Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Dir geschehe, wie du geglaubt hast." – dieses Bibelzitat beeindruckt den jungen Christoph von Soden, von allen nur der Hauptmann von Kapernaum genannt. Eines Morgens nach dem Großen Krieg macht er Bekanntschaft mit einem Gefangenen und dessen unerschütterlichem Glauben in Gott... als er ihm zur Flucht verhilft, unterschreibt er sein eigenes Todesurteil.-
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 24
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Ernst Wiechert
Saga
Der Hauptmann von Kapernaum
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1930, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726951936
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
An einem Sommermorgen nach dem großen Kriege, zu einer Zeit, als bei Siegern und Besiegten das Unerhörte ihrer Kreuzzüge noch in leisen Krämpfen nachzitterte, begegneten einander auf der Krone eines der blauen Hügel zwischen dem Rhein und der Weser zwei Truppenkolonnen, über denen der Staub der Frühe gleich einem rötlichen Zeichen Gottes stand. Die der Sonne entgegenziehende kam mit Verwundeten und Gefangenen aus dem Aufruhrgebiet der Zechen und Schornsteine, die andere, die ihren eigenen Schatten zertrat, stieg zu blutiger Arbeit in das Tal hinunter, aus dessen beglänzter Weite vereinzelter Kanonendonner aufstieg.
Die Führer grüßten einander mit ernsten Gesichtern, und die Soldaten riefen sich Scherzworte zu, nur über die Gruppe der Gefangenen ging jeder Blick mit kaltem Schweigen hinweg, wie über die verächtliche Entblößung einer Schande, die jeden Angehörigen des Volkes mit gleicher Last belud.
Unter ihnen war die befremdlichste Erscheinung die eines Bergmannes, der über einer zerrissenen und verstaubten Kleidung ein ruhiges, stolzes und gleichsam leuchtendes Gesicht durch alle Verachtung der Blicke hindurchtrug. Es war ein Gesicht, das der auslöschenden Hand der Dumpfheit einer lebenslangen Fron so wenig entgangen war wie dem zerstörenden Rausch fanatischer Leidenschaft, aber alles dieses hatte die große Absicht nicht zu entstellen vermocht, die die Natur mit diesem Gesicht gehabt hatte, das Vorwärtsdrängende und Aufwärtsgehobene eines großen Glaubens, dessen Ziel auf hohen Bergen oder in den Sternen liegt, hinter Schwertern oder hinter Kreuzen, und der sein Leuchten als einen Widerschein von den Stirnen derer zu empfangen scheint, für die er leidet: von den Stirnen nicht der einzelnen oder eines Volkes, sondern von denen der Menschheit.
Es war ein großes Gesicht, und wie es sich aufhob aus dem Staub der Kolonnen, über die dumpfen Gesichter seiner Gefährten und die erschöpften seiner Häscher, und furchtlos über die Begegnung aller Augen glitt, ohne Haß, ohne Demut, mit der schweigenden Sicherheit eines Unberührbaren, mochte es einem unbestechlichen Auge scheinen, als schreite hier ein gefesselter König unter schwachem Menschenrecht, das Anmaßung um ihn gelegt hatte.