Der Herr der Würze - Anne Wilhelm - E-Book

Der Herr der Würze E-Book

Anne Wilhelm

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Beschreibung

Ich habe die Geschichten meines Lebens schon so oft erzählt, dass ich sie beinahe schon selber glaube. - Harald Schmidt Mit diesen Worten beginnt Uwe von Würzen die Erzählung seines Lebens. Er verewigt sich mit diesen Seiten und erheitert damit die Leser. Das Buch fasst ein ganzes Leben in wenigen Kapiteln zusammen. Von der Geburt über die frühe Kindheit bis hin zur Schule, Armee und Eheleben berichtet dieses Buch von allen wichtigen Stationen und Facetten im Leben des Uwe von Würzen. Mit seinen spannenden und ereignisreichen Geschichten versteht er den Leser zu fesseln und ihn mitzunehmen in die Vergangenheit, sodass man die Abenteuer des Protagonisten regelrecht miterlebt. Ob es der berühmte Daumensprung oder seine Präsidentenzeit beim Karneval ist, alles kann in diesem Buch miterlebt werden. Fast ist es einem, wie wenn man im Restaurant am Waldesrand in der Karl-Liebknecht-Str. 8 in Neuhaus am Rennweg mit ihm an einem Tisch sitzt und diese Geschichten aus seinem Munde hört. Mit diesem Buch lädt sie Uwe zum Schmunzeln und Erinnern ein. Vielleicht entdecken auch Sie Gemeinsamkeiten und erinnern sich selber an die Vergangenheit und an lustige Begebenheiten aus ihrem eigenen Leben.

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Seitenzahl: 209

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„Ich habe alle Geschichten aus meinem eigenen Leben so oft erzählt, dass ich bereits selbst anfange, sie zu glauben.“

Diesen weisen Spruch habe ich im Fernsehen mal vom Moderator Harald Schmidt gehört.

Und noch am gleichen Abend habe ich begonnen, richtig ernsthaft über mein eigenes Leben nachzudenken. Wie oft habe ich mich zurückerinnert und so viele Menschen mit meinen Erfahrungen zum Lachen gebracht? Mein Leben war bis zum heutigen Tage … sagen wir, sehr erlebnisreich. Bis zu einem gewissen Grade ist es vielleicht sogar normal gewesen für die damalige Zeit, aber das kann nun jeder beim Lesen selbst entscheiden. Vielleicht entdeckt man auch die eine oder andere Gemeinsamkeit oder kommt selbst ins Schwärmen und Erinnern.

Doch bevor ich beginne, einen Teil meines Lebens hier vor Ihnen auszubreiten, möchte ich mich erst einmal vorstellen. Mein Name ist Uwe von Würzen und ja, ich kann auch kochen.

Viele Menschen kennen mich vom Karneval, aus meiner Zeit als Trainer oder in meiner Tätigkeit als Koch. Heute bin ich 56 Jahre alt und es wird Zeit, mein Leben zu reflektieren und die ganzen Geschichten, die ich so oft zum Besten gegeben habe, einfach mal aufzuschreiben und sie damit für die Ewigkeit festzuhalten. Ich möchte mit diesem Buch viele Menschen erreichen, sie erheitern und ihnen zeigen, wie vielfältig ein Menschenleben sein kann.

In den vergangenen 56 Jahren habe ich viele Dinge erlebt und kann nun voller Stolz auf viele erfüllte Jahre zurückblicken. Ich habe Freunde gefunden, habe viele verschiedene Jobs gemacht und an sich nie etwas Gescheites losgelassen. Doch jetzt gibt es ja dieses Buch. Es wird vieles zutage fördern, an das sich andere Menschen vielleicht auch noch erinnern können, aber auch eine Seite an mir zeigen, die mir manche Leute sicher nicht zugetraut hätten, und die lange Zeit verborgen war.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen werde ich viele Personen in meinen Geschichten anonymisieren. Leser, denen ich und mein Umfeld bereits bekannt sind, werden erkennen, wer gemeint ist, doch ich verspreche hiermit, ich werde es Ihnen nicht einfach machen. Schließlich geht es in diesem Buch allein um mich und deswegen möchte ich gewährleisten, dass Sie sich beim Lesen allein auf mich und mein Leben konzentrieren können.

Apropos Leben, beim Lesen werden Sie merken, dass bei vielen Geschichten der Teufel Alkohol im Spiel ist. Dennoch möchte ich schon an dieser Stelle feststellen, dass eine gute Anekdote einfach nicht mit den Worten anfängt: „Wir hatten zwei kleine Salat!“ Daher sind die meisten meiner Geschichten mit diese Voraussetzung behaftet. Dennoch bitte ich Sie, keine falschen Schlüsse zu ziehen. Zum Lustigsein brauche ich keine Genussmittel, ich bin einfach von Natur aus so. Doch das werden Sie bei der Lektüre bald selbst herausfinden.

Der Gedanke, ein Buch zu schreiben, schwebte lange Zeit über mir, wie eine schwere Wolke. Stets und ständig verfolgte er mich und irgendwann lernte ich die Autorinnen Anne und Wiebke Wilhelm näher kennen. Ich erkannte meine Chance, wog alle Vor- und Nachteile gegeneinander ab und sagte zu mir: „Uwe, Du hast schon ganz anderes Zeug gemacht und bist immer heil davongekommen. Warum willst du nicht mal ein Buch schreiben?“

Gesagt getan. So traf ich eine Vereinbarung mit den beiden und nun lesen Sie gerade die ersten Seiten meines eigenen und höchstpersönlichen Buches. Aber nicht nur die ersten Seiten meines Buches, nein es sind auch die ersten Seiten meines Lebens.

Inhaltsverzeichnis

Meine Geburt und meine frühe Kindheit

Meine Schulzeit

Lehrjahre

Armeezeit

Die Welt ist ein einziger Karneval

Skifahren in Österreich

Arbeitszeit

1. Meine Geburt und meine frühe Kindheit

Wir schreiben das Jahr 1959. Genauer gesagt war es der 8. November 1959, der Tag vor meinem Geburtstag. Bereits zu meiner Geburt gibt es eine sehr schöne Geschichte.

Doch bevor ich zu diesem allerersten Ereignis in meinem Leben komme, möchte ich Ihnen gerne einen kurzen Einblick in meine Familie geben. Den Namen „von Würzen“ habe ich von meinem Vater geerbt und der wiederum blickt auf eine lange Ahnenreihe zurück, deren Ursprung in einer Kaufmannsfamilie in Polen liegt. Nachdem der Zweite Weltkrieg ausgebrochen war, wanderte dieser Teil meiner Familie nach Fladungen aus. Dort erblickte dann mein Vater das Licht der Welt: Günther von Würzen. Kurz darauf zogen sie weiter nach Hamburg. Von dort aus kam mein Vater dann nach Lohr am Main. Diese schöne Stadt liegt in der Nähe von Frankfurt am Main. Als Boxer kam mein Vater dann nach Halle an der Saale, wo er boxte und gleichzeitig als Koch in den Leunawerken arbeitete. Gelernt hatte mein Vater das Fleischerhandwerk und so lag der Beruf des Kochs doch sehr nahe. Von dieser Seite der Familie habe ich auch meine Begabung zum Kochen geerbt.

Meine Mutter Marga stammt aus Neuhaus am Rennweg. Schon immer hat ihre Familie in der heutigen Ernst-Thälmann-Straße, bei uns die „ewer Gass“ genannt, gewohnt. Meine Eltern lernten sich kennen, als mein Vater im Leunaheim Urlaub machte. Heute ist das Leunaheim das Hotel Schieferhof, hier in Neuhaus am Rennweg. Da meine Mutter sehr heimatverbunden war, kam mein Vater nach Neuhaus am Rennweg und blieb letztendlich auch hier.

Außerdem habe ich eine Schwester. Ihr Name ist Elke und sie ist fünf Jahre älter als ich. In unserer Kindheit haben wir viel zusammen erlebt. Oft haben wir draußen zusammen gespielt und als ich dann größer war, hat sie mir immer sehr bei meinen Hausaufgaben geholfen. Wohl deswegen ist sie dann auch Lehrerin geworden. In jedem Fall hatten wir zusammen sehr viel Spaß und haben ihn bis heute, da wir gemeinsam in unserem Elternhaus wohnen.

Doch nun haben wir genug Ahnenforschung betrieben. Ich wollte Ihnen ja von meiner Geburt erzählen. Also spulen wir wieder auf den 08.11.1959.

Das war ein Samstag und meine Mutter Marga besuchte gerade mit ihrem ungeborenen Sohn, also mir, die öffentliche Lottoziehung im Kulturhaus im Stadtzentrum von Neuhaus am Rennweg. Dazu muss ich sagen, dass es in jener Zeit üblich war, die Lottozahlen öffentlich zu ziehen, da nicht viele Menschen einen Fernseher besaßen und es auch noch nicht so viele Telefone gab. Nun ja, aber weiter im Text. Meine Mutter war also mit mir und meinem Vater im Kulturhaus und da wollte ich dann auf die Welt kommen. Mein Vater bemerkte es und fragte meine Mutter: „Marga! Was ist los?“ Meine Mutter antwortete: „Ich gläb, es kemmt!“1 Danach ging alles ganz schnell. Meine Mutter wurde nach Gräfenthal ins Krankenhaus gebracht und am Sonntagfrüh, also am 9.11.1959, erblickte ich dann endlich das Licht der Welt. Mein Nettogewicht, also ohne Windeln, betrug 4.700 Gramm oder auch gute 9 Pfund, denn früher wurde das Gewicht der Babys in dieser Einheit gemessen. Ich war schon ein kleiner Moppel, kann man sagen. Man erkannte es auch daran, dass ich als Baby meine kleinen dicken Finger gar nicht richtig zusammengebracht habe. Doch es gab schon früh Kloß mit Soße und somit wurde der Grundstein gelegt, aus mir einen echten „Herrnhäuser“ zu machen. So begann sie, meine Kindheit.

Den größten Teil dieser Kindheit verbrachte ich bei meiner Großmutter Rosa. Sie war eine sehr, sehr herzensgute Frau und dank ihr musste ich als kleines Kind niemals in den Kindergarten gehen. Bei diesem Thema fällt mir eine andere schöne Anekdote ein. Sie erzählt davon, wie ich bereits als kleiner Mann mein erstes Abenteuer erlebte.

Alles begann damit, dass ich in meiner liebenswürdigen Art und Weise meine Großmutter derart zur Weißglut brachte, dass sie eine ihrer guten Porzellantassen so auf den Tisch stauchte, dass sie sich an den Scherben ihre gesamte Hand zerschnitt. Wegen dieses Unfalls waren dann in späterer Zeit auch ihre Finger steif geworden. Doch ich wollte Ihnen ja das Unglück erzählen, das mich danach ereilte. Also meine Großmutter hatte sich die Hand zerschnitten und alles war voller Blut. Der Küchentisch war voller Blut und Scherben, ich war voller Blut, meine Großmutter war voller Blut und so weiter. Diese Liste ließe sich beliebig auf alle Gegenstände der Küche erweitern, doch ich will die Aufzählung hier enden lassen. Also, ich halte fest: Alles, wirklich alles war voller Blut!

Schließlich nahm mich meine Großmutter an der Hand und gemeinsam gingen wir zu meiner Mutter auf die Post, wo ich ihr die ganze Misere zeigen und erklären musste. Das gab natürlich richtig Ärger. Dieses Ereignis führte dazu, dass ich als kleines Kind doch in den Kindergarten gehen musste, da sich meine Großmutter nach diesem Vorfall strikt weigerte, je wieder auf mich aufzupassen. Natürlich lässt sich bereits an dieser Stelle absehen, dass diese Einrichtung zur Kindererziehung nichts für mich war. Doch lassen Sie mich weitererzählen.

Es war der Winter 1963, als ich mich aufmachte, und den mir so verhassten Kindergarten unerlaubt verließ. Kurzum machte ich mich einfach heimlich davon. Ich ging damals in den Zentralkindergarten von Neuhaus am Rennweg. Der war dort, wo heute das Modehaus Klett seinen Sitz hat. Aus dieser besagten Einrichtung machte ich mich also mitten im Winter klammheimlich davon. Zu dieser Zeit arbeitete meine Mutter in der alten Post. Die stand dort, wo sich heute der Lidl befindet, also oben am Kreisel in Neuhaus am Rennweg. Auf meinem Fluchtweg raus aus diesem verhassten Kindergarten wurde ich von mehreren Menschen entdeckt. Ich war ja auch sehr auffällig im weißen Schnee, der mir bis zu Brust reichte. Langsamen Schrittes watschelte ich also durch den Schnee und da die Nachricht von einem kleinen Jungen, der in Eis und Kälte alleine unterwegs war, sehr schnell die Runde machte, kam sie früher oder später dann auch in der Post und somit bei meiner Mutter an. Als das geschah, hatte ich den Weg bis zum Postamt schon fast absolviert. Meine Mutter fand mich draußen und es gab mal wieder eine Menge Ärger.

Dennoch musste damit auch meine Mutter Marga einsehen, dass dieser Kindergarten einfach nichts für mich war. Also erweichte sie meine Großmutter Rosa, wieder auf mich aufzupassen. Als die sich dann dazu durchringen konnte, war ich ihr so dankbar, dass ich fortan wirklich alles für sie tat. Sie war eben doch meine herzensgute Rosa. Ja, ja, so war sie, meine Kindheit.

Beispielsweise habe ich meiner Großmutter, als ich schon etwas älter war, eine Bank unter unserem Pflaumenbaum im Garten gebaut, damit sie im Sommer im Schatten sitzen und sich entspannen konnte. Dass der Baum die Kupfernägel, die ich in sein Holz trieb, nicht wirklich vertragen hat, habe ich erst zu einem viel späteren Zeitpunkt bemerkt, nämlich als er einfach so einging und den Löffel abgab. Das gab natürlich großen Ärger mit meinem Vater und ab diesem Zeitpunkt war ich der „Pflaumenbaumtöter“. Dazu fällt mir auch gleich ein Gedicht ein.

„Unter einem Pflaumenbaum

saß ein Mädchen, 17 kaum.

Aber doch schon sehr recht schön,

war so alles anzusehen.

Als ich langsam näher kam,

und mir einen Apfel nahm,

sprach sie leise, wie im Traum:

Du, das ist ein Pflaumenbaum.“

Das ist mal ein Gedicht zum Nachdenken. Und wenn wir es gerade von Bäumen haben, fällt mir ein, dass ich als Kind zum Spielen immer draußen im Wald war. Besonders im Winter war es so schön, dass wir meistens erst wieder reingegangen sind, wenn bereits alles steifgefroren war. Wenn ich in diesem Zustand dann nach Hause kam, musste ich erst meine Hände und den halben Oberkörper in den alten Röhrenofen meiner Großmutter stecken, damit ich mich überhaupt ausziehen konnte. Weil meine Kleider wirklich so hart und steifgefroren waren, dass ich sie nicht hätte ausziehen können, ohne mir die Haut gleich mit abzuziehen. Aber der alte Ofen meiner Oma hat mich immer wieder aufgewärmt und meine gefrorenen Kleider aufgetaut. Deswegen ist er mir auch bis heute in wundervoller Erinnerung geblieben. So war sie eben, meine Kindheit.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen gerne noch eine andere Seite meiner Kindheit beschreiben, nämlich mein Leben mit den Tieren. Als ich 5 oder auch 6 Jahre alt war, hatten wir daheim bereits Tauben. Doch diese Tiere waren keine einfachen Vögel, sondern besondere, für den Sport gezüchtete Tauben, sogenannte Sporttauben. Die wurden jeden Samstag in einen Käfig gesteckt, auf einen LKW verladen und fortgeschafft, um sie dann irgendwo freizulassen. Der Fahrer dieses Taubentransporters war meistens der Helmut Sonntag. Diese Taubentransporte führen noch heute am Stammtisch im „Waldesrand“ an manchen Abenden zu lustigen Geschichten. Ihrem natürlichen Instinkt folgend flogen die Tauben daraufhin wieder heim. Jede der Tauben wurde mit einem Ring versehen, der sie kennzeichnete. Darauf war vermerkt, wem und wohin sie gehörte. Mein Vater und ich standen dann auf der Wiese hinter unserem Haus und beobachteten die Ankunft der Tauben. Dabei lockte sie mein Vater mit Pfiffen, bis sie in unserem Dachboden einflogen. War das geschehen, liefen wir beide im Laufschritt die drei Stockwerke unseres Hauses hinauf und schnappten uns die Taube samt Ring, entfernten ebendiesen und dann rannte ich wie ein geölter Blitz hinunter und über die Straße zum Trencher, mit richtigem Namen Gerd Hoffmann, bei dem die Uhr stand. In dieser Station wurden die Nummern der Tauben mit ihrer Ankunftszeit aufgeschrieben. Die erste Taube gewann natürlich einen großartigen Preis. Das Lustige an der ganzen Sache war vor allem, wie ich als kleiner Junger mit jedem einzelnen Ring quer über die Straße gerannt bin, um ja keine Zeit zu verlieren, damit unsere Tauben gewannen. Bei diesem Gerenne wurde ich stets von unserem Nachbarn, dem Herrn Edgar Müller, beobachtet. Sein prägender Satz, den er regelmäßig durch die Straße brüllte, war: „Da Würzen muss sein Sohn an Droht in Orsch gebaut ho. Da hot der Blitz nei geschlohn. Deswegen läft der so schnall.“2

Wenn ich einmal beim Thema Getier bin, so will ich Ihnen noch ein paar Geschichten über mein frühes Leben mit den Tieren erzählen. Wir hatten daheim schon beinahe eine kleine Farm, als ich noch jung war. Bei uns gab es Enten, eine Ziege, Gänse, Hasen, Papageien, Goldfasane und natürlich die bereits erwähnten Sporttauben.

Ich will mal mit den Enten beginnen. Mein Vater stellte unsere Enten immer auf Ausstellungen aus. Daher durften die wertvollen Tiere ihre Federn nicht verlieren. Der einzige Nachteil lag dabei darin, dass die wertvollen Tiere meines Vaters dadurch immer noch fliegen konnten, da wir ihnen ja die Federn nicht beschneiden oder sie gar rupfen durften. Damit flogen also unsere Enten immer munter durch ganz Neuhaus am Rennweg. Meistens fanden wir sie dann am alten Löschteich wieder, unten, in der Schmalenbuche.

Das ist ein Ortsteil von Neuhaus am Rennweg. Von meinem Zuhause war das ein ganzes Stück weit weg.

Ich kann Ihnen sagen, die entlaufenen Tiere wieder aus diesem Teich heraus und in den heimischen Stall zu bringen, war nicht immer einfach. Immerhin mussten die Viecher wieder heimfliegen. Laufen konnten sie ja nicht. Also bin ich wie das Rumpelstilzchen um den Teich herumgehüpft und habe versucht, die Tiere wieder zum Fliegen zu bewegen. Das taten sie nach größerer Anstrengung meinerseits dann auch. Nur legten sie immer noch einen Zwischenstopp beim Finkens Werner ein. Der wohnte in unserer Straße und hatte auch Enten. Und mit denen mussten sie erst noch ein Schwätzchen halten. Aber zum Schluss sind sie immer wieder zuhause angekommen.

Dann hatte ich weiter oben ja noch die Goldfasane erwähnt. Diese Vögel waren ganz außergewöhnlich schöne Tiere. Die Weibchen sind etwas unscheinbare, hell- und dunkelbraun gescheckte Vögel. Doch die Männchen haben leuchtendrote Bäuche und goldgelbes Gefieder auf dem Kopf. Ihre großen und majestätischen Schwanzfedern zeichnen sie aus. Die sind schwarz und weiß gemustert und bilden einen schönen Kontrast gegen das leuchtende Rot der Bauchfedern. Mein Vater war immer mächtig stolz auf seine Goldfasane. Sein schönstes Exemplar war ein großer Hahn, den er immer für die Ausstellungen zurechtmachte. Da trug es sich zu, dass er eines Tages etwas später von der Arbeit nach Hause kommen sollte. Daher sollte meine Mutter den Hahn für die Ausstellung zurechtmachen. Also machte sich meine Mutter auf den Weg, das prächtige Tier zu fangen und für die Ausstellung bereitzumachen. Doch der Hahn war anderer Meinung und flog aufgebracht durch die Voliere. Schließlich hatte sie ihn ergriffen, doch leider erwischte sie nur seine langen Schwanzfedern, die der Zugkraft meiner Mutter leider nicht standhalten konnten. Damit war unser Fasan offiziell gerupft. Als mein Vater nach Hause kam, um den Hahn für die Ausstellung zu holen, war natürlich der Teufel los. Ich dachte damals, mein Erzeuger erschlägt meine Mutter! Das war ein wirklich trauriger Tag für den Hahn und für meinen Vater, denn beide fühlten sich ihrer Männlichkeit beraubt. Von unserer Ziege bekamen wir jeden Tag frische Ziegenmilch. Die war ein Muss für jeden Tag. Ich kann sie ja heute immer noch nicht sehen noch riechen, doch meine Großmutter Rosa, die hatte ein besonderes Spezialrezept. Und zwar ließ sie die Milch immer erst einmal stehen. Unter zwei Tagen ging da gar nichts. Dann kam Zucker drauf und nach weiteren 3 Tagen konnte man die ganze Sache dann essen. Nun, zumindest, wenn man musste! Ich hätte mich schon alleine beim Geruch dieses Zeugs übergeben können. Dennoch habe auch ich es als kleiner Mann trinken beziehungsweise essen müssen. Ekelhaft! Doch so war sie eben, meine Kindheit.

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, bei unseren Tieren. Ich habe Ihnen schon von unseren Enten und unseren Goldfasanen erzählt. Auch unsere Ziege war bereits kurz Gegenstand meiner Geschichte und nun hatten wir ja auch noch Gänse. Dabei waren die Gänse nicht mein Problem, wohl aber der Ganter. Der war das größte Übel, das auf unserem Hof Wache hielt. Irgendwie konnte er mich wohl nicht leiden und somit ging er mit seinem gefühlt zwei Meter langen Hals regelmäßig schnurgerade auf mich zu und breitete die Flügel aus, sodass mir nur Angst und Bange werden konnte. Ich nahm also eines Tages wieder Reißaus vor dem gefährlichen Tier und als ich schwungvoll über den kleinen Zaun im Hof springen wollte, blieb ich doch glatt daran hängen.

Liebe Leser, ich kann Ihnen sagen, ich war lange in der Luft und der folgende Aufprall war hart und schmerzhaft. Das war dann auch zuviel für meinen Vater. Er warnte den Ganter, dass er als Weihnachtsbraten enden würde, wenn das noch einmal passieren würde. Doch unser Federvieh war nicht besonders schlau und so ließen wir ihn uns zu allerletzt zu Weihnachten gut schmecken.

Die Schlachtung der Gänse vollzog sich immer auf die gleiche Art und Weise. Mein Vater nahm die Gans zwischen seine Beine, der Kopf zeigte nach vorne. Dann bog er den Hals, sodass der Kopf auf der Brust ruhte, nun wurde er eingeschnitten und die Wunde nach unten gedreht, damit die Gans langsam ausbluten konnte. Bis der letzte Tropfen aus der Gans entwichen war, lebte und zuckte das Federvieh zwar noch, aber dann war auch wieder gut. Das war die Methode meines Vaters, denn er war ja gelernter Fleischer. Ich selbst ging methodisch etwas anders vor, wenn ich Enten schlachtete. Von den Gänsen ließ ich lieber die Finger, denn sie waren nicht gerade meine Freunde, wie ich oben schon berichtete. Die Enten fing ich und legte sie auf den Hackstock. Für alle, die nicht wissen, was ein Hackstock ist, will ich hier eine kurze Erklärung geben. Ein sogenannter Hackstock ist ein großer Baumstumpf, der einfach oben und unten in der richtigen Höhe abgesägt und dann aufrecht auf dem Hof platziert wird. Auf diesem Baumstumpf kann man dann kleine Holzstücke hochkant auflegen und sie mit der Axt in zwei Teile spalten. Doch wieder zurück zur Ente. Ich nahm also die Axt und legte die Ente auf den Hackstock. Dann streichelte ich ihren Hals, damit sie sich beruhigte und ihren Tod nicht gleich kommen sah. Nun ging alles ganz schnell. Ich schwang die Axt und trennte ihren Kopf sauber vom Rumpf. Dass das eine sehr blutige Angelegenheit war, muss ich wohl nicht weiter ausführen. Und dass die Ente auch ohne Kopf laufen kann, ist sicherlich auch jedem bewusst. Oft haben wir sehr lange suchen müssen, um die entlaufenen, kopflosen Vögel wiederzufinden. Doch sobald kein Blut mehr in ihrem Körper war, fielen sie einfach leblos um und deshalb konnte man der Blutspur bis zum Ort ihres endgültigen Todes folgen. Das war eine blutige Angelegenheit, doch so war sie, meine Kindheit.

Unser Papagei Lore hingegen war ein lustiger, grauer Vogel. Sie hatte keinen Käfig und flog überall in unserem Haus herum. Sie konnte nicht sprechen, da ja auch niemand den ganzen Tag Zeit hatte, um mit ihr zu erzählen. Dennoch mochte ich sie von all unserem Federvieh am liebsten.

Und weil ich gerade bei unserem Haus bin, erinnere ich mich auch noch an ein sehr schönes Geschenk, dass ich als kleiner Uwe einmal von meinem Vater bekam. Dabei handelte es sich um eine kleine Handsäge. Ich freute mich riesig über dieses schöne Spielzeug und sägte, was das Zeug hielt, alles Mögliche, das ich finden konnte. So war eines Tages auch der Handlauf unserer Treppe nicht mehr sicher vor mir. Das Sägen machte mir wirklich riesigen Spaß, bis mein Vater heimkam. Er kassierte sogar meine geliebte Säge ein. Dann gab es wieder einmal richtig Ärger und Schläge, doch so war sie nun mal, meine Kindheit.

Ein anderes Mal hatte mein Vater eine Mauer aus Zement gegossen. Dazu muss ich sagen, dass es Zement früher sehr schlecht gab und er daher wie Goldstaub gehandelt wurde. Da ich aber zu dieser Zeit noch zu klein war, um das wirklich wertzuschätzen, was dort in unserem Hof stand, machte es mir eine sehr große Freude, als ich bemerkte, dass man den Zement mit dem Wasserschlauch einfach wegspülen konnte. Als mein Vater das mitbekam, war ich natürlich auch wieder dran und es gab richtig Ärger.

Doch nicht nur Tiere gab es bei mir daheim zu bestaunen, sondern ich bekam Tag für Tag auch gutes Essen von meiner Großmutter.

Ich war bereits in der Grundschule am Apelsberg, da trug es sich zu, dass ich jeden Montag von der Schule nach Hause rannte, so schnell ich konnte. Denn bereits unten in der Lerneinrichtung roch ich die guten Strietzel meiner Großmutter. Diese Gebäckstücke wurden aus den alten Klößen vom Sonntag gemacht und wenn man sie mit frischer, warmer, brauner Butter bestrich, schmeckten sie immer am allerbesten. Diese Teigware hat mich in den ersten Schuljahren am Leben gehalten! Sie haben mich regelmäßig den ersten und schlimmsten Tag der Woche überstehen lassen. So was Gutes gab es nie wieder in meinem Leben.

Schon der Geruch! Sie können sich das nicht vorstellen! Am Donnerstag gab es immer Kakao und Buttersemmel, wenn ich von der Schule nach Hause kam. Das war auch ein Traum in Braun und Goldgelb! Die reinste Gesundheit. So köstlich! Wenn ich heute zurückblicke, war das Einfachste einfach immer das Beste. Das war die köstliche Seite meiner Kindheit.

Und wenn wir es gerade so vom Essen haben, da fällt mir auch noch ein, dass wir als Kinder viel im Wald unterwegs waren und Beeren jeglicher Art und Weise gesucht haben. Am beliebtesten und weitverbreitesten war dabei die Blaubeere. Durch diese kleine Beere habe ich mir sogar mein erstes Fahrrad verdient. Aber nicht, dass Sie jetzt denken, ich habe die Beeren mitsamt der kleinen Stiele in meinen Eimer getan. Nein, nein!

Nur die Beeren und immer gleich 10 Liter davon. Das war eine Heidenarbeit, aber was tut man als kleiner Mann nicht alles für ein eigenes Fahrrad. So war sie, meine Kindheit.

An sich war ich ein sportlich sehr aktives Kind. Bereits mit 5 Jahren begann meine sportliche Laufbahn. Ein Jahr lang habe ich den Langlauf ausprobiert. Mein Trainer war damals Gerhard Böhm. Doch schon mit 6 hatte ich für mich entschieden, dass der Langlauf für mich einfach zu langweilig und unaufregend war. Also wechselte ich die Sportart und entdeckte meine Liebe zum Skispringen. Bei Heinz Büttner aus Lauscha ging ich ins Training. Unsere erste kleine Schanze hatten wir im Gründle.

Die ging die Rossbachswiese hinunter und war eben nur eine kleine Schanze. Es gab schon für uns ganz kleinen Sportler Minischanzen, auf denen auch ich meine ersten Sprünge absolvierte. Ich maß also noch keinen Meter, da sprang ich schon wie ein Großer.

Mein nächster Trainer war Hans Eberhardt, auch genannt der Schossewetter. Er kam aus Neuhaus am Rennweg und wurde mein Trainer, weil ich lieber in Neuhaus zu den Skispringern gehören wollte und nicht zu denen in Lauscha. Danach kamen Dieter Hartmann, genannt der Mixer und Dieter Greiner, genannt der Blume als Trainer in meiner Kindheit dazu. Sportlich gesehen hatte meine Karriere damit begonnen und so ging sie los, die sportliche Seite meiner Kindheit.

In der Straße in der ich lebte, gab es natürlich auch noch andere Kinder. Ich bildete mit Rainer Hellmich und Bernd Köcher das sogenannte „Dreigestirn“ der „onder Gass“3. Wir waren die gesetzgebende Gewalt in unserer Straße und alle mussten sich unseren Gesetzen beugen. Vor allem die alte „Bussusen“ in ihrem Hexenhaus am unteren Teil der Straße hat uns des Öfteren den Spaß verdorben. Wollten wir im Winter auf unserer Straße rodeln, warf sie Asche auf die eisbedeckte Fahrbahn, damit wir nicht mehr gescheit rodeln konnten. An sich war unsere Straße der Rutschhügel Nummer eins! Das Streufahrzeug haben wir bereits unten an der Straße umgeleitet, damit auch ja kein Splittkörnchen unsere schöne, blanke Bahn zerstören konnte.

Ganze Meisterschaften haben wir in unserer Straße ausgetragen. Dabei traten wir gegen die „ewer Gass“4