Der Fall Julia - Michael Baltus - E-Book

Der Fall Julia E-Book

Michael Baltus

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Beschreibung

Victoria, Mutter ihrer Tochter Julia, verübt Selbstjustiz, nachdem das Gericht versagt hatte. Die Geschichte befasst sich mit einer Frau, die sich als Kind schon von Gott verlassen fühlte und viele Ungerechtigkeiten über sich ergehen lassen musste.

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Gottes Worte und die Lehre Jesu sollen uns die Priester, Bischöfe und Kardinäle in ihren Kirchen zutragen. Der Klerus selbst bezeichnet sich als Gottes Sprachrohr auf Erden. Doch auch die Mitglieder der abendländischen Kirche sind nur Menschen und nicht unfehlbar. Unter ihnen gibt es wie in jeder anderen Gesellschaft auch gute und schlechte Menschen. Oft versuchte der Vatikan die schlechten Dinge einiger seiner Angestellten unter den Teppich zu kehren. Nie sollte deren Fehlverhalten an die Öffentlichkeit kommen. Im Mittelalter baute der Vatikan seine Macht und sein Vermögen durch Mord und Totschlag aus. Die von ihm aufgebaute mächtige gesellschaftliche und politische Stellung hält noch bis in die heutige Neuzeit an. So auch in meinem Roman, dessen Geschichte frei erfunden und doch eventuell von Vielen so erlebt wurde. In meinem Buch setzt sich eine Frau zur Wehr und verübte der Gerechtigkeit halber Selbstjustiz.

Alle in dem Roman erwähnten Personen und Geschehnisse sind frei erfunden und haben mit der realen Wirklichkeit nichts zu tun. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Ich möchte den Roman mit den von mir geschriebenen Songtext als Einleitung beginnen. Dieser Song spiegelt die Geschehnisse, die in diesem Roman von mir beschrieben werden, wieder.

Als ich im Gerichtsaal saß

und dich dreckig lächeln sah,

lief es mir eiskalt den Rücken runter,

weil ich aus deinem Munde hörte was geschah.

An meine Tochter hast du dich vergangen,

als du mit ihr fertig warst,

hat sie sich aufgehangen.

Mit was für ein Recht darfst du weiter leben?

Ich möchte dir einfach nur die Kugel geben.

Du kannst deinen Trieb nicht kontrollieren,

andere Eltern werden auch ihr Kind verlieren.

Dich mir gegenüber sitzen zu sehen,

ist kaum zu ertragen.

Ich hoffe der Richter wird mutig sein

und nicht versagen.

Nach dem Urteil auf Bewährung,

glauben konnte ich nicht des Richters Erklärung.

Mit was für ein Recht darfst du weiter leben?

Ich möchte dir einfach nur die Kugel geben.

Du kannst deinen Trieb nicht kontrollieren,

andere Eltern werden auch ihr Kind verlieren.

Ich schrie laut nach Gerechtigkeit,

doch dazu war die Justiz nicht bereit.

Ich nahm den Revolver aus meiner Tasche

und erschoss dich,

dass war meine Rache.

Eingesperrt wurde ich zu lebenslange Haft,

viele Kinder habe ich dadurch gerettet,

aus deiner Pädophilen Machenschaft.

Mit was für ein Recht darfst du weiter leben?

Ich möchte dir einfach nur die Kugel geben.

Du kannst deinen Trieb nicht kontrollieren,

andere Eltern werden auch ihr Kind verlieren.

Das Recht zu leben hast du nicht verdient,

deshalb habe ich mich meines Revolvers bedient.

Egal was ich tat,

es bringt mir keinen Trost,

meine Tochter ist begraben

und bleibt auf Ewig tot.

Inhaltsverzeichnis

Die Zelle

Das Mädchen Victoria

Die junge Frau Victoria

Die Zelle 2

Julia

Die Zelle 3

Die Babyüberraschung

Der Direktor

Der neue Gemeindepastor

Vanessa

Das erste Anzeichen

Mit gehangen, mit gefangen

Der Firmenunterricht

Die Flucht

Gefängniskleidung

Aufgespürt

Die Verhandlung

Das Urteil

Das Warten

Nach dem Urteil

Die Akte

Wieder allein

Der Weg in die Freiheit

Fehlende Beweise

Freiheit

Die Rache

Zum Ende

Die Zelle

Es war ein kalter, regnerischer Wintertag. Die Wolken hingen dunkelgrau gefärbt über den Dächern von München. Die Regentropfen klopften an das Glas des Fensters, aus dem Victoria durch die vergitterten Metallstäbe ihrer Zelle schaute.

Ihre Gedanken waren genauso trübe wie das Wetter. Hier in der Stadelheimer Straße saß sie seit heute in der Justizvollzugsanstalt ein. Diese Einrichtung hatte eine Frauenabteilung, in der sich Victoria jetzt wiederfand. Sie konnte es selbst kaum glauben, dass sie jetzt hier unter den vielen Kriminellen eingesperrt war. Bis heute morgen war sie eine ganz normale Frau, ohne je mit der deutschen Justiz in Berührung gekommen zu sein. Außer ein paar Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit hatte sie sich nie etwas zuschulden kommen lassen.

Victoria drehte sich vom Fenster weg und guckte sich in dem kargen Raum um. Die Wände waren genauso grau wie das Wetter über der Landeshauptstadt des Freistaates Bayern.

Andere Häftlinge hatten ihre Kommentare und Schmierereien auf den Zellenwänden hinterlassen. Der letzte Anstrich schien Jahrzehnte her zu sein. Das Bett auf der linken Seite sah schon beim Hingucken unbequem und klein aus. Die Matratze war dünn und würde Victoria mit Sicherheit keinen beruhigenden Schlaf bringen. Im Gegenteil, Rückenschmerzen werden sie jeden Morgen beim Aufstehen begleiten. Neben dem Bett an der Wand gegenüber stand ein kleiner Holzschrank, der seine beste Zeit lange Jahre hinter sich hatte. Auch hier waren Anmerkungen anderer Häftlinge zu sehen. Zwischen dem Bett und der gegenüberliegenden Wand, unter dem Fenster, war die Toilette. Ohne die fehlende Toilettenbrille, würde Victoria sich auf dem nackten Keramikteil setzen müssen. Auch an der Toilette waren die Jahre des Gebrauches deutlich zu sehen.

Urinstein und andere hartnäckigen Verschmutzungen winkten ihr beim Hineingucken zu. Dabei war Victoria im eigenen Haushalt sehr penibel und achtete ganz besonders auf Hygiene und Sauberkeit. Der gesamte Eindruck ihrer jetzigen Situation brachte ihr ein Würgereiz und Victoria musste sich in die gerade noch inspizierte Toilette übergeben.

Kurz danach schloss einer der Justizangestellten die Zellentür auf und eine Frau in Uniform betrat die Zelle. Ihr Gesicht zeugte nicht von Fröhlichkeit und sie stellte Victoria ein kleines Bündel auf den Schrank. Danach kam der andere Schließer und stellte ihr ein Tablett auf den kleinen Tisch neben dem Schrank.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verließen die beiden die Zelle und Victoria hörte, wie die schwere Zellentür von außen verschlossen wurde. Auf dem Tablett waren zwei Scheiben Brot. Eines mit Käse und das andere mit Aufschnitt belegt.

Dazu ein Becher mit Orangensaft. Victorias Abendbrot für den ersten Tag. Sie stand von ihrem Bett auf und untersuchte das auf dem Schrank liegende Bündel. Sie packte eine Zahnbürste, Zahnpasta, ein Stück Seife und ein Handtuch aus. Ohne das Abendessen anzurühren, legte sie sich auf die unbequeme Matratze und verfiel in ein unendlichem Geheule.

Victoria schloss in ihrer ersten Nacht in der Justizvollzugsanstalt kein Auge und wurde von der Frühschicht mit einem Frühstückstablett geweckt. Die Angestellte sah das unberührte Abendbrot, tauschte die Tabletts aus und musterte Victoria ganz genau. Nach etwa einer Minute des langen Schweigens, sprach sie Victoria an und sagte ihr, dass sie essen müsste. Erst jetzt blickte Victoria die Frau an und sah sie leicht lächeln. Danach wurde die Zellentür wieder von der anderen Seite verriegelt.

Es war gegen 9 Uhr, als die Zellentür erneut geöffnet und Victoria von der Schließerin zu ihrem Strafverteidiger gebracht wurde. Der Rechtsanwalt wartete schon auf seine Mandantin und begrüßte diese mit Handschlag. Die Angestellte schaute in diesem Moment absichtlich weg. Der Anwalt Jochen Finn übernahm Victorias Verteidigung und wurde so, von einem Tag auf den anderen zum Medienstar. Er legte seiner Klientin einen Stapel Tageszeitungen und Boulevardberichte auf den Tisch.

Victorias Tat war überall auf der Titelseite zu lesen. Die Presse schrieb, ohne wirklich über die tatsächlichen Argumente seiner Klientin Bescheid zu wissen und Jochen Finn schüttelte mit dem Kopf. Zuerst bot er Victoria das Du an und danach besprach er mit ihr die nächsten juristischen Schritte. Doch eines stellte er sofort klar. Victoria aus dem Gefängnis zu holen, würde ihm und auch sonst keinem Anwalt gelingen. Es ginge jetzt nur darum, das Strafmaß so weit wie möglich zu reduzieren. Auf alle Fälle zeigten die Medien weltweit ein riesiges Interesse an Victorias Handlung und versuchten ein exklusives Interview mit ihr zu bekommen. Doch Jochen Finn ermahnte Victoria, sich zurzeit auf irgendwelche Angebote der Medien einzulassen. Das Gericht würde dadurch vielleicht negativ beeinflusst werden. Noch dazu wollte Jochen Finn als Victorias Strafverteidiger von ihr nichts über die tatsächlich geplante Tat wissen. Es ging nicht um Recht oder Mitleid auch nicht um das Warum.

Für Jochen Finn ging es nur darum, Victoria so gut wie möglich zu vertreten. Das er dazu in den Medien zum Star wurde, war für ihn nebenbei die beste Werbung. Mit diesem Fall würde er zumindest national zu den Größten in seiner Gilde aufsteigen.

Victorias Sitzung mit ihrem Anwalt dauerte fast drei Stunden und als sie wieder auf dem Weg in ihrer Zelle war, sprach die begleitende Justizangestellte sie leise an. Sie spendete Victoria ihren Trost zu und gab ihr zu verstehen, ihre Handlung nachvollziehen zu können. Danach verlor sie kein weiteres Wort an die Strafgefangene mehr und schloss die Tür der Zelle kommentarlos hinter Victoria ab.

Es war Victorias zweiter Tag in ihrem neuen Zuhause und sie verzichtete auf ihren täglichen Freigang auf dem Hofgelände der Frauenabteilung.

Sie stand am Zellenfenster und schaute hinaus in den Innenhof der Justizvollzugsanstalt. Der gestrige Regen verwandelte sich in Schnee. Dicke weiße Flocken fielen aus den Wolken und suchten den Weg auf die Erde. Das vorher graue Gefängnisgebäude wurde so teilweise in Weiß eingeschneit und nahm Victoria etwas von ihrer bedrückten Stimmung ab. Es war der erste Schnee diesen Winter und Victoria dachte in diesem Moment, wie viele Winter sie wohl eingesperrt verpassen würde.

Ihre Gedanken rasten plötzlich durch ihren Kopf. Was würde aus ihrer Arbeit werden? Was passiert mit ihrem Wohnhaus in Unterpfaffenhofen auf der Sandstraße vor den Türen der Weltmetropole München? Doch sie wusste auch vor ihrer Tat, was geschehen würde. Ihr wurde das Wichtigste in ihrem Leben genommen. Den Rest gab sie durch ihre Rache selbst auf.

Die graue, kahle Zelle wirkte kalt und deprimierend auf Victoria und sie spürte den ganzen Hass, der sie in dieser Lage gebracht hat. Tränen der Ohnmacht, der Wut und Verzweiflung liefen an ihren Wangen herunter und fielen auf den nackten Betonboden.

Victoria saß den ganzen Nachmittag unbeweglich auf ihre Schlafstätte und starrte die graue Wand an. Sie suchte die Flucht in ihren Gedanken. In ihrem geistigen Universum vergaß sie den Schrecken und fühlte sich weit entfernt von der Wirklichkeit.

Erst das Öffnen der Zellentür brachte sie in die Realität zurück.

Genauso wortlos wie gestern um die gleiche Zeit, stellte die Justizangestellte ihr das Tablett mit den Brotscheiben auf den kleinen Tisch, während ein anderer Schließer an der Tür wachte. Einige Sekunden später war wieder Stille eingekehrt und Victoria biss zum ersten Mal in eine der Brotscheiben. Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie schon zwei Tage nichts mehr gegessen hatte. Dieses Mal aß sie alles auf und ihr Magen bedankte sich dafür, indem er mit dem Knurren aufhörte.

Irgendwann, Victoria lag auf der Pritsche und starrte dieses Mal die Zellendecke an, fielen ihr vor Müdigkeit die Augen zu und sie fiel in einen unruhigen Schlaf. So verging ihr zweiter Tag in der Justizvollzugsanstalt München.

Der dritte und vierte Tag vergingen ähnlich. Am fünften Tag, es war ein Samstag, wurde sie zum Gefängnisdirektor gerufen.

Der Kerl saß übergewichtig hinter seinem Schreibtisch und zeigte mit der Hand auf den Stuhl vor sich. Victoria nahm platz und wartete auf des Direktors Beginn. Doch der ließ sich Zeit und blickte erst in ihre Akte. Nach etwa fünf Minuten, die Victoria unendlich vorkamen, lächelte er, erhob sich und reichte seiner neuen Insassin die Hand. Victoria tat es ihm gleich und nannte ihren Namen. Der Direktor stellte sich ebenfalls mit Namen vor und Victoria erfuhr, dass er Friedrich mit Nachnamen hieß. Danach waren die Floskeln ausgetauscht und er kam zum Punkt seines Anliegens. Er erwähnte, dass Victoria bis zum endgültigen Urteil in dieser Haftanstalt verbleiben würde und es hier einige Regeln zu befolgen gäbe. Er erklärte ihr den üblichen Ablauf in diesem Haus und teilte Victoria zum Arbeitsdienst ein. Als neuer Häftling musste sie natürlich den Job machen, den die länger Einsitzenden versuchen zu umgehen. Victoria war ab sofort für die Ordnung und Sauberkeit der gemeinsamen Sanitäranlagen eingeteilt. Das hieß nichts anderes, wie Toiletten schrubben. Die Arbeit wurde sogar mit einem Euro am Tag belohnt und dem Häftling nach dem Verbüßen seiner Zeit in diesem Etablissement ausgezahlt. Unter den Insassinnen gab es mehrere Putzkolonnen und jede Kolonne hatte eine Vorarbeiterin, diese würde sich nach ihrem Gespräch mit dem Direktor bei Victoria vorstellen und ihr den Ablauf erklären. Vorarbeiterinnen sind Frauen, die sich durch gute Führung das Privileg für diesen Posten verdient hatten.

So kam es, dass Victoria nach einer Woche den Schmutz aus den Toiletten putzen musste, die die anderen Insassinnen dort hinterlassen haben.

Victorias Tat war auch ein Thema der anderen eingesperrten Frauen und viele unter ihnen hatten Verständnis für das, was Victoria hier in die Justizvollzugsanstalt brachte. Es gab sonst nichts für sie zu tun. Ein Tag war wie der Andere. Die einzige Abwechslung, die Victoria vom immer wieder gleichen Tagesablauf hatte, war der Besuch ihres Verteidigers Jochen Finn.

Finn hielt sie auf dem Laufenden und beriet sich mit seiner Mandantin über die Strategie, die sie zusammen vor Gericht anstreben wollten. Jochen Finn wollte auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren, doch Victoria wollte, dass die ganze Welt die Wahrheit erfahren sollte und sie mit voller Absicht gehandelt hatte. Sie war nicht unzurechnungsfähig, auch stand sie nicht unter dem Einfluss von irgendwelchen Drogen oder Alkohol. Sie hatte die Tat geplant und eiskalt durchgeführt. Finn sah sie ungläubig an und klärte seine Mandantin über das Strafmaß auf, dass sie dann erwarten würde. Victoria hingegen lächelte zum ersten Mal, seit sie hier einsaß und sagte Finn nur, dass sie zu jeder Zeit wieder so handeln würde.

Einige Tage nach Victorias Aussage bei ihrem Rechtsanwalt öffnete sich an einem Nachmittag die Tür zu ihrer Zelle.

Victoria schaute kurz auf und erschrak. In der Tür stand der Gefängnispfarrer und wollte ihr seine oder besser gesagt Gottes Hilfe anbieten. Er legte sofort los und redete von einem verlorenen Lämchen, dass auf dem falschen Weg abgekommen sei und durch Gottes Güte wieder auf den richtigen Pfad geleitet würde. Victoria sah den Diener Gottes an und bat ihn höflich wieder zu gehen. Doch der Pastor und Seelsorger wollte sich nicht so einfach abspeisen lassen und fing seinen Vortrag noch einmal von vorne an. In Victoria staute sich die Wut auf und jetzt schrie sie den Geistlichen an, dass er endlich verschwinden solle. Die Schließerin bat den Mann Gottes dann, die Zelle zu verlassen und so war Victoria einige Sekunden später wieder alleine in ihrer Unterkunft. Erst jetzt bemerkte sie ihr eigenes Zittern und wischte sich die Tränen mit ihrem Handrücken aus dem Gesicht.

Die ganze Nacht lag sie schlaflos in ihrem unbequemen Zellenbett und grübelte über den Geistlichen nach. Die Frage, die sie sich immer wieder stellte, blieb unbeantwortet. Was dachte der Pastor sich eigentlich sich bei ihr vorzustellen und ihr seine Hilfe anbieten zu wollen? Victoria wusste, es kann keinen Gott geben und wenn doch, hatte er sie schon vor langer Zeit verlassen.

Als Kind hatte sie im Religionsunterricht und in der Messe immer von Gottes Liebe und seiner Gerechtigkeit gehört. Doch im wirklichen Leben siegt oft die Ungerechtigkeit und wo ist Gott dann? Das ganze Vermögen der christlichen Kirche wurde durch Raub, Mord und Betrug aufgebaut. Die Geistlichen fühlten und fühlen sich noch immer wie Gott persönlich. Sie riefen in den letzten Jahrhunderten nach Macht und machten Politik. Wo war Gott, als sie seine Hilfe dringend benötigte? Er war nicht da oder schaute weg. Wie konnte Gott es zulassen, das unschuldigen Kindern, wie ihrer eigenen Tochter großes Leid angetan wird? Nein, Victoria wusste es besser. Es kann keinen Gott geben. Die Kirchen nutzen nur die Angst der Menschen vor dem Tod zu ihren Gunsten aus. Niemand kennt die Zahl der durch die Kirche getöteten Menschen in den letzten 2000 Jahren. Es waren Unzählige und das alles damit das Vermögen des Vatikans und seinen Gesellen weiter stets anwächst.

Victoria war fertig mit Gott und seinen angeblichen Vertretern auf Erden.

Kurz vor dem Wecken ist Victoria dann doch noch eingeschlafen. Völlig übermüdet saß sie an ihrem kleinen Zellentisch und nippte an ihrem Kaffee, als sich die Zellentür öffnete und Victoria zum Direktor beordert wurde. In Begleitung eines der Schließern, stand Victoria dann vor dem Schreibtisch Friedrichs und wartete auf sein Zeichen, sich setzen zu dürfen. Doch es schien, als wenn er sie gar nicht bemerken würde. Er schaute konzentriert in irgendwelchen Dokumenten, ohne ihr einen Blick zu würdigen. Victoria wurde es zu dumm und setzte sich einfach unaufgefordert auf dem Stuhl vor dem Schreibtisch. Mit den Worten, sie sitzen ja schon, begann er dann seine Ansprache. Natürlich wollte der Dicke wissen, was sich gestern mit dem Gefängnispfarrer abgespielt hatte und warum Victoria ihn so hysterisch wegschickte.

Victoria antwortete nicht sofort und der Direktor sah sie wartend mit Blick über den Rand seiner Brille an. Jetzt wurde er ungeduldig und hustete ein wenig, um von Victoria eine passende Antwort zu bekommen. Die Zeit stand für einige Sekunden still. Victoria schaute den Direktor an und fragte ihn, ob er sich nicht vorstellen könne, warum sie keinen Mann der Kirche in ihrer Nähe ertrug. Mehr bekam der Chef der Justizvollzugsanstalt nicht aus seiner Insassin heraus und so saß Victoria einige Minuten später wieder alleine in ihrer Zelle.

Ein paar Tage nach dem Vorfall mit dem Pfarrer in ihrem Beisein, öffnete sich die Zellentür und Victoria wurde gefragt, ob sie Besuch empfangen wollte. Erstaunt schaute sie den Schließer an. Ihr Anwalt war nicht angekündigt und sonst wusste sie nicht, wer sie sprechen wollte. Sie nickte dem Angestellten der JVA zu und begleitete ihn in das Besprechungszimmer für Besucher.

Als sich die Tür zum Besprechungsraum öffnete, sah Victoria dort eine hübsche blonde Frau sitzen. Sie schätzte sie auf Mitte dreißig ein. Sie trug ein graues Kostüm, eine weiße Bluse und schwarze Pumps. Die Frau stand sofort auf und reichte Victoria die Hand. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und Victoria roch ihr dezent aufgelegtes Parfüm. Nachdem sie sich die Hand gegeben hatten, zeigte die Dame auf einen der Stühle und Victoria setzte sich an einem Tisch ihr gegenüber hin. Jetzt stellte sich die Unbekannte vor. Ihr Name war Josefine Hausmann und sie wollte als Reporterin über Victorias Schicksal berichten. Victoria sah sie an und schüttelte den Kopf.

Doch damit hatte Frau Hausmann wohl gerechnet, denn sie fragte Victoria, ob sie nicht wolle, dass die Welt die Dinge aus ihrer Sicht erfahre. Victoria schüttelte erneut den Kopf und wollte wieder aufstehen, als die Reporterin sie fragte, wie sie denn die Kostenflut, die auf sie demnächst zukommen würde, bewältigen wolle. Jetzt horchte Victoria auf und fragte selbst, was sie damit meinte. Josefine Hausmann hatte ihre Hausaufgaben gemacht und war vorbereitet in das Gespräch gegangen. Sie holte einen Schreibblock und einen Kugelschreiber aus ihrer Handtasche, legte alles auf den Tisch und schrieb während ihrer Erzählung Zahlen auf das Papier des Schreibblockes. Victoria hörte ihr aufmerksam zu. Als die Blondine ihren Vortrag beendete, schob sie den Schreibblock zu Victoria. Dort unten stand eine zweimal unterstrichene sechsstellige Zahl. Das sind die Kosten, die Victoria wohl für den Prozess aufbringen müsste. Natürlich hatte Victoria dieses Geld nicht und das wusste die Reporterin. Jetzt kam ihr Angebot. Frau Hausmann wollte einen exklusiv Vertrag, der ihr die Rechte sicherten, Victorias Geschichte an die Öffentlichkeit zu bringen. Victoria fragte sie nun, warum sie ihr dies zugestehen sollte und Frau Hausmann klopfte mit dem Kugelschreiber auf die Zahl des Schreibblockes. Das wäre der Betrag, den sie oder besser gesagt, die Zeitung, für die sie arbeitete bereit wären für die Story zu zahlen.

Victoria wurde unsicher. Sie fühlte den Schweiß unter ihren Achseln. Sie hatte ein komisches Gefühl in der Bauchgegend.

Josefine Hausmann machte dann den Vorschlag, Victoria sollte eine Nacht über das Angebot nachdenken und die beiden würden sich morgen wieder hier treffen. Victoria blickte der Reporterin in die Augen und nickte ihr zu.

Am Abend lag sie nach dem Putzdienst auf ihrer Pritsche und ordnete ihre Gedanken. Ihr fiel ein, dass Finn, ihr Anwalt, sie vor den Medienberichterstattern gewarnt hatte. Doch Josefine Hausmann hatte einen Punkt angesprochen, über den Victoria nicht hinweg gucken konnte. Die Kosten der Gerichtsverhandlung und ihrer Verteidigung konnte sie nicht stemmen. Das Angebot der Reporterin schien großzügig und Victoria konnte ihre eigene Geschichte an die Öffentlichkeit bringen. Was ihr aber Sorgen bereitete, war die Warnung Finns, dass der Richter durch diese Story zu ihren Ungunsten beeinflusst sein könnte.

Wieder war die Nacht viel zu kurz und der Schlaf nicht ausreichend. Doch Victoria hatte die Nacht genutzt und ist zu einer Entscheidung gekommen. Josefine Hausmann würde sie interviewen dürfen. Das Skript aber nur mit ihrer Erlaubnis veröffentlichen.

Victoria marschierte einige Stunden später erneut in den Besucherraum und begrüßte die Reporterin. Neben ihr stand ein Mann, den Josefine Hausmann als den Anwalt ihres Verlages vorstellte. Der Mann, groß gewachsen, mit schwarzem Haar stellte sich mit Namen vor. Dirk Walter sollte den Vertrag zwischen Victoria und dem Zeitungsverlag anfertigen. Die Vertragsinhalte wurden von beiden Seiten festgelegt und nach einer knappen Stunde verabschiedeten sich der Anwalt und Josefine Hausmann von Victoria, standen auf und verließen den Raum. Victoria wurde wieder in ihre Zelle geführt und durfte jetzt auf das weitere Vorgehen warten.

Einen Tag später war ihr Anwalt Jochen Finn nicht erfreut über die Neuigkeiten, als er über den Vertrag seiner Mandantin mit dem Boulevardblatt erfuhr. Doch Victoria wollte der ganzen Welt ihre Sicht der Geschehnisse erklären. Finn schüttelte mit dem Kopf und meinte, dass würde seine Verteidigung wesentlich erschweren. Doch Victoria ließ sich von ihrem Entschluss nicht abbringen. Egal welche Konsequenzen sie durch das Gericht zu fürchten hatte. Sie ging sowieso davon aus, die Höchststrafe aufgebrummt zu bekommen.

Eine Woche danach saß Josefine Hausmann unter den wenigen Zuschauern im Gerichtssaal der Großen Strafkammer des Landesgerichts München und beobachtete Victorias ersten Prozesstag. Drei Berufsrichter und zwei Schöffen leiteten als Richter des Landesgerichts das Verfahren gegen Jochen Finns Mandantin. Victoria trug nach Wochen in Gefängniskleidung ein dunkelblaues Kostüm, das Finns Assistentin besorgt hatte.

Dazu passende flache Pumps und die Haare sehr kurz frisch geschnitten. Finn riet ihr, sich nur sehr dezent zu schminken und Victoria hielt sich an diesen Wunsch. Am ersten Tag wurden die Personalien aller Beteiligten festgestellt und die Anklage verlesen. Der zuständige Staatsanwalt las seine Klage vor und Jochen Finn erörterte seine Verteidigung. Danach wurde der nächste Gerichtstermin festgelegt und eine Stunde später saß Victoria wieder in ihrer Zelle.

Am Abend nach der Brotzeit kniete Victoria vor einer der Toiletten des Duschraumes und reinigte wie jeden Tag die WC´s. Während sie ihre Arbeit ruhig und ungesehen nachging, hörte sie plötzlich einige Mitgefangene im Nebenraum reden.

Anscheinend wähnten diese sich alleine in den Sanitärräumen, denn sie unterhielten sich ziemlich lebhaft. Victoria blieb still und versuchte unsichtbar zu bleiben. Die lebhafte Unterhaltung entwickelte sich zu einer heftigen Diskussion. Victoria sah die anderen Insassinnen nicht, zählte aber drei verschiedene Stimmen. Sie konnte nicht genau verstehen, worum es in dem Streit ging, doch sie entschloss sich weiterhin ungesehen zu bleiben. Nach etwa fünf Minuten war der Spuk dann vorbei und Victoria wartete noch zwei Minuten in ihrem Versteck, bevor sie sich wieder bewegte. Als sie dann den Duschraum betrat, war sie nicht alleine. Eine der Insassinnen lag gekrümmt auf dem Fußboden und weinte leise vor sich hin. Jetzt sah diese Frau auch Victoria und Victoria erkannte eine blutige Nase bei der nun erstaunt schauenden Frau. Als Victoria gehen wollte, fragte die Fremde sie, wie lange sie schon hier wäre. Victoria antwortete wahrheitsgemäß und half der Frau wieder auf die Beine zu kommen. Als die andere Frau dann vor ihr stand, riet sie Victoria, das Gehörte für sich zu behalten und niemanden davon zu erzählen. Die Wände in diesem Etablissement hätten Ohren und manch andere Gefängnisinsassinnen harte Fäuste ohne Gnade. Danach drehte sie sich um und verließ die Räumlichkeiten. Victoria holte tief Luft, wartete erneut einen Moment und verließ dann ebenfalls die Sanitärräume.

Am nächsten Morgen fand Victoria einen Zettel unter eines ihrer beiden Frühstücksbrote. Kurz und knapp ließ die wohl unbekannte Adressatin ihr zukommen, den Mund zu halten.

Mehr stand dort auf dem kleinen Blatt Papier nicht geschrieben.

Victoria hatte eine Ahnung, wer ihr diese Mitteilung mit dem Frühstück gesendet hat. Es kann ja nur eine der Insassinnen von gestern Abend in den Duschräumen gewesen sein. Doch Victoria hatte die dort Anwesenden nicht gesehen und so können alle hier einsitzenden Häftlinge infrage kommen. Sie hatte sowieso nicht vor gehabt, das gestern Geschehene irgendeiner Seele zu erzählen und so fand das Blatt Papier den Weg in den Frühstücksabfall.

Es war der frühe Nachmittag, als Josefine Hausmann wieder im Besucherraum auf Victoria wartete. Sofort, direkt nach Victorias Eintritt, schob sie ihr zwei identische Verträge zu. Einen für den Verlag und den anderen für Victoria. Die Medienfrau las ihrer Gegenüber das Dokument laut vor und bat danach um ihre Unterschrift. Das ging Victoria aber zu schnell und sie bat wiederum, sich das Schriftstück am Abend in aller Ruhe durchlesen zu dürfen. Die Reporterin wollte die Story schnell veröffentlichen, zumindest so lange das Eisen noch heiß war.

Zähneknirschend nickte sie dem zu und erinnerte Victoria daran, den Vertrag morgen unterschrieben wieder mitzubringen, stand auf und verabschiedete sich von ihr.

Am Abend nach dem Abendbrot reinigte Victoria wieder die allgemeinen Sanitäranlagen. Sie war wie fast immer alleine in den Räumlichkeiten, als plötzlich zwei Frauen hinter ihr standen. Eine von denen hätte auch ein Mann sein können. Die Figur von der Größeren schien einem Kirmesboxer gleich zu kommen. Mit dem Fuß stieß die Kleinere Victorias Putzeimer um. Das schmutzige Putzwasser lief Victoria über die Knie. Als sie versuchte aufzustehen, hielt die Boxerin sie im festen Griff am Boden. Sie drückte Victorias Gesicht in die Pfütze des Putzwassers. Victoria schmeckte die schmutzige Seifenlauge und sie versuchte sich aus dem Griff ihrer Gegnerin zu lösen.

Doch je mehr sie sich wehrte, desto fester drückte die andere Frau sie zu Boden. Erst als Victoria ihren Widerstand aufgab, sprach die kleinere Frau sie an. Sie sollte ja vergessen, was sie gestern mitbekommen hat und dies jetzt als einmalige Bitte ansehen. Mit einem kräftigen Tritt in ihrem Hintern, der Victoria komplett zum Liegen in dem Nass brachte, verabschiedeten sich die beiden Damen von ihr. Der Schmerz in ihrem Hinterteil ließ sie noch einige Minuten dort reglos liegen, bis ihr durch die durchnässte Kleidung kühl wurde und sie fror.

Erst in der Zelle begutachtete sie den ihr zugeführten Schaden.

Ihre linke Pobacke zeigte jetzt schon bläuliche Verfärbungen an und Victoria rieb sich an die schmerzende Stelle ihres Pos. Erst ein paar Wochen hier und schon Freunde fürs Leben gefunden, waren ihre Gedanken beim Einschlafen.

Den Vertrag unterschrieb sie dann am nächsten Morgen, ohne ihn noch einmal gelesen zu haben. Ihr Po schmerzte so sehr, dass sie kaum Laufen konnte. Auf dem Weg in den Besucherraum fragte die begleitende Schließerin sie, warum sie so schwerfällig gehen würde. Victoria antwortete, in der Nacht von der Pritsche gefallen zu sein. Die Schließerin stoppte kurz, sah Victoria ernst ins Gesicht, schüttelte den Kopf und ging weiter.

Frau Hausmann begrüßte Victoria herzlich und freute sich über den unterschriebenen Vertrag. Sie holte einen Schreibblock, einen Stift und ein Diktiergerät aus der Tasche und legte alles auf den Tisch. Mit den Worten, dann fangen wir mal an, begann sie Victorias Geschichte für ihren Verlag zu bearbeiten. Josefine Hausmann wollte zuerst über Victorias Kindheit reden und bat Victoria über ihr Zuhause und ihre Erinnerungen aus frühster Kindheit zu erzählen.

Das Mädchen Victoria

Es war der 10. April 1970, als Paul Mc Cartney zum Entsetzen ihrer vielen weltweiten Fans das Ende und die Auflösung der bis dahin größten Popband, den Beatles, ankündigte. Zehn Jahre lang beschenkten uns die Liverpooler Pilzköpfe mit den schönsten und größten Popsongs und nun sollte alles aus sein.

Doch ihre Lieder sollten ewig, noch heute über die Radiosender an den Hörer gebracht werden. Keine andere Band schaffte es je den Beatles auch nur annähernd das Wasser reichen zu können.

Sogar der damalige Bundeskanzler Willy Brand, der erste sozialdemokratische Kanzler Deutschlands, zeigte sich enttäuscht über das Ende der Beatles.

Am 13. April 1970 hielt dann ein anderes spektakuales Ereignis die Welt in Atem. Auf der Apollo 13, einer amerikanischen Raumfähre, explodierte der Sauerstofftank. Der sichere Tod der drei Astronauten stand bevor. Doch die Nasa-Techniker gaben die drei sich im Orbit aufhaltenden Amerikaner nicht auf. Durch viel Wissen, noch mehr Fleiß und Ehrgeiz schafften es die Drei dann, was eigentlich unvorstellbar war, sie landeten ihre Raumfähre dann doch wieder auf der Erde.

Genau zwischen den beiden geschichtlichen Ereignissen erblickte Victoria in der Nacht vom 11. zum 12. April 1970 das Licht der Welt. Dem Sieg der Nasa gegen die Zeit und dem sicheren Verbleib der drei Astronauten im All verdankte Victoria ihren Namen. Ihre Mutter, einfache Hausfrau, gebar Victoria als ihr drittes und letztes Kind. Zwei ältere Brüder warteten schon ungeduldig auf ihre kleine Schwester. Der Vater, ein Handwerker im Baugewerbe, verdiente als Maurer sein Geld und ernährte durch viele Überstunden seine Familie. Das abendliche Feierabendbier gehörte genauso wie der sonntägliche Besuch der Messe fest zu seinen Gewohnheiten.

In den bayrischen Gemeinden ließen sich die Frauen und Männer sonntags beim Gottesdienst sehen. Der Gemeindepfarrer war in jedem Haus seiner Gemeinde ein gern gesehener Gast und immer überall willkommen. So auch bei Victorias Familie, wo der Herr Pastor sofort vorstellig wurde.

Er beglückwünschte Victorias Vater und nahm einige Tage später die Taufe über ein weiteres Lämchen seiner Herde vor.

Das war dann der erste Kontakt Victorias mit Gottes Dienern auf Erden.

Schon in jungen Kindesjahren schloss sich Victoria als 6-jähriges Mädchen den kirchlichen Pfadfindern an. Victorias Wunsch, wie die Jungen aus der Gemeinde der Kirche als Messdiener zu dienen, wurde ihr aber nicht gestattet. Wenn heutzutage der Priester in den Gottesdienst einzieht, begleiten ihn mehr Ministrantinnen als Ministranten. Deutschlandweit macht der Mädchenanteil etwa 53 Prozent aus. Das war aber nicht immer so. Lange war es kirchlich verboten, was heute völlig normal ist. Im fünften Jahrhundert verbot der damalige Papst Gelasius der Erste Frauen den Altardienst in den Kirchen.

Diese Anordnung wurde später im 13. und 18. Jahrhundert noch einmal von den Päpsten bestätigt. Auch 1917 im neuen Kirchenrecht ließ der Klerus keine Ministrantinnen zu.

1980 hatte Papst Johannes Paul der Zweite noch in der Instruktion Inaestimabile Donum bestätigt, dass Frauen der Dienst am Altar verboten sei. Zwölf Jahre später, am 11. Juli 1992 bestätigte er dann aber, dass der Kanon 230 so zu bewerten ist, dass auch Mädchen den Dienst am Altar antreten dürfen. Damit machte der Papst Johannes Paul der Zweite nur das offiziell, was in vielen Gemeinden schon vorher gelebt wurde. Die Bistümer unterstützten die neue Regel und so sieht der Kirchenbesucher heute auch Ministrantinnen bei der Messe.

Victoria hielt sich so, sehr zur Freude ihres Vaters, im Bereich der Gemeindekirche auf. Sie besuchte den katholischen Kindergarten und half beim Aufräumen und putzen der kirchlichen Räume. Oft war der Dorfpastor im Hause von Victorias Familie und lobte nicht nur einmal das kleine blonde Mädchen wegen ihres Arrangement im Dienste der Kirchengemeinde. Victoria lernte so schon in frühen Jahren Gottes Gebote und die Lehre Jesu kennen. Jeden Abend vor dem Schlafengehen kniete sie vor ihrem Bett und betete zu Gott. Mit zehn Jahren wollte sie zum Erstaunen ihrer Eltern in die Klosterschule, um später als Nonne dem Herrn im Himmel zu dienen. Dies ging ihrem Vater dann doch zu weit und er sprach sich gegen den Besuch Victorias, die Klosterschule zu besuchen aus. Trotz des Rückschlags, nicht die Schule ihres Wunsches besuchen zu dürfen, unterstellte Victoria ihr Leben bis dahin Gott und seinen Angestellten auf Erden.

Alles verlief bis dahin ohne besonderen Vorkommnisse, bis Victoria an einem Mittwochnachmittag die Sakristei aufräumte.

Sie sortierte gerade die frisch gewaschenen Gewänder der Messdiener in den dafür vorgesehenen Kleiderschrank, als sie ein wunderschönes Ministrantentalar in den alten liturgischen Farben Albe und Rochett dort hängen sah. Sie schaute sich verlegen um und da sie alleine in dem Nebenraum der Kirche war, fasste sie den Entschluss, dieses Gewand anzuprobieren.

Sie zog ihr Sommerkleid aus und das Talar an. Danach begutachtete sie sich selbst in dem großen Standspiegel, wie der Pastor es vor jede Messe tat. Unschuldig spielte sie einen Messdiener und vergaß die Zeit, als plötzlich die Tür von außen geöffnet wurde. Victoria erschrak gedankenverloren und sah den Pastor in der Tür stehen. Der Diener Gottes war nicht glücklich, Victoria in dem Gewand vor sich stehen zu sehen und schimpfte das kleine Mädchen vor ihm aus. Eingeschüchtert und weinend streifte sie sich das Ministrantentalar über den Kopf und stand nun nur in ihrer Unterwäsche vor dem Pastor der Kirchengemeinde. Sie faltete das Gewand zusammen und legte es wieder in den Schrank. Als sie sich umdrehte und ihr Kleidchen anziehen wollte, stand der Priester direkt hinter ihr.

Er legte seine Hand auf ihre Schulter und befahl dem ängstlichen Mädchen so stehen zu bleiben. Victorias Knie zitterten vor Angst, etwas Falsches gemacht zu haben und sie erwartete jetzt ihre Strafe. Sie traute sich nicht, dem Kirchenmann in die Augen zu blicken und hörte sich nur seine Standpauke an. Dabei fühlte sie seine Hände auf ihren Schultern liegen und wie sich die Finger immer wieder auf ihrer nackten Haut bewegten. Aus der Standpauke wurde Schweigen und aus dem festen Griff des Pastors ein Streicheln. Dieser Zustand dauerte einige wenige Minuten, bis der Pfarrer der kleinen Victoria ihr Kleid reichte und sie sich wieder anziehen durfte. Als sie den Pastor ansah, erkannte sie, dass seine Hose in der Leistengegend etwas ab stand. Noch beim Hinausgehen aus der Sakristei ermahnte der Mann Gottes Victoria diesen Vorfall niemanden zu erzählen. Sollte sie es doch wagen, wäre Gottes Strafe unbeschreiblich. Außerdem drohte er ihr noch, sie aus der Kirche zu entlassen. Eingeschüchtert schwor das Mädchen dem Pfarrer das Geheimnis für sich zu bewahren.

Noch am selben Abend kniete Victoria vor ihrem Bettchen und betete zu Gott, sie nicht aus der Kirchengemeinde zu werfen. In der Nacht plagten sie dann schwere Albträume und sie wachte am Morgen völlig verängstigt auf. Eine Woche wiederholte sich das Bild und Victorias Angst wuchs mit jedem Tag weiter an.

Doch wie sie auch hoffte, Gott hatte wohl wichtigere Dinge zu tun, als sich ihre Gebete anzuhören, denn auf eine Antwort wartete sie vergebens. In ihrer Panik wusste sie nicht mehr weiter. Sie hatte ja dem Pfarrer versprochen, mit niemanden über das Geschehen zu sprechen. Die Angst vor Gottes Strafe trieb sie in die Arme des Pastors. Es war wieder ein Mittwoch Nachmittag. Zwei Wochen, nach dem der Mann Gottes sie in dem Ministrantentalar erwischte. Sie half, einen Raum der kirchlichen Jugendherberge aufzuräumen, als der Priester sie sah und sie zu sich winkte. Victoria gehorchte brav und ging auf den Pfarrer zu. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und führte sie mit ein wenig ausgeübten Druck in einen der vielen Schlafräume. Der Pastor wollte von seinem kleinen Gemeindelämchen wissen, ob sie mit irgendjemandem über ihr Geheimnis gesprochen hatte. Victoria schwer eingeschüchtert, schwor ihrem Gegenüber mit niemanden ein Wort gesprochen zu haben. Fragte den Priester dann aber, ob ihre Gebete zu Gott dazu zählen würden. Jetzt war der Kirchenmann ein wenig überrascht, überlegte kurz und gab ihr die Antwort, dass Gott mit wichtigeren Sachen zu tun hätte und von ihr deswegen nicht gestört werden dürfte. Sollte sie zu Gott reden wollen, müsste Victoria ihn als Vertreter Gottes ansprechen und er würde dann ihr Anliegen an dem Vater im Himmel weiterleiten.

Während der ganzen Unterhaltung lag die Hand des Mannes auf der linken Schulter Victorias. Jetzt herrschte einige Sekunden Stille und der Pastor löste sich von dem Mädchen und verschloss die Tür. Lächelnd drehte er sich zu Victoria um und befahl ihr, sich von ihrer Kleidung zu befreien. Voller Furcht gehorchte Victoria und zog sich nackt aus. Mit glänzenden Augen begutachtete der perverse Mann sein Opfer und ging auf das Mädchen zu.

An diesem Abend betete Victoria zum ersten Mal, seit sie denken konnte, nicht vor dem Schlafengehen zu Gott im Himmel. Am darauf folgenden und dem dann folgenden Tag kniete sie ebenfalls nicht vor ihrem Bett und sprach nicht mit dem Schöpfer der Welt.

Vier Tage vergingen und sie saß neben ihren Eltern am Sonntagmorgen in der Kirche, als der Pastor zum Schluss der Messe die Kinder aufrief, die zur nächsten Kommunion ab der nächsten Woche zum Kirchenunterricht erscheinen müssten.

Dabei fiel auch Victorias Name und sie stand mit einigen anderen Kindern vor dem Altar und spürte wieder die Hand des Pastors auf ihrer Schulter liegen.

Im Kommunionsunterricht, der immer Dienstag und Donnerstagnachmittag stattfand, wurde den sechs in der Gemeinde beheimateten Kindern versucht, durch den Pfarrer das Wort Gottes beizubringen. Victoria hörte genau zu und versuchte sich selbst ein Bild von dem zu machen, was Gott von ihr wollte. Nach dem zweiten Unterricht fiel Victoria auf, dass der Pastor nach jeder Stunde einen anderen seiner Schüler auftrug, noch etwas da zu bleiben, während er die anderen Kinder nach Hause schickte.

Victoria war als Fünfte an der Reihe und sollte nach dem Kommunionsunterricht noch an ihrem Platz sitzen bleiben.

Beim Herausgehen ihrer Mitschüler sah sie die bemitleidenden Blicke der anderen Kinder, die alle froh waren, nicht selbst dort sitzen bleiben zu müssen. Der Gottesmann begleitete die Kinder aus dem Raum und schloss danach die Tür ab. Victoria ahnte, was wieder auf sie zu kam. In Gedanken stotterte sie schnell das Vater unser herunter und wartete ängstlich auf des Pastors Worte. Der wiederum schwieg erst einmal und legte wie immer seine Hände auf den Schultern seiner Schutzbefohlenen.

Victoria zitterte am ganzen Körper und betete, dass die Zweisamkeit mit dem Pfarrer schnell vorübergehen würde.

Als Victoria an diesem Abend schon schlief, stellte ihre Mutter fest, dass die Unterhose ihrer Tochter gelb verfärbt und noch feucht vom Urin war. Victoria hatte in die eigene Hose gemacht und das mit zehn Jahren. Der Vater saß schlafend vor dem Fernseher, als Victorias Mutter ihn weckte und ihn über die Einnässung ihrer Tochter aufklärte. Da den beiden kein Grund einfiel, sahen sie dies erst einmal als einmalige Sache an und wollten ihre Tochter in den nächsten Tagen genauer beobachten.

Am nächsten Morgen saß Victoria ruhiger als sonst am Frühstückstisch. Normalerweise redete sie ohne Pause beim Essen. Doch heute schien sie in einer anderen Welt abgetaucht zu sein. Auf die Frage ihrer Mutter, was los sei, antwortete sie nicht. Die Brüder schauten gelangweilt zu und machten sich dann wie Victoria auch auf den Weg zur Schule.

In der Schule schaute Victoria geistesabwesend aus dem Fenster ihrer Klasse und bemerkte überhaupt nicht, dass die Lehrerin sie schon drei Mal angesprochen hatte. Erst als alle Kinder sie anstarrten und es irgendwie totenstill im Raum war, hörte sie plötzlich ihren Namen mit der Stimme ihrer Klassenlehrerin aus weiter Ferne zu sich schweben. Victoria war sonst eine fleißige und aufmerksame Schülerin. Die Lehrerin hatte sie in die Wirklichkeit zurückgeholt und machte mit ihrem Unterricht weiter. Als dann wenige Minuten später die Schulglocke zur großen Pause rief und alle Kinder aufsprangen und die Klasse eilig verließen, bat die Lehrerin Victoria, einen kleinen Moment sitzen zu bleiben. Doch ihre gestellten Fragen wurden von Victoria nicht befriedigend beantwortet und die Lehrerin nahm sich vor, das kleine Mädchen vor ihr in den nächsten Tagen im Auge zu behalten.

Am Sonntag nach dem Frühstück überraschte Victoria dann ihre Eltern und großen Brüder mit den Worten, dass sie heute die Messe nicht besuchen möchte. Doch diese Bitte an die Familie wurde ihr durch den Vater verwehrt und Victoria musste gegen ihren Willen auf der Bank in der Kirche platz nehmen. Im Gegensatz zu ihren anderen Kirchenbesuche blieb Victoria dieses Mal stumm und sang nicht ein Lied aus dem Gesangsbuch mit. Beim Herausgehen aus dem Gotteshaus stand der Pfarrer am Ausgang und verabschiedete sich von seinen Messebesuchern. Als Victorias Vater den Handschlag des Pastors entgegennahm, zwängte sie sich an ihrer Mutters Rücken vorbei ins Freie. Victorias Vater gefiel diese Unhöflichkeit nicht und er rief seine Tochter im Beisein des Kirchenmannes zu sich. Aus Angst vor der Strafe des Vaters wegen ihrer Ungehorsamkeit, trat Victoria den Rückweg an und verabschiedete sich, ohne den Pfarrer anzusehen von ihm. Was dabei geschah, bekam niemand mit. Genau in dem Moment des Handschlags nässte Victoria sich wieder ein wenig ein.

Es kam der Dienstag und der Kommunionsunterricht stand an.

Victoria wollte dort nicht mehr erscheinen und trödelte zu Hause vor sich hin. Ihre Mutter erinnerte Victoria mehrmals auf die Uhr zu beachten und als die Zeit knapp wurde, schickte sie ihre Tochter auf den Weg zur Kirchenstunde. Kopfschüttelnd sah die Mutter, wie Victoria die Tür zuzog und nahm sich vor, mit ihrem Nesthäkchen zu reden.

Am anderem Tag, es war ein Mittwoch, der Tag, an dem Victoria in der Kirche immer aushalf, blieb sie dieses Mal in ihrem Zimmer. Das war dann der Augenblick, den ihre Mutter nutzen wollte, um mit ihrer Tochter zu sprechen. Ihr Gedanke Victoria käme in der Pubertät, bestätigte sich nicht. Was das Mädchen aber hatte, erfuhr sie trotzdem nicht. Victoria blieb einfach stumm. Wieder alleine in der Küche machte die Mutter sich jetzt wirkliche Sorgen und wollte mit ihrem Mann über das seltsame Verhalten der gemeinsamen Tochter reden.

Doch dazu kam es an diesen Abend nicht. Auf jeden Fall nicht so, wie sie es geplant hatte. Die Familie saß gemeinsam am Tisch beim Abendbrot, als es an der Tür schellte. Der Vater schaute schulterzuckend zu seiner Frau, die sich daraufhin erhob und sich auf dem Weg zur Haustür machte. Zu ihrem Erstaunen stand der Pfarrer dort draußen im Regen und wartete hineingelassen zu werden. Als der unerwartete Besucher am Tisch platz nahm, deckte die Mutter den Pfarrer ein und er aß mit der Familie zusammen das, was der Herr ihnen auf dem Tisch gebracht hatte. Victoria fühlte wie ihr Höschen feucht und dann nass wurde. Doch sie wagte es nicht aufzustehen. Erst als der Vater mit dem Pfarrer in Ruhe sprechen wollte, schickte er seine Kinder in ihre Zimmer.