

Wie klang das Wort bloß befremdlich.

Swinemünde im 19. Jahrhundert

Die heute polnische Stadt (Świnoujście) liegt zu beiden Seiten der Swine vor ihrer Mündung in die Ostsee – auf den Inseln Usedom und Wollin, zwischen denen eine Fährverbindung besteht. Swinemünde ist als Schutzburg erstmals 1181 urkundlich belegt. 1720 kam Swinemünde zu Preußen (vorher schwedisch) – ab 1765 galt Swinemünde als Stadt. Der Hafen, 1297 genannt, wurde im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgebaut. 1818 wurde mit dem Bau von Molen begonnen, als der Hafen zu versanden drohte, wofür Findlinge vom Vineta-Riff vor Zinnowitz als Baumaterial verwendet wurden. Bevor der Familie Fontane nach Swinemünde kam, lebten dort etwa zwei Tausend Menschen. 1829 war dann auch die 1372 Meter lange Ostmole, als wasserbautechnische Glanzleistung bezeichnet, fertiggestellt. Bereits 1828 errichtete man, vermutlich nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel, an der Spitze der Ostmole eine Laternenbake (als Leuchtturm bezeichnet). Im Juli 1824 wurde in Swinemünde mit der Gründung des See- und Solebades die erste offizielle Badesaison eröffnet. Um Siedler für Swinemünde und Umgebung gewinnen zu können, wurden bis 1840 Bauplätze und Bauholz [s. folgende Schilderung Fontanes vom Holzplatz neben Kirche und Apotheke] unentgeltlich zur Verfügung gestellt und auch eine weitgehende Steuerfreiheit gewährt.

FONTANES Reise und Einzug in die Stadt

Den ersten Tag kamen wir bis Neu-Strelitz, wo sich uns ein für die Apotheke brieflich engagierter Gehilfe zugesellte, Herr Wolff, ein sehr hübscher, krausköpfiger Mann, und trotzdem er Mecklenburger war, von durchaus brünettem Typus. Er empfahl sich unserem Hause, wie gleich bemerkt werden mag, durch Brauchbarkeit und gute Manieren... (…)

Neustrelitzer Residenzschloss – Kupferstich von John Swaine 19. Jh.

Von Anklam bis Swinemünde war die kürzeste Wegstrecke, nur noch sechs Meilen. Auf einer Fähre setzten wir, ich weiß nicht mehr, von welchem Punkt aus, nach der Insel Usedom über und fuhren unserem Ziele zu. Das letzte Dorf hieß Kamminke. Halben Wegs zwischen diesem Dorf und Swinemünde selbst passierten wir eine mitten im Walde gelegene Bohlenbrücke, zu deren beiden Seiten sich eine dunkelschwarze Wasserfläche mit weißen Nymphäen [Seerosen] ausbreitete; die niedergehende Sonne stand schon hinter den Tannen, und ein roter Schimmer, der zwischen den Wipfeln glühte, spiegelte sich unten in dem schönen und zugleich etwas unheimlichen Teich. Es steht vor mir, als hätt‘ ich es gestern gesehen. Bald hinter dieser Brücke hört der Wald auf, und ein kurzer chaussierter Weg kam, von dem man aus, etwas zurückgelegen, ein weites Moor überblickte, darauf wie Indianerhütten, die ich aus meinen Bilderbüchern kannte, zahlreiche Torfpyramiden standen. Der chaussierte Weg, auf dem wir fuhren, war von jungen Silberpappeln eingefaßt, und als diese kurze Chausseestrecke hinter uns lag, begann die Stadt selbst, deren erstes Haus hing weit herab und ließ den Lehm- und Fachwerkbau mit seinen Fensterchen nur undeutlich erkennen, aber neben dem Hause zog sich ein Hof- und Gartenstreifen, und auf einem den Garten durchschneidenden und allmählich ansteigenden Wege stand ein Sarg, der, weil eben mit einem frischen Lack gestrichen, hell in der Abendsonne blinkte. Das war der Empfang…

Mit dem Tischlerhaus begann die Stadt, aber mir wollte es noch immer nicht so vorkommen, als führen wir schon wirklich in eine Stadt hinein. Ein Tor war nicht da, Pflaster auch nicht, Menschen auch nicht. Der Abstand zwischen den Häuserreihen links und rechts war unendlich breit und jedes Haus klein und häßlich, viele noch mit Strohdach. Ein Glück, daß die meisten einen Giebel hatten, der, mit einer Flaggenstange zu Häupten, aus dem eigentlichen Frontdach herauswuchs. So mahlten wir im Sande weiter, bis wir, nach Passierung etlicher Querstraßen, einen großen, merkwürdig geformten Platz erreichten, halb kahl, halb hoch im Gras stehend, ganz nach Art einer dörfischen Gänsewiese. Auf diesem völlig ungepflegten Platze, der, wie uns etliche auf hohen Böcken liegende Baumstämme zeigten, zugleich auch als Holzsägeplatz diente, ragte ein scheunenartiger Bau mit hohen Fenstern auf: die Kirche. Dieser gegenüber stand ein mit Feuerherdsrot gestrichenes Haus, dessen endlos aufsteigendes Dach wohl fünfmal so hoch war als das Haus selber. Drei, vier umherstehende, von einem Holzgitter eingefaßte Kastanienbäume ließen, außer dem hohen Dache, wenig erkennen. Zwischen Haus und Kirche aber hielt jetzt unser Wagen, und mein Vater, der mein verlegenes Gesicht sehen mochte, sagte mit aufgesteifter Heiterkeit: «Da sin wir nun also, Gott segne unseren Eingang. Hier gleich das erste Zimmer rechts, Herr Wolff, das ist das Ihre.» Herr Wolff verbeugte sich, schien aber noch verwunderter als ich. Nur der Amme war nichts anzumerken.

Wer heute Swinemünde besucht, wird am ehemaligen „Kleinen Markt“, wo früher die Apotheke stand, eine Gedenktafel für Fontane finden. Sie wurde auf Initiative des Historikers Jósef Pluciński dort angebracht. Das Haus steht in der Nähe der Christuskirche und auch der Post an diesem Platz. Pluciński veröffentlichte 2009 das Buch „Swinemünde/Swinoujscie: Die Entwicklung eines Badeortes – Ansichten von gestern und heute“ (Übersetzer Erwin Rosenthal)

Joachim Dresdner berichtete im Deutschlandfunk am 4.12.2011 über einen Sonntagsspaziergang „Mit Fontane durch Swinemünde“, den er mit dem Historiker Pluciński unternahm (Text im Archiv):

„Mit Herrn Pluciniski. Ob er zu dieser Vormittagsstunde – wie immer – im Café sitzt, an dem Vierertisch von rechts? Zeitung lesend, Kaffee trinkend, das Geschehen draußen auf dem Kleinen Markt betrachtend?

Als ich eintrete, erkenne ich den Historiker sofort. Schmales Gesicht, kurzes, graues Haar. Der frühere Museumsleiter hat einiges für die Annäherung von Polen und Deutschen in Świnoujście getan. Die ehemals deutsche Hauptstadt der Ostseeinsel Usedom. Damals eine Hafenstadt mit Senatoren, Matrosen, Windmüllern und schönen Frauen. Eine war Effi Briest, die Romanfigur von Theodor Fontane.

‚Er lebte nur fünf Jahre hier, aber er hat einen sehr großen Einfluss auf die Swinemünder Geschichte hinterlassen.‘

Und darum treffen wir uns ziemlich genau dort, wo Papa Fontanes Apotheke gestanden haben mag. (…)

Józef Pluciński und ich wollen, um die ‚bis dahin ungünstige Meinung in ihr Gegenteil‘ zu verkehren, einmal ums Karree gehen. Von der Hausecke, zum Hafen hinunter, dort am Kai entlang zum ehemaligen Rathaus, dann wieder zurück zum ‚Kaffee Sonata‘, zu Plucińskis Stammlokal. Wen treffen wir gleich an der Ecke? Klar, Fontane!

‚Ich sehe sehr oft, dass die Swinemünder den Deutschen zeigen, Besucher, Touristen, oh gucken Sie mal, das steht eine Tafel und hier wohnte deutscher Schriftsteller Theodor Fontane.‘

Die Tafel ist polnisch und deutsch beschriftet, mit einem runden Reliefbild des Schriftstellers.

‚Das war meine Initiative. Ich war damals Museumsleiter in Swinemünde und ich betrachte es als meine Pflicht, meine Landsleute daran zu erinnern, dass Swinemünde nicht nur Stützpunkt für die Marine war, sondern auch ein Ort mit kultureller Tradition ist. Die Person Theodor Fontane war, ehrlich gesagt, vollkommen unbekannt.‘

Die alte Apotheke ist weg. An ihrer Stelle steht ein schlichter Wohnblock aus sozialistischer Zeit.

‚Hier waren die Apotheke und der Weg ungefähr 100 Meter zur Swine, zum Hafen. Auch Theodor Fontane war begeistert für das Wasser. In seinem Buch steht geschrieben, am Ufer lagen stolze Schiffe, Segelschiffe mit Matrosen und war auch ein Kohlenumschlagsplatz für Kohle, die Umladung machte die Menschen schmutzig, machte schwarze Gesichter. Frauen brachten Essen für ihre Männer zum Hafen an der Swine. …und wir gehen zum Hafen, auf Fontanes Spuren.‘ (…)“

Adler-Apotheke in Swinemünde zur Zeit Fontanes

FONTANE

Das Riesendach mit seinen fünf Böden hatte seines Eindrucks auf mich nicht verfehlt; das Haus selbst aber, das geduckt unter diesem Dache lag und von dem ich in Nachstehendem eine Schilderung versuche, ließ wie äußerlich so auch in seinem Innern viel zu wünschen übrig. An den mit Ziegelsteinen gepflasterten Flur lehnte sich, gerade die Mitte desselben treffend, von links her eine mächtige Küche, von rechts her ein gewölbtes Laboratorium, als Grundform des ganzen Hauses ein Kreuz herstellend, in dessen vier Ecken sich vier Quadrate mit sehr primitiven Geschäfts- und Wohnräumen einschoben. In dem ersten Quadrat befand sich außer der Apotheke noch die Gehilfenstube, während das zweite Quadrat nur ein einziges Zimmer umschloß, einen mehrfenstrigen Saal, den Stolz des Hauses. Apotheke wie Saalzimmer sahen auf die Straße. Die die Rückfront bildenden Quadrate drei und vier hatten dagegen den Blick auf den Garten und bestanden einerseits aus einem Wohnzimmer für meinen Vater, andererseits aus einer Stube für uns Kinder. Wo es irgend ging, waren verbleibende kleine Raumreste zu Schlafkammern hergerichtet; nur der Saal blieb von so niederer Umgebung verschont. Im übrigen war alles klein und eng. Von gefälliger Ausschmückung an Wand und Decke zeigte sich nirgends eine Spur; Öfen und Dielen waren schlecht, ganz besonders unschön aber war die schüttgelbe Farbe, womit wie der Flur so auch alle Zimmer des Hauses gleichmäßig gestrichen waren. Nur die Gehilfenstube – vielleicht in Huldigung gegen die daneben liegende Apotheke – zeigte statt des Schüttgelb einen Anstrich in Schweinfurter Grün, bekanntlich arsenikhaltig. Um aber die gesundheitswidrige Wirkung dieser Farbe nach Möglichkeit auszugleichen, war in eine der obersten Fensterscheiben eine blecherne Rose eingesetzt, die unter beständigem Sichdrehen für frische Luft zu sorgen hatte, dabei aber einen unerträglichen Lärm machte. (…)

Als schüttgelbe Farbe bezeichnete man einen gelben Lackfarbstoff aus alaunhaltiger Quercitron-Abkochung oder einer Mischung von Gelbbeeren und Kreide. Es handelt sich beim Quercitronlack (C.I. Natural Yellow 9) um einen Extrakt, mit Dampf aus der Rinde Quercus velutina (Schwarzeiche, in Nordamerika heimisch) gewonnen, der durch Umsetzung mit Alaun als Aluminiumlack (-komplex) gewonnen wird. Diese Aluminiumlacke sind lebhaft hochgelb, manchmal mit einem Grünstich gefärbt. Er war als Farbe für Tapeten besonders beliebt, da er im Licht seine Farbstärke viel weniger als andere Farbstoffe verändert. Der Quercitronlack war vor der Zeit der synthetischen Farbstoffe ein bedeutender Handelsfarbstoff – als Flavin gelblich bezeichnet. Gelbbeeren, aus Rhamnus-Arten, enthalten einen Flavonoidfarbstoff.

Schweinfurter Grün stammt von dem Chemiker Carl Wilhelm Scheele (1742-1786), um 1778 entwickelt, und wurde als Kupfer(II)-arsenit-acetat [Cu(OOC-CH3)2 · 3 Cu(AsO2)2] um 1800 fabrikmäßig von dem Edlen von Mitis in Wien und ab 1814 von Sattler in Schweinfurt hergestellt.

Zusammensetzung von Schweinfurter Grün

Bestimmte Bakterien sind in der Lage, aus dem Schweinfurter Grün Arsenwasserstoff freizusetzen. Dieses Phänomen war schon zu Beginn des 19. Jahrhundert bekannt und daher wurde offensichtlich auch die Entlüftung in der Gehilfenstube eingebaut.

[Nach der Schilderung von Spielgelegenheiten in der Kinderstube heißt es dann u.a. über das LABORATORIUM:]

(…) Vorläufig kehre ich zur Schilderung der verschiedenen Räumlichkeiten zurück. Unter diesen nahmen Laboratorium und Küche den ersten Rang ein. Beide konnten als Glanzstücke gelten, und wenn die Küche mit ihrem bis dicht auf den Herd herabhängenden und mit blankem Ruß ausgefüllten Rauchfang etwas von einer spanischen Posada [= Gasthaus] hatte, so präsentierte sich von der andern Seite her das Laboratorium mit seinen Retorten und Destillierapparaten (zwischen denen ein getrockneter Buttfisch von der gewölbten Decke hing) als ein vollkommen alchymistischer Raum, darin Faust sein »Habe, nun, ach« ohne weiteres hätte beginnen können. Ja, in seiner grotesken Unmodernität war hier im vollsten Gegensatz zu den prosaischen Wohnräumen alles frappierend interessant, und ich könnte noch jetzt Veranlassung nehmen, davon zu schwärmen, wenn ich nicht gleich damals, beim ersten Eintritt in die ganze phantastische Herrlichkeit, eine kopfschmerzerzeugende, mich arg bedrückende Luft wahrgenommen hätte. Nicht zu verwundern. Mitten in dem Laboratorium stand eine Pumpe, der es nicht bloß oblag, den ganzen Hausstand mit Wasser zu versorgen, sondern auch sämtliche von Dekokten [Abkochung oder Absud – aus Heilpflanzen] und allerhand Aufgüssen herrührende Blätter- und Wurzelreste wegzuschwemmen. All dieser Abgang wurde vermittelst einer schräglaufenden Steinrinne in eine Senkgrube geführt, die sich schon draußen auf der Straße befand, deren Ausdünstungen aber nichtsdestoweniger in das Laboratorium zurückschlugen. (…)

Im 6. Kapitel schrieb Fontane unter der Überschrift „Die Stadt, ihre Bewohner und ihre Honoratioren“ zunächst über die Stadt:

„Swinemünde war, als wir im Sommer 1827 dort einzogen, ein unschönes Nest, aber zugleich auch wieder ein Ort von ganz besonderem Reiz, dabei aller Unbelebtheit der Mehrzahl seiner Straßen zum Trotz von jener eigentümlichen Lebendigkeit, die Handel und Schifffahrt geben. Es kam, um so oder so, um günstig oder ungünstig zu urteilen, ganz darauf an, an welche Stelle der Stadt man sich stellte. Wählte man als Beobachtungsposten den schon mehrerwähnten Kirchplatz, zu dessen einschließenden Häusern auch unsere Apotheke gehörte, so ließ sich, obschon hier die Hauptstraße vorüberführte, wenig Gutes sagen; gab man aber die Innenstadt auf und begab sich an den »Strom«, wie die Swine regelmäßig genannt wurde, so verkehrte sich die bis dahin ungünstige Meinung in ihr Gegenteil. Hier am Strome nämlich lief, auf fast eine Viertelmeile Wegs, das »Bollwerk« hin, eine Uferstraße, wie sie nicht poetischer gedacht werden konnte…“

Ausschnitt aus einer Postkarte des Seebades vor 1900

Fontane stellt dann ausführlich auch die Honoratioren der Stadt Swinemünde vor – u.a. den Hofrat Dr. Kind:

…Das damals erst aufblühende Swinemünder Seebad verdankte dem Eifer Kinds sehr viel unter anderem war er auch schriftstellerisch in dieser Richtung tätig. In seiner Erscheinung war er klein und fein, typischer Sachse, was sonderbarerweise die Spottlust der sonst so humoristisch-derb zugeschnittenen Swinemünder nicht herausforderte. Nie war er Gegenstand von neckischen Angriffen und ist mir dadurch immer ein Beweis geblieben, daß man Hänseleien sehr wohl entgehen kann, auch ohne Grobheit, Unliebenswürdigkeit und Zweikämpfe. Denn es ist sehr selten, daß Spötter unter allen Umständen ihren Spott treiben; sie suchen vielmehr zunächst nach Schwächen, und erst wenn sie diese gefunden haben, haken sie ein, während alle diejenigen unbehelligt bleiben, die ruhig und artig ihren Weg wandeln und keine Blöße bieten. So war es auch mit Dr. Kind. Er war unser Hausarzt, und meine Mutter hielt große Stücke auf ihn…

Kreisphysikus Hofrat Dr. Richard Kind (1801-1875) wurde als Sohn des Vizekriminalrichters Dr. Karl Kind in Leipzig geboren, wo er auch Medizin studierte. 1824 kam er als Kreisphysikus nach Swinemünde, wurde dort Königlicher Badearzt und Hofrat, war Stadtverordneter und Magistratsmitglied und setzte sich unermüdlich für die Gründung und Entwicklung des Seebades Swinemünde ein. 1828 publizierte er seine Schrift über „Das Seebad zu Swinemünde“. Kind schrieb u.a.

„Von den Wirkungen des See bades.

Die vortheilhaften Wirkungen des Seebades beruhen auf fünf verschiedenen Momenten, welche zwar zusammen ein untrennbares, unnachahmliches Ganze(s) bilden, von denen aber jedoch jedes für sich einzeln zur hellen Beleuchtung des Ganzen, besonders in Betracht gezogen werden soll.

Diese Momente sind folgende:

Die Temperatur der See und ihr Verhältniß zur Temperatur der Luft.

Der Wellenschlag.

Die Eigenthümlichkeiten der Seeluft.

Die chemische Composition des Seewassers.

Die veränderte Lebensweise des Fremden, während seines Aufenthaltes am Badeorte.“

Kind gibt auch eine Analyse des Ostseewassers an (S. → – Fußnote, im Vergleich zum Nordseewasser):

„Drei Pfund Nordseewasser

Drei Pfund Ostseewasser

enthalten salzsaures Natron

enthalten salzsaures Natron

oder Kochsalz 522 Gran.

oder Kochsalz 263 Gran.

Salzsaure Bittererde 198 1/3 Gran.

Salzsaure Bittererde 111 Gran.

Schwefelsaures Natron 23 Gran.

Schwefelsaures Natron 12 Gran.

Schwefelsaure Talkerde 3 4/5 Gran.

Schwefelsaure Talkerde 2 Gran.

Extraktivstoff 1 ½ Gran.

Extraktivstoff 1 Gran.“

Bereits in einer frühen Ausgabe des „Bilder-Conversations-Lexikons“ aus dem Verlag von F. A. Brockhaus in Leipzig (1841) wurde ausführlich über Seebäder berichtet. Zu Beginn des Textes ist zu lesen:

„Seebäder (die) gehören unstreitig zu den wichtigsten und segensreichsten der in neuester Zeit mehr in Gebrauch und Aufnahme gekommenen Heilmittel. Zwar bediente man sich ihrer schon im Alterthume, allein mit dem Verfalle der Wissenschaften kamen auch sie wieder in Vergessenheit, bis man dergleichen zuerst um die Mitte des vorigen Jahrhunderts wieder einrichtete. Das erste deutsche Seebad wurde im J. 1794 an den Küsten der Ostsee zu Dobberan im Großherzogthume Mecklenburg-Schwerin angelegt, worauf im J. 1801 das zu Norderney an der Nordsee und fast gleichzeitig ein zweites an der Ostsee, zu Travemünde, folgten. Die Heilwirkungen der Seebäder sind durch das Zusammenwirken von einer Menge von Umständen bedingt, wohin der unmittelbare Einfluß des an Salzen, namentlich an Kochsalz, sowie an Pflanzen und Thieren so reichen Seewassers gehört, welcher wieder von den Bewegungen in der Atmosphäre und dem Eintreten von Ebbe und Flut abhängt, der sogenannte Wellenschlag (der in der Nordsee weit stärker ist als in der Ostsee), die eigenthümlich erfrischende und belebende Seeluft, der gewaltige Eindruck auf Geist und Gemüth, den der für den Binnenländer ungewohnte Anblick des Meeres selbst und das Baden in diesem hervorbringt u. s. w.“

Unter den „gegenwärtig besuchtesten Seebäder(n) Deutschlands“ (1841) – 16 an der Zahl – ist Swinemünde nicht genannt. An erster Stelle steht Zoppot bei Danzig – an 7. Stelle Warnemünde.

Im Damen Conversations Lexikon (1834-1838, herausgegeben von Carl Herloßsohn) dagegen, das sich vor allem an bildungsinteressierte Damen des Bürgertums richtete und Wert auf eine romantische Darstellung historischer Stoffe, als kurzweilige Lektüre auch zur Vorbereitung auf die Konversation in den Lesezirkeln legte, ist zu lesen (auf dem Portal zeno.org in der Reihe Digitale Bibliothek):

„Swinemünde, an der Swine