Der Geldmarder - Karl May - E-Book + Hörbuch

Der Geldmarder E-Book und Hörbuch

Karl May

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Beschreibung

Ferdinand, Sohn des Obermüllers, möchte endlich sesshaft werden und Bertha, die Tochter des Niedermüllers, heiraten. Eigentlich sollte Ferdinands Vater Klaus froh sein, dass sein Sohn ihm in der Mühle hilft, denn Klaus sitzt im Rollstuhl. Doch warum ist er so strikt gegen die Pläne seines Sohns? "Der Geldmarder" ist eine Kurzgeschichte. Sie wurde bereits in "Aus dunklem Tann" (Band 43 der Gesammelten Werke) veröffentlicht.

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Seitenzahl: 48

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Zeit:1 Std. 4 min

Sprecher:Peter Sodann
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KARL MAY

DER GELDMARDER

ERZGEBIRGISCHEDORFGESCHICHTE

AusKARL MAYSGESAMMELTE WERKEBAND 43„AUS DUNKLEM TANN“

© Karl-May-VerlageISBN 978-3-7802-1335-8

KARL-MAY-VERLAGBAMBERG • RADEBEUL

Inhalt

Der Geldmarder

„Horch, wie die Tannen rauschen und das Strauchwerk so lind und heimlich flüstert! Da unten im Grund hör’ ich auch den Bach vom Fels springen; er kennt noch immer das alte Lied, das er mir so oft vorgesungen hat. Der Specht klopft an die hohen Stämme, um sich sein Frühstück zu suchen, und der Fink schlägt in den Wipfeln. Da drüben vom Schlag her ertönt die Axt der Abholzer, und in der Tiefe knarrt der Wagen, der Moos und Streu nach Haus bringt. Das sind Stimmen und Töne, die man nimmer vergisst im fremden Land und die alles Heimweh heilen, sobald man sie wieder vernimmt. Wie freundlich fließt und klettert das Licht um die Zweige, und wie wohlig dringt der Atem in die Brust! Daheim ist’s doch am schönsten; ich geh’ nie wieder fort!“

Der Sprecher, der, mit glücklichem Ausdruck im Gesicht, diese Worte vor sich hin sagte, war ein junger Mann, dem der umfangreiche Ranzen auf dem Rücken und der derbe Knotenstock in der Hand nicht schwer zu fallen schienen. Er strich langsam den schmalen Waldweg dahin, der hinunter zu den Mühlen und von da weiter nach dem Dorf führte, und schien wenig Eile zu haben, denn er hemmte sehr oft den zögernden Schritt, um jeden neuen Ausblick, den eine Krümmung des Pfades ihm bot, bedachtsam zu genießen. Unten am Wasser angekommen, bog er sich nieder, schöpfte mit der Hand von dem klaren, kühlen Nass, und schlürfte es langsam.

„Ja, das ist ein Trunk, wie man ihn nur auf den Bergen haben kann; er gibt Gesundheit und Kraft und macht so froh und munter, wie der Quell ist, der ihn spendet. Ich bin fast träg geworden von dem schweren Wasser, das sich trübselig und langsam durch das Unterland schleicht. Hier hüpft und springt und schießt es vorwärts, als ob es gar nicht viel zu tun und zu schaffen hätt’, und ich will nun auch besser ausschreiten, damit ich bald meine Heimstätte seh!“

Er folgte dem Lauf des Baches, bis dieser sich in einen Teich ergoss, der fast die ganze Breite des Tals einnahm. Am jenseitigen Ende wurde er von einem hohen Damm gehalten, der die wanderlustigen Wellen zu einem kurzen Aufenthalt zwang. Dichtes Gesträuch wuchs darauf, und wer zu der Teichmühle, die dahinter lag, gelangen wollte, der musste eine steile Böschung überwinden, die so unzugänglich wie möglich gehalten war. Der eigentliche Weg begann erst von der Mühle talabwärts, und Klaus, der Teichmüller, duldete es nicht gern, dass Unberechtigte den zu seiner Besitzung gehörigen oberen Teil des Tales betraten.

Er saß eben jetzt vor dem Haus und beaufsichtigte den alten, schwerhörigen Knecht, der mit dem Mähen des hohen Grases beschäftigt war. Seine Beine waren dick mit Watte umwunden; der Unterleib, der vielleicht nur infolge des immer währenden Sitzens einen bedeutenden Umfang angenommen hatte, wurde von einer Decke sorgfältig eingehüllt, und das Gesicht zeigte den Ausdruck stillduldender Ergebung, die das Ergebnis eines langwierigen und schmerzhaften Leidens zu sein pflegt. Die Gicht lähmte schon seit einer Reihe von Jahren seine Glieder, machte ihm fast jede Bewegung zur Unmöglichkeit und war auch der Grund, dass man ihn kaum anders als nur den ‚Gichtmüller‘ nannte. Er schien die unangenehme Lage in den harten Strohpolstern eines alten Räderstuhls übel zu empfinden und rief stöhnend:

„Hans, leg doch die Sense weg und komm einmal her. Ich kann es in den Füßen nicht länger aushalten.“

Hans mähte ruhig weiter.

„Hans!“, tönte es laut und voll Ungeduld. „Hörst du oder hörst du nicht?“ Der krankhafte Ausdruck des leidenden Gesichts war für einen Augenblick völlig verschwunden; aus dem scharfen Auge, das jetzt nichts Mattes mehr zeigte, zuckte ein rasches, zorniges Leuchten, kehrte aber schnell und vorsichtig wieder unter die schlaff sich senkenden Lider zurück. Der Knecht drehte sich langsam um.

„Habt Ihr gerufen, Müller?“, fragte er.

Der Gefragte nickte und warf den müden Blick seufzend auf seine eingehüllten Gliedmaßen.

„Ja, wenn Euch die armen Beine so aus der Lage fallen“, meinte Hans mitleidig, „da müssen sie natürlich wehtun. Kommt, ich will sie wieder zurechtheben!“

Er kniete vor dem kranken Mann nieder und verfuhr mit einer Sorgfalt und Behutsamkeit, als fühle er dessen Schmerzen in den eigenen Gliedern.

„So, jetzt wird’s besser sein. Ich bin gleich fertig mit dem Grummet. Nachher lass ich das Rad gehn und schütte den neuen Weizen auf.“

Der Müller schüttelte langsam mit dem Kopf; er musste selbst unter dieser unbedeutenden Bewegung leiden.

„Nicht?“, fragte der Knecht. „Gibt’s denn etwas andres zu tun?“

Der Müller nickte und schloss dann die Augen. Es war dies das bekannte Zeichen, dass er zu angegriffen sei, um sprechen zu können. Hans griff schweigend wieder zur Sense, während Klaus regungslos in seiner jetzigen Stellung verharrte.

Da vernahm er rasche, leichte Schritte, die sich ihm näherten. Mit sichtbarer Mühe brachte er die zuckenden Wimpern empor, um einen matten, glanzlosen Blick auf den Kommenden zu richten. Sein Auge weitete sich. Er fuhr vom Stuhl auf, dass dieser um mehrere Schritte davonrollte und die schützende Decke zur Erde fiel.

„Ferdinand!“, rief er fast ebenso bestürzt wie überrascht. „Ich glaub’ gar, du bist’s wirklich! Was hast du hier daheim jetzt zu schaffen?“ Dann aber sich seiner Krankheit erinnernd, stieß er einen lauten Weheruf aus und taumelte wimmernd in den Stuhl zurück.

„Freilich bin ich’s. Grüß Gott, Vater! Ich mocht’ es in der Fremd’ gar nimmer aushalten und kehr’ darum zurück, um nun dauernd bei dir zu sein.“