Der goldene Kiel - Horst Reiner Menzel - E-Book

Der goldene Kiel E-Book

Horst Reiner Menzel

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Beschreibung

Die letzten Zeitzeugen sind längst ausgestorben. Es scheint auch niemand mehr zu interessieren, wie man vor 150 Jahren dachte, lebte und in welchen Moralvorstellungen man gefangen war. Es war die Zeit des Friedens zwischen den beiden deutsch-französischen Kriegen von 1870 bis 1918, den man später den Ersten Weltkrieg nannte. Fast 50 Jahre hatte diese Phase in Europa ohne Konflikte überdauert. Es schien so, als ob es ewig so weiter gehen könne, doch dann brachen die alten Wunden, die der Feudalismus in den Völkern hinterlassen hatte, vehement wieder auf und stürzten die alte Welt in das größte Chaos, dass die Welt bisher erlebt hatte. Europa schien ein erloschener Vulkan zu sein, der plötzlich wieder zu fauchen und zu spucken begann und dann mit einer gewaltigen Eruption die Völker unter sich begrub, ja im wahrsten Sinne in den Schützengräben verschüttete, wie sie diese Erde noch nicht gesehen hatte. Die Zeit dazwischen nannte man später die gute alte Zeit, obwohl sie so gut auch nicht gewesen war. Es war eine Zeit des Übergangs von der landwirtschaftlich geprägten bäuerlichen Gesellschaft in den industriellen Aufbruch des ausgehenden 18zehnten in das beginnende technische Zeitalter des 19. zehnten Jahrhunderts, mit allen seinen Verwerfungen und Umstrukturierungen. Von diesen Dekaden des Aufbruchs, soll in diesem Roman, mit geschichtlichem Hintergrund die Rede sein. Man fragt sich heute, wie unsere Welt aussehen würde, wenn unsere Altvorderen etwas umsichtiger und weniger arrogant gehandelt hätten. Ich denke mal, dass sie das Ausmaß der Umbrüche und der Verwerfungen, weder geistig noch in materieller Hinsicht überschauen konnten, denn man kämpfte ja seiner Zeit noch mit dem Säbel und ziemlich einfachen Zündnadel-Schießgewehren. Und dann war da ja auch noch die Abenteuerlust in den Männern, die ausgelebt werden musste, sonst wären sie niemals mit einer solchen Begeisterung in den Krieg gezogen. Das Buch entstand aus der Erfahrung und aus den Erzählungen meiner Vorfahren und meiner eigenen Einschätzung der vielen geschichtlichen Ereignisse, über große Zeiträume hinweg, die nach und nach in Vergessenheit geraten, auch weil sie meistens bei Erzählungen und Geschichten, sowie in Romanen nicht in den geschichtlichen Hintergrund eingebettet werden. Aber es gibt kein Leben ohne Geschichte. Aus ihr sind wir alle durch mehr oder weniger dramatische Ereignisse hervorgegangen und ohne sie gibt es auch keine interessanten, erzählenswerten Geschichten.

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Inhaltsverzeichnis

Werter Leser

Die Familien Chronik

Kapitel 01: Der Regimentsball

Kapitel 02: Ihr habt euch verabredet,

Kapitel 03: Die Großmutter Hildegards Geheimnis

Kapitel 04: Die Brautleute

Kapitel 05: Das beginnende Industriezeitalter

Kapitel 06: Man schrieb inzwischen das sogenannte Dreikaiser-Jahr von 1888, mit allen Versuchen die Herrschaft der Hohenzollern zu festigen.

Kapitel 07: Widerwillig

Kapitel 08: Über die Jahre hinweg bemerkte Hermann eine neue Seite in seinen genetischen Anlagen

Kapitel 09: Der alte Johann von Opeln

Kapitel 10: Die junge Generation

Kapitel 11: Die Hochzeit

Kapitel 12: Die Neuzeit, das Industriezeitalter erwacht

Kapitel 13: Die Nachkriegswehen

Kapitel 14: Die weitere Entwicklung

Kapitel 15: Zwischenschritt in der Geschichte Die Dolchstoßlegende, die Nazizeit und der Kommunismus

Kapitel 16: Die Kommunisten und die Wende

Kapitel 17: Die Überlegungen der Familie von Opeln

Kapitel 18: Die Überfahrt

Kapitel 19: Die Amerikanische Familie

Kapitel 20: Die Jahre kamen und gingen

Kapitel 21: Das Schicksal der Menschen

Kapitel 22: Alte Berufe, die fast nicht mehr benötigt werden

Kapitel 23: Neue Stürme kündigen sich an

Kapitel 24: Die jüngere Generation in Amerika will es besser machen.

Kapitel 25: Ilona und Klaus Weigert und die Landmaschinen AG

Kapitel 26: Nancy und Albert

Kapitel 27: Manchmal geht`s kunterbunt zu im Leben und keiner ist hinterher schuld gewesen

Kapitel 28: Neue Freunde gefunden

Kapitel 29: Die beinahe Kollision

Kapitel 30: Die Machtergreifung

Kapitel 31: 1939 Das Leben geht weiter

Kapitel 32: Die Erlösung vom Erfüllungsdruck

Kapitel 33: Die Situation in Europa spitzt sich zu

Kapitel 34: Die Flucht über den Ärmelkanal

Kapitel 35: Albert wird GI

Kapitel 36: Albert und seine europäische Familie

Kapitel 37: Alberts Familienangehörige

Kapitel 38: Alberts amerikanische Familie

Kapitel 39: Machtgelüste

Kapitel 40: Der sogenannte Putinismus

Werter Leser:

Die letzten Zeitzeugen sind längst ausgestorben. Es scheint auch niemand mehr zu interessieren, wie man vor 150 Jahren dachte, lebte und in welchen Moralvorstellungen man gefangen war. Es war die Zeit des Friedens zwischen den beiden deutsch- französischen Kriegen von

1870 bis 1914, den man später den 1. Weltkrieg nannte. Fast 50 Jahre hatte diese Phase in Europa ohne Konflikte überdauert. Es schien so, als ob es ewig so weitergehen könne, doch dann brachen die alten Wunden, die der Feudalismus in den Völkern hinterlassen hatte vehement wieder auf und stürzten die alte Welt in das größte Chaos, dass die Welt bisher erlebt hatte. Europa schien ein erloschener Vulkan zu sein, der plötzlich wieder zu fauchen und zu spucken begann und dann mit einer gewaltigen Eruption die Völker unter sich begrub, ja im wahrsten Sinne in den Schützengräben verschüttete, wie sie diese Erde noch nicht gesehen hatte. Die Zeit dazwischen nannte man später „Die gute alte Zeit“, obwohl sie so gut auch nicht gewesen war. Es war eine Zeit des Übergangs von der landwirtschaftlich geprägten bäuerlichen Gesellschaft in den industriellen Aufbruch des ausgehenden 18. in das beginnende technische Zeitalter des 19. zehnten Jahrhunderts, mit allen seinen Verwerfungen und Umstrukturierungen. Von diesen Dekaden des Aufbruchs, soll in diesem Roman, mit geschichtlichem Hintergrund die Rede sein. Man fragt sich heute, wie unsere Welt aussehen würde, wenn unsere Altvorderen etwas umsichtiger und weniger arrogant gehandelt hätten. Ich denke mal, dass sie das Ausmaß der Umbrüche und der Verwerfungen, weder geistig noch in materieller Hinsicht überschauen konnten, denn man kämpfte ja seiner Zeit noch mit dem Säbel und ziemlich einfachen Zündnadel-Schießgewehren. Und dann war da ja auch noch die Abenteuerlust in den Männern, die ausgelebt werden musste, sonst wären sie niemals mit einer solchen Begeisterung in den Krieg gezogen.

Das Buch entstand aus der Erfahrung und aus den Erzählungen meiner Vorfahren und meiner eigenen Einschätzung der vielen geschichtlichen Ereignisse, über große Zeiträume hinweg, die nach und nach in Vergessenheit geraten, auch weil sie meistens bei Erzählungen und Geschichten, sowie in Romanen nicht in den geschichtlichen Hintergrund eingebettet werden. Aber es gibt kein Leben ohne Geschichte. Aus ihr sind wir alle durch mehr oder weniger dramatische Ereignisse hervorgegangen und ohne sie gibt es auch keine interessanten, erzählenswerten Geschichten. Das Buch beginnt mit den Ereignissen des Deutsch - Französischen Krieges um 1870-71 und der Gründung des Deutschen Kaiserreiches und wie es enden wird, bleibt der Zukunft überlassen, denn ich habe vor, es so lange ich lebe fortzuschreiben, fortlaufend zu ergänzen und in Neuauflagen zu veröffentlichen. Das heißt jedoch nicht, dass Sie als Leser warten müssen, bis es weitergeschrieben im Verkauf liegt, es wird ein weiteres Buch geben, in welchem die eingebettete Familiengeschichte und parallel dazu der geschichtliche Hintergrund fortgeschrieben wird. Ich wünsche Ihnen eine schöne Lesestunde und würde mich freuen von Ihnen im Internet bald eine Rezession zu finden, denn Schriftsteller und Leser sollten in unsere kommunikativen Welt sich mehr austauschen, das würde die Freude am Lesestoff beleben. So entstehen Storys aus dem Leben für das Leben, die immer auch dem Leser Wissensstoff vermitteln sollten und nicht nur aus mehr oder weniger Belletristik komponiert wurden.

Der Autor Horst Reiner Menzel

Die Familien Chronik

Gustav Kramer

Bauer

Vater von Hermann

Hildegard Kramer

Geb. von Braun

Ehefrau von Gustav

Walter Kramer

Bauer

Ihr Sohn

Emma

Die erste Tochter

Anna

Die zweite Tochter

Frieda

Die dritte Tochter

Amalie

Die vierte Tochter

Gertrude

Die fünfte Tochter

Sohn von Hildegard Krammer

der geadelte

von Opeln Musiker und Bauer

Friedrich

Von Opeln

Hermann

Sohn von

Friedrich

Sophia von Opeln

Tochter von

Friedrich und Ophelia

Ophelia von Opeln

Mutter von Sophia

Frau von Friedrich

Friedrich von Opeln

Vater von Sophia

Regimentsmusikus

Alfred Gutmann

Gutsverwalter

der von Opelns

Albert

Enkelsohn der

von Opelns

Johann von Opeln

Der Alte von

Opeln

Adelheit von Opeln

Großmutter des

Opeln-Clans

Judith von Opeln

Ehefrau von Hermann

geb. Beckerieder

Tochter Larissa

Tochter der von

Opelns

Karl

Segler auf der

Seegovia

Weigert

In der

Maschinery

Die Neugründung

amerikanischen

Landmaschinen Firma

Seegovia

Schiffsname

Das Goldkiel-Schiff

Klaus Weigert

Ehemann von

Ilona

Bernhardt Söder

2. Sohn eines

Werftbesitzers

Nancy Baumann

Tochter eines

Bankers

Günter Wolters

Werfbetreiber

Familie Baumann

Bankhaus

In den USA

Erika

Mutter

Von Nancy

Deutsch- Amerikanisches

Investitions-Bankhaus

Die Wegeners

Freunde und

Appaloosa Züchter

Elisabeth

Zwillingstochter

von Nancy und Albert

Karl

Zwillingssohn

von Nancy und Albert

Judith

Tochter eines

Bauern

01

Der Regimentsball

Vieles verändert sich im Laufe der Zeit. Doch die Liebe auf den ersten Blick verändert ein ganzes Leben.

Begegnung

Geschah‘s eher zufällig, vielleicht absichtlich?

ganz leicht nur berührten sich unsere Hände.

Ich ergriff deine Hand, du entzogst sie mir nicht,

in diesem Augenblick, in der Menschenmenge.

Du schautest im Gehen noch kurz zurück,

doch zu schnell entschwandst du meinem Blick.

Viel zu spät dann eilte ich hinter dir her,

zu groß das Gedränge, ich fand dich nicht mehr.

Grübelnd schaut‘ ich mich um, und nachdenklich,

dort standest du lächelnd, wartend auf mich.

Rei©Men

Wie alle Jahre, wurde der Regimentsball nicht nur für die etablierten Offiziere, ihre Damen und den Nachwuchs veranstaltet. König Wilhelm der 1. war darauf bedacht, dass sich sein Offiziersnachwuchs unter den jüngeren Damen der besseren Gesellschaft eine passende Ehefrau suchte, damit sein Offizierschor den Aderlass, durch die ständig und immer neu aufflammenden Gemetzel unter den europäischen Potentaten, verkraften konnte. Großeltern und Eltern zogen im Hintergrund die Fäden und stifteten manche Ehe, wobei oft nicht die gegenseitige Zuneigung die entscheidende Rolle spielte, sondern das Vermögen und die Stellung der Protagonisten, bei der Auswahl im Vordergrund standen. Sophia und Hermann kannten sich schon bedingt durch die dörfliche Gemeinschaft und die Nachbarschaft zum Gut Opeln, seit ihrer Kindheit. Doch die Beziehungen zu den Dorfkindern hielten sich wegen der Standesunterschiede in Grenzen. Eigentlich war sie nur durch die dörflichen Reitervereine zu der Veranstaltung eingeladen worden. Dieser Verein bildete das Bindeglied zu den Gütern in der näheren Umgebung. Da stand man wegen der genetischen Zuchtwahl der Pferde mit den Bauern in engeren Beziehungen, denn die Offiziere und Soldaten brauchten auch gute Reittiere. Aber auch ihre Eltern dachten, dass es an der Zeit sei, ihre Tochter in die bessere Gesellschaft einzuführen. Hermann staunte nicht schlecht, was aus dem „Aschenputtel“, das er aus dem „Sandkasten“ kannte, in den Jahren wo sie sich nicht begegneten, für ein schöner Schwan geworden war. Er, der auch gelangweilte Ehefrauen nicht abwies, wenn sie ihm Avancen machten, war elektrisiert, konnte vom Blitz getroffen kein einziges Wort mehr hervorbringen, als sie sich gegenüberstanden. Vielleicht war es dieser kurze Moment, wo er seine Selbstsicherheit total verloren hatte, der aus dem Funken in seinem Inneren einen nicht zu löschenden Brand auslöste.

Ein leichtes Lächeln umspielte ihr Gesicht, als sie ihm ihre Tanzkarte reichte und tief in ihrer unteren Leibeshälfte fühlte sie ein leises Ziehen, das sie nicht einordnen konnte. Die nächste Gefühlswelle durchlief sie, als er ihr ihre Tanzkarte zurückbrachte, er hatte alle Tänze geordert, als wenn es kein Morgen gäbe. In einer Aufwallung ihres Gemütszustandes, zeigte sie die Karte ihrer Mutter und fragte sie, was sie machen solle? „Nichts meine kleine, groß gewordene Prinzessin, es wird es mit dir machen.“ „Meinst du?“ „Ja, ich habe dir alles beigebracht was ich weiß, nun lass dich von der Natur leiten und genieße, was das Leben dir bietet.“

Doch die folgenden Tänze waren es nicht, die das Verlangen in ihnen schürte. Die Verwunderung über das was mit ihnen geschah war zu groß und machte beide nervös. Die Selbstsicherheit, die ihn sonst in solchen Situationen mit anderen Frauen geleitet hatte, war verschwunden. Beim letzten Tanz fragte er sie, ob sie am morgigen Sonntag nach dem Kirchgang mit ihm einen Ausritt machen würde. Sie musste sich eingestehen, dass sie schon den ganzen Abend lang auf diese Einladung gewartet hatte. Andernfalls hätte sie ihn um ein Treffen gebeten. Dabei hatte man ihr eingeschärft, dass es sich für eine junge Dame nicht schickte einen Mann zu offen zu stimulieren, doch sie wusste auch, dass es kaum eine weitere Gelegenheit geben würde, wenn sie diese verstreichen ließ. Also musste sie zusagen, – wohlwissend, dass ihre Mutter ihr eine geharnischte Gardienen-Predigt halten würde. „So etwas tut eine junge Dame nicht“, hörte sie schon durch die Räume schallen“, ein gesitteter junger Mann fragt erst einmal bei der Mutter nach, ob sie einverstanden ist, vor allem muss ich sicher sein, dass er ehrliche Absichten hegt oder ob er nur auf ein Abenteuer aus ist“. Sie sah ihn noch einmal genauer an, aber da war kein Abenteurer. Da war nur ein verliebter junger Mann, der vor lauter Nervosität nicht wusste, wohin er mit sich selber sollte. Und wenn es sein musste, würde sie schon selber auf ihre Jungfräulichkeit aufpassen können, dachte sie jedenfalls. „Ja“, hörte sie sich sagen, ohne herausfinden zu können, woher das „Ja“ kam. Doch nun war diese seltsame Befangenheit von ihnen gewichen und sie sahen sich mit einer glückseligen Sicherheit an, nun wissend, dass auch der andere so fühlte wie man selber und in Glückseligkeit schwebte. Sie fragte ihn noch kurz, ob sie ihrer Mutter von dem Ausritt erzählen dürfe, aber da standen ihre Eltern schon hinter ihnen, weil man zur Heimfahrt bereit war und anscheinend hatten sie ihr „Ja“ mitbekommen. Kurz und fast schmerzhaft drückten sie sich noch kurz die Hände, dann trennte man sich. Siedend heiß, mit geröteten Wangen, sah sie sich in der Garderobe im Spiegel und gleichzeitig wusste sie, dass auch ihre Eltern und vermutlich der halbe Saal ihre Verliebtheit mitbekommen hatten. Deshalb erwartete Sie, nun auf der Heimfahrt von ihren Eltern tausend Fragen, doch die blieben aus, jeder war mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, die sich vornehmlich um die überraschenden Ereignissen des Abends bewegten. Über Gefühle kann man streiten, doch wenn man sie zum ersten Mal erlebt, gehen sie nicht nur unter die Haut, sondern hinterlassen Spuren in tiefer gelegenen Hirnstrukturen, die nichts und Niemand mehr ausradieren kann. Sie fasste sich an die glühenden Wangen und wurde das Gefühl nicht mehr los, dass die geladenen Gäste sie und nur Sie und Ihn beobachteten, als sie sich voneinander lösten und sich noch einmal ihre gegenseitige Zuneigung bezeugten, als sie sich zum Abschied noch einmal kurz aber innig die Hände drückten.

02

Ihr habt euch verabredet,

begann beim Frühstück Vater Friedrich das Gespräch mit seiner Tochter Sophia in Anwesenheit seiner Frau. „Ja, nach dem Kirchgang wollen wir zusammen ausreiten.“ „Gut, wenn es dem besser kennenlernen dient sind wir einverstanden, du bist unser einziges Kind und wir hoffen, dass du dir der Verantwortung für den Fortbestand des Gutes und unserer Familie im Klaren bist“.

„Vater, ich liebe ihn – es ist als würden wir uns schon seit langem kennen, nur ich kann mir nicht vorstellen, wie du und Mutter dir den Fortbestand unserer Familie unter deinem Adelstitel vorgestellt hast“. „Kind, das wäre nur möglich, wenn der Kaiser deinem Hermann in den Adelsstand erheben würde, doch da sind die Aussichten miserabel“. „Ja, wenn er ein schneidiger Offizier, mit entsprechenden Aufstiegschancen wäre, aber als Bauer und nicht einmal Soldat im preußischen Offizier-Chor, sondern nur ein Musiker?“, mischte sich ihre Mutter ein. „Trotzdem, es geht auch ohne den Titel, Hauptsache er ist für dich der Richtige und vielleicht ist es sogar besser, wenn dein zukünftiger Mann aus der Landwirtschaft kommt. Wichtiger ist, dass ihr euch liebt“ – „Drum prüfe wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet –, reimte Schiller in seinem Gedicht von der Glocke so unnachahmlich, also findet es heraus“, ergänzte ihr Vater.

Nach dem Kirchgang trafen sich die beiden jungen Leute an einer bestimmte Stelle an einer Wegegabelung, an der ein kleines Wanderhäuschen zum Verweilen einlud. Sie setzten sich und stellten fest, dass die gestrige Vertrautheit einer leichten Ernüchterung gewichen war. Die Gespräche bewegten sich im Alltäglichen und trotz der nach wie vor vorhandenen Spannung zwischen ihnen, war das Knistern von gestern Nacht, einer gewissen Sachlichkeit gewichen. Eigentlich normal, dachte sie, wir kennen uns ja überhaupt nicht und sollten das Kennenlernen, in langen Gesprächen und bei Öfteren Beisammensein, nachholen. Um das anhaltende Schweigen aufzulösen, sagte sie zu ihm: „Meine Eltern haben mich gebeten, dich zum Mittagessen einzuladen. Sie möchten dich besser kennenlernen - überhaupt Mutter, denn mein Vater kennt dich ja von vielen Gelegenheiten, wo man sich unter den Bauern gegenseitig hilft.“

„Das ist ja wunderbar, damit hatte ich nicht gerechnet, darf ich etwas näher zu dir heranrücken?“ „Ja bitte, doch in diesem Moment drückte sich ihre Stute näher an seinen Hengst heran, der aber auf ein wenig mehr Abstand zu der ihm unbekannten Stute ging. Worauf sie nachgab und ihn anscheinend ein wenig beleidigt mit hellem Schnauben ignorierte. Ja, was war das denn, beide sprangen auf und beruhigten die Gäule, machten sie sozusagen miteinander bekannt und es dauerte nicht allzu lange, dann fingen sie an aneinander zu beschnuppern und sich zu gewöhnen.

„Siehst du, den beiden geht es genauso wie uns, komm wir nehmen die Pferde und laufen zusammen ein Stückchen in Richtung des Gutes“. Doch dann ergriff sie mutig die Initiative und nahm seine Hand in die ihre, mit der jeweils anderen führten sie die Pferde. Was war denn nur mit ihm los, so fragte er sich. Er war doch Frauen gegenüber sonst nicht so schüchtern. Schnell riss er sich zusammen, drehte sie zu sich herum und zog sie zärtlich an sich. Sie drängte sich an ihn und sie tauschten ihren ersten viel zu langen, sehr leidenschaftlichen Kuss. Endlich dachte sie, das Eis war gebrochen, sie ließen die Pferde los und sanken zu Boden, umarmten sich und wer weiß was passiert wäre, wenn sich die beiden Pferde nicht selbständig gemacht hätten, sodass sie sie wieder einfangen mussten. „Komm, wir reiten nachhause, meine Eltern warten bestimmt schon mit dem Essen auf uns“. Als sie in Sichtnähe des Gutshauses kamen, bemerkte Sophia ihre Mutter am Fenster und winkte ihr kurz zu. Als sie dann beide in den Gutshof einritten, hatte sich auch der Herr Regimentskommandeur Friedrich im Hof zur Begrüßung des Gastes eingefunden. Um anzudeuten, dass dies eine private Begegnung sein würde, ging ihm sein Vorgesetzter mit ausgestreckter Hand entgegen, worüber Hermann ein wenig verwundert war, dann aber ging er freudig erregt darauf ein. Mutter Ophelia schaute sich ihr Töchterlein etwas genauer an und entdeckte einige verräterischen Grashalme an ihrer Kleidung. Na, die hatten es wohl sehr eilig, das kann ja heiter werden, dachte sie. Ich glaube, da muss ich noch einmal ein ernsthaftes Mutter- Tochter – Gespräch mit ihr führen.

03

Die Großmutter Hildegards Geheimnis

Sein Vater Gustav Kramer, beobachte seinen netten kleinen Sohn Hermann schon lange und fand bald heraus, dass er sehr musikalisch veranlagt war. Schon als Junge schnitzte er sich aus Schilfrohr Pfeifen, auf denen er kleine Melodien spielen konnte. Zum großen Ärger seines Vaters Gustav schimpfte der auch mit seinem eigenen Vater, er solle seinem Enkelsohn, dem Jungen keine Flausen in den Kopf setzen, denn er brauche einen Sohn, der in der Landwirtschaft zupacken, ja später einmal den Hof übernehmen konnte und keinen „Pfeifenheini“, wie er sich ausdrückte. Trotz aller Ermahnungen ließ der Junge sich nicht beeinflussen, half wo er konnte oder musste in der Landwirtschaft mit, so wie es zu damaligen Zeiten in den Familien üblich war, – einfach ordentlich mit anpacken.

Seine Mutter Hildegard und Vater Gustav Kramer, bemühten sich nach Kräften einen weiteren Sohn zu zeugen, aber das Schicksal wollte es, dass Hildegard ein Mädchen nach dem anderen auf die Welt brachte. Die Bauern machten beim abendlichen Plausch in der Dorfschenke schon ihre Witze, dass Vater Gustav nur seine Hose an den Bettpfosten hängen brauchte und schon gebar Henriette das nächste Mädchen. Nacheinander kamen die Schwestern Emma, Anna, Frieda, Amalie, Gertrude auf die Welt. Doch eines Tages hatte der liebe Herrgott doch noch ein Einsehen und Walter erblickte als letzter Nachkomme der Kramers das Licht der Welt. Endlich, ein Junge, der die Landwirtschaft übernehmen konnte. Die Jahre gingen dahin, aus dem „Pfeifenheini“ Hermann wurde kein Bauer, aber ein gestandener Musiker, auf den sogar der König Wilhelm der 1. aufmerksam wurde, wenn er kurz vor dem Österreich - Preußischen Krieg beim Musikchor die Paraden abnahm, aber ein Soldat würde er wohl auch nie werden. Der Deutsche Krieg oder besser der deutsche Bruderkrieg war kurz danach ausgebrochen, man nannte ihn auch den Deutsch-Deutschen Krieg oder Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866, es war eine kriegerische Auseinandersetzung, die zwischen dem Deutschen Bund unter Führung Österreichs einerseits und Preußen sowie dessen Verbündeten andererseits, ausgetragen wurde. Aber Hermann hatte auch im Soldatenleben nicht seine Heimat gefunden, wollte eigentlich nach dem Kriegsende den Dienst quittieren und spielte fortan auch in der Dorfkapelle mit. Dann lieber Bauer sein meinte er, da weiß man was man hat, aber diese Stelle war inzwischen schon von seinen nachgeborenen Bruder Walter besetzt.

Szene aus der kriegsentscheidenden Schlacht bei Königgrätz (Gemälde von Georg Bleibtreu)

Johann der 50 Jahre ältere Opa von Opeln, hatte mit seiner Familie kaum „etwas am Hut“, er war auch sehr selten einmal zu Hause, denn seine Verpflichtungen in den weitläufigen Wäldern des Gutes, füllten ihn voll aus. Das war sein Metier, hier kannte er jeden Grashalm und jeden Fuchsbau. Er wohnte zu oft in seiner Waldhütte, wies die Holzfäller ein und dezimierte das Wild. Bei den Treibjagten fiel dann und wann auch schon mal etwas Wildbret für alle Dorfbewohner ab.

Vater Gustav Kramer hatte sich nach der lang ersehnten Ankunft seines Sohnes 2. Sones Walter damit abgefunden, das aus Hermann „nie – nich, ein Bauer werden würde“, wie er sich ausdrückte. Er war, wie er immer verkündete: „Völlig aus der Art geschlagen“. Immer überlegte er, wo dieses musikalische in seinem Jungen wohl herkam? In seiner Familie sang man fröhliche Lieder, ging zum Tanzen, wenn die „Musi“ bei der Sonnwendfeier spielte. Irgendwie war er aber inzwischen auf seinen Ältesten richtig stolz, wenn der in der keinen Dorfkapelle mit seiner Trompete den Ton angab. Aber da waren ja noch die fünf Töchter die in der Landwirtschaft halfen, sodass er bisher ohne Knechte und Mägde auskam. Doch die jungen Frauen wurden älter, genauso wie er und seine Frau, und gingen ihre eigenen Wege. Anna und Amalia waren schon verheiratet und Emma lebte inzwischen in der Stadt, wo sie bei einen Schneidermeister arbeitete und die beiden standen auch schon bald am Traualtar, weil sich was Junges ankündigte.

Nur sein Ältester, Hermann der Musikus machte ihm Sorgen, weil man für ihn anscheinend wohl eine Frau „backen“ musste, wie der Volksmund sagt. Aber mit dem Backen war das so eine Sache, der Kerl lebte sein schönes gepflegtes Offiziersleben in der Militärkapelle, mit seiner Apanage, die von seinem Herrn Vater gelegentlich aufgebessert werden musste, pflückte da und dort mal eine schöne Blume vom Acker der Sünde, oder vergnügte sich schon mal mit der einen oder anderen Schönheit, die den Herren Offizieren und besonders den Musikanten zugeneigt waren. Weshalb sollte er nicht seine Triebe ausleben und sich ins Eheleben verabschieden, er ahnte wohl, dass ihn die eine oder andere gelangweilte Ehefrau oder neugierige Jungfer, dann arg vermissen würde. Das konnte er ihnen doch wirklich nicht antun!

Nun ja, die Jahre vergingen, der Deutsch- Französische Krieg von 1870-71 war ausgebrochen und musste mit Pauken und Trompeten begleitet werden. Die Aufmärsche und Siege mussten tonal begleitet werden, vor allem die Gründung des Deutschen Kaiserreichs am 18. Januar 1871 forderte in diesen Heiligen Hallen, seiner Karriere alles ab. Der preußische Krieg gegen Österreich, bedeutete nach dem Friedensschluss eine Machtzusammenballung der Deutschen Völker, die Frankreich seine Vormachtstellung in Europa streitig machte. Otto von Bismarck, der Kanzler des Norddeutschen Bundes, wie er vor der Gründung des Kaiserreiches genannt wurde, war der Ansicht, dass es deshalb früher oder später zu einen Krieg gegen Frankreich kommen musste.

Anlass zu einem Krieg gegen den Französischen Staat unter Napoleon dem III. bot die Kandidatur des deutschen Erbprinzen von Hohenzollern, für den Spanischen Thron. Diese Provokation konnte Frankreich nicht akzeptieren, denn sie bedeutete einen erheblichen Machtzuwachs Preußen - Österreichs. Infolge heftiger französischer Proteste, zog der Prinz dann seine Kandidatur wieder zurück. Bismarck sah deshalb die Angelegenheit als erledigt an. Frankreich dagegen verlangte seinerseits eine dauerhafte Verzichts-Erklärung von König Wilhelm 1. die wiederum Preußen provozierte. Noch am selben Tage wurde das Ansinnen Napoleons III. abgelehnt und der Text der sogenannten Emser Depesche (Damals ein Telegramm unter Staatsoberhäuptern) in der Presse veröffentlicht. Sie erregte in beiden Ländern einen Sturm der Entrüstung, worauf Napoleon der 3. den Preußen den Krieg erklärte. Wenn man sich diese emotionalen Zusammenhänge anschaut, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln, aus welchen banalen Gründen immer wieder Kriege entstehen. Man kann über die damaligen Anlässe denken wie am will, war nun Preußen oder Frankreich schuld am Kriegsausbruch? Ich denke mal, der Hauptschuldige ist immer jener, der den Krieg erklärt oder den ersten Schuss auslöst. Indessen ist die Geschichtsschreibung heute der Meinung, dass beide Seiten diesen Krieg wollten, denn es ging um die Vorherrschaft in Europa. Frankreich wollte die erstarkten Deutschen Länder schwächen und der Norddeutsche Bund, dem auch die süddeutschen Länder wie Bayern, Baden und Württemberg usw. zu militärischer Hilfe verpflichtet waren, fühlten sich unter dem Kanzler Bismarck und insbesondere nach dem glänzendem Sieg der Preußen über Österreich bärenstark und wollten die Gunst der Stunde nutzen. Die Gründungsproklamation des Deutschen Kaiserreiches in Versailles nach dem grandiosen Sieg über Frankreich, war dann ein weiterer Tiefschlag, ja eine kolossale Erniedrigung der Franzosen, die, wie man weiß zwei Weltkriege nach sich zog und Millionen Menschen das Leben kostete. Aber auch hier muss man Einschränkungen machen, denn die deutschen Könige, Fürsten und Herzöge waren durch die Kriegsereignisse eben gerade in Versailles anwesend und diese Anwesenheit, eher eine zwangsläufige Zusammenkunft anlässlich der Siegesfeier, wäre nie wieder zustande gekommen, das war den Initiatoren und speziell Bismarck sonnenklar, deshalb nutzte er die einmalige Gelegenheit zur Proklamation des Deutschen Kaiserreiches.

Reichskanzler Bismarck bei der Proklamation des Deutschen-Kaiserreiches im Spiegelsaal des Schlosses in Versailles im Jahre 1871.

Kurz nach diesen ereignisreichen Tagen ereilte den jungen Hermann Kramer sein Schicksal. Hatte er sich doch ausgerechnet in die schöne Tochter seines Regimentskommandeurs Friedrich von Opeln verliebt und sie zu allen anderen standesgemäßen und damit verbundenen schönen Übeln, bald darauf auch noch geschwängert. Das konnte eigentlich bei der Verliebtheit der beiden überhaupt nicht ausbleiben.

Als die beiden werdenden Großmütter Hildegard Kramer und Ophelia von Opeln, durch eine Indiskretion davon erfuhren, war im Hause von Opeln die Hölle los. Getreu dem Grundsatz: „Was nicht sein darf, konnte und durfte auch nicht sein“. Der Einzige, der die Nerven behielt war der werdende Vater Hermann Kramer, denn zum ersten Mal hatte er trotz aller seiner Liebschaften, die wahre Liebe erfahren und wollte von seiner Sophia nicht ablassen. Er nahm sie mit zu seinen Eltern und stellte sie ihnen erst mal als seine Freundin vor. Bei der Begrüßung war soweit noch alles in Ordnung, sogar ein leises lächeln schlich sich auf seines Vaters Gesicht, als er dann hörte, dass die beiden heiraten wollten. „So sagte er, dann willst du also beim Kaiser deinen Abschied nehmen?“, fragte er und dann kam die Standardfrage: „Und wovon wollt ihr dann leben, denn ein Bauer wirst du wohl nicht mehr werden?“

„Wissen wir noch nicht, aber wir lieben uns und können arbeiteten“, flüsterte Sophia, „ich muss nun erst mal mit meinen Eltern über alles sprechen, die haben doch genug Geld und dann werden wir weitersehen. In dem Moment hatte Mutter Kramer einen Lichtblitz und sie fragte:

„Hallo, - du bist doch nicht etwa die Tochter von Hermanns Regimentskommandeur?“ „Ja, klar wir haben dich doch erst neulich bei der Siegesparade, mit deiner Mutter zusammen in der Kutsche gesehen,“ fiel Mutter Krammer ein, „ja, da geht doch eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, als das ihr heiraten dürft, wie stellt ihr euch denn das vor?“

„Ja, aber wir müssen heiraten Mutter, ich - wir bekommen ein Baby“.

Jetzt fielen den Eltern dann doch noch, fast die Limonadengläser aus der Hand, die sie zum Willkommen auf die Brautleute erhoben hatten. „Vater“, erhob jetzt Sophia die Stimme etwas an, „wir wollen das Kind und vielleicht noch ein paar dazu, da kann kommen was will, wir wissen nur nicht recht, wie wir es Hermanns Eltern beibringen sollen.“

„Mensch Junge“, sagte Vater Gustav Kramer, als er davon erfuhr, „da gibt es nur einen Weg. Das Landgut derer von Opeln, hat keinen männlichen Nachfolger und in solchen Fällen kann eigentlich nur der Kaiser weiterhelfen.“ „Das habe ich auch schon gehört, dass manche Männer, die sich um das Land verdient gemacht haben in den Adelsstand erhoben werden“, simulierte Sophia vor sich hin, ich werde bei Papachen mal vorfühlen.“

„Und wenn das nicht klappt, kaufen wir den Hof der Witwe Krusche mit ihrer ganzen Wirtschaft und den Feldern, dann muss Ophelia eben eine Bäuerin werden. Ich hatte schon länger diesen Plan, weil unsere Familie mit 6 Kindern eigentlich mehr Platz bräuchte. Na, mein Junge, ist das eine gute Nachricht, dann wird doch noch ein Bauer aus dir. Ich werde gleich morgen mal zu meiner Tante rübergehen, die hat mich schon ein paarmal angesprochen, ob wir ihren Hof nicht ganz übernehmen wollen, denn sie hat ja keine Kinder, die weitermachen können und wir werden auch älter und wir können nicht ewig zwei Höfe versorgen. “

In den nächsten Wochen wurden die Pläne konkreter, weil es mit den Eltern von Sophia Kalamitäten gab, die einfach nicht ausgeräumt werden konnten. Anstatt sich mit den jungen Leuten zu freuen, dass das Leben weiterging, machte der alte Johann von Opeln Schwierigkeiten und verbot seiner Enkeltochter sogar den Umgang mit ihrem Verlobten. Insgeheim liefen aber die Gespräche mit den Bevollmächtigten des Kaisers, eine Erhebung in den niederen Adelsstand zu erwirken, die eine sofortige Heirat des Musikus mit der schönen Tochter derer von Opels ermöglich hätte. Doch die Berater des Kaisers stimmten nicht zu, ja sie waren der Meinung, dass nur den im Felde bewährten Kämpfern und den Verteidigern des Vaterlandes, einer solchen Ehre würdig wäre, in den Adelsstand erhoben zu werden, aber die Mitglieder des Musikchors zählten da nicht dazu. Die geheimen Räte konnten trotz der Intervention des Friedrich von Opeln, die Erhebung verhindern und so standen die Dinge für die jungen Leute schlecht. Einerseits konnten sie ohne die Genehmigung der Eltern von Sophie nicht die Ehe eingehen, denn ihre Tochter hätte den Adelsstand verloren, der aber war den alten Opelns heilig, ja wichtiger als ihr Leben. Da sie jedoch keine weiteren Kinder und auch keine Söhne hatten, würde diese Dynastie sowieso demnächst aussterben. Es musste so oder so ein anderer Schwiegersohn her, egal wie und so suchte man im niederen Adel nach einem Schwiegersohn, der die werdende Mutter ehelichen sollte. Dieses Ansinnen verletzte wiederum ihre Tochter aufs Schwerste. Der Musikus und seine Verlobte überlegten inzwischen nach Amerika auszuwandern, was wiederum die Kramers auf die Palme brachte, hatten sie doch inzwischen das Krusesche Anwesen für die jungen Leute erworben und freuten sich heimlich auf den zu erwartenden Familienzuwachs.

„Doch wenn du meinst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“, wie es der Volksmund so herrlich formuliert hat. Eines Tages, man sah der jungen Frau schon ein Bäuchlein wachsen und Großmutter Hildegard Kramer geb. von Braun konnte das von angegrauten Männern inszenierte Affentheater nicht mehr mit anschauen. Sie zog sich ihr schönstes Kleid an, setzte sich in die sogenannte Kirchenkutsche, denn sie wurde nur dazu benutzt, wenn Fahrten zu besonderen Begebenheiten anstanden.

Die Familie von Opeln schaute indigniert auf, als die ältere Dame allein kutschierend das Pferd durchparierte, ausstieg und nun auch noch die Handbremse festkurbelte. Friedrich von Opeln, der Kavalier alter Schule sprang hinzu und half ihr bei den Handhabungen mit den Pferden. Sie schauten sich beide lächelnd an, ihm war als hätte er irgendeine Erinnerung, die sich hinter seiner Stirn ausbreitete, doch dann ging er in medias res und fragte sie wie sie zu der Ehre ihres Besuches kämen. Doch in diesem Moment klingelte es in seinem Oberstübchen, ja da war doch was mit diesem Musikanten der seine Tochter ehelichen wollte, das war ihre Familie, ohne Frage, genau das Gesicht seines Posaunisten im Orchester des kaiserlichen Musikregiments. Wenn ihm seine alten Liebeleien mit einer Dorfschönheit wieder einfielen, war ihm da auch eine gewisse Hildegard eingefallen, aber das lag schon lange zurück.

Um neugierigen Blicken und Fragen von vornherein auszuweichen, fragte er sie ob es ihr angenehm wäre, mit ihm ein wenig im Park spazieren zu gehen. Hildegard stimmte erleichtert zu und als sie vom Schloss aus nicht mehr gesehen werden konnten, hakte sie sich auch noch bei ihm unter. Was die beiden besprochen haben, bleibt wohl für immer ein Geheimnis, jedenfalls wurde innerhalb kurzer Zeit und wie durch Zauberhand, der Herr Musikus geadelt. Die Mutter der Hochzeiterin, Hildegard, war wohl eine Großcousine und der Herr Vater des Hochzeiters ihr Cousin, aber solche Dinge kommen in den besten Familien vor, man vergisst sie gern und redet nicht mehr darüber. Die Hochzeit fand statt und es stellte sich schnell heraus, dass der Musikus mehr von der Landwirtschaft verstand, als Friedrich von Opeln. Das wiederum verdankte der nun „Junge Herr von Opeln“, wie er etwas später hieß, seinem Vater Gustav. Wie es eben manchmal zwischen Vater und Sohn zu Missverständnissen kommt, so war es auch hier gewesen. Der Junge Herr Kramer hatte natürlich die landwirtschaftlichen Dinge aufgesogen wie die Muttermilch, aber er hatte mit den niederen damit verbundene Arbeiten nichts am Hut, wie man so schön sagt. Aber er war nicht nur ein Musikus, sondern auch ein guter Organisator, der bald darauf das Opelnsche Gut auf Vordermann brachte, denn nach der Kaiserkrönung begannen ruhige Zeiten für das Militär, auch waren seine musikalischen Ambitionen mindestens beim Militär ausgelebt, zumal er nun ja auch eine eigene Familie zu versorgen hatte. Eine seiner Schwestern hatte einen Bauernsohn geheiratet, der „nur“ als Knecht bei seinem Bruder auf den elterlichen Bauernhof gearbeitet hatte. Die alte Kruse war gestorben und hatte ihren Bauernhof in der Annahme vererbt, er würde ihn mit Sophia von Opeln weiterführen. Aber das Leben schreibt seine eigenen Geschichten und so wie die Dinge lagen, schenkten Sophia und Hermann diesen Hof seiner Schwester Gertrude und ihrem Mann. Allerdings mit der Auflage seine Geschwister anteilmäßig auszuzahlen.