Der Hausmann: Horrorthriller - Alexander Hogrefe - E-Book

Der Hausmann: Horrorthriller E-Book

Alexander Hogrefe

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Beschreibung

Fürchterliche Albträume führen Isabel Tauer zu ihrem alten Haus zurück, dorthin, wo sich vor vier Jahren ein schreckliches Ereignis zugetragen hat. Um mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, beschließt Isabel, das Haus zu verkaufen. Zügig macht sie sich an die Arbeit, und erhält bald darauf Besuch von einem exzentrischen Fremden, der behauptet, eine besondere Bindung zu diesem Haus zu besitzen. Eigentlich eine gute Voraussetzung, um das Haus zu verkaufen, denkt Isabel. Doch die Bindung dieses Fremden zu dem Haus reicht tiefer, als Isabel sich vorstellen kann … und sie ist alles andere als menschlich!

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Seitenzahl: 315

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Der Hausmann

Buchbeschreibung:

Fürchterliche Albträume führen Isabel Tauer zu ihrem alten Haus zurück, dorthin, wo sich vor vier Jahren ein schreckliches Ereignis zugetragen hat.

Um mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, beschließt Isabel, das Haus zu verkaufen. Zügig macht sie sich an die Arbeit und erhält bald darauf Besuch von einem exzentrischen Fremden, der behauptet, eine besondere Bindung zu diesem Haus zu besitzen. Eigentlich eine gute Voraussetzung, um das Haus zu verkaufen, denkt Isabel. Doch die Bindung dieses Fremden zu dem Haus reicht tiefer, als Isabel sich vorstellen kann … und sie ist alles andere als menschlich!

Über den Autor:

Alexander Hogrefe, Jahrgang 1995, begeistert sich schon lange für Mythologien aller Art. Mit 15 entdeckte er seine Leidenschaft für das Schreiben und begann seine ersten Versuche im High-Fantasy-Bereich, bevor er zum Horrorgenre wechselte. Seitdem hat er mehrere Romane auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht. Seine Bücher behandeln häufig Phänomene menschlichen Scheiterns, insbesondere in der Konfrontation mit dem Übernatürlichen. Horror, ist der Autor überzeugt, kann dabei wesentlich näher an der Wirklichkeit dran sein, als diesem Genre gemeinhin unterstellt wird. Derzeit lebt und arbeitet er in Rheinland-Pfalz.

© Alexander Hogrefe – alle Rechte vorbehalten.

Die Charaktere und Ereignisse, die in diesem Buch dargestellt werden, sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit realen Personen, lebend oder tot, ist zufällig und vom Autor nicht beabsichtigt.

Kein Teil dieses Buches darf ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Herausgebers reproduziert oder in einem Datenabrufsystem gespeichert oder in irgendeiner Form oder auf irgendeine Weise elektronisch, mechanisch, durch Fotokopieren, Aufzeichnen oder auf andere Weise übertragen werden.

Coverbearbeitung: Alexander Hogrefe

Coverbilder: Midjourney

Autorenporträt: Uschi Schmidt Fotografie

Korrektorat und Lektorat: anon.

www.alexanderhogrefe.de

Dieses Buch ist Bestandteil der zweiten Veröffentlichungsphase:

Wo Licht ist, ist auch Schatten!

Inhaltsverzeichnis

4 Stunden davor10

2 Stunden davor12

1 Stunde davor14

20 Minuten davor17

10 Minuten davor19

5 Minuten davor20

3 Minuten davor22

2 Minuten davor23

1 Minute davor25

Da26

4 Jahre später27

1.27

2.28

3.30

4.31

5.35

6. Die erste Nacht37

7.40

8. Die zweite Nacht42

9.44

10.45

11.47

12.50

13.51

14.53

15. Die dritte Nacht55

16.57

17.59

18.62

19.63

2 Wochen später64

20.64

21.67

22.69

23.70

24.72

25.74

26.76

27.78

28.80

Das linke Bein81

29.81

30.83

31.85

32.87

33.89

34.91

35.92

36.93

37.94

38.96

39.98

40.101

41.102

42.103

43.105

44.108

Das rechte Bein110

45.110

46.112

47.113

48.115

49.118

50.121

51.123

52.125

53.128

54.130

55.133

Verschränkte Arme134

56.134

57.136

58.138

59.140

60.141

61.143

62.145

63.146

64.148

65.150

66.151

67.152

68.155

69.157

70.159

71.161

72.163

73.165

74.168

75.169

76.173

77.175

78.178

79.179

80.182

81.184

82.186

83.188

84.189

85.191

86.193

87.194

88. Einsamkeit195

89. Zurück196

90. Liebe197

91. Zurück198

92. Hass199

93. Zurück200

94. Angst201

95. Zurück202

96. Güte203

97. Zurück205

98.206

99.208

100.210

101.212

102.214

103.215

104.216

105.217

106.218

107.219

108.222

109.223

110.224

111.227

112.229

113.230

114.232

115.233

116.235

5 Jahre später237

117.237

Liebe Leserinnen und Leser,239

"Hass ist ein machtvolles Gefühl, nicht wahr? Unkontrolliert kann es ungemein zerstörerische Kräfte entfalten. Wehe allen, die dem Hass in seiner reinsten Form begegnen."

Karl-Justus Anderer

4 Stunden davor

Oft fühlten sich kürzere Arbeitstage nicht wirklich kürzer an. Und wie kam es, dass der Blick auf die Uhr die Bewegung aller Zeiger immer um mindestens die Hälfte verlangsamte?

Nachdenklich verschränkte Isabel die Beine übereinander und blickte durch das rechteckige Fenster ihres Büros hinaus. Draußen glitten ein paar graue Wolkenballen über den grauen Himmel und die spitzen Dächer der umliegenden Stadthäuser zeigten mahnend in die Höhe.

Es ist schon spät, dachte Isabel. Eigentlich Zeit für den Feierabend, oder nicht? Seufzend wandte sie sich wieder ihrem hölzernen Schreibtisch zu. Der eingeschaltete Laptop darauf brummte leise und die Tasse Kaffee zu ihrer Linken war bereits halb leer und mit Sicherheit kalt.

Was wohl Martin, ihr Ehemann, gerade machte? Eigentlich müsste er bald zu Hause sein und dort auf sie warten, damit sie gemeinsam essen konnten. Vielleicht erledigte er ja noch das Unkraut hinter dem Haus, was er eigentlich seit drei Wochen machen wollte, aber bisher immer mit irgendwelchen Ausreden hinausgezögert hatte. Oder er kümmerte sich um die Reparatur der Heizung im Wohnzimmer, die auch schon viel zu lange anstand.

Hinter der transparenten Glasscheibe gegenüber konnte Isabel die anderen Mitarbeiter des Verlags vorbeigehen sehen. Auch sie würden sich bestimmt wünschen, bald in den wohlverdienten Feierabend gehen zu dürfen.

Plötzlich waren Schritte zu hören.

Schnell richtete sich Isabel auf und legte beide Hände vor sich auf den Tisch.

Wer war das denn jetzt?, dachte sie und hielt die Augen auf die Bürotür gegenüber gerichtet. Von dort waren die Schritte zu hören, die näherkamen und noch näher, dann machte es Klick und die Bürotür ging auf.

Ein Mann blickte herein. Er war groß gebaut, mit kurzen Haaren auf dem breiten Kopf und tiefen Falten entlang der Stirn. Die Krawatte um seinen Hals war halb offen, als hätte er sie vor einer Weile ausziehen wollen, es dann aber doch nicht getan, und sein blaues Hemd wies deutliche Knicke auf. »Isabel? Hast du kurz Zeit?«, fragte er.

Isabel nickte. »Natürlich, Herr Knaut. Jederzeit. Kommen Sie doch herein.«

Wolfgang Knaut, der Verleger, betrat das Büro und schloss die Tür hinter sich zu. Sogleich wurde es ruhig, als die äußeren Geräusche von laufenden Druckern mit einem Schlag wieder endeten.

»Isabel, ich muss mit dir über deine letzten zwei Aufträge sprechen«, begann Knaut.

Isabel nickte. »Ja? War damit etwas nicht in Ordnung? Nach meinen Zahlen waren die Buchverkäufe alles andere als schlecht.« Wolfgang war nicht gerade zimperlich, was direkte Aussagen anging, dachte Isabel. Als Chef musste er das wohl auch sein, denn immerhin waren Hunderte Angestellte darauf angewiesen, dass der Laden funktionierte.

Wolfgang lächelte. »Ich habe die Zahlen geprüft und möchte dir persönlich ausrichten, dass ich sehr zufrieden mit dir bin.«

Isabel machte große Augen. »Was? Also ...« Erleichtert legte sie sich eine Hand auf die Brust. »Das freut mich sehr. Vielen Dank dafür.«

Wolfgang hob einen Finger. »Doch, doch. Deine letzten Manuskripte haben dem Verlag einen guten Umsatz eingebracht. Zudem fühlen sich beide Autoren übermäßig gut von dir vertreten. Das spricht für dich, absolut.«

Isabel nickte. »Das ist sehr nett von Ihnen. Ich tue, was ich kann.«

»Ja, das merke ich. Und ich bin stolz auf dich.« Wolfgang schritt rückwärts, bis er wieder die Bürotür erreichte. »Mach weiter so. Wir sehen uns.« Er zwinkerte ihr zu, öffnete die Tür und schloss sie dann hinter sich zu.

Daraufhin wurde es wieder still in Isabels Büro.

Verdammt, dachte Isabel. Warum hörte sie sich eigentlich immer so an, als würde sie Wolfgang jeden Moment die Schuhe putzen, wenn er sie ansprach? Etwa weil er ihr Chef war? Das machte Sinn. Es wäre sicherlich nicht vorteilhaft, dem Chef gegenüber zu hart aufzutreten. Allerdings … Unterkriegen lassen musste sie sich auch nicht, denn sie war eine junge, stolze Frau. Und das konnte Wolfgang Knaut gerne wissen.

Ihr Handy begann zu klingeln.

»Scheiße!« Hastig griff Isabel in ihre rechte Hosentasche und holte es heraus. Auf dem Display stand: Martin.

Oh je. Sie ging ran. »Ja?«

»Isa?«, fragte Martin durch das Handy.

»Ja, Martin. Was ist los? Ist etwas passiert?«

»Nein, nichts Wichtiges, ich wollte nur wissen, ob ich heute Abend etwas zu essen bestellen soll? Dann müsstest du nichts kochen.«

Isabel verdrehte die Augen. »Nein, ich hatte da etwas Leckeres für uns geplant, also mach mir jetzt bitte nicht meine Planung kaputt.«

»Aber du kommst doch erst nach sieben nach Hause? Das ist doch viel zu spät und -«

»Heute habe ich früher frei, also mach dir keinen Kopf, Martin, bitte.«

»Aah, ja genau. Heute ist ja Freitag. Also bist du um sechs da, oder?« »Genau. Ist ja auch nicht mehr zu lange hin.«

»Gut. Dann sehen wir uns später.«

»Genau. Hab dich lieb, mein Schatz. Bis dann.«

»Ich dich auch, bis dann.« Sie legte auf.

2 Stunden davor

Hinter einer gelben Stahltür lag das Parkhaus, das unterhalb des Verlagsgebäudes errichtet war. Unvermittelt sprangen helle Lampen an, als Isabel durch die Tür hindurchtrat und ihr der Geruch von Benzin in die Nase stieg.

Puuh … Isabel blieb stehen und ließ die schwere Tür geräuschvoll hinter sich zufallen. Das darauf folgende Echo verging nach wenigen Sekunden, sodass es wieder ruhiger wurde.

Gleich vor ihr standen die geparkten Autos zwischen den hohen Steinsäulen, und an verschiedenen Stellen entlang des grauen Steinbodens prangten jede Menge schwarze Reifenspuren.

Von der gegenüberliegenden Seite des Parkhauses drang zusätzliches Licht herein, etwa dort, wo die Ausfahrt aus dem Parkhaus angelegt war.

Isabel seufzte. Dann richtete sie ihren Rucksack an der rechten Schulter ein und schritt zu ihrem Auto hinüber, das sie dicht an eine der aufragenden Säulen gestellt hatte.

Auf dem Weg dorthin brachte sie ihren Schlüssel hervor und drückte einen Knopf, sodass es Klick machte und das Auto aufblinkte.

Gott sei Dank, dachte Isabel, als sie es erreichte. Schnell beförderte sie den Rucksack auf den Beifahrersitz und stieg vorne ein. Dieser Ort konnte niemandem geheuer sein, dachte sie, während sie die Fahrertür zuzog. Schon zu Beginn, als sie hier angefangen hatte, hatte sie hier unten jedes Mal ein Gefühl beschlichen, dass jemand kommen und sie heimlich ausrauben würde, sobald sie nicht aufpasste. Vermutlich ein Fremder, der sie schon seit Tagen beobachtete. In Gedanken hatte sie sich dabei einen Schatten ausgemalt, nicht wirklich identifizierbar, aber mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mann, der eine Kapuze trug. Dieser Kerl wartete jeden Tag auf sie, zögerlich, abwartend, und nur, um im richtigen Augenblick aus der Deckung zu kommen und ihr sein scharfes Messer gegen den Hals zu drücken.

Isabel holte tief Luft, als sie die Gedanken überfluteten.

Nicht durchdrehen, Isabel. Es ist nur ein Parkhaus, mehr nicht.

Zitternd schob sie den Schlüssel in die Zündung und … Ihr Handy begann zu klingeln.

»Verdammt.« Erschrocken sackte Isabel in ihren Sitz zurück. Warum bin ich heute nur so schreckhaft?

Hastig zog sie ihr Handy aus der Hosentasche und ging ran. »Ja?«, fragte sie.

»Isabel, ich brauch dich«, kam es entschieden durch das Handy heraus.

»Was?« Isabel kniff die Brauen zusammen. »W-wer ist da, bitte?«

»Ich bin es, Ute. Deine Schwiegermutter. Hallo? Erkennst du mich nicht?«

»Ach, Ute ...« Isabel seufzte. In der Nähe begann plötzlich eine Deckenlampe zu blinken, was einen Schatten auf die Säule daneben warf. »W-was willst du denn? Mit dir habe ich jetzt nicht gerechnet.« In ihren Gedanken erschien wieder das Bild des schwarzen Mannes mit Kapuze. Eine düstere Gestalt, gebeugt, mit breitem Gang, der sich von hinten ihrem Auto näherte und immer näherkam und noch näher und … Erschrocken drehte Isabel den Kopf nach hinten und blickte durch die Rückscheibe hinaus. Aber dort war nichts zu sehen. Nur die gelbe Stahltür weiter hinten, durch die sie das Parkhaus betreten hatte, und die war bislang immer noch geschlossen.

Langsam drehte sie sich wieder nach vorne.

Ute räusperte sich. »Bist du schon auf dem Weg nach Hause?«

»Äh – ja. Gleich«, sagte Isabel.

»Gut, dann komm doch bitte noch mal bei uns vorbei. Klaus und ich wollen dir etwas mitgeben. Es ist wichtig.«

Isabel rieb sich die Stirn. »Ist es dringend? Eigentlich wollte ich heute Abend für Martin und mich kochen und er wartet schon auf mich.«

»Martin wird das verkraften«, meinte Ute. »Es dauert auch nicht lange und ein Umweg ist es auch nicht. Ich erwarte dich in den nächsten zwanzig Minuten hier, einverstanden?«

Isabel seufzte. »Na gut, Ute, aber nur …«

»Dann bis gleich.« Ute legte auf.

Isabel nahm das Handy runter und schüttelte den Kopf. Ute war schon immer impulsiv gewesen. Und seltsamerweise war sie damit ganz anders als ihr Sohn Martin, der eher besonnen agierte.

Isabel startete den Motor und das Auto brauste auf.

Leider hatte Ute nicht ganz unrecht mit dem, was sie gesagt hatte. Sie und ihr Ehemann Klaus, Martins Vater, wohnten tatsächlich nicht weit weg, sodass es kein Umweg wäre, bei ihr vorbeizufahren.

Zügig schaltete Isabel in den ersten Gang und wollte gerade auf das Gaspedal treten, als ihr Blick am oberen Rückspiegel hängen blieb.

Durch den Spiegel sah sie die Gegend hinter dem Auto, die grauen Wände, die gelbe Tür und die hohen Säulen … aberkein dunkler Mann, dachte Isabel. Keine bösen Geister …

1 Stunde davor

Vor dem Haus ihrer Schwiegereltern parkte Isabel den Wagen am Straßenrand und zog den Schlüssel aus der Zündung.

Okay … Den Einkauf im nächsten Supermarkt hatte sie jetzt auch schon beenden können und Martin wusste Bescheid, dass sie durch ihren Stopp bei Ute etwas später erscheinen würde. Es war also für alles gesorgt.

Durch das Beifahrerfenster rechts erkannte Isabel das Haus ihrer Schwiegereltern. Es handelte sich um ein größeres Gebäude mit spitzem Dach und hohen, roten Backsteinwänden. Die Fenster waren tiefgelegen und die Haustür bestand aus edlem Holz.

Ein schönes Haus, dachte Isabel. Es hatte ihr schon gefallen, als sie hier das erste Mal zusammen mit Martin vor einigen Jahren erschienen war, damit Martin sie seinen Eltern vorstellen konnte.

Aus irgendeinem Grund kam das Isabel heute besonders lange her vor. Andererseits erinnerte sie sich an diesen Moment, als wäre es erst gestern gewesen.

Entschlossen stieg Isabel aus und schloss die Wagentür hinter sich zu. Aus der Ferne drang das erkennbare Summen einer Sirene an ihre Ohren und der Geruch von gegrilltem Fleisch stieg Isabel in die Nase.

Um den Wagen herum betrat sie den Bürgersteig und von dort das Grundstück. Die Haustür selbst lag ein paar Meter von dem hüfthohen Zaun entfernt, der die Grenze des Grundstücks markierte.

Vor der Tür blieb Isabel stehen und klingelte.

DIING DONG, machte es im Inneren.

Martin hatte glücklicherweise Verständnis gehabt, dass sie etwas später kommen würde. Immerhin war es ja nicht ihre Schuld, sondern Utes, und Ute war immerhin Martins Mutter.

Erneut drückte sie auf die Klingel.

DIIING. DOOONG.

Zu lange würde das hier auch nicht dauern, dachte Isabel. Dafür würde sie schon sorgen. Und Isabel sprach hier aus Erfahrung, denn wenn Ute wollte, könnte sie auch den gesamten Abend über irgendwelche Themen reden, ohne jemals aufzuhören.

Plötzlich waren Schritte zu hören. Den Schrittgeräuschen folgte das Umdrehen eines Schlüssels und dann ging die Tür auf. »Isabel!«, rief Ute glücklich und breitete die Arme auseinander.

»Hallo, Ute.« Isabel ließ sich von Ute in eine feste Umarmung schließen.

»Ich freue mich so, dass du es geschafft hast. Alles gut bei dir?« Ute ließ Isabel los und musterte sie dabei von oben bis unten. Heute trug sie eine pinke Brille auf der Nase und hatte ihre kurzen Haare wieder schwarz gefärbt.

Auf ihrem weißen Shirt prangte der Druck einer gelben Giraffe und ihre hippe Jeanshose reichte ihr bis zu den Knöcheln.

Isabel nickte. »Ja, natürlich. Warum auch nicht?«

Ute nickte. »Du siehst gut aus, Isabel.« Sie lächelte. »Ich fürchte ja, wir sehen uns viel zu selten, und eigentlich sollten wir das ändern.«

Isabel lächelte. »Wir sind eben beide sehr eingebunden, weißt du. Martin und ich.«

Ute trat zurück und winkte Isabel herein. »Das sind doch nichts als Ausreden, Isabel«, meinte sie. »Sicherlich werden wir das in Zukunft etwas besser machen können. Komm rein, bitte.«

Isabel zögerte. »Ich kann aber nicht zu lange bleiben, Ute. Du weißt, dass ich noch ein paar Dinge erledigen muss.« Ute winkte ab. »Es geht doch ganz schnell. Sag wenigstens Klaus Hallo, während ich die Überraschung hole. Ich bin gespannt, ob sie dir gefallen wird.«

Na gut. Isabel trat ein und Ute schloss die Tür hinter ihr zu. »Bin gleich wieder da«, sagte Ute noch, bevor sie davoneilte und hinter einer anderen Tür verschwand.

Während Ute verschwand, ging Isabel nach links weiter und betrat das Wohnzimmer. Dort lief der Fernseher, der Boden war mit roten Teppichen übersät und einige Skulpturen aus Metall und Holz standen auf mondänen Postamenten herum, die Klaus auf seinen Reisen um die Welt gesammelt hatte.

In einem Sessel vor dem Fernseher hockte Klaus mit einer geöffneten Flasche Bier in der Hand.

Als Isabel hereinkam, drehte er den Kopf nach hinten. »Isabel«, rief er überrascht. Ächzend stand er auf und näherte sich ihr. Er war barfuß und seine grüne Hose war an den Fußknöcheln zweimal nach oben gekrempelt. Dazu bedeckte ein weißes Leinenhemd seinen fülligen Bauch. »Ich freue mich, dass du da bist. Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen.« Er umarmte sie schnell, sodass Isabel seinen Schweiß, fruchtiges Parfüm und Bier roch.

»Ich freue mich auch. Ute meinte, dass ich hier etwas abholen soll«, sagte Isabel. Klaus ließ sie los und nickte. »Sie hat wieder mal genug Energie für uns beide, denke ich.« Er lachte. »Manchmal weiß ich einfach nicht, was ich mit ihr machen soll.« Er zwinkerte ihr zu. »Aber gleichzeitig könnte ich auch nicht ohne sie.«

»Sie ist sehr bemüht«, sagte Isabel.

Klaus nickte. »Das ist sie. Wie geht es Martin? Er meldet sich so selten. Ich kann dir gar nicht sagen, woran das liegt.«

»Er ist sehr in seine Arbeit vertieft«, sagte Isabel. »Gestern meinte er, dass er wohl befördert werden soll. Das heißt zwar mehr Geld, aber auch mehr Verantwortung. Irgendwie ist das bei ihm speziell.« Klaus machte große Augen. »In der Tat.« Er nahm einen Schluck von seinem Bier. »Auch eins?«, fragte er.

Isabel winkte ab. »Nein, danke. Ich bin faktisch schon wieder auf dem Sprung. Wie gesagt, ich habe noch ein paar Dinge vor.« Sie blickte über die Schulter zurück zu der Tür ins Wohnzimmer.

Wo blieb denn Ute?

»Ist euch das denn recht?«, fragte Klaus langsam, sodass sich Isabel wieder nach vorne wandte.

»Was recht?«

»Na … die viele Arbeit? Kommt ihr damit klar? Ich meine, wenn ihr vielleicht noch andere Pläne habt, dann … Ich weiß nicht.« Er zuckte die Achseln. »Vielleicht wird es ja mal Zeit?«

Isabel überlegte. An der Zeit? Was war denn an der Zeit? Und warum wirkte Klaus auf einmal so, als hätte er … »Ach so!«, rief Isabel schnell und klatschte sich eine Hand gegen den Kopf, als es ihr bewusst wurde. »Jetzt verstehe ich, was du meinst.« Klaus nickte. »Nur so ein Gedanke.«

»Ja … äh, nein.« Isabel spürte, wie sie rot anlief. »Es ist schon ein Thema, Klaus, aber …« Sie seufzte. »Ehrlich gesagt, müssten wir noch mal darüber sprechen. Bisher haben Martin und ich uns zu wenig Gedanken über möglichen Nachwuchs gemacht.«

Klaus nickte mitfühlend. »Habe ich mir schon gedacht. Vielleicht ist ja heute Abend ein guter Augenblick dafür, um darüber zu sprechen, auch wenn das vorlaut von mir klingen mag.«

»Vielleicht.«

»Sei mir nicht böse, Isabel. Ich möchte nicht aufdringlich sein. Es ist nur … wir werden alle nicht jünger. Ich nicht, deine Schwiegermutter nicht. Und ihr beide auch nicht. Er ist jetzt sechsunddreißig und du folgst ihm knapp. Viel Zeit bleibt da also nicht mehr.«

Isabel nickte. »Ja, das ist richtig.«

Klaus kam näher und umarmte sie erneut. »Hey, nicht böse nehmen. Wir meinen es nur gut mit euch. Aber manchmal ist das viele Arbeiten auch nicht das Wahre. Hm?«

»Nein, nein, du hast schon recht. Ich bespreche das heute Abend mit ihm. Mal sehen, was er sagt.«

Und wie findest du das, Isabel?, hörte sie eine laute Stimme in ihrem Verstand rufen. Ich meine, es ist auch dein Leben. Diese Entscheidung liegt bei dir! Klaus grinste. »Das freut mich sehr.«

Plötzlich ging die hintere Tür auf und Ute betrat das Wohnzimmer. Sie atmete schwer und hielt einen opulenten Essenskorb mit beiden Händen umklammert. »Ich habe ihn«, rief sie freudig, »damit du ihn gleich mitnehmen kannst!«

20 Minuten davor

Jetzt wäre Martin bestimmt sauer.

Isabel blinkte und fuhr in die nächste Straße ein. Mehrere Häuser ragten hier zu beiden Seiten auf und aus Dutzenden Fenstern strahlte noch helles Licht heraus. Die Sonne war bereits untergegangen und graue Wolken zogen jetzt über den Himmel, was einen Großteil dieser Gegend mit düsteren Schatten belegt hatte.

Frustriert schaltete Isabel in den dritten Gang.

Als Ute mit ihrem Essenskorb gekommen war, hatten sie sich noch miteinander unterhalten und aus fünf Minuten waren schließlich fünfzehn geworden.

Mist.

An der nächsten Kreuzung blinkte Isabel erneut und bog anschließend nach links ein. An dieser Stelle standen die umliegenden Häuser etwas weiter auseinander, und die meisten von ihnen lagen in Dunkelheit da.

Schnell sah Isabel auf ihre Armbanduhr: 18:50 … Keine gute Zeit und wahrscheinlich Grund genug für Martin, um wütend auf sie zu sein.

Dabei fiel ihr Blick auf den Korb, den Ute ihr mitgegeben hatte. Er stand auf dem Beifahrersitz und war mit einigen Fleischwaren gefüllt, hübsch verpackten Boxen, zwei Flaschen Wein, jede Menge Dosen und noch anderen Dingen.

Wo Ute die Sachen denn herhabe?, hatte Isabel sie gefragt, aber Ute hatte nur gemeint, dass sie ihr und Martin eine Freude machen wolle und sie den Korb doch bitte mitnehmen solle.

Wie viel sie dafür bezahlt habe?, war die zweite Frage gewesen, aber Ute hatte sie nicht beantwortet.

Isabel seufzte. Immerhin hatten sie und Martin jetzt genug Lebensmittel für die nächsten zwei Wochen beisammen.

Behutsam lenkte Isabel den Wagen nach rechts und in die nächste Straße ein. Mehrere Kinder spielten hier am Straßenrand Fangen, nur beleuchtet von dem Licht, das durch die Häuser hinter ihnen herausschien.

Das wäre doch etwas, dachte Isabel, während sie langsam an den Kindern vorbeifuhr. Nachwuchs anstatt Arbeit, wobei Kinder ja auch eine Art von Arbeit waren. Dabei war ihr dieser Gedanke gar nicht so fremd.

Ehrlich gesagt hatte sie in den letzten Jahren immer wieder über Kinder nachgedacht, aber genauso schnell waren diese Überlegungen auch wieder in der Routine des Alltages verschwunden. Andere Dinge waren eben wichtiger gewesen. Nur für wie lange noch? Klaus hatte recht … Sie war nicht mehr die Jüngste und genauso wenig Martin. Mit fünfunddreißig war man eigentlich nicht mehr in der besten Position, eine Familie zu gründen. Die biologische Uhr tickte und wer würde am Ende für die Risiken einer möglichen Schwangerschaft aufkommen?

Auf der anderen Seite … Isabel biss die Zähne zusammen … Noch war es nicht zu spät. Fünfunddreißig war zwar alt, aber noch nicht zu alt. Es gäbe also noch ein schmales Zeitfenster und die Frage war, wie sie es nutzen würden … Was würde Martin wohl dazu sagen? Er war eigentlich nicht der Kerl für große Ankündigungen. Wenn sie mit diesem Thema einfach ins Haus fiel, könnte er erst mal abblocken und sich vielleicht sogar ganz davon abwenden. Dabei hatte ihre gemeinsame Beziehung anders angefangen. Vor nicht mal zehn Jahren hatten sie sich mit dem Versprechen zusammengetan, bis ans Ende ihrer Tage zusammenzubleiben und eine richtige Familie zu gründen. Isabel erinnerte sich noch an Martins rührenden Blick, als er ihr gegenübergestanden und ihr den Ring übergestreift hatte. Damals waren das noch andere Zeiten gewesen.

Von der Straße bog sie links auf einen ungepflasterten Seitenweg ein, der ein knappes Stück nach unten abführte. Am Fuß dieses Abhangs wurde die Ebene breit und flach. Häuser gab es hier keine mehr, bis auf ein großes Gebäude gegenüber, das aus zwei Stockwerken mit flachem Pultdach bestand.

Langsam schaltete Isabel runter und näherte sich dem hohen Gebäude. Wie es einsam aus dieser weitgehend kargen Gegend hervorragte, wirkte es beinahe ein bisschen verloren, aber vielleicht war das auch der Grund, warum sie es an genau dieser Stelle errichtet hatten … Um ein kleines Fleckchen für sich zu haben. Ungestört von den anderen Menschen und geschützt vor möglichen launischen Blicken.

Hinter einzelnen Fensterscheiben des großen Baus leuchtete Licht hervor. Das bedeutete wohl, dass Martin da war.

Knapp vor dem Gebäude verlangsamte Isabel den Wagen weiter, bis sie schließlich vor der geschlossenen Eingangstür stehen blieb.

Erleichtert zog Isabel den Schlüssel aus der Zündung und der Motor verstummte.

Endlich, dachte Isabel … Ich bin da.

10 Minuten davor

Ob sich Martin über den gefüllten Korb seiner Mutter freuen würde?, dachte Isabel. Unvermittelt musste sie wieder an die Kinder am Straßenrand denken, die Fangen gespielt hatten.

Ob das auch etwas für uns ist?, überlegte Isabel. Vielleichtist dieser Abend ja doch wichtiger, als du dachtest. Denn er entscheidet über eure gemeinsame Zukunft.

Isabel nickte.

Am Ende käme es eben auf den Versuch an.

Zügig stieg sie aus und merkte gleich einen kühlen Wind, der ihr von fast allen Seiten entgegenkam. Da es auf der weiten Ebene vor dem Haus keine Bäume gab, war der Wind hier auch stärker als im Rest der Stadt.

Langsam schritt Isabel um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Wenn Martin schon nicht von sich aus herauskam, um zu helfen, würde sie die Einkäufe eben selbst hineintragen müssen.

Entschlossen griff sie den Korb und eine der anderen Einkaufstüten und näherte sich der Eingangstür.

5 Minuten davor

Hinter sich schloss Isabel die Eingangstür mit einem Fußtritt zu und schritt anschließend die breit angelegte Diele entlang, bis sie links die Küche erreichte. Darin war ein breiter Tisch in der Mitte aufgebaut. Gegenüber führte die Armatur einmal um die hintere Wand herum, ein Herd war in ihr verbaut, dazu ein Waschbecken und jede Menge Schränke, die mit Tassen, Gläsern und allem Weiteren gefüllt waren, was man eben zum Kochen und Leben brauchte.

Weiter links führte eine zweite Tür in die Speisekammer.

Ächzend näherte sich Isabel dem Tisch und stellte den Korb und die Tüte darauf ab. Dann atmete sie erleichtert aus. Puuh … mit ein bisschen mehr Hilfe wäre das schneller gegangen, dachte sie.

»Maartin?«, rief sie und wartete auf eine Antwort. »Maaaaartin?« Isabel entleerte die Tüte und brachte die ersten Dosen in die nahe Speisekammer.

Als sie wieder herauskam, war es immer noch still.

Hm … Sie zog die Stirn kraus. Ob Martin mich nicht hören kann?

»Maaaartin?«, rief sie erneut und wartete, aber nichts war zu hören. »Komisch ...« Vor dem Tisch blieb sie stehen und griff eine der Weinflaschen aus dem Korb, den Ute ihr geschenkt hatte, als ihr etwas auffiel. »Moment mal.« Sie umrundete den Tisch in Richtung des abgeschalteten Herds gegenüber, neben dem sie etwas entdeckte: Ein hölzernes Tablett, auf dem mehrere Tomatenstücke lagen und dazu ein befeuchtetes Messer daneben, mit dem die Tomate behandelt worden war.

Nachdenklich nahm Isabel das Messer hoch und musterte es von allen Seiten. »Eigenartig«, flüsterte sie. Martin schien dieses Messer benutzt zu haben, aber wo befand er sich gerade? Und hatte er etwa ohne sie kochen wollen?

Unvermittelt spürte Isabel eine intensive Kälte in ihrer Brust aufkommen, als ihr ein unschöner Gedanke kam.

Es war genau der Moment, als ihr mit einem Schlag bewusst wurde, wie ruhig es in diesem Haus eigentlich war.

Schnell drehte sie sich um.

Es war tatsächlich nichts zu hören. Keine Spülung, keine Schritte, nicht mal ein Atemzug … nichts! Als wäre dieser Ort ausgestorben.

Unruhig legte Isabel das Messer auf den Tisch in der Mitte und verließ die Küche zurück zu der Diele, wo sie stehen blieb. »Maaaaartin?«, rief sie und wartete auf eine Antwort, aber die kam nicht …

3 Minuten davor

Wo konnte er denn nur stecken?

Schnell drehte sich Isabel um und schritt aus der Diele zurück und in die Küche und von dort weiter ins angrenzende Wohnzimmer. Auch hier leuchtete helles Licht von der Decke, ein langer Tisch in der Mitte stand leer und auf den zwei Sofas weiter hinten lagen grüne Kissen aus.

»Martin? Bist du da?«, fragte Isabel und ging an dem Tisch vorbei, bis sie die hinteren Fenster erreichte. Vor einem davon blieb sie stehen und blickte hinaus. »Das kann doch nicht wahr sein. Wo steckt er denn?« Draußen waren die Umrisse einiger Büsche erkennbar, die sich im rauen Wind bewegten.

Verdammt noch mal! Isabel drehte sich wieder um.

Vielleicht ist Martin ja doch nicht im Haus?

Sie ging nach links weiter und betrat den kleinen Fernsehraum. Hier befand sich der große Fernseher gegenüber an der Wand und daneben führten zwei Schränke in die Höhe, die mit zahlreichen DVDs gefüllt waren.

Der Fernseher selbst war abgeschaltet.

»Martin? Versteckst du dich etwa? Falls ja, ist das echt nicht lustig.« Isabel sah sich um, über das vordere Sofa hinweg zur linken Wand, dann zurück zur rechten, aber Martin war nicht da.

»Komm schon, Martin«, stöhnte Isabel frustriert. »Wo zum Teufel bist …«

KNNARK, erklang plötzlich ein knarrendes Geräusch, das Isabel zusammenzucken ließ. »W-was war das?« Eilig betrat Isabel wieder das Wohnzimmer und schritt von dort durch die Küche zurück zur Diele.

Hier verharrte sie in der Mitte.

Gleich links, nur ein paar Meter entfernt, führte eine Treppe hinauf in den ersten Stock und geradeaus ragte die geschlossene Haustür auf, durch die sie das Haus betreten hatte.

»Von wo kam dieses Geräusch?«, flüsterte Isabel und näherte sich der seitlichen Treppe. »Etwas stimmt hier doch nicht.« Wenn sich Martin schon nicht hier unten aufhielt, musste er doch oben sein?, überlegte sie. Das war doch nur logisch …

2 Minuten davor

Im ersten Stock war das Licht eingeschaltet.

Isabel verließ die Stufen und sah sich um. Mehrere Türen führten vor ihr in unterschiedliche Räume und gleich links befand sich das Badezimmer.

Okay … Isabel holte tief Luft. Irgendwo musste Martin ja sein.

Sie schritt nach links und öffnete die Tür in das Badezimmer, aber dahinter war es dunkel. Also streckte Isabel eine Hand vor und tastete an der seitlichen Wand entlang, bis sie den Lichtschalter fand und ihn drückte … ZACK, machte es und das Licht sprang an.

Rechts stand das Waschbecken, dahinter die Toilette und links die breite Badewanne, auf die sie damals beim Bau des Hauses bestanden hatte.

Martin war nicht da und alles andere lag noch genau dort, wo sie es zuletzt zurückgelassen hatte.

Aber wenn Martin hier nicht war, wo war er … Isabel drehte sich um und erschrak, als sie eine Gestalt ohne Augen, Mund und Nase vor sich erkannte. Der schmale Umriss, der das Gesicht darstellte, bestand aus schwarzen Falten, die sich bewegten, als würde das Monster ein Lachen ausstoßen.

»Aaaaaaa!« Panisch wich Isabel zurück, verlor den Halt und stürzte auf den Boden. Mit den Armen voran fing sie sich ab und spürte einen brennenden Schmerz, der besonders durch ihre rechte Hand jagte.

Was war das denn?, dachte sie aufgeregt und sah zu der Tür zurück, aber dort war niemand zu sehen. Nur die beginnenden Bereiche des ersten Stockwerks.

»Oh mein Gott!« Ächzend richtete sich Isabel wieder auf. Ihr Kreislauf spielte ein bisschen verrückt und hinter ihrer Stirn spürte sie ein energisches Pochen.

Fast im Stehen erreichte ein kalter Lufthauch ihren Nacken und eine tiefe Stimme flüsterte an ihr rechts Ohr: »Wenn du einen Wunsch frei hättest, was würdest du dir wünschen?«

Ruckartig drehte Isabel den Kopf nach hinten, aber niemand stand dort. Rechts befand sich nur das Waschbecken und dahinter die Toilette. »D-das … ich werde noch verrückt!« Schnell lief Isabel aus dem Badezimmer und blieb vor der Treppe ins Erdgeschoss stehen.

»Da war keine Stimme«, flüsterte Isabel schockiert, während sie versuchte zu begreifen, was gerade eben passiert war. »Niemals. Wie denn auch? Es ist ja niemand hier außer mir.«

Aber du hast sie gehört, Isabel! Es gibt keine Ausreden! Die Stimme war da und das kannst du nicht leugnen.

Zitternd fuhr sich Isabel über das Gesicht. »I-ich … ich …«

Wenn du einen Wunsch frei hättest, hörte sie es in ihren Gedanken flüstern. Was würdest du dir wünschen?

Ein Wunsch? Was denn für ein Wunsch?

»Martin!«, rief sie, drehte sich um und lief in das nächste Zimmer geradeaus. Dort schaltete sie die Deckenlampe ein und sah sich um. In diesem Raum, der Martins Büro darstellte, war er ebenfalls nicht zu sehen. Neben einem großen Schreibtisch gegenüber lag jede Menge Papier aus, ein Drucker blinkte, genau wie der Bildschirm des Computers daneben, und in den überquellenden Regalen lagerten einige Aktenordner.

»Scheiße! Maaaaaartin!«, schrie Isabel panisch. Offenbar erlaubte sich doch irgendjemand einen miesen Scherz mit ihr.

Keuchend lief sie aus dem Zimmer hinaus und schritt in das daneben. Darin stand ein einzelnes Bett links, dazu ein Schrank an der Wand und mehrere Bilder hingen an den Wänden, die sie und Martin im Urlaub von vor zwei Jahren zeigten.

Fassungslos starrte Isabel das Bett an. Die Decke darauf war ordentlich gemacht und die Kissen sauber ausgeschlagen.

Martin war nicht da. Aber warum nicht? KNNARK, erklang es plötzlich und Isabel fuhr herum.

»Nein! Genug! Ich habe GENUG davon!« Sie eilte aus dem Zimmer hinaus und Richtung Treppe zurück, die ins Erdgeschoss führte. Fast erreichte sie die Treppe, als Isabel ein Knarzen zum Stehen brachte.

Dieses Knarzen wurde für wenige Augenblicke lauter, bis es schlagartig verstummte. Danach umhüllte Isabel wieder jene umfassende Stille, die ihr bereits im Erdgeschoss aufgefallen war. Es war, als würde die Zeit mit einem Mal stillstehen.

Langsam blickte Isabel nach links zu ihrem und Martins gemeinsamen Schlafzimmer hinüber. Genau zu der Tür, die sie bisher ignoriert hatte. Zu der Tür, die eigentlich geschlossen sein sollte, aber die jetzt offenstand, als hätte sie eine dämonische Kraft geöffnet …

1 Minute davor

S-soll ich dort etwa reingehen?

Isabel starrte die geöffnete Tür an.

Es kann nicht anders sein.

Zögerlich trat sie einen Schritt auf die Tür zu.

Nein, Isabel! Tu es nicht! Das ist eine Falle. Geh da nicht hin, bitte!

Noch einen Schritt machte sie vor.

Aber sie musste es tun. Es ging ja um Martin und vielleicht war er ja in Gefahr? Immerhin wäre das hier ihr großer Tag, denn vielleicht stand sogar eine Entscheidung über ihre gemeinsame Zukunft an. Über eine Familie, Kinder … das große Glück.

Das ging nur mit ihm.

Wieder machte sie einen Schritt nach vorne.

Und wenn das alles eine Lüge war? Ein Scherz von jemandem, der es nicht gut mit ihr meinte? Aber wer würde so etwas machen? Etwa jemand von der Arbeit? Unsinn! In der Arbeit verstand sie sich mit allen und Martin auch in seiner. Sie hatten keine Feinde. Das hier war ein Ort der Liebe.

Noch einen Schritt trat sie vor.

Ein kupfriger Geruch stieg ihr in die Nase und heiße Angst bohrte sich ihre Knie entlang bis hinunter zu den Zehen.

»M-martin?«, flüsterte Isabel unbehaglich, aber ging dennoch weiter. »Warum habe ich nur so viel Angst davor, mein eigenes Schlafzimmer zu betreten?«

Einen Schritt ging sie vor, dann noch einen. In diesem Moment wurde der kupfrige Geruch stärker.

Weiter ging Isabel vor und blieb schließlich im Rahmen der geöffneten Tür stehen.

Hier war es dunkel, da das Licht der Deckenlampe ausgeschaltet war.

Plötzlich spürte sie einen pochenden Druck im Ohr, gefolgt von einem lauten Piepen, als würden ihre Trommelfelle erbeben. Stöhnend verzog Isabel das Gesicht und tastete gleichzeitig rechts über die seitliche Wand, um den Schalter zu finden. »Komm schon. Bitte«, flüsterte sie. Das Piepen in ihren Ohren wurde lauter und noch lauter … Fieberhaft tastete Isabel über die Wand, fühlte über die kühle Tapete und fand schließlich den Schalter. »Wenn ich einen Wunsch frei hätte«, flüsterte sie, die Hand auf dem Schalter. »Was würde ich mir wünschen?« Das Piepen verschwand abrupt, als hätte sich ein Knoten gelöst.

Sanft drückte Isabel den Schalter und ZACK … die Deckenlampe sprang an …

Da

Blut an der Wand

Überall Blut

Da ein Kopf

Da ein Arm

Blut an der Wand

Ein Finger neben dem Bett

Ein Auge auf der Decke

Blut an der Wand

Überall Blut

Rot sind die Fenster

Rot ist der Boden

Blut an der Wand

Ein Fuß auf dem Nachttisch

Ein Bein neben der Tür

Blut an der Wand

Rot sind die Bilder

Blut an der Wand

Rot ist der Teppich

Blut an der Wand

Ein roter Körper vor dem Bett

Ein Schnitt rechts

Ein Schnitt links

Schnitte am Hals

Schnitte am Bauch

Blut an der Wand

Alles voller Blut

4 Jahre später

1.

Behutsam lenkte Isabel ihren Wagen den halbsteilen Abhang hinunter und bremste am Fuß der beginnenden flachen Ebene ab, bis das Auto mit quietschenden Reifen zum Stehen kam.

Ausatmend lehnte sie den Kopf zurück.

Am gegenüberliegenden Ende der flachen Ebene ragte es deutlich auf: das Haus ihrer Träume. Zumindest war es das früher mal gewesen. Mittlerweile waren die ehemals weißen Wände mit grauen Schlieren überzogen. Einige Fenster waren abgeklebt und von dem flachen Pultdach hingen jetzt grüne Hortensien herunter.

Da ist es nun, dachte Isabel mit einer Mischung aus Wut, Trauer und Verzweiflung in der Brust, die alle so unnachgiebig in ihr wüteten, dass sie nicht sagen konnte, welches dieser Gefühle dominierte. Vielleicht, so dachte sie weiter, war es ja ein Fehler gewesen, hierher zurückzukommen … Vielleicht war es aber auch genau das Richtige.

Wenig entschlossen zog sie den Schlüssel aus der Zündung und stieg aus.

Draußen wehte ihr ein kühler Wind entgegen und die stetig untergehende Sonne schickte nunmehr rote Strahlen über die weite Landschaft hinweg.

Isabel schloss die Wagentür und schritt am Auto entlang, bis sie an der grauen Motorhaube stehen blieb. Dort schob sie ihre Hände in die Hosentaschen und dachte nach: Es hat sich nicht verändert … Das Haus ihrer Träume, das Haus, in dem sie eigentlich bis zum Ende ihres Lebens leben wollte …Vier Jahre ist das jetzt her … Isabel schüttelte den Kopf.

Sie erinnerte sich noch an die Zeit, die sie hier mit Martin verbracht hatte. Es war ihr Zuhause gewesen. Ein Zufluchtsort und ein Hort voller Liebe und Harmonie, bis … Isabel seufzte. Ja … bis …

2.

… bis dieser schreckliche Tag gekommen war.