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Und plötzlich spielten wir bei der Weltmeisterschaft, handelt über das Erlebnis von Michael Baltus, der als an Parkinson Erkrankter vor einigen Monaten als Therapieform zum Tischtennisspielen kam und ein halbes Jahr später an der Ping Pong Parkinson Weltmeisterschaft in Pula, Istrien teilnahm. In diesem Tagebuch beschreibt Michael Baltus das Erlebte, seine Gefühle und vieles mehr. Er führt den Leser nicht nur spannend durch das Geschriebene, nein, er gibt auch tiefe Eindrücke in das persönliche Leben eines an Parkinson Betroffenen.
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Seitenzahl: 85
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Und plötzlich spielten wir bei der Weltmeisterschaft,
handelt über das Erlebnis von Michael Baltus, der als an Parkinson Erkrankter vor einigen Monaten als Therapieform zum Tischtennis spielen kam und ein halbes Jahr später an der Ping Pong Parkinson Weltmeisterschaft in Pula, Istrien teilnahm. In diesem Tagebuch beschreibt Michael Baltus das Erlebte, seine Gefühle und vieles mehr. Er führt den Leser nicht nur spannend durch das Geschriebene, nein, er gibt auch tiefe Eindrücke in das persönliche Leben eines an Parkinson Betroffenen.
Und plötzlich…
Es fing alles mit einer schlimmen Vermutung an. Es war im März des Jahres 2014. Meine Frau und ich entschieden uns, zum Skifahren nach Sölden in die österreichischen Alpen zu fahren. Ich schnallte mir damals seit 15 Jahren die Ski unter den Füßen und nahm jede Herausforderung auf der Piste an. Egal wie steil oder ausgefahren der Hang auch war, wer oben steht, muss auch herunter fahren.
Das war immer meine Devise. Zum Skifahrer wurde ich durch meine Frau animiert. Sie war und ist eine sehr gute Skifahrerin und ich beneide sie noch heute um ihren eleganten und sicheren Fahrstil.
So saßen wir damals in einem Kleinbus mit fünf anderen Wintersportlern aus Haltern am See und stiegen erst wieder vor unserem Hotel in Hochsölden aus. Unsere fünf Sterne Unterkunft lag direkt an der Skipiste und hatte alles zu bieten, was das Herz eines Skifahrers höherschlagen lässt. Die Sonnenterrasse mit Blick auf die weißen Berge luden uns tagtäglich zu einem nachmittäglichen Snack und alkoholfreiem Weizenbier ein. Eigentlich schien alles vom ersten Tag an auf einen perfekten Winterurlaub hinzudeuten.
Was ich zu dem damaligen Zeitpunkt noch nicht wusste, es würde bis zum heutigen Tage mein letztes Erlebnis auf Skiern werden.
Am ersten Tag lächelte uns beim Frühstück die Sonne von einem wolkenlosen, azurfarbenen Himmel durch das Panoramafenster des Restaurants an. Das Weiß der Berge funkelte durch die Sonnenstrahlen wie Milliarden von kleinen Diamanten, die nur auf uns warteten, befahren zu werden.
Die Freude meiner Frau und mir, endlich wieder mit Brettern unter den Füßen die Pisten herunter zu jagen, erreichte somit ihren Höhepunkt.
Ich konnte es kaum erwarten und drängte meinen Schatz, um endlich in die schneebedeckte Natur zu kommen.
Das kurze Stück zum Skilift, der ungefähr zweihundert Meter unter unserem Hotel lag, nahm ich wie die Jahre zuvor ohne irgendwelche Probleme.
Oben angekommen starteten wir beide dann unser Skivergnügen. Meine Frau als die bessere und erfahrenere Fahrerin fuhr vor mir den Abhang hinunter. Ich schaute ihr 2 Sekunden nach, überprüfte den Sitz meiner Sonnenbrille und fuhr in den Abhang hinein.
Schon nach den ersten Kurven, die ich fuhr, bemerkte ich, dass mein linker Fuß und der an ihm befestigte Ski flatterte. Es gelang mir einfach nicht, genügend Druck auf den Ski zu bekommen. Ich spürte sofort, irgendetwas stimmte mit mir nicht. Meine Lust, trotz des Kaiserwetters und den perfekt präparierten Pisten verschwand in Windeseile. Dafür wuchs der Frust schon nach der ersten Abfahrt ins Unermessliche. Ich hatte keine Erklärung für mein Dilemma und auch meine Frau wunderte sich über meine Abfahrt. Den ganzen Urlaub schaffte ich es nicht, nur eine Abfahrt wie gewohnt herunter zu fahren. Ich konnte es kaum glauben, dass ich das Skifahren verlernt haben sollte. Nach einer für mich unbefriedigten Woche fuhren wir wieder heim.
Im Kopf beschäftigte ich mich noch Wochen lang, was in diesem Winterurlaub geschehen war.
Jetzt geschah aber etwas in unserem Leben, dass mich von dem flatternden Ski ablenken sollte. Vor unserem Winterurlaub in Sölden besuchten meine Frau und ich ein Ehepaar im niederrheinischen Viersen, die japanische Hunde der Rasse Akita Inu züchtete. Der Akita Inu stammt aus der japanischen Präfektur Akita und der Name Inu bedeutet einfach nur Hund.
Vier Wochen war der Kleine alt, als wir ihn zum ersten Mal in unserem Arm halten durften. Neun Wochen nach seiner Geburt, genau ein Tag nach unserem Skiurlaub, brachten wir unseren Welpen in sein neues zu Hause. Da der Akita auch als der König unter den Hunden gerufen wird, bekam er den Namen Samu, was die Abkürzung von Samurai heißen sollte.
Die Ablenkung in unserer Familie durch das neue Familienmitglied war so groß, dass ich nicht mehr an den wackelnden linken Ski gedacht habe.
Ein halbes Jahr verging, ohne das ich irgendwelche körperlichen Veränderungen an mir bemerkte.
Doch dann, im Sommer 2014, begann in Brasilien die Fußballweltmeisterschaft. Ich kam von der Tagschicht bei meinem Arbeitgeber nach Hause und legte mich vor dem Fernseher auf die Couch. Während des Eröffnungsspiels zwischen dem Gastgeber Brasilien und Kroatien spürte ich plötzlich ein leichtes Kribbeln in meinem linken Arm. Als wenn ein leichter Strom durch ihn fließen würde. Ich beachtete das Kribbeln am Anfang gar nicht wirklich und es verschwand auch wieder. Irgendwann bemerkte ich dann, dass mein linkes Augenlid ganz fein zitterte, aber auch dem schenkte ich keine richtige Beachtung. Ich rechnete das leichte Zittern, dass immer wieder auftrat dem Stress der letzten Wochen zu.
Deutschland wurde bei dieser Weltmeisterschaft der Titelträger. Wobei das 7:1 im Halbfinale gegen die brasilianischen Gastgeber unvergessen bleiben wird.
Unser neues Familienmitglied Samu benötigte und bekam unsere volle Aufmerksamkeit.
Meine und die Freizeit meiner Frau waren plötzlich nur noch auf unseren Hund abgestimmt.
Einzig mein Training im Fitness-Studio behielt ich vier Mal die Woche bei.
Ich war in dieser Zeit voll ausgelastet. Was ich nicht bemerkte, war den physischen und psychischen Raubbau, den ich an mich selbst verübte. Dazu ging ich seit dreißig Jahren meiner Arbeit in einer vollkontinuierlichen zwölf Stunden Wechselschicht bei einem Chemieunternehmen nach. Im wöchentlichen Rhythmus wechselte ich von der Tagschicht auf die Nachtschicht und umgekehrt. Ich lebte sozusagen auf der Überholspur. Da ich in meinem Leben von Kind an immer sehr viel Sport betrieben, mich versuchte gesund zu ernähren, seit fast zwanzig Jahren keinen Alkohol getrunken und nie geraucht habe, dachte ich nie daran, irgendwann mal krank zu werden. Doch es kommt immer anders, als man denkt und plant.
Auf alle Fälle besuchte mich das Kribbeln immer öfter und wuchs langsam zu einem leichten Zittern meines linken Arms.
Na ja ich erkannte noch immer die sich anschleichende Gefahr nicht oder wollte diese nicht wahrnehmen.
Im Fitness-Studio genügte ich immer weniger meinen eigenen Leistungsansprüchen. Meine Kraft ließ für mich unerklärbar nach. Das ging nicht von einem Tag zum anderen, es war ein schleichender Prozess.
Es kam der Tag, an dem es zum ersten Mal meiner Frau aufgefallen war.
Punta Cana, am schneeweißen Strand der Karibikinsel verbrachten wir zwei wunderschöne Wochen und genossen die Sonne, das Essen und alles andere rund um den Urlaub. Der Urlaub war perfekt. Uns fehlte nur unser Samu, der bei einer Hundepflegerin auf sein Rudel wartete.
Sonnengebräunt und mit neuer Energie bestiegen wir das Flugzeug in der Dominikanischen Republik. Der Flug sollte elf Stunden dauern und wir machten es uns bequem, soweit dies im Flieger möglich war.
Plötzlich, noch vor dem Start der Maschine, blickte meine Frau mich überrascht an und fragte mich, warum mein Arm so zittert. Zwei Jahre waren seit unserem Skiurlaub vergangen und nun war mein Kribbeln im linken Arm zu einem Zittern geworden, dass auch andere Menschen in meinem Umfeld wahrnahmen.
Ich nahm mir noch während des Fluges vor, am übernächsten Tag meinen Hausarzt zu besuchen.
So kam es, dass ich in seiner Praxis saß und ihm von meinem Leiden erzählte. Mein Doktor hörte wie immer zu und nickte nur, als ich meine Erzählung beendet hatte. Kurz danach verließ ich mit einer Überweisung für einen Neurologen die Praxis meines Arztes.
Jetzt begann erst einmal eine Odyssee. Ich versuchte einen Termin bei einem in der Nähe ansässigen Neurologen zu bekommen. Das erste Telefonat verlief mit der Aussage der am Telefon sitzenden Frau so, dass der Doktor keine neuen Patienten mehr annehmen würde. Ich konterte mit meinem Joker, den ich in der Hand hielt. Das Zauberwort bei den meisten Praxen hieß Privatpatient. So auch hier. Plötzlich gab es doch noch einen freien Termin und von dem Stopp keine neuen Patienten mehr aufzunehmen, war keine Rede mehr. Doch als die Dame mich für November des Jahres eintragen wollte, sagte ich dankend ab. Wir hatten April und ich brauchte sofort einen Neurologen und nicht in sieben Monaten.
Auch mein zweiter Versuch verlief ähnlich. Nur dieses Mal bekam ich als Privatpatient für im Mai einen Termin. Endlich haben sich die hohen Krankenkassenbeiträge bezahlt gemacht. Trotzdem bin ich persönlich für die oft diskutierte Bürgerversicherung, obwohl ich jemand bin, der immer bevorzugt behandelt wird.
Die Neurologin empfing mich und hörte sich genauso wie mein Hausarzt, meine Geschichte an. Wir sprachen über die Vorgehensweise und sie gab mir einige Tabletten mit dem Wirkstoff Pramipexol 0,26 mg mit auf den Weg. Mit einen neuen Termin, zwei Wochen später, verließ ich die Praxis.
Ich nahm die erste Tablette und das Zittern verschwand. Drei Tage lang funktionierte die Medikation, danach kribbelte es wieder in meinem linken Arm.
In der Zwischenzeit geschah etwas, dass mir bewusst machte, welchen Grund mein Zittern hatte. Ohne eine neurologische Analyse eines Facharztes wusste ich, was mit mir war.
Es war der 3. Juni 2016. Dieser Tag war der Todestag des größten Boxers aller Zeiten. Die Medien berichteten den ganzen Tag über den Tod von Mohamed Ali. Als ich die Berichte und laufenden Bilder im Fernsehen sah, wusste ich plötzlich Bescheid.
Was ich seit dem Tod Alis eigentlich ahnte, bestätigte mir dann ein paar Tage später meine Neurologin. Doch um sicher zu sein, musste ich noch in die Röhre zum Datscan.
Jetzt begann die nächste Odyssee. Auch hier einen Termin frühzeitig zu bekommen, glich einem Lotteriespiel.
Im August lag ich dann in der Universitätsklinik Essen in der Röhre. Eine Stunde sollte ich dort ruhig und bewegungslos während der Untersuchung liegen bleiben. Mit meiner Krankheit eigentlich ein unmögliches Unterfangen.
Das Schlimmste war dann das Warten.
Niemand gab mir irgendeine Auskunft. Ich musste auf den Professor warten. Der suchte mich dann auch nach 90 Minuten Warterei auf.
Er fragte nach meinen Namen und begleitete mich in einen Nachbarraum.
Der fensterlose Raum hatte nur eine Farbe.
Grau. Die Wände grau, der Tisch und die Stühle grau. Sonst war es dort kahl. Ein Verhörraum in Guantanamo Bay der CIA war mit Sicherheit ähnlich aussehend.
Jetzt denkt jeder, der Professor würde tröstende und einfühlsame Worte benutzen.