Der Ewige Jude - Vermeylen, August - kostenlos E-Book

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August, Vermeylen

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The Project Gutenberg EBook of Der Ewige Jude, by August VermeylenThis eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and mostother parts of the world at no cost and with almost no restrictionswhatsoever.  You may copy it, give it away or re-use it under the terms ofthe Project Gutenberg License included with this eBook or online atwww.gutenberg.org.  If you are not located in the United States, you'll haveto check the laws of the country where you are located before using this ebook.Title: Der Ewige JudeAuthor: August VermeylenIllustrator: Frans MasereelTranslator: Anton KippenbergRelease Date: December 20, 2014 [EBook #47711]Language: German*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK DER EWIGE JUDE ***Produced by Jens Sadowski

August Vermeylen

Der Ewige Jude

Aus dem Flämischen übertragen von Anton Kippenberg *

Mit zwölf Holzschnitten von Frans Masereel

Leipzig • im Insel-Verlag1921

Ahasverus und der Nazarener

Zu der Zeit, da unser Herr und Heiland noch unter den Menschen predigte, lebte in einem armseligen Keller zu Jerusalem ein Schuhflicker, mit Namen Ahasverus. Er war im selben Jahre geboren wie Christus und war ein strammer, hochgewachsener Kerl von einem Juden, mit knochigem Gesicht und ein paar hellen, kecken Augen, in denen eine Flamme stak.

Er liebte es, mit beiden Füßen fest auf der Erde zu stehn, und was nicht gerade war, das nannte er krumm, ob er gleich wenig vom Reden hielt: jeder geht doch seinen eigenen Gang, dachte er, und der Tod ist aller Welt gegeben.

Dieser Ahasverus fühlte sich nicht glücklich.

In ihm war etwas, das ihm keine Ruhe ließ, da drinnen brannte etwas, womit er nirgend hin wußte; er war wie einer, der sich in seinem Bette hin und her wälzt und keinen Schlaf finden kann.

Vom frühen Morgen bis zum späten Abend saß er gebückt in seinem Keller, schnitt sein Leder, zog den Pechdraht, flickte Absätze, hämmerte auf Hacken und Sohle und schuftete, daß es bis zu den Nachbarn hin rauchte, aber niemals hörte er das süße Zischen von Butter in der Pfanne. Tagaus, tagein: es war immer so gewesen und würde immer so bleiben: er konnte nicht mehr heraus, das Leben hatte ihn beim Wickel und stieß ihn vorwärts.

Wohin? Dem Ende zu.

Warum? Darum.

Er sah die Kinder zur Welt kommen, jämmerliche, wehrlose Würmlein, er sah die Menschen sterben, jung und alt, alles ohne Zweck. Er sah, wie die Kleinen von den Großen aufgefressen wurden; er sah die ausgehungerten Schlucker aus seiner Gasse zu Hunden werden, die sich um einen Knochen rissen; er sah unschuldige kleine Geschöpfe leiden wie Märtyrer. Und er hätte über all dies ungereimte Zeug lachen mögen, denn er konnte nicht einmal weinen, er würgte alles in sich hinein, und es lastete ein Stein auf seinem Herzen.

Oft saß er lange grübelnd auf seinem niedrigen Schusterschemel, und seine Gedanken liefen im Kreise herum, wie ein Pudel, der nach seinem Schwanze schnappt. Er stand auf, setzte sich wieder hin und blickte umher in seinem dumpfigen Keller, als röche es da nach dem Grabe. Und bisweilen stieg dann ein wilder Drang in ihm auf, verbissen klopfte er auf den alten Stiefel, der zwischen seinen Knieen eingeklemmt war, klopfte wie der Neck auf eine Seele, und in ihm rief eine dumpfe, drohende Stimme: Es muß ein Ende haben, es muß ein Ende haben! Und sein scharfes Auge flackerte. Aber das Morgen glich dem Heute und das Übermorgen dem Gestern, und Ahasverus, das braucht nicht gesagt zu werden, lebte nur so weiter, nach der Menschen alter Gewohnheit. Und die Tage gingen hin, einer nach dem andern, als ob es niemals einen Ahasverus gegeben hätte.

Tastete sich ein Kunde, gebückt, sein Trepplein hinunter, so wartete er, bis der zu sprechen anfing, und gab ihm wortkarg Bescheid. Wenn ich nur endlich seine Hacken sähe, um allein zu bleiben, dachte er; — allein mit der düsteren Glut, die in ihm loderte. Was konnten die armen Teufel ihm erzählen, es sei denn von ihrem elenden Leben, demselben Leben, wie das seine war! Mit Kindern hätte er wohl einmal spaßen mögen, aber die fürchteten sich vor seinem Lachen und kamen nicht gern in diese unheimliche Höhle.

Wenn seine Einsamkeit ihm allzu öde wurde, dann lief er ziellos die schmutzigen Gassen entlang mit ihrem Armeleutegeruch, durchs Gedränge der sich herumbalgenden Rotznasen, der Gemüseweiber, die neben ihren Karren humpelten, der Juden, die überall, vor den Kellern, auf den Türstufen, in Löchern unter den Freitreppen, beim Schachern und Krakeelen waren. Aber er betrachtete mit Groll den elenden Kuddelmuddel und fühlte sich darin noch einsamer denn je.

Manchmal war es ihm, als ob er nur ein Ding zu finden brauchte, nur ein Wort, um glücklich zu sein, — doch kein Mensch in der Welt wußte ihm dies Wort zu sagen. Er hätte seine Arme ausstrecken mögen, um das volle Leben einmal tüchtig anzupacken, aber er fühlte wohl, daß, was er auch tun mochte, die schreckliche Leere seines Herzens nicht füllen konnte, daß niemals Happen und Brocken seinen Hunger befriedigen würden, daß er immer weiter streben würde, frei, freier als die Lerche, als die Winde, als der Tod, und daß alles Wünschen darum nutzlos war, alles nutzlos.

Und so saß er gefangen in seiner Verdammnis, wie in einem Keller ohne Tür oder Luftschacht.

Und doch, hatte das Leben auch keinen Reiz für ihn, kam er sich auch oft gänzlich ausgelaufen vor, es steckte im Tiefsten seines Herzens, so tief, daß er selbst es nicht sah, etwas, woran kein Teufel rühren konnte. „Sie werden mich nicht kriegen“, sprach er bei sich selbst und lachte höhnisch und biß die Zähne zusammen und hielt sich steif. Denn das will ich euch nur sagen: er war ein Mann vom Kopf bis zu den Füßen, kein Seelchen von Zucker und Honig, kein Faselhans oder Flausenmacher, sondern ein knorriger Kerl aus einem Stück mit ein paar sehnigen Arbeitshänden, einem klaren Kopf und einem Brustkasten, den man anpacken konnte.

Nun war es, müßt ihr wissen, damals eine harte Zeit, und das Volk hatte viel zu leiden: das Korn, aufgehäuft auf den Böden der Reichen, kostete ein schweres Stück Geld, und alles Fett auf der Suppe wurde abgeschöpft durch Auflagen und Fronden, durch große und kleine Zehnten, die kein Ende nahmen. Daß gemurrt wurde, könnt ihr euch denken: man steckte die Köpfe zusammen und räsonierte hier und dort, an Ecken und Kanten. Wenn die Walker und die Weber am Sonntag getrunken hatten, gab es Radau in ihrem Bezirk, und dann bebten die Patrizier und die Blutsauger des Volkes in ihren verriegelten Häusern. Ahasverus verzog die Mundwinkel und zuckte die Achseln, denn es war ihm bisweilen, als ob er die ganze Menschheit für ein Butterbrot hätte verkaufen können. Doch sah er mit heimlichem Vergnügen, daß bei Volkszählung und Steuererhebung immer mehr geknurrt wurde. „Vielleicht werden sie doch noch einmal Menschen werden!“ dachte er. Aber wenn dann die geharnischten Hellebardiere zu Pferd mit ihren roh lachenden Gesichtern auf dem Markt erschienen, war niemand, der noch zu mucksen wagte.

Der Kram könnte vielleicht doch einen besseren Dreh bekommen, dünkte ihn, als er zum erstenmal Jesus den Nazarener sah.

Er hatte schon seit einiger Zeit davon gehört, wie dieser Fremdling zum Ärger aller Priester und Wucherer die Kleinen um sich scharte und sie mitriß mit seinem inwendig brennenden Wort; und alle glaubten ihm, wenn er prophezeite, daß sie glücklich sein würden und daß einst die Güte auf Erden herrschen würde.

„Faxen!“ hatte Ahasverus konstatiert und war sogleich wieder in seine Höhle gekrochen.

Aber ein andermal hatte er vernommen, wie der Nazarener die Tische der Wechsler im Tempel umgestürzt und all ihre durcheinanderkollernden Geldscheiben über das klingende Pflaster geschüttet hatte, wo sie darnach grapschten, gebückt unter seiner geflochtenen Geißel; und wie er sie mit Sack und Pack zum Tempel hinausgefenstert hatte, mitsamt den Taubenzüchtern, die dort Tauben für die Opfer verkauften. An diesem Tag hatte Ahasverus geschwiegen.

Und etwas später hatte er ihn selbst gesehen. Es war gegen Abend, außerhalb der Stadtmauern, wo zwischen ärmlichen Gärtchen und Plätzen voll Aschengrus, Schutt und Topfscherben die Seiler arbeiten und die Ziegelbrenner. Ein ganzer Schweif war ihm aus Galiläa gefolgt, Tölpel, die wegen ihres bäurischen Aussehens in den Straßen von Jerusalem von den Gassenjungen verhöhnt wurden, rote, wetterharte Fischer, hungrige Lümmel mit dämlichen Augen und bärtige Weinbauern mit harten Köpfen: sie standen um ihren Meister herum und nickten „ja“ zu allem, was er sagte. Die Seiler hatten ihre Bahn verlassen und die Ziegelbrenner ihren Ofen; die Arbeiter, die aus der Stadt heimkehrten, ihr Gerät auf der Schulter, blieben stehn und guckten, und da waren auch Galiläer aus Jerusalem, allerhand Tagediebe, verlauste Krüppel und ein paar Freudenmädchen, inmitten zahlreicher Kinderbrut.

Die Hände in den Taschen und mit den Ellbogen stoßend, schob Ahasverus durch dies Gedränge, immer noch mißtrauisch: „Wir wollen uns diesen Kerl nun mal ansehn . . .“

Er sah ihn, — er sah die erhaben-ernste Erscheinung mit dem schmalen Gesicht, dem etwas bitteren Zug um den Mund und den Augen voll Liebe. Und plötzlich schwieg alles in ihm, er lauschte gespannt, und die Stimme drang in sein Herz; es war, als hätte eine mächtige Hand sich auf ihn gelegt.

Ja, da stand ein Mann! und sein Wort kam auf Ahasverus zu wie eine einfache, nackte Wahrheit. Ja aber, ja aber, wir wollen mal sehn . . . Und Ahasverus sträubte sich dagegen, denn viel begriff er nicht, wie er wohl gewünscht hätte, aber eines wurde ihm doch sogleich klar: daß der ganze Kram von unten nach oben gekehrt werden sollte; von dem großen Tempel, der sich da hinten wie ein Ungeheuer von Weiß und Gold in den Himmel hineinwölbte, würde kein Stein auf dem andern gelassen werden . . . „Wähnet nicht, daß ich gekommen sei, Frieden zu bringen auf die Erde; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ Und Jesu Blick fiel starr auf Ahasverus, der ihn schweigend ansah und plötzlich, er wußte nicht warum, ein tolles Jauchzen spürte in der verstopften Kehle.

Später schämte er sich dessen, und es schien ihm fast, als ob der Nazarener ihn verzauberte. Denn als er vor ihm stand, wurde er gleichsam ein anderes Wesen, er fühlte, daß er ein Mensch war, und daß es noch andere Menschen gab gleich ihm selbst, und daß das Leben einen Sinn hatte und alle Dinge vielleicht so einfach waren. Aber was hoffte er denn eigentlich? Er wußte es nicht. Und zu Hause nagte und knabberte er noch mehr an all seinem Zweifel, und er haßte dann diesen Jesus, der die stumme Glut da drinnen in seiner Brust aufgeschürt hatte, denn nun konnte seine Seele nicht mehr schlafen.

Wußte der Galiläer selbst wohl, was er wollte? Warum schwatzte er von Vergebung und Liebe, wenn er die Macht brechen wollte? Und wie würde er es anfangen, den Hungrigen und Beladenen den ersten Platz an der Tafel zu geben? Wie würde er nun die Menschen ändern? Lag sein Neues Reich in den Wolken, oder wollte er König von Jerusalem werden, und würde dann alle Tage Sonntag und alle Sonntag Kirmes sein? Er sagte wohl: Eure Rede sei ja, ja, nein, nein! Aber warum dann all diese Gleichnisse und diese Bildersprache, woraus kein Mensch klug wurde? Er war am Ende doch nur ein Träumer! . . . Und warum saß er stundenlang im Tempel, zu tifteln über das Gesetz und die Propheten mit den heuchlerischen Pharisäern, „diesen übertünchten Gräbern“, er hatte es selbst erkannt, „die auswendig hübsch scheinen, aber inwendig sind sie voller Totengebeine und alles Unflats“? Seine Apostel, einfältige Tröpfe, die überallhin mitliefen, vermochten selbst nicht viel davon aufzuschnappen. Warum entschloß er sich nicht einmal, mit einigen handfesten Genossen die Fäuste aus dem Ärmel zu recken? Aber wenn die Köpfe warm wurden und da etwas zu rumoren anfing, dann wandelte er in aller Gemütsruhe nach Bethanien zu den Schwestern des Lazarus! Nein, auch das gefiel Ahasverus nicht: es war immer zu viel Weibervolk um ihn herum.

O, könnte er doch einmal all diese verrückten Mädchen und diese Lumpenkerle, diese Schwätzer und Tagediebe von dem Manne wegjagen und irgendwo allein mit ihm sitzen, am Abend, und seine Hand in die eigene nehmen und in seine seltsamen, stillen Augen blicken und ihn fragen, was er tun sollte! Denn er konnte sie nicht vergessen, diese sanfte Stimme, die durch begehrende Lippen aus der Tiefe klang, dies entschlossene Gesicht, diesen Blick, der an jenem Tag auf ihn gefallen war und worin er gelesen hatte, ja, deutlich gelesen, daß auch in Jesus etwas brannte, wie in ihm selbst, etwas, womit er nirgendhin wußte . . .

Aber sein ganzes Wesen umgab solch ein Hauch inbrünstiger Trauer, wenn er seinen Blick schweifen ließ über sein hoffendes Volk und weiter zu den hohen Zinnen von Jerusalem, daß Ahasverus nicht wagte, ihn anzureden.

Er blieb in einer kleinen Entfernung schweigend stehen, und oft, wenn er lange nach ihm hinsah, hatte er das Vorgefühl eines großen Glückes, wobei es ihn immer wieder quälte, daß dieses Glück so gar nicht zu greifen war. Aber das wußte er doch: daß da ein Mann war so wie er selbst, ein Mann, der ihn verstehen würde, der ihn retten konnte; und wenn der endlich einmal, wie er versprochen, das Schwert über die fahle Verderbtheit der Welt zückte, ja, dann würde er, Ahasverus, wild in den Kampf fliegen, so dicht wie möglich an seiner Seite, und fechten, daß es krachen sollte, unverdrossen und heiter und triumphierend bis in den Tod, — bis in den nutzlosen Tod, denn wofür gekämpft würde, er wußte es nicht zu sagen: der Himmel würde immer der Himmel sein, so hoch über unserm Haupt, und die Erde an ihrer Stelle bleiben, mit Waschlappen von Menschen darauf, — aber um endlich doch aus seinem Kellerloch und seinem dumpfigen Leben in die Höhe zu springen und sich einen Weg zu hauen nach etwas anderem, was es auch sein mochte, nach dem Ungereimten, dem Sinnlos-Tollen, und doch einen Augenblick über dem zerstörten Leben tanzen zu dürfen in einem gewaltigen Rausch von Verzweiflung, wobei die Welt bersten und vergehn mochte . . .

Doch Jesus predigte nur immerfort und zankte sich weiter mit den Priestern; und da Ahasverus seit einiger Zeit mehr hinter ihm hergelaufen war, als sich um seine Arbeit gekümmert, und sich tüchtig in Schulden gestürzt hatte, so erschien in seinem Keller, am Donnerstag vor Ostern, ein dicker, untersetzter, buntbeturbanter und stolzgefiederter Wicht von einem Gerichtsdiener, der ihm verkündete: daß man in der nächsten Woche sein armseliges Gerümpel verkaufen und ihm nicht einmal einen Nagel lassen würde, um sich damit zu kratzen.

Ahasverus hatte nicht übel Lust, diesen ganzen Hanswurst mal mit dem Gehirn gegen die Wand zu klatschen. Aber etwas war zerbrochen in ihm: er rührte sich nicht und schwieg und schwieg und blickte um sich wie ein Tier, das den Tod sieht. Er fühlte die Faust wieder, die ihn beim Nacken gepackt hielt, er saß gefangen in seinem Verhängnis, er konnte nicht mehr heraus. Er lag da, weggespült, willenlos, halb zusammengesunken, in einem schmierigen Winkel. Läg er doch nur sechs Fuß tief unter der Erde! Wenn man kaputt ist, so ists aus, dachte er; die Menschen sind ebenso schwach gegen das Böse wie gegen das Gute, sie sind weder die Hölle noch den Himmel wert. Aber das Nichts, das Nichts, — das schien ihm noch fürchterlicher als selbst der Höllenbrand . . .

Die Glut fraß wieder in ihm und wußte nicht, wo sie herausschlagen sollte; er fühlte, wie eine tödliche Lähmung ihn beschlich, und eine wilde Raserei schäumte in seinem zerschlagenen Kopf, — umsonst! umsonst! Stunden entglitten, eine nach der andern, und er saß noch da, als schon das Dunkel alles umhüllt hatte. Ihn fror, seine Zähne klapperten. O kämpfen! kämpfen! Wogegen, das war ihm einerlei . . . Er konnte doch so nicht dahinfahren, er hätte auf einmal untergehn mögen in einer alles zermalmenden Tat, aber er vermochte nicht mehr zu denken, die ganze Welt schien ihm leer, so grausig still . . . Er legte sich endlich auf seinen Strohsack, und die Stunden gingen wieder über ihn hin, alles verflüchtigte sich, versank . . .

Wie war Jesus hereingekommen? Ahasverus lachte, ein albernes, klangloses Lachen, als er in dem bleichen Antlitz die Augen fiebrig glänzen sah. Es war wie an jenem Tag, am Stadttor. „Ich hab noch ein Messer,“ sagte Ahasverus, „das sollen sie mir nicht wegnehmen . . .“ Sie liefen auf die Straße, eingezwängt in ein hastiges Gedränge von Kerlen mit Keulen und Beilen und von Schmiedehämmern, die mächtige Schultern trugen. Von überallher, aus allen Gäßchen, kam Menschen- und Pferdegetrappel, ein jeder hatte die unausgesprochene Botschaft verstanden. Ahasverus lief, um vorne zu sein, und da stand er mit Jesus oben am Tempel, gegen die goldene Kuppel, so nahe bei der matt-schimmernden Milchstraße, daß er die roten Sternbüschel fast hätte pflücken können wie Früchte. Über Jerusalem blinkte, hoch am Himmel, ein Komet, unbeweglich in der wimmelnden Nacht, wie ein blutiges Schwert. Ah! ah! da begannen die Häuser der Wucherer in der Ferne zu brennen mit lustigem Knistern, und die Flammen flackerten und tanzten so toll in die schweflige Luft hinein . . .