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"Sprecht Euer Gelübde, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit." Caelen McCabe muss die schöne Rionna McDonald heiraten, um das Bündnis mit ihrem Clan zu besiegeln. Dabei entspricht diese Frau ganz und gar nicht dem Bild einer fügsamen Gattin: Rionna schwingt das Schwert geschickter als so mancher schottischer Krieger - und entfacht ein glühendes Verlangen in ihm wie keine andere zuvor. In zärtlichen Stunden entdeckt er eine Seite an ihr, von der er nie zu träumen wagte. Doch dann fällt er seinem Erzfeind Duncan Cameron in die Hände, und ein entsetzlicher Verdacht bemächtigt sich seiner: Die Frau, die er liebt, hat ihn verraten…
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Seitenzahl: 424
IMPRESSUM
HISTORICAL erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2011 by Maya Banks Originaltitel: „Never Love a Highlander“ erschienen bei: Ballantine Books, New York Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICALBand 300 - 2013 bei Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Nina Hawranke
Abbildungen: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733739638
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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An dem Tag, an dem Rionna ursprünglich heiraten sollte, hatte sich das Wetter von seiner besten Seite gezeigt. Für Januar war es ungewöhnlich mild gewesen – die Luft lau, und nicht die kleinste Brise hatte ihr das sorgsam frisierte Haar zerzaust. Es war, als habe die Welt stillgestanden, nur um zu beobachten, wie zwei Seelen zueinander fanden.
Rionna McDonald schnaubte leise, woraufhin ihr zukünftiger Gemahl sie kritisch beäugte.
Und heute, da sie tatsächlich heiratete? Heute war es düster und klamm. Im Norden braute sich ein winterliches Ungewitter zusammen. Die Luft war schneidend kalt, und der Wind blies heftig und erbarmungslos. Es war, als wüsste die Welt genau, wie sehr Rionna an dem Mann zweifelte, der neben ihr stand und gleich das Eheversprechen ablegen würde, das sie für immer an ihn band.
Ein Schauer lief ihr über den Rücken, obgleich sie alle vor dem riesigen Kamin in der großen Halle standen.
An ihrer Seite runzelte Caelen die Stirn und rückte näher, als wollte er Rionna gegen den frostigen Hauch abschirmen, der durch die Fellbespannung vor den Fenstern hereindrang. Unwillkürlich wich sie einen Schritt zurück. Der Mann war ihr nicht geheuer, und wahrlich nicht viele Menschen schüchterten sie ein.
Sein Blick verfinsterte sich, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Priester richtete.
Rionna schaute sich verstohlen um und hoffte, dass niemand diesen stummen Austausch zwischen ihnen beobachtet hatte. Die Leute sollten nicht denken, sie hätte Angst vor ihrem Gemahl – selbst wenn dem so war.
Ewan McCabe war der älteste der McCabe-Brüder. Ihn hatte Rionna ursprünglich heiraten sollen. Er stand an seines Bruders Seite, die Arme vor der breiten Brust verschränkt. Seiner Miene nach zu urteilen, wollte er die leidige Sache so rasch wie möglich hinter sich bringen.
Alaric McCabe schließlich war der Mann, den Rionna heiraten sollte, nachdem Ewan sich mit Mairin Stuart vermählt hatte. Alaric wirkte unruhig und schaute immer wieder zur Treppe hinüber, als wollte er jeden Moment flüchten. Das konnte Rionna ihm schwerlich verübeln. Erst vor Kurzem hatte er ihre Freundin und Cousine Keeley geheiratet, und diese lag im oberen Geschoss und genas von einer Verletzung, die sie fast das Leben gekostet hatte.
Nun, aller guten Dinge sind drei, nicht wahr?
König David hielt es offenbar nicht für nötig, sich für den Anlass eigens zu erheben. Hoheitsvoll thronte er am Feuer und lauschte wohlwollend dem Sermon des Priesters. Um den König saßen die Lairds der angrenzenden Besitzungen und warteten auf das Bündnis, das zwischen den McDonalds und den McCabes geschlossen werden sollte – ein Bündnis, besiegelt durch ihre Hochzeit mit Caelen McCabe, dem jüngsten – und letzten – der McCabe-Brüder.
Dass es sich um den letzten Bruder handelte, war der springende Punkt. Sollte auch dieser Hochzeit irgendetwas in die Quere kommen, gab es keine McCabes mehr, die Rionna hätte heiraten können. Und in dieser Sache konnte ihr Stolz ganz sicher keine weitere Zurückweisung ertragen.
Sie ließ den Blick vom König und den versammelten Lairds zu ihrem mürrisch dreinschauenden Vater streifen, der fernab der Krieger saß. Er hatte die Lippen zu einer verbitterten Schnute verzogen.
Kurz trafen sich ihre Blicke, und ihr Vater sah sie verächtlich an. Er hatte den Titel des Laird behalten wollen, doch Rionna hatte sein Ansinnen nicht unterstützt. Vermutlich war das treulos von ihr gewesen. Sie wusste nicht, ob Caelen McCabe ein besserer Laird sein würde, aber ganz sicher war er ein besserer Mensch.
Plötzlich spürte sie, dass alle sie anschauten. Beklommen sah sie zum Priester und erkannte, dass sie ihr Stichwort verpasst hatte. Sie hätte längst das Gelübde sprechen sollen. Noch peinlicher war, dass sie keine Ahnung hatte, wie die Worte lauteten.
„Dies ist die Stelle, an der Ihr gelobt, mir zu gehorchen, allein auf mich zu vertrauen und mir bis ans Ende Eurer Tage treu ergeben zu sein“, merkte Caelen in langgezogenen Worten an.
Rionna richtete sich auf und konnte sich nicht verkneifen, ihn mit einem stechenden Blick zu strafen.
„Und was versprecht Ihr mir?“
Aus grünen Augen musterte er sie kühl. Sie spürte seinen Blick über sich streichen, hinab und wieder hinauf – gleichgültig, so als suchte er etwas Besonderes, das er nicht fand. Sie fühlte sich unbehaglich. Seine Miene kam einer Zurückweisung gleich.
„Dass ich Euch behüten und achten werde, wie es einer Dame Eures Standes gebührt.“
„Ist das alles?“
Die geflüsterten Worte waren ihr ungewollt entschlüpft, und sie hätte alles darum gegeben, sie zurücknehmen zu können. Dabei war es kein Wunder, dass sie enttäuscht war. Ewan McCabe machte kein Geheimnis daraus, dass er seine Gemahlin Mairin vergötterte. Und Alaric hatte sich erst kürzlich dem Willen des Königs widersetzt, um zu der Frau zu stehen, die er liebte – und der Rionna hatte weichen müssen.
Verärgert war sie darüber nicht. Sie liebte Keeley, und sie verdiente es, glücklich zu sein. Dass ein solch starker, stattlicher Mann wie Alaric vor aller Welt seine Liebe zu Keeley erklärt hatte, machte Rionna von Herzen froh.
Trotzdem führte es ihr umso deutlicher vor Augen, wie trostlos ihre eigene Ehe sein würde.
Caelen seufzte ungeduldig. „Was hättet Ihr denn gern?“
Sie reckte das Kinn und begegnete seinem Blick nicht minder kalt. „Nichts. Eure Achtung genügt mir. Euren Schutz hingegen werde ich nicht brauchen.“
Er hob die Brauen. „Tatsächlich nicht?“
„Nay, ich kann auf mich selbst aufpassen.“
Caelen lachte leise, und einige der versammelten Männer stimmten mit ein. „Sprecht Euer Gelübde, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Die Gäste sind hungrig. Sie warten nun schon fast zwei Wochen auf das Festmahl.“
Zustimmendes Gemurmel erhob sich, und Rionna schoss das Blut in die Wangen. Dies war ihr Hochzeitstag, und sie würde sich nicht drängen lassen. Was kümmerten sie Festmahl und hungrige Bäuche?
Als könnte er spüren, wie die Wut in ihr brodelte, packte Caelen sie bei der Hand und zog sie so schnell an seine Seite, bis sein Bein ihr beinahe den feinen Stoff des Gewands versengte.
„Vater“, wandte sich Caelen respektvoll an den Priester. „Wenn Ihr so gut sein wollt, der Dame noch einmal vorzugeben, was sie zu sagen hat.“
Rionna kochte innerlich, während sie die Worte wiederholte. Tränen brannten ihr in den Augen, ohne dass sie wusste, weshalb. Eine Verbindung mit Alaric McCabe wäre ebenso wenig eine Liebesheirat gewesen, wie es die Vermählung mit Caelen war. Dass sie einen der McCabe-Brüder ehelichen sollte, war von ihrem Vater ersonnen und von den McCabes sowie vom König höchstselbst begrüßt worden.
Sie war nichts als eine Spielfigur, die man aufstellen und dann weglegen konnte.
Seufzend schüttelte sie den Kopf. Es war lächerlich, sich derart hängen zu lassen. Schließlich gab es Schlimmeres. Sie sollte dankbar sein. Immerhin hatte sie ihre Herzensschwester Keeley wiedergefunden. Und Keeley war glücklich verheiratet, auch wenn ihre Genesung noch einige Zeit in Anspruch nehmen würde. Zudem war Rionnas Vater nicht länger Laird des McDonald-Clans.
Abermals wagte sie einen Blick in seine Richtung, nur um zu sehen, wie er einen weiteren Humpen Bier hinunterstürzte. Das konnte sie ihm kaum zum Vorwurf machen – sein ganzes Leben hatte sich binnen eines Herzschlags in einen Trümmerhaufen verwandelt. Tiefes Bedauern allerdings brachte sie nicht auf.
Unter einer anständigen Führung mochte – nay, würde – ihr Clan wieder erstarken. Ihr Vater war dafür nie geeignet gewesen. Er hatte die McDonalds so weit geschwächt, dass sie letztlich um die Hilfe und Unterstützung eines stärkeren Clans hatten betteln müssen.
Rionna ballte die freie Hand an ihrer Seite zur Faust. Den McDonalds zum alten Ruhm zu verhelfen war ihr großer Traum. Stets hatte sie ihre Krieger wieder in eine gefürchtete Streitmacht verwandeln wollen. Dies würde nun Caelen McCabe zufallen, während Rionna zur Zuschauerin degradiert würde, obwohl sie sich so sehr wünschte, selbst daran teilzuhaben.
Überrascht schnappte sie nach Luft, als Caelen sich vorbeugte und sie flüchtig küsste. Kaum hatte sie erfasst, was er tat, da hatte er sich wieder von ihr gelöst. Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie ihn an und hob eine bebende Hand an den Mund.
Die Zeremonie war beendet. Schon strömten Dienstmägde in die Halle und trugen wahre Berge an Speisen auf. Dank einer törichten Wette ihres Vaters vor einigen Monaten stammte deren Großteil aus der Vorratskammer der McDonalds.
Caelen betrachtete Rionna kurz und forderte sie mit einer Geste auf, ihm voran zur hohen Tafel zu schreiten. Erleichtert sah sie, wie Mairin sich zu ihrem Gemahl Ewan McCabe gesellte. In diesem Meer aus abweisenden Gesichtern, die ihr alle gleich erschienen, wirkte Mairin McCabes Anblick wie ein Sonnenstrahl auf sie. Wie ein erschöpfter Sonnenstrahl, zugegeben, aber Wärme ging dennoch von ihr aus.
Mairin eilte ihr lächelnd entgegen. „Rionna, Ihr seid wunderschön. Keine Frau kann Euch heute das Wasser reichen.“
Das Kompliment ließ sie erröten. Um die Wahrheit zu sagen, schämte sie sich ein wenig, weil sie dasselbe Kleid trug wie an dem Tag, da sie fast Alaric geheiratet hatte. Es kam ihr zerknittert und abgetragen vor, aber Mairins aufrichtiges Lächeln stärkte Rionnas angeschlagenen Stolz.
Mairin nahm Rionna bei der Hand, als wolle sie ihr Mut machen. „Oh, Eure Finger sind ja eiskalt!“, entfuhr es ihr. „Ich wäre so gern bei der Vermählung dabei gewesen. Ich hoffe, Ihr nehmt meine Entschuldigung an.“
„Aber natürlich.“ Rionnas Lächeln kam von Herzen. „Wie geht es Keeley heute?“
Die Besorgnis in Mairins Blick nahm ab. „Kommt, setzen wir uns, damit wir speisen können. Dabei werde ich Euch von Keeley berichten.“
Es ärgerte Rionna, dass sie zunächst zu ihrem Gemahl hinüberschauen und dessen zustimmendes Nicken einholen musste. Mit zusammengebissenen Zähnen ging sie zur Tafel und setzte sich neben Mairin. Da war sie kaum einen Augenblick lang verheiratet und verhielt sich schon wie ein fügsames Schaf.
Sie musste ehrlich zugeben, dass sie vor Caelen zitterte. Alaric McCabe hatte sie nicht gefürchtet, und selbst Ewan schreckte sie nicht. Caelen jedoch jagte ihr eine Heidenangst ein.
Rionna ließ sich auf dem Platz neben Mairin nieder und hoffte auf eine kurze Gnadenfrist, ehe Caelen sich zu ihr gesellen würde. Doch eine solche war ihr nicht vergönnt. Ihr Gemahl setzte sich bereits und rückte so dicht an sie heran, dass sich sein Oberschenkel an den ihren schmiegte.
Es wäre wohl unhöflich – und allzu offensichtlich – gewesen, wenn sie zu Mairin hinüber gerutscht wäre. Also beachtete sie die Berührung nicht weiter und hielt sich vor Augen, dass Caelen sich derlei Vertraulichkeiten durchaus herausnehmen durfte. Immerhin waren sie nun vermählt.
Er würde seine ehelichen Rechte einfordern, schoss es ihr durch den Kopf. Die Erkenntnis ließ sie scharf die Luft einziehen. Ihr stand noch die Hochzeitsnacht bevor, ihre Entjungferung. All die Dinge, über die sich Frauen kichernd hinter vorgehaltener Hand unterhielten, wenn keine Männer zugegen waren.
Leider hatte sich Rionna immer nur unter Männern bewegt und nicht ein Mal gekichert. Keeley war schon früh aus ihrem Leben verschwunden, lange bevor derlei Angelegenheiten Rionnas Neugier geweckt hatten.
Rionnas Vater war ein Wüstling, und sie hatte stets um Keeley gebangt. Allein vom Gedanken an eine körperliche Verbindung wurde ihr übel. Und nun hatte sie einen Gemahl, der von ihr erwartete, dass … Jedenfalls würde er gewisse Dinge von ihr erwarten, und bei Gott, sie hatte keine Ahnung, um was für Dinge es sich handelte.
Vor Scham brannten ihr die Wangen. Sie konnte Mairin fragen oder eine der McCabe-Frauen. Sie alle waren überaus hilfsbereit und hatten sie immer freundlich behandelt. Doch schon bei der bloßen Vorstellung, zugeben zu müssen, dass sie von diesen Dingen keine Ahnung hatte, wäre sie am liebsten im Boden versunken.
Sie konnte besser mit dem Schwert umgehen als die meisten Männer. Sie konnte kämpfen, wenn sie bedrängt wurde. Und sie war flink. Sofern man sie reizte, konnte sie erbarmungslos sein. Sie war nicht eben zimperlich und fiel beim Anblick von Blut keineswegs in Ohnmacht.
Aber wie man küsste, wusste sie nicht.
„Wollt Ihr gar nichts essen?“, fragte Caelen.
Als sie aufsah, erkannte sie, dass der Tisch gedeckt und das Mahl aufgetragen war. Caelen war so umsichtig gewesen, ihr ein besonders gutes Stück Braten auf den Teller zu legen.
„Doch“, hauchte sie. Um die Wahrheit zu sagen, stand sie kurz vor dem Hungertod.
„Möchtet Ihr Wasser oder Bier?“
Und um bei der Wahrheit zu bleiben – sie nahm nie starke Getränke zu sich, aber heute schien ihr dies eine gute Wahl zu sein.
„Bier“, erwiderte sie und wartete, bis Caelen ihren Becher gefüllt hatte. Sie wollte danach greifen, aber zu ihrer Verblüffung hob Caelen ihn, roch daran und nahm einen kleinen Schluck.
„Nicht vergiftet“, beschied er und schob ihr das Gefäß zu.
Rionna starrte ihn an, ohne recht zu begreifen.
„Was aber, wenn das Bier vergiftet gewesen wäre?“
Er berührte sie an der Wange. Nur kurz. Es war die erste zärtliche Geste, die er ihr bislang geschenkt hatte, und ob sie tatsächlich zärtlich gemeint war, ließ sich nicht mit Gewissheit sagen. Aber die Berührung war sanft und ein wenig tröstlich.
„Dann hättet Ihr kein Gift getrunken und wäret auch nicht gestorben. Eine McCabe-Angehörige hätten wir fast durch eine solch feige Tat verloren. Dieses Risiko gehe ich bestimmt kein zweites Mal ein.“
Ihr blieb der Mund offen stehen. „Aber das ist doch lächerlich! Meint Ihr ernsthaft, dass es besser sei, wenn Ihr an meiner statt sterben würdet?“
„Rionna, ich habe soeben vor Gott geschworen, Euch zu beschützen. Das bedeutet, dass ich sowohl für Euch als auch für die Kinder, die wir haben werden, mein Leben geben würde. Wir hatten bereits eine Schlange in unseren Reihen, die Ewan zu vergiften trachtete. Nun sind wir – Ihr und ich – verheiratet, und welch besseren Weg gäbe es, das Bündnis zunichte zu machen, als Euch zu beseitigen?“
„Oder Euch“, fühlte sie sich genötigt einzuwerfen.
„Aye, auch das ist denkbar. Aber wenn McDonalds einzige Erbin tot ist, würde der Clan zerfallen und zur leichten Beute für Duncan Cameron werden. Ihr, Rionna, seid das Herzstück dieses Bündnisses, ob Ihr das nun glauben wollt oder nicht. Auf Euren Schultern ruht eine große Verantwortung, und seid versichert, dass es nicht einfach für Euch werden wird.“
„Nay, etwas anderes habe ich nie erwartet.“
„Kluges Köpfchen.“
Er drehte den Becher auf dem Tisch hin und her, ehe er ihn nahm und ihr zuvorkommend an die Lippen hielt, so wie man es von einem frischgebackenen Gemahl während des Hochzeitsschmauses erwartete.
„Trinkt, Rionna, Ihr seht erschöpft aus. Ihr seid aufgewühlt und viel zu verkrampft. Trinkt und versucht Euch zu entspannen. Wir haben einen langen Nachmittag vor uns.“
Er sollte recht behalten.
Müde ließ Rionna einen Trinkspruch nach dem anderen über sich ergehen. Man prostete den McCabes und deren Erbin zu. Ewan und Mairin McCabe waren stolze Eltern eines neugeborenen Mädchens, dem die umfangreichste und zugleich erlesenste Besitzung in ganz Schottland zufallen würde.
Anschließend wurde auf Alaric und Keeley McCabe sowie auf Keeleys Gesundheit angestoßen, ehe die Humpen für Rionna und Caelen gehoben wurden.
Irgendwann arteten die Glückwünsche in anzügliche Bemerkungen über Caelens Manneskraft aus, und zwei der Lairds schlossen sogar Wetten darüber ab, wie rasch Rionna ein Kind unterm Herzen tragen werde.
Rionna spürte ihre Augen glasig werden und wusste nicht, ob das allein an den langatmigen Gratulationen lag. Ihr Becher war so oft nachgefüllt worden, dass sie den Überblick verloren hatte, aber sie trank weiter, ohne darauf zu achten, wie das Bier ihr im Magen umherschwappte und sie schwindeln ließ.
Laird McCabe hatte verfügt, dass der heutige Tag allein der Hochzeit seines Bruders gewidmet sein sollte, obgleich zahlreiche Angelegenheiten beredet und Entscheidungen getroffen werden mussten.
Sie mutmaßte, dass dieser Beschluss vor allem Mairin zu verdanken war. Das hätte sie sich sparen können, dachte Rionna, denn ihrer Ansicht nach gab es nichts zu feiern.
Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Caelen sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt hatte und den Blick träge über die tafelnden Gäste schweifen ließ. Er parierte die Frotzelei eines McCabe-Kriegers, die etwas mit seinem männlichen Stehvermögen zu tun hatte. Rionna erschauerte und zwang sich, die Andeutung zu verdrängen.
Sie nahm einen weiteren Schluck Bier und knallte den Becher so laut auf den Tisch, dass sie zusammenzuckte. Niemand sonst schien es gehört zu haben, aber der Lärm um sie herum war ja auch ohrenbetäubend.
Das Essen vor ihr schien zu verschwimmen, und obwohl Caelen ihr das Fleisch in mundgerechte Stücke geschnitten hatte, drehte sich ihr schon bei dem Gedanken daran der Magen um.
„Rionna, stimmt etwas nicht?“
Mairins leise Frage riss sie aus ihrem Dämmerzustand. Schuldbewusst schaute sie auf und blinzelte, da ihr mit einem Mal zwei Mairins gegenüberstanden.
„Ich würde gern zu Keeley gehen“, stieß sie aus.
Falls die Gemahlin des Laird es merkwürdig fand, dass Rionna ausgerechnet an ihrem Hochzeitstag Keeley einen Besuch abstatten wollte, ließ sie es sich zumindest nicht anmerken.
„Wenn Ihr wollt, begleite ich Euch nach oben.“
Erleichtert seufzend wollte Rionna sich erheben, doch Caelen packte sie umgehend am Handgelenk, zog sie wieder hinunter und blickte sie finster an.
„Ich möchte gern Keeley besuchen, da sie meiner Hochzeit ja nicht beiwohnen kann“, erklärte Rionna. „Sofern Ihr erlaubt, heißt das.“
Beinahe wären ihr die Worte im Halse stecken geblieben.
Kurz musterte er sie, ehe er seinen Griff lockerte. „Ihr dürft gehen.“
Wie herrisch er klang. So … so ganz nach einem Gemahl.
Während sie sich beim Laird entschuldigte, wurde ihr übel. Verheiratet. Du liebe Güte, sie war verheiratet. Es wurde von ihr erwartet, dass sie sich ihrem Gemahl beugte. Ihm gehorchte.
Ihr zitterten die Hände, als sie Mairin zur Treppe folgte. Schweigend erklommen sie die Stufen, wobei einer von Ewans Kriegern ihnen hinterhertrottete. Mairin ging nirgendwo ohne Eskorte hin.
Grundgütiger, würde Rionna nun, da sie mit Caelen vermählt war, an der kurzen Leine gehalten werden? Der Gedanke schnürte ihr die Kehle zu. Wohin sie auch ging, immer würde ihr jemand im Nacken sitzen…
Mairin klopfte leise an Keeleys Tür. Ihr Schwager Alaric öffnete, und Mairin sprach im Flüsterton mit ihm.
Alaric nickte und trat auf den Gang. „Bleibt nicht allzu lange. Sie ermüdet rasch.“
Rionna betrachtete den Mann, der beinahe ihr Gemahl geworden wäre, und verglich ihn unwillkürlich mit seinem jüngeren Bruder – dem Mann, der nun tatsächlich ihr Gemahl war.
Wilde Krieger waren sie beide zweifellos, aber Rionna kam nicht umhin zu denken, dass sie eine Ehe mit Alaric vorgezogen hätte. Er wirkte nicht so … kalt wie Caelen. Nicht so gleichgültig. Nicht so … was auch immer.
Sie konnte nicht ganz begreifen, was es war, aber etwas in Caelens Augen beunruhigte sie, ließ sie auf der Hut sein, als sei sie ein Beutetier, dem ein Jäger nachstellte. Caelen gab ihr das Gefühl, klein und wehrlos zu sein. Weiblich.
„Rionna.“ Alaric nickte ihr zu. „Meinen Glückwunsch zur Hochzeit.“
Noch immer lag da ein leichtes Schuldgefühl in seinem Blick, obwohl Rionna ihm wirklich nicht böse war – zumindest nicht, was den Grund für seine Zurückweisung anging. Doch dass er Keeley aufrichtig liebte, machte die Demütigung, zurückgewiesen worden zu sein, nicht eben erträglicher. Sie arbeitete noch daran.
„Habt Dank“, murmelte sie.
Sie wartete, bis er an ihr vorbeigegangen war, und betrat die Kammer.
Keeley lag auf dem Bett, einen Berg Kissen im Rücken. Sie war blass, und die Müdigkeit hatte ihr tiefe Falten auf die Stirn gezeichnet. Dennoch lächelte sie schwach, als sie Rionnas Blick begegnete.
„Tut mir leid, dass ich deine Hochzeit verpasst habe.“
Lächelnd trat Rionna ans Bett und ließ sich auf der äußersten Kante nieder, um Keeley nicht wehzutun. Behutsam ergriff sie Keeleys Hand.
„Die war kaum der Rede wert. Ich habe sie selbst schon fast vergessen.“
Keeley schnaubte und verzog gequält das Gesicht.
„Ich musste dich sehen“, flüsterte Rionna. „Es gibt da etwas … Ich hätte gerne deinen Rat in einer Angelegenheit.“
Überrascht riss Keeley die Augen auf und schaute von Rionna zu Mairin. „Selbstredend. Darf Mairin bleiben? Du kannst ihr vertrauen.“
Rionna sah Mairin zögerlich an.
„Vielleicht sollte ich nach unten gehen und uns Bier holen“, schlug Mairin vor. „So habt Ihr Gelegenheit, freiheraus zu sprechen.“
„Nay, ich warte.“ Rionna seufzte. „Ehrlich gesagt, hätte ich gegen den Rat einer weiteren Frau nichts einzuwenden. Immerhin ist Keeley noch nicht lange vermählt.“
Eine leichte Röte überzog Keeleys Wangen, und Mairin lachte leise. „Ich lasse Bier heraufbringen, und dann unterhalten wir uns. Nichts davon wird durch die Tür dieser Kammer nach außen gelangen, Ihr habt mein Wort.“
Rionna sah Mairin dankbar an. Sie ging zur Tür und sprach mit Gannon, dem Krieger, der sie nach oben geleitet hatte.
„Wie viel hört man durch diese Türen?“, wandte sich Rionna flüsternd an Keeley.
„Sei versichert, dass niemand auf dem Gang etwas mitbekommen wird.“ In Keeleys Augen funkelte es belustigt. „Also, worüber möchtest du reden?“
Aber Rionna wartete gehorsam, bis Mairin ans Bett zurückgekehrt war. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und fühlte sich wie eine Närrin, als sie ihre Unwissenheit eingestand.
„Es geht um das Brautbett.“
„Ah“, sagte Mairin vielsagend.
„In der Tat, ah.“ Keeley nickte.
Verdrossen stieß Rionna den Atem aus. „Was soll ich tun? Was wird von mir erwartet? Ich weiß nicht das Geringste über Küsse und Sinnesfreuden und … und überhaupt. Ich weiß zu kämpfen und ein Schwert zu führen.“
Mairins Miene wurde weich, und die Erheiterung wich aus ihrem Blick. Sie drückte Rionna die Hand. „Es ist gar nicht lange her, dass ich mich in derselben Lage wie Ihr befunden habe. Damals habe ich einige ältere Frauen des Clans um Rat gebeten. Das war höchst aufschlussreich, soviel steht fest.“
„Aye, auch ich habe Rat gesucht“, gestand Keeley. „Es ist ja nicht so, als würden wir mit diesem Wissen geboren. Und keine von uns hat eine Mutter, die uns in derlei Dingen unterweisen kann.“ Sie warf Rionna einen bekümmerten Blick zu. „Ich gehe nicht davon aus, dass deine Mutter solch heikle Angelegenheiten mit dir beredet hat.“
Rionna schnaubte. „Sie ist an mir verzweifelt, seit mir Brüste gewachsen sind.“
Keeley hob die Brauen. „Brüste?“
Errötend blickte Rionna auf ihren Busen hinab. Ihren flachen Busen. Wenn Keeley – oder der Rest der Welt – nur wüsste, was sich unter ihren Hüllen befand. Caelen jedenfalls würde es bald herausfinden, sofern es ihr nicht irgendwie gelang, den Vollzug der Ehe bekleidet hinter sich zu bringen.
Mairin lächelte. „So heikel ist es gar nicht, Rionna. Den Großteil der Arbeit erledigt der Mann, und so sollte es anfangs auch sein. Wenn Ihr ein wenig Erfahrung gesammelt habt, dann, nun, könnt auch Ihr alles Mögliche anstellen.“
„Alaric ist ein wunderbarer Liebhaber.“ Keeley seufzte.
Mairin wurde rot und räusperte sich. „Um die Wahrheit zu sagen, habe ich Ewan zu Beginn nicht für allzu bewandert auf diesem Gebiet gehalten. In der Hochzeitsnacht mussten wir uns sputen, weil Duncan Camerons Armee anrückte. Die schändliche Eile hat er sich selbst verübelt und anschließend alles Erdenkliche getan, um die Sache wiedergutzumachen – mit überaus befriedigenden Ergebnissen, sollte ich anfügen.“
Rionna sah zwischen Keeley und Mairin hin und her und spürte ihre Wangen heiß werden. Beide blickten verträumt und weich. Rionna konnte sich nicht vorstellen, je so für Caelen zu empfinden. Er war schlicht zu … abweisend. Aye, das traf es.
Es klopfte, und die drei verstummten. Auf Mairins Aufforderung hin betrat Gannon die Kammer, ein missbilligender Ausdruck lag auf seinem Gesicht.
„Danke, Gannon“, sagte Mairin, als er Krug und Becher auf dem kleinen Tisch neben dem Bett abstellte. „Du kannst gehen.“
Er runzelte düster die Stirn, verließ das Gemach jedoch. Rionna sah Mairin an und fragte sich, weshalb sie sich eine solche Unverfrorenheit von einem Krieger ihres Gemahls gefallen ließ.
Mairin lächelte und goss ihnen ein. „Er weiß, dass wir etwas im Schilde führen, und den Mund zu halten bringt ihn schier um.“
Sie reichte Rionna einen Becher und drückte auch Keeley behutsam einen in die Hand.
„Das betäubt wenigstens den Schmerz“, murmelte Keeley mit Blick auf das Bier.
„Verzeih mir, Keeley. Möchtest du, dass ich gehe? Ich will auf keinen Fall, dass du dich noch schlechter fühlst“, sagte Rionna.
Keeley nippte am Bier und sank seufzend zurück in die Kissen. „Nay, mutterseelenallein in dieser Kammer herumzuliegen treibt mich noch in den Wahnsinn. Jede Gesellschaft ist mir willkommen, und außerdem müssen wir dir die Angst vor der Hochzeitsnacht nehmen.“
Rionna stürzte ihr Bier hinunter und streckte Mairin den Becher zum Nachfüllen hin.
„Es besteht kein Grund, sich zu fürchten“, meinte Mairin sanft. „Ich hege keinerlei Zweifel daran, dass Caelen behutsam vorgehen wird.“ Sie kräuselte die Nase. „Seid dankbar dafür, dass keine Armee im Anmarsch ist. Ich habe meine Hochzeitsnacht nämlich ganz und gar nicht genossen.“
Rionna spürte, wie ihr das Blut aus den Wangen wich.
„Still, Mairin, das ist nicht hilfreich“, tadelte Keeley.
Mairin tätschelte Rionna die Hand. „Alles wird gut, Ihr werdet sehen.“
„Aber was muss ich denn nun tun?“
„Was weißt du eigentlich über die Sache?“, fragte Keeley. „Vielleicht sollten wir dort ansetzen.“
Rionna schloss gequält die Augen und leerte abermals ihren Becher. „Nichts.“
„Oje“, entgegnete Mairin. „Auch ich war unwissend, aber die Nonnen im Kloster haben es für angebracht gehalten, mir wenigstens das Grundnötigste zu erklären.“
„Ich denke, du solltest Caelen deine Ängste offenbaren“, sagte Keeley. „Er wäre ein Unmensch, wenn er die Besorgnis einer Jungfrau in den Wind schlüge. Sollte er nur halb so viel Geschick wie Alaric besitzen, dürftest du zufrieden sein.“
Mairin kicherte ob dieser Prahlerei, und Rionna hielt ihr erneut den Becher hin.
Caelen zu gestehen, dass sie von Ängsten jungfräulicher Natur gepeinigt wurde, war nun wirklich das Letzte, was sie wollte. Vermutlich würde er sie auslachen. Oder schlimmer – sie mit diesem kühlen, gleichgültigen Blick bedenken, unter dem sie sich so … bedeutungslos fühlte.
„Wird es wehtun?“, presste sie hervor.
Mairin schürzte nachdenklich die Lippen.
Keeley legte die Stirn in Falten. „Es stimmt schon, es ist nicht allzu angenehm. Zunächst nicht. Aber der Schmerz geht rasch vorbei, und sofern der Mann sich auf derlei Dinge versteht, wird es danach ganz wundervoll.“
„Solange keine Armee vor den Toren steht.“ Mairin schnaubte. „Nur um es noch einmal zu erwähnen.“
„Genug davon“, wandte Keeley ungeduldig ein. „Es kommt keine Armee.“
Die beiden schauten sich an und prusteten los, bis Keeley sich stöhnend zurück in die Kissen fallen ließ.
Rionna starrte die zwei an und war so überzeugt wie nie, dass sie von dieser Brautbettsache im Grunde nichts wissen wollte. Sie gähnte herzhaft, woraufhin sich die Kammer seltsam zu drehen begann. Ihr war, als wiege ihr Kopf so viel wie ein Findling, und es fiel ihr zusehends schwerer, sich aufrecht zu halten.
Sie erhob sich von der Bettkante und schritt auf die Tür zu, angewidert von ihrer eigenen Feigheit. Sie gebärdete sich wie … nun, wie eine Frau.
Zu ihrem Verdruss gelangte sie nicht zur Tür, sondern fand sich am Fenster wieder. Eine Ecke der Fellbespannung bauschte sich, und ein kalter Hauch strich Rionna übers Gesicht. Sie blinzelte verwirrt.
„Vorsicht“, sagte Mairin an ihrem Ohr. Sie führte Rionna zu einem Stuhl in einem Winkel und schob sie sanft darauf.
„Vielleicht solltet Ihr eine Weile hier sitzen bleiben. Die Treppe könnt Ihr jedenfalls nicht benutzen, und zudem dürfen wir die Männer nicht wissen lassen, was wir hier getrieben haben.“
Rionna nickte. Sie fühlte sich in der Tat ein wenig sonderbar. Aye, es konnte nicht schaden, sitzen zu bleiben, bis der Raum aufgehört hatte, sich derart wundersam zu drehen.
Wohl zum hundertsten Mal schaute Caelen zur Treppe. Rionna und Mairin waren schon eine ganze Weile fort, und auch Ewan schien allmählich unruhig zu werden. Der Abend war weit fortgeschritten, und Caelen hätte die Hochzeitsfeier liebend gern zum Abschluss gebracht.
Wobei nicht jeder gefeiert hatte. Seine Braut hatte die Vermählung stocksteif und verschlossen über sich ergehen lassen, und anschließend hatte sie nur schweigend dagesessen, während um sie her ausgelassen gezecht worden war.
Nach ihrem Gebaren zu urteilen war sie noch weniger erbaut von dieser Verbindung als er. Aber das war einerlei. Sie beide waren durch ihre Pflicht gebunden. Und derzeit bestand seine Pflicht darin, die Ehe zu vollziehen.
Seine Lenden spannten sich an, und das aufwallende Verlangen traf ihn überraschend. Es war lange her, dass eine Frau eine solch heftige Wirkung auf ihn gehabt hatte. Mit Rionna jedoch verhielt es sich so, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
Es hatte ihn beschämt, dass die Frau, die damals noch die Verlobte seines Bruders gewesen war, ihn derart erregte. Sich nach ihr zu verzehren war ebenso treu- wie respektlos gewesen.
Aber so sehr er sich auch dafür verflucht hatte, es hatte doch nichts an dem Umstand geändert, dass Rionna nur den Raum betreten musste, um Caelens Leib in Aufruhr zu bringen.
Und nun gehörte sie ihm.
Wieder schaute er suchend zum Eingang der Halle, hinter dem die Treppe lag, ehe er Ewan bedeutungsvoll ansah. Es war an der Zeit, seine Gemahlin zu holen und ins Brautgemach zu führen.
Ewan nickte und stand auf. Es schien ihn nicht zu bekümmern, dass der König noch kräftig feierte – Ewan verkündete kurzerhand, dass das Fest vorüber sei und ein jeder sich zur Ruhe begeben solle.
Morgen früh würde man wieder zusammenkommen und reden. Ewan würde das Erbe seiner Tochter einfordern, und es galt einen Krieg gegen Duncan Cameron zu planen.
Caelen schritt hinter Ewan die Treppe hinauf. Oben trafen sie auf Gannon.
„Lady McCabe hat vor etwa einer Stunde Eure Kammer aufgesucht“, sagte er zu Ewan. „Das Kind ist aufgewacht und hatte Hunger.“
„Und meine Gemahlin?“, fragte Caelen gedehnt.
„Ist noch in Keeleys Kammer. Alaric wartet in ihrem alten Gemach, aber allmählich wird er ungeduldig. Er brennt darauf, wieder bei seiner Frau zu sein.“
„Du kannst ihm sagen, dass Rionna im Handumdrehen aus Keeleys Kammer verschwunden sein wird“, beschied ihm Caelen und schritt zur Tür.
Er klopfte nur, weil es Keeleys Gemach war und er sie nicht erschrecken wollte, indem er einfach hineinpolterte. Es war beleidigend, dass Rionna so viel Zeit hier oben verbracht und einen Großteil der Feierlichkeiten verpasst hatte.
Als Keeley ihn hereinrief, öffnete er und trat ein.
Seine Miene wurde weicher, als er Keeley ein wenig schief gegen die Kissen gestützt daliegen sah. Sie wirkte, als drohte sie jeden Augenblick aus dem Bett zu gleiten, und er eilte zu ihr, um sie wieder aufzurichten. Dunkle Augenringe kündeten von ihrer Erschöpfung, und sie stöhnte, als er sie in eine bequemere Position brachte.
„Tut mir leid“, murmelte er.
„Schon gut.“ Sie lächelte schwach.
„Ich bin hier, um Rionna zu holen.“ Als ihm aufging, dass diese nirgends zu sehen war, runzelte er die Stirn.
Keeley nickte in Richtung der gegenüberliegenden Ecke. „Sie ist dort drüben.“
Er wandte sich um und erspähte zu seiner Verblüffung Rionna, die auf einem Stuhl gegen die Wand gelehnt dasaß und tief und fest – und mit offenem Munde – schlief. Der Kopf war ihr nach hinten gesunken. Als Caelen die Kammer eingehender musterte, bemerkte er den Bierkrug und die leeren Becher.
Er warf einen argwöhnischen Blick in den Krug und fand ihn ebenfalls leer. Er schaute zu Keeley, deren Augen gefährlich nach oben verdreht waren, und von Keeley zurück zu Rionna, die sich nicht gerührt hatte. Er dachte an all das Bier, das sie bei Tisch getrunken hatte, und daran, wie wenig sie gegessen hatte.
„Ihr zwei seid betrunken!“
„Möglich“, murmelte Keeley. „Na gut, wahrscheinlich.“
Caelen schüttelte den Kopf. Närrische Weibsbilder.
Er wollte gerade zu Rionna, als Keeleys leises Flehen ihn innehalten ließ.
„Seid sanft mit ihr, Caelen. Sie hat Angst.“
Er starrte auf die besinnungslose Rionna hinab und drehte sich langsam zu Keeley um. „Ist das der Grund? Hat sie sich bezecht, weil sie sich vor mir fürchtet?“
Keeley zog die Stirn kraus. „Nicht direkt vor Euch. Nun, vielleicht auch vor Euch. Aber, Caelen, vor allem ist sie schrecklich … unbedarft im Hinblick auf …“
Sie brach ab und errötete bis zu den Haarwurzeln.
„Verstehe“, erwiderte er schroff. „Nichts für ungut, Keeley, aber das ist eine Angelegenheit zwischen mir und meiner Frau. Ich nehme sie nun mit. Du solltest dich ausruhen und nicht Unmengen von Bier in dich hineinschütten.“
„Hat Euch je irgendwer gesagt, dass Ihr viel zu streng seid?“, fragte Keeley mürrisch.
Caelen beugte sich vor, schob die Arme unter Rionnas schlanken Körper und hob sie hoch. Sie wog so gut wie nichts, und zu seiner Überraschung gefiel es ihm, sie in seinen Armen zu spüren. Es war … angenehm.
Er schritt zur Tür und befahl Gannon, den er dahinter wusste, sie zu öffnen, was dieser umgehend tat. Auf dem Gang traf er auf Alaric, der ihn mit hochgezogener Braue musterte.
„Kümmere dich um deine eigene Frau“, beschied Caelen ihm grob. „Vermutlich ist sie inzwischen ohnmächtig.“
„Was?“, rief Alaric.
Aber Caelen beachtete ihn nicht weiter, sondern strebte auf sein Gemach zu. Mit der Schulter stieß er die Tür auf und legte Rionna vorsichtig auf dem Bett ab. Seufzend trat er zurück und betrachtete sie.
Die kleine Kriegerin hatte also Angst, und um ihm zu entfliehen, hatte sie sich bis zur Besinnungslosigkeit besoffen. Das war wenig schmeichelhaft für ihn, aber vermutlich konnte er ihr keinen Vorwurf machen. Er war nicht gerade … Nun, er hatte es an zahlreichen Dingen mangeln lassen.
Kopfschüttelnd machte er sich daran, Rionna auszuziehen, bis sie nur noch ihre Unterbekleidung trug. Als er das dünne Leinengewand auf ihrer Haut glatt strich, bebten ihm die Hände.
Er konnte keine Oberweite entdecken. Sie war zart gebaut und hatte dementsprechend keinen nennenswerten Busen. Ihr Leib war schlank und straff, und damit war sie ganz anders als alle Frauen, die er bislang gesehen hatte.
Es juckte ihm in den Fingern, nach dem Saum ihres Unterkleids zu greifen und ihr das Kleid so weit über den Kopf zu streifen, dass sie seinem Blick ganz ausgeliefert war. Das war sein gutes Recht. Sie war seine Gemahlin.
Aber er brachte es nicht über sich.
Natürlich hätte er sie jetzt wecken und sein eheliches Anrecht einfordern können, aber mit einem Mal verlangte es ihn danach, das Feuer der Leidenschaft, das in ihm loderte, in ihren Augen gespiegelt zu sehen. Er wollte hören, wie sie vor Wollust wimmerte. Er wollte nicht, dass sie sich fürchtete.
Lächelnd schüttelte er den Kopf. Wenn sie morgen früh aufwachte, würde sie wahrscheinlich unter höllischen Kopfschmerzen leiden und sich fragen, was zum Teufel sie gestern getrieben hatte.
Er mochte Skrupel haben, sich zu nehmen, was ihm rechtmäßig zustand, bis Rionna sich ihm selbst mit Leib und Seele hingab. Das hieß aber nicht, dass er ihr dies gleich zu Beginn ihrer Ehe eröffnen würde.
Caelen streckte sich neben ihr aus und deckte sie beide mit dem schweren Fellüberwurf zu. Der Duft ihres Haars stieg ihm in die Nase, und die Wärme ihres Körpers lockte ihn immer näher an sie.
Leise fluchend drehte er ihr den Rücken zu.
Rionna murmelte etwas im Schlaf, und bestürzt spürte er, wie sie sich an ihn drückte. So fest schmiegte sich ihr warmer köstlicher Körper an ihn. Ganz sicher würde er an diesem Abend kein Auge zudrücken.
Etwas oder jemand hockte Rionna auf dem Kopf. Sie stöhnte leise und schlug nach dem aufdringlichen Störenfried, traf jedoch nur Luft.
Sie zwang sich, die Lider zu heben, und bereute es prompt. Zwar war es dunkel, aber schon die Luft, die über ihre Augäpfel strich, ließ sie gequält zusammenfahren.
Während sie so dalag, fielen ihr weitere seltsame Dinge auf. Zum Beispiel der warme, muskulöse Leib neben ihr sowie der Umstand, dass sie nichts als ihr Unterkleid trug.
Ruckartig hob sie die Hand und spürte, dass der Leinenwickel, mit dem sie sich die Brüste geschnürt hatte, noch da war. Das bedeutete, dass ihr Gemahl nicht allzu zudringlich geworden war und somit auch nicht erkannt hatte, wie voll ihre Brüste in Wahrheit waren. Nicht dass es sie scherte, ob er es erfuhr oder nicht, denn schließlich war er ihr Gemahl. Er würde es bald genug herausfinden. Sie würde ihren Busen nicht ewig verstecken können.
Sie kramte in ihrem Gedächtnis, konnte aber nicht ein einziges Bild von den Geschehnissen des gestrigen Abends heraufbeschwören. Das Letzte, an das sie sich erinnerte, war, dass sie vor Keeleys Fenster gestanden hatte.
Nun lag sie im Bett neben ihrem … Gemahl.
War der Vollzug der Ehe gültig, auch wenn sie ihn gar nicht mitbekommen hatte? Hätte sie in diesem Fall nicht noch entkleideter sein sollen, als sie es war? Darüber hatten Keeley und Mairin sich bedeckt gehalten. Dann ging ihr auf, dass das Ereignis nicht allzu schlimm gewesen sein konnte, wenn sie sich nicht daran erinnerte. Oder?
Scham ließ ihr die Wangen brennen und schnürte ihr den Atem. Was um alles in der Welt sollte sie Caelen nur sagen? Wie konnte sie ihm in die Augen schauen? Was, wenn sie sich wie ein liederliches Weibsstück verhalten hatte? Was, wenn sie ihn enttäuscht oder – schlimmer noch – mit ihrem mangelnden Geschick abgestoßen hatte?
Obwohl ihr der Schädel pochte und Übelkeit in ihr aufwallte, schob sie sich aus dem Bett. Die Kammer war so kalt, dass sie zitterte. Caelen hatte so viel Hitze ausgestrahlt. Im Bett war es kuschelig warm gewesen.
Zum Glück konnte sie ihn nicht sehen. Sie war ihm nahe genug gewesen, um zu wissen, dass er keine Tunika trug. Was, wenn er … wenn er vollkommen nackt war?
Rionna war hin- und hergerissen. Einerseits wollte sie schnellstmöglich aus der Kammer flüchten, andererseits verspürte sie den aberwitzigen Drang, einen Blick unter die Bettüberwürfe zu riskieren.
Kurz bevor sie das Dilemma lösen konnte, wurde ihr klar, dass sie sich in Caelens Kammer befand, und nicht in dem Gemach, das man ihr als Gast zugewiesen hatte
Sie stolperte über ihr Hochzeitsgewand, das auf dem Boden lag. Erneut spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Hatte er sie etwa ausgezogen? Hatte er?
Fahrig schlüpfte sie hinein und raffte die Röcke, so gut es ging, ehe sie die Tür einen Spaltbreit öffnete und in den Gang spähte. Er war von den halb heruntergebrannten Wandkerzen in trübes Licht getaucht und, soweit sie sah, verlassen.
Gott sei Dank.
Sie schlüpfte aus der Kammer und floh den Gang entlang zu ihrem Gemach. Dort befreite sie sich aus dem Kleid und zog etwas an, in dem sie sich wohler fühlte: warme Beinlinge, eine abgetragene Tunika und Lederstiefel. Sie musste einen klaren Kopf bekommen, auch wenn ihr Schädel grauenhaft pochte, und das einzige Mittel, das sie kannte, war ein anständiger Kampf.
Als Caelen erwachte, war das Bett neben ihm verwaist, und ein kalter Hauch strich ihm über sein bestes Stück. Leise fluchend zog er die Überwürfe hoch und schaute sich im Gemach nach seiner Frau um.
Sie war nirgends zu sehen. Bislang war stets er als Erster auf den Beinen gewesen. Selbst Ewan, der zeitig aufstand und spät zu Bett ging, schaffte es nicht, eher als er aus der Falle zu kriechen.
Caelen liebte die Einsamkeit dieser frühen Stunden. Während die übrigen Burgbewohner noch schlummerten, begann er bereits mit dem Tagwerk. Manchmal schwamm er eine Runde im See und manchmal übte er sich im Kampf.
Er schlug die Felle zurück, stand auf, streckte sich und genoss die Kälte auf der nackten Haut. Sie machte ihn munter. Er spürte sein Blut schneller durch die Adern strömen. Die Schwere des Schlafes fiel von ihm ab.
Aus einem Krug goss er Wasser in die Waschschüssel, wusch sich das Gesicht und spülte sich den Mund aus. Entweder schämte sich seine Gemahlin oder aber sie gab ihm unmissverständlich zu verstehen, was sie von dieser Ehe hielt. So oder so würde er sie in ihre Schranken weisen, und am besten setzte er ihr sofort auseinander, wie die Dinge standen.
Sobald er sie gefunden hatte.
Caelen kleidete sich an und trat auf den Gang hinaus. Gemeinhin bemühte er sich nicht, leise zu sein, aber der König weilte auf der Burg, und zudem war es für alle hier eine lange Nacht gewesen. Außerdem war ihm nicht gerade daran gelegen, irgendwen wissen zu lassen, dass ihm die Frau aus dem Bett geflohen war.
Vor der Tür zu ihrer Kammer setzte er eine finstere Miene auf. Anklopfen? Zur Hölle damit. Er stieß die Tür auf und traf auf Dunkelheit und … Kälte. Kein Feuer brannte.
Da ging ihm auf, dass er in seinem Gemach ebenfalls kein Feuer entfacht hatte. Das tat er nie, aber Rionna war ein solch zartes Geschöpf, dass sie vermutlich mit klappernden Zähnen aufgewacht war.
Er war es nicht gewohnt, auf andere Rücksicht zu nehmen. Schon gar nicht in seinen eigenen Räumlichkeiten. Aber nun war er verheiratet und musste wohl das eine oder andere Zugeständnis machen. Er würde seiner Gemahlin zeigen, dass er durchaus mit sich reden ließ.
Das Bett in der Kammer war leer und unberührt. Das Hochzeitsgewand – das er Rionna gestern Abend ausgezogen hatte – war nachlässig über einen Stuhl geworfen worden.
Wohin war sie um diese Zeit nur verschwunden?
Argwohn fuhr ihm in die Eingeweide, und sein Magen zog sich zusammen. Rionna konnte unmöglich so töricht sein, sich in ihrer Hochzeitsnacht in das Gemach eines Liebhabers zu stehlen. Doch welchen Grund hatte eine Frau, mitten in der Nacht das behagliche Bett zu verlassen?
Sollte ihr etwas zu schaffen gemacht haben, hätte sie ihn wecken sollen. Er war ihr Gemahl, und somit war es seine Pflicht, alle anstehenden Probleme zu lösen.
Je mehr er darüber nachdachte, desto wütender wurde er. Noch immer lag ihm der alte Verrat sauer im Magen, obwohl er sich redlich mühte, damit abzuschließen.
Doch es war schwer, nicht immerzu an all die Dinge zu denken, die Elspeth getan und mit denen sie den gesamten McCabe-Clan in eine andere Richtung geführt hatte. Ihre Treulosigkeit war es, die ihn in diese Ehe getrieben hatte – und jetzt lag ihm alles daran, seine jugendliche Torheit wiedergutzumachen und sein Urteilsvermögen nie mehr von Gefühlen trüben zu lassen.
Nachdem der Clan durch Duncan Cameron beinahe ausgelöscht worden war, hatten sie jahrelang ums Überleben gerungen. Erst seit einigen Monaten – seit Ewan seine Mairin geehelicht hatte und Isabel zur Welt gekommen war – sah die Zukunft seiner Sippe etwas rosiger aus.
Wie hätte Caelen sich dieser Ehe verweigern können? Immerhin war sie unabdingbar für das Bündnis, das der Vernichtung des Mannes diente, den er und seine Brüder mehr als alles andere hassten.
Aber bei Gott – mochte er auch keine andere Wahl gehabt haben, als Rionna McDonald zu heiraten, so hieß das nicht, dass er sich Hörner aufsetzen lassen oder ihr alle Freiheiten geben würde, wie ihr Vater es jahrelang getan hatte.
Er war nun ihr Laird, ob ihr das passte oder nicht, und wenn sie schon nichts anderes für ihn tat, so würde sie ihm zumindest Gehorsam entgegenbringen.
Durch das Fenster ihrer Kammer vernahm er das Geräusch von Stahl, der auf Stahl traf. Stirnrunzelnd hob er das Fell vor dem Fenster. Von hier oben aus konnte man in den Burghof schauen. Aber wer übte sich schon so früh im Schwertkampf? Und warum?
Er lehnte sich hinaus und erspähte Fackeln, die einen kleinen Bereich mitten im Hof beleuchteten. Die beiden Männer im Lichtkreis waren mit Feuereifer bei der Sache, was einen der beiden Narren gewiss das Leben kosten würde. Als der eine sich umdrehte, sah Caelen goldgelbes Haar aufschimmern. Die konzentriert zusammengepressten Lippen des Kämpfenden waren eindeutig weiblich.
Teufel noch eins.
Einer der Narren war seine Frau.
Caelen ließ das Fell los, wandte sich ab und schritt aus der Kammer. Kopfschüttelnd stieg er die Treppe hinab, und als er in die große Halle trat, gesellte sich Cormac zu ihm.
„Hast du gewusst, dass Rionna draußen die Klinge kreuzt?“, blaffte Caelen ihn an.
Cormac riss die Augen auf und blickte betreten drein. Offenbar wusste er nicht recht, was er sagen sollte.
„Nay“, murmelte er schließlich. „Bin gerade erst aufgestanden.“
Caelen musterte ihn verächtlich. „Verweichlichst du mir etwa?“
Cormac grinste, keineswegs getroffen von der Rüge. „Jetzt, da ich jede Nacht ein weiches, warmes Mädchen im Bett habe, fällt es mir selbstverständlich verdammt schwer, morgens früh aufzustehen.“
Caelen brummte.
„Ihr solltet Euch besser fragen“, fuhr Cormac fort, „weshalb Eure Gemahlin am Morgen nach der Hochzeit nicht in Eurem Bett liegt. Das lässt interessante Schlüsse zu.“
Caelen sah ihn kalt an.
Doch das schien ihn nicht zu bekümmern. „Allein schon der Umstand, dass sie noch die Kraft hat, das Schwert zu schwingen, lässt einen mutmaßen, dass Ihr etwas … nun, nicht richtig gemacht habt.“
Cormacs selbstgefällige Sticheleien ließen Caelen missmutig den Mund verziehen. „Ich wette, ein zahnloser Ehemann wäre Christina gar nicht recht.“
Beschwichtigend hob Cormac die Hände, wenngleich er das dumme Grinsen nicht ablegte, als sie die Halle verließen.
Caelen hieß die frostige Luft willkommen. Sie gemahnte ihn daran, niemals bequem zu werden, niemals unachtsam zu sein. Wenn ein Mann zu behäbig wurde, bedeutete dies sein Verderben.
Das würde ihm nicht passieren. Nicht, wenn er es in der Hand hatte. Und auch seinem Clan – sowohl dem neuen als auch dem alten – würde dies nicht widerfahren.
„Sie ist gut“, bemerkte Cormac.
Mit finsterer Miene strebte Caelen auf den von Fackeln beleuchteten Übungsgrund zu.
„Rionna!“, blaffte er.
Ruckartig wandte sie den Kopf in seine Richtung, als ihr Gegner soeben sein Schwert hinabsausen ließ – genau auf ihren ungeschützten Nacken zu.
Caelen riss sein Schwert aus der Scheide, stieß mit der Klinge vor und lenkte den Hieb ab. Rionnas Augen wurden groß, als die Schwertspitze ihres Kontrahenten keinen Zoll von ihrer Haut entfernt verharrte.
Mit einer knappen Bewegung schlug Caelen dem anderen das Schwert aus der Hand und bedachte ihn mit einem Blick, der den Kerl eilends davonhuschen ließ.
Caelen hatte erwartet, dass seine Gemahlin erschrocken, beschämt oder gar dankbar war, weil er ihren Tod verhindert hatte, aber er wurde enttäuscht.
Sie war fuchsteufelswild.
Im Fackelschein funkelten ihre Augen diabolisch, als sie sich zu ihm umdrehte. Sie erinnerte ihn an ein fauchendes Kätzchen. Der Gedanke amüsierte ihn, obwohl der Vergleich sie zweifellos noch mehr aufgebracht hätte.
„Was habt Ihr Euch dabei gedacht?“, schrie sie. „Ihr hättet mich umbringen können! Man brüllt nicht nach jemandem, der gerade in einen Kampf verwickelt ist!“
Scharf zog er die Luft ein und stapfte auf sie zu. Es machte ihn wütend, dass sie vor anderen so mit ihm zu sprechen wagte.
„Glaubt Ihr etwa, auf dem Schlachtfeld gäbe es keine Ablenkungen, Rionna? Glaubt Ihr, dort rufe nie jemand nach Euch? Ein Krieger muss nicht nur körperlich, sondern auch im Geiste stark sein. Sich während einer Schlacht ablenken zu lassen kann tödlich sein.“
Errötend wandte sie den Blick ab und ließ das Schwert sinken.
„Und Eure Waffe solltet Ihr auch nie senken“, fuhr er fort. „Jetzt seid Ihr einem Angriff vollkommen wehrlos ausgeliefert.“
Wütend verzog sie den Mund. „Ich habe schon verstanden, Gemahl.“
„Meint Ihr? Ich denke nicht, und ich bin noch lange nicht fertig. Ihr werdet Euch sofort in den Wohnturm begeben und nie wieder derlei Betätigungen nachgehen. Habe ich mich klar ausgedrückt?“
Ihr blieb der Mund offen stehen, und in ihren goldenen Augen loderte es vor Rage – und Demütigung.
„Wenn Ihr Euch gleich für das Morgenmahl an die Tafel begebt, erwarte ich, dass Ihr den McCabes Ehre macht. Ihr werdet sowohl dem König als auch dem Laird dieses Clans den gebührenden Respekt entgegenbringen.“
Sie presste die Lippen aufeinander und funkelte ihn trotzig an. Er trat einen weiteren Schritt auf sie zu, bis sie Brust an Brust standen. Nicht in tausend Jahren hätte er es zugegeben, aber zerzaust und verschwitzt, wie sie vom Schwertkampf war, drohte sie dafür zu sorgen, dass seine Lanze ihm die Hosen eng werden ließ.
Er konnte sie unmöglich diese Gewandung tragen oder mit den Männern kämpfen lassen, denn dann würde er nur noch mit geschwollenen Lenden umherlaufen.
Caelen gab ihr durch einen Wink zu verstehen, dass sie entlassen war, und sie wandte sich ab.
„Ach, Rionna?“, rief er ihr nach. „Nehmt ein Bad. Ihr stinkt.“
So, sie stank also. Er hatte gesagt, dass sie stinke! Rionna ließ sich tiefer in den Badezuber gleiten, bis ihr das Wasser über die Ohren stieg. Diese brannten immer noch vor Scham, und unaufhörlich hallte das Gelächter der Männer darin wider, das ihre Flucht in den Wohnturm begleitet hatte.
Er hatte sie gedemütigt. Nicht nur durch Worte, sondern durch Taten. Er hatte sie als unfähig hingestellt, und sie hatte den Frevel begangen, sich ablenken zu lassen.
Was er ihr gesagt hatte, war ihr nicht neu. Schließlich war sie kein Schafskopf. Sie konnte sehr wohl mit dem Schwert umgehen, doch sobald sie Caelen erblickt hatte, war ihr jedweder Verstand abhandengekommen.
Plötzlich hatte sie dagestanden wie eine tollpatschige Närrin, die sich daran versuchte, als Mann durchzugehen. Ihre Abscheu vor sich selbst war grenzenlos.
Es klopfte. Rionna tauchte so tief unter, dass nur noch Nase und Augen aus dem Wasser ragten. Kurz darauf schwang die Tür auf, und die Magd namens Maddie steckte den Kopf herein.
„Ah, da seid Ihr ja. Caelen dachte, dass Ihr vielleicht Hilfe braucht. Er wünscht, dass Ihr nach unten kommt und am Morgenmahl teilnehmt.“
„So, wünscht er das?“, murmelte Rionna.
„Lasst mich Euch die Haare waschen. Es wird nicht leicht werden, sie innerhalb so kurzer Zeit zu trocknen. Wie lang und dick Euer Haar ist – und so schön wie ein Sonnenuntergang über dem Loch.“
Das Kompliment machte alles noch schlimmer. Rionna wusste, dass sie keineswegs schön war. Keeley war schön, sie selbst dagegen … Nun, daran war sie wohl nicht ganz unschuldig. Sie hätte sich in jüngeren Jahren ein weiblicheres Gemüt aneignen sollen.
Inzwischen hatte ihr Leib jede mädchenhafte Weichheit eingebüßt. Sie hatte Muskeln, wie keine Dame sie haben sollte. Ihre Arme waren kräftig, ihre Taille hingegen schmal. Auch ihre Beine waren muskulös, und an ihren Hüften fanden sich keinerlei Fettpolster. Sie war recht schlank.
Das einzig Weibliche an ihr waren die Brüste, und die brachten sie regelmäßig in Verzweiflung. Sie passten einfach nicht zu ihr.
Deshalb umwickelte sie ihren Busen auch so eng. Er war ihr schlicht im Weg. Und er stellte eine nicht eben geringe Ablenkung dar.
Die wenigen Male, die ihr Vater angesehene Gäste erwartet hatte, bestand er darauf, dass sie sich wie eine Frau kleidete. Die Gewänder ihrer Mutter wurden abgeändert, dennoch waren sie oben herum noch immer zu eng gewesen. Der Stoff hatte sich gefährlich über ihren Brüsten gespannt mit dem Ergebnis, dass die anwesenden Männer sich wie Trottel aufführten, indem sie ihr unablässig auf den Ausschnitt starrten.