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Wissen Sie, wie ein Schmetterling entsteht? In ihrem Kokon werden die Zellen der Raupe nach und nach durch Imago-Zellen ersetzt. Diese bekämpft das System der Raupe zunächst wie Fremdkörper. Wenn sich jedoch eine bestimmte Anzahl davon gebildet hat, geschieht das Erstaunliche: Die Imago-Zellen werden sich bewusst, dass sie gemeinsam etwas Neues bilden. Die Verwandlung zum Schmetterling beginnt. Was der Imago-Prozess mit uns zu tun hat? Wenn wir um die Entwicklung der Raupe zum Schmetterling wissen, um unseren Widerstand, den wir gegenüber Veränderung leisten, dann können wir daraus viel für unser eigenes Leben lernen. Ob Sie Ihre Berufung finden und leben wollen, in einer Beziehungskrise stecken, eine Familie gründen oder auswandern wollen – die erfahrene Therapeutin und Ausbilderin Susanne Hühn begleitet Sie auf Ihrem Weg. Sie gibt Ihnen mit vielen Beispielen und zahlreichen Übungen und Anregungen Impulse, damit Sie das Neue in sich annehmen, integrieren und leben können ... und ihre Flügel ausbreiten.
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Seitenzahl: 220
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SUSANNE HÜHN
Der IMAGO-Prozess
Veränderungen meistern
oder von der ganz natürlichen Einsamkeit einer Raupe im Kokon
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ISBN 978-3-8434-6343-0
Susanne Hühn:
Der Imago-Prozess
Veränderungen meistern oder
von der ganz natürlichen Einsamkeit einer Raupe im Kokon
© 2016 Schirner Verlag, Darmstadt
Umschlag: Murat Karaçay, Schirner,
unter Verwendung von # 374611705 (Aboard), # 158333918 (Max Krasnov) und # 344317454 (Zaksheusk), www.shutterstock.com
Print-Layout: Simone Leikauf, Schirner
Lektorat: Claudia Simon, Schirner
Gesetzt aus der Arimo (© Ascenderfonts.com)
unter der Apache-Lizenz 2.0: www.apache.org/licenses/LICENSE-2.0
E-Book-Erstellung: HSB T&M, Altenmünster, Germany
www.schirner.com
1. E-Book-Auflage 2016
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und
sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe
sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten
INHALT
Über die Autorin
Einleitung
Stufe eins: Die ersten Imago-Zellen oder: Was ist denn mit mir los?
Stufe zwei: Die Imago-Zellen verklumpen sich zu Clustern oder: Mache dir nichts draus, es wird nicht besser! :-)
Stufe drei: Die Imago-Zellen verbinden sich zu Imago-Fäden oder: Das Licht der Selbsterkenntnis
Stufe vier: Die Imago-Zellen werden zum Schmetterling oder: Aus dem Weg, jetzt komme ich … wenn ich darf
Stufe fünf: Der Schmetterling schlüpft oder: Muss ich wirklich in dieses kalte Wasser springen?
Nachwort
Bildnachweis
Über die Autorin
Susanne Hühn ist ausgebildete Lebensberaterin und ganzheitliche Physiotherapeutin. Sie schreibt spirituelle Selbsthilfebücher und gibt Lebensberatung, Channelings sowie Meditationskurse für Erwachsene und Kinder. Seit 1986 begleitet sie Menschen auf deren Weg zur Gesundung. Mit dem Schreiben begann sie 1992. Zuerst schrieb sie spirituelle Romane, dann vermittelte sie ihr Wissen in Sachbüchern und auf CDs, die sie mittlerweile in großer Zahl veröffentlicht hat.
2017 bietet sie bereits zum dritten Mal für alle Interessierten eine Imago-Jahresgruppe an.
www.susannehuehn.de
Einleitung
Lieber Leser, magst du Veränderungen? Ja, natürlich, wenn du sie ersehnst, mit allen Mitteln herbeizuführen versuchst und ungeduldig auf das Ergebnis wartest. Und nein, natürlich nicht, wenn sie dich verletzen, dir etwas nehmen, was dir wichtig ist, dir gar etwas entreißen, ohne was du nicht leben kannst.
Das Leben – wir wissen es alle – ist ein steter Veränderungsprozess, das nennt man Evolution. Wir sollen loslassen, uns ausrichten, unsere Gedanken kontrollieren, uns eine Absicht geben, uns dem Fluss des Lebens hingeben usw. Manche Veränderungen dagegen sollen wir um fast jeden Preis verhindern, zum Beispiel faltig werden, dick, krank oder arm. Und doch, so unterschiedlich sich Veränderungen auch in unserem Leben auswirken, uns beglücken oder in eine Krise stürzen, sie alle haben etwas gemeinsam: Sie folgen dem gleichen Ablauf, dem sogenannten Imago-Prozess.
Wie das? Manche Dinge, vor allem deine lang angestrebten Lebenswegkorrekturen, scheinen sich ewig hinzuziehen, Unglücke dagegen tauchen wie aus dem Nichts auf.
Stelle dir einen Veränderungsprozess bitte einmal wie ein klassisches Musikstück vor, das aus einer gewissen Anzahl von Sätzen besteht. Das ist legitim, denn Veränderungsprozesse laufen nach einem bekannten Muster ab. Wenn du einen Veränderungsprozess ersehnst und alles dafür tust, dass sich die Dinge zum Guten entwickeln, initiierst du das Konzert, suchst dir die Musiker zusammen, probst mit ihnen und bist der Dirigent. Erwischt dich die Veränderung allerdings kalt, dann betrittst du den Konzertsaal erst gegen Ende, wenn das Finale mit einem Crescendo eingeleitet wird. In diesem Fall ist das Leben selbst der Dirigent, und das Stück läuft schon eine Weile ohne dein Wissen und ohne dein bewusstes Zutun.
Doch auch bewusste Veränderungen, die du mit großem Aufwand, viel Geduld und mentalem, emotionalem und auch finanziellem Einsatz vorantreibst und unterstützt, begannen mit einer zunächst unbemerkten nagenden Unzufriedenheit, einer Krankheit oder einem Ereignis, das dich zum Umdenken zwang. Es ist, als würde dich das Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt in eine andere Richtung dirigieren, sanft oder abrupt, und du hast nur die Wahl, dich dagegenzustemmen oder mitzugehen. Doch es bereitet dich darauf vor. Manchmal blitzen unbemerkt Visionen auf, dir kommt ein kurzer Gedanke, ein unbewusster Schöpferimpuls. Du hast einen Traum, und dann vergisst du ihn wieder. Erst viel später, wenn sich diese Schöpfergedanken verwirklicht haben, erinnerst du dich daran, dass du doch schon einmal vor zehn Jahren oder als Kind …
Diese unbewussten Visionen haben noch nichts mit dem bewussten Gestalten deiner Wirklichkeit zu tun. Deine Seele, dein Schöpferplan, das Leben selbst geben dir eine Vorschau auf das, was sie für dich bereithalten – im Positiven, aber manchmal auch im Schmerzlichen. Je geübter du darin bist, Veränderungsprozesse früh zu erkennen, desto leichter kannst du dich darauf einstellen und den Widerstand dagegen sein lassen. Und je schneller du dich darauf einstellst, desto leichter kannst du entweder Gegenmaßnahmen ergreifen oder Pläne machen. Verstehst du? Wenn du spürst, etwas in dir braucht einen neuen Lebensraum, das Meer ruft dich, dann wirst du den Mietvertrag nicht unterschreiben, der dich für weitere zehn Jahre in deiner Zahnarztpraxis in einer Stadt weitab vom Meer festhält.
Wenn du weißt, du willst Kinder haben, weil du es tief in dir spürst, auch wenn die Zeit für dich noch längst nicht reif ist, dann wirst du es dir dreimal überlegen, ob du einen Mann heiratest, der ausdrücklich keine (mehr) will. Du wirst nicht hoffen, dass er sich ändert, sondern dich selbst ernst nehmen. Das geht aber nur, wenn du die Dynamik der Veränderung in dir erkennst und spürst, wie wichtig dir etwas sein wird. Das erfordert Achtsamkeit und Übung.
In dem Moment, in dem du beginnst, dich ausdrücklich und bewusst für deine Veränderung starkzumachen, ist die Veränderung schon längst im Gange.
Du magst dich fragen: Aber was ist denn dann mit dem freien Willen? Nun, die Fragen sind: Wie frei ist unser Wille tatsächlich? Und wie frei möchtest du ihn überhaupt haben? Ich erlebe mich selbst als Teil eines größeren Ganzen, das auf vielen Ebenen zugleich existiert und auf all diesen Ebenen einem bestimmten Plan folgt, dem ich zugestimmt habe. Das klingt erst einmal merkwürdig, wenn du dich nicht mit esoterischen Themen befasst und das vielleicht auch nicht willst. Und eventuell ergibt es für dich auch gar keinen Sinn. Bestimmt können wir uns aber darauf einigen: Du stehst am Ende einer langen Ahnenreihe. Diese Ahnen haben eine Menge durchlebt und dich dadurch geprägt. Womöglich glaubst du sogar an Reinkarnation und daran, dass es so etwas wie Seelenverträge gibt, oder an einen Fluss des Lebens, der dafür sorgt, dass du dich bestmöglich entfaltest. An das Letztgenannte darfst du ruhig glauben. Das Leben auf der Erde scheint bestrebt zu sein, sich immer komplexer zu organisieren. Es scheint auch, als gäbe es ein Interesse des Lebens daran, dass sich ein Bewusstsein entfaltet, dass das Leben sich selbst erfährt. Du bist ein Teil davon, und damit gibt es ein Interesse des Lebens auch an dir – daran, dass du zu deinem höchsten Potenzial erblühst. Dieses Potenzial ist bereits in dir angelegt. Es entwickelt sich, indem du deinen positiven Impulsen, allem, was dich anspornt, bewegt, dich beglückt und zum Leuchten bringt, Raum gibst. Aber auch alles, was dich ärgert und sogar verletzt, dient letztlich dazu, dass du Bewusstsein entwickelst, und sei es ein Bewusstsein dafür, welche Situationen du besser meidest, weil sie dir nachhaltig schaden.
Eine Raupe weiß das alles ganz genau, denn sie durchläuft diesen Imago-Transformationsprozess – vermutlich zwar unbewusst, aber deshalb nicht weniger dramatisch. Erlaube mir, dir ihren Weg zu schildern.
Stelle dir diese Raupe einmal vor. Sie tut fast nichts anderes, als zu fressen und zu wachsen. Warum tut sie das? Weil etwas in ihr bereits ahnt, dass sie in einiger Zeit keine Gelegenheit mehr zum Fressen haben wird. Von Beginn an steuert alles in ihrem Verhalten auf die Transformation zu, auch wenn sie selbst das vermutlich nicht weiß. Woher weiß ich, dass sie das nicht weiß? Weil sich nach einer bestimmten Zeit, wenn sie eine gewisse Reife erreicht hat, in ihrem Inneren sogenannte Imago-Zellen bilden. Das sind noch keine Schmetterlingszellen, sondern es ist eine Art Vorstufe, man könnte es auch poetisch »Zukunftsversion« nennen. Diese Imago-Zellen enthalten die Informationen des Schmetterlings, sind aber nicht identisch mit Schmetterlingszellen. Und was macht die Immunabwehr der Raupe? Sie zerstört sie! Erkennt die Raupe also, dass sie gerade eine unfassbare Chance erhält? Nein. Kann sie es verhindern? Nein. Denn bereits jetzt beginnt sich die Raupe zu verpuppen, auch wenn ihr Inneres die neuen Zellen als feindlich einstuft. Noch einmal: Sie verpuppt sich! Sie schafft sich einen sicheren Raum, verliert aber gleichzeitig den Kontakt zu ihren Raupenfreunden und zu ihrer Umwelt. Die neuen Zellen wachsen auch im Kokon immer wieder in ihr nach, und ihr Immunsystem wehrt sie weiterhin ab. Nun ist sie also allein in diesem geschützten Raum, und das Neue in ihr wird weiterhin bekämpft. Das fühlt sich bestimmt ziemlich einsam an, auch wenn die Raupe dieses Gefühl vielleicht nicht kennt. Doch die Imago-Zellen geben nicht auf, wachsen schneller, als die Immunabwehr sie zerstören kann, und es bilden sich sogenannte Cluster, Zellhaufen. Noch immer erkennt die Immunabwehr diese Zellhaufen nicht als zur Raupe gehörig und bekämpft sie. Doch nun verbinden sich einzelne Zellen zu Imago-Fäden. Diese Fäden vernetzen die Imago-Cluster miteinander, es entsteht also ein Netzwerk.
Und genau jetzt geschieht ein Wunder: Die Immunabwehr erkennt diese miteinander verbundenen Cluster, diese Zellhaufen, plötzlich als zu der Raupe gehörig, sie akzeptiert den Transformationsprozess und stoppt die Bekämpfung. Nun kann der Schmetterling in Ruhe heranreifen. Erinnern wir uns: Die Raupe hat wirklich nicht die leiseste Idee, was aus ihr wird, doch sie kann den Veränderungsprozess nicht stoppen. Die DNA ihrer Zellen weiß natürlich über den Schmetterling im tiefsten Inneren der Raupe Bescheid. Sogar die Immunabwehr bekämpft das wunderbare Neue, das nicht nur in ihr entstehen will, sondern in das sie sich mit Leib und Seele verwandelt.
Nun wird sie also zum Schmetterling, doch der beschwerliche und einsame Weg ist noch nicht zu Ende. Denn der Schmetterling muss sich selbst aus dem Kokon herausschälen. Er braucht diesen einsamen Geburtsprozess, er gehört untrennbar zur Transformation dazu.
Und dann, wenn er es endlich geschafft hat, muss er den Mut in sich finden, seine Flügel zu öffnen und zu fliegen. Ist das nicht einfach großartig, was die Raupe/der Schmetterling leistet?!
Doch was hat dieser Prozess mit dir zu tun? Nun, wenn wir um die Einsamkeit wissen, um die Abwehrzellen, um den Widerstand, den die Raupe gegenüber ihrer eigenen Veränderung leistet, dann können wir daraus eine ganze Menge über unseren eigenen Weg lernen. Und wir können damit, dass wir zweifeln, hadern, uns einsam fühlen, aufgeben wollen, nicht den Mut finden, das Gelernte endlich umzusetzen, in Frieden kommen.
Ich möchte dich auf deinem Weg der Veränderung und der Umsetzung deiner Träume und Wünsche begleiten. Lasse mich im Kokon an deiner Seite sein, lasse mich dir Mut machen und dir versichern: Du bist nicht der Einzige, der das durchmacht, egal, worum es sich handelt. Ihr wisst nur nichts voneinander, so, wie die einzelnen Imago-Zellen nichts von der Existenz der anderen ahnen. Noch nicht.
STUFE EINS:
Die ersten Imago-Zellen
oder: WAS IST DENN MIT MIR LOS?
Seit Wochen, Monaten oder gar Jahren jammerst du über das gleiche Thema, im Stillen oder offen. Dir passt etwas nicht, doch du beschwichtigst dich nach allen Regeln der Kunst. Du unterdrückst deine Gefühle, indem du dich ablenkst, sie dir ausredest, einfach nicht hinfühlst. Du bist tapfer, hältst deinen Unmut, ja, dein Unglück in einem oder mehreren Lebensbereichen in Schach. Du funktionierst, doch frei und glücklich bist du nicht. Das ist sowieso ein zu hoher Anspruch an das Leben, glaubst du, und du richtest dich in deinem ganz persönlichen Mangel ein.
Oder aber: Etwas passiert, was dich vollkommen aus der Bahn wirft, ein äußeres Ereignis zwingt dich, dich neu auszurichten. Du versuchst, weiterhin zu funktionieren wie bisher, doch etwas in dir zieht sich zurück und beginnt, sich zu verändern, unbemerkt, oft auch ungewollt.
Was passiert da? Und passiert da überhaupt etwas, oder ist das nicht vollkommen normal? Nun, das sind die ersten Anzeichen für einen anstehenden Veränderungsprozess. Sie gefallen dir sicher gar nicht: Es ist ebendiese Unzufriedenheit oder dieses Gefühl von unterschwelligem Unwohlsein. Etwas ist komisch, anders, du kannst nicht sagen, was, aber deine gewohnte Komfortzone funktioniert nicht mehr. Du ertappst dich immer öfter bei ketzerischen Gedanken, eventuell beginnt dein Körper, erste Anzeichen von Krankheit oder Schmerzen zu zeigen. Du unterdrückst deinen Groll, deinen Schmerz, du wetterst im Stillen, suchst nach Ausstiegsmöglichkeiten. Nach außen hin wirkst du wie immer. Doch die Raupe in dir will keine Raupe mehr sein, will nicht mehr auf althergebrachte Weise leben, worum auch immer es geht. Oft genug weiß man in diesem Stadium selbst nicht, was fehlt.
Das Typische für diesen ersten Transformationsabschnitt ist das Leugnen, das Abwehren der Gefühle und Ahnungen. So ein Quatsch!, denkst du über das, was du auf einmal in dir wahrnimmst. Du verurteilst dich vielleicht sogar für deine neuen Ideen, Wünsche, Gefühle, Bedürfnisse. Die Immunabwehr der Raupe frisst die ersten Imago-Zellen, reagiert so, als wären sie eine Krankheit.
Das nennt man Resilienz. Es ist die gesunde, natürliche Widerstandsfähigkeit eines Systems gegenüber Veränderungen. Ohne Resilienz wären wir wie ein Blatt im Wind, könnten unsere Form nicht halten, weder körperlich noch emotional noch mental. Diese Resilienz sorgt dafür, dass Veränderungen zunächst am bewährten System abprallen. Das Gegenteil von Resilienz ist Verletzlichkeit. Eine hohe psychische Widerstandsfähigkeit ist eine wesentliche Eigenschaft, damit zum Beispiel Kinder auch in einem sozial schwierigen Umfeld einigermaßen stabil und gesund heranwachsen können.
Was ist diese Raupe in dir, deren Zellen neue Wege gehen? Das ist je nach Thema sehr unterschiedlich und in diesem Stadium auch noch nicht genau zu benennen. Es ist auf jeden Fall ein Teil in dir, der deine bisherige Art zu leben, die für andere Aspekte deines Selbst aber durchaus völlig in Ordnung, ja, sehr erfüllend und glücklich sein kann, nicht mehr erträgt.
Das macht es so schwierig. Denn es geht dir ja gut, du hast einiges von dem, was du wolltest, erreicht, vielleicht sogar Wesentliches. »Jammern auf hohem Niveau« nennen wir das, und es stimmt. Und dennoch. Da ist diese kleine Raupe in dir, die sich verpuppt, auch wenn du dein Gefühl der Unzufriedenheit schleunigst unterdrückst. Doch manchmal … Du bemerkst vielleicht, wie du einige frühere Angewohnheiten wieder aufnimmst. Du hörst dir vielleicht deine alten Platten oder CDs an, legst dir eine neue Frisur zu, kaufst einen neuen Lippenstift, verrückst deine Möbel, gestaltest den Garten um … Ich müsste mal wieder abnehmen, denkst du, oder du gibst ein paar nicht mehr passende Klamotten weg. All das ist gut. Denn egal, wo du anfängst, jede Neuordnung deiner Umgebung unterstützt deinen Veränderungsprozess. Du spürst in einigen Lebensbereichen Rückzugstendenzen, triffst bestimmte Freunde nicht mehr so gern oder kommst morgens nicht mehr aus dem Bett, wenn du ins Büro gehen sollst. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, sagst du, und das stimmt. »Ich bin bald wieder der oder die Alte«, versprichst du vielleicht. Doch das stimmt nicht.
Etwas in dir verändert sich, doch es ist noch in keiner Weise sichtbar, in welche Richtung diese Veränderung gehen wird. Manchmal hast du eine Art Zukunftsvision, einen Traum. Oder du bist plötzlich neidisch auf andere, die dich bislang nicht einmal interessiert haben. Auch das ist gut. Dieser Neid zeigt einfach, dass etwas in dir aufmerksam wird. Neidisch zu sein bedeutet fast immer, dass die Raupe in dir einen Schmetterling entdeckt hat und die Imago-Zellen Meldung machen und sich zeigen. Doch du bist noch in dem Stadium, in dem du all das verdrängst, leugnest und dich zusammenreißt. Du beginnst vielleicht, grüne Smoothies zu trinken oder mehr Sport zu machen, damit du dich fitter fühlst. Das funktioniert auch, hast du doch das Gefühl, dein Leben weiterhin unter Kontrolle zu halten.
Doch auch das Verpuppen deiner inneren Raupe gehört zu diesem Stadium. Etwas in dir schafft sich Raum, kapselt sich ab und beginnt, dich zu verändern. Du wirst nachdenklicher, beschäftigst dich auf einmal mit Ideen, die dich sonst nicht interessiert haben, die du sogar für albern hieltest. Vielleicht wirst du auch schneller aggressiv, bist genervt, unruhig. Für viele ist dieses Stadium der Beginn einer intensiven Bewusstseinstransformation. Du besuchst ein Seminar, liest ein Buch, vielleicht sogar ein spirituelles. Es kann aber auch sein, dass du den Motorradführerschein machen willst, aufhörst, Fleisch zu essen (oder damit anfängst!), oder dich auf einmal für Pferde interessierst.
Die Immunabwehr der Raupe, du erinnerst dich, erkennt diese neuen Zellen nicht als zu ihr gehörig an und vernichtet sie. Das tust du selbst, indem du an deinen zarten neuen Impulsen zweifelst, sie verurteilst, mit dir haderst. Doch auch deine Umgebung reagiert entsprechend abwehrend. Sie will mit dem, was in dir entsteht, nichts zu tun haben. Du fühlst dich auf einmal einsam, keiner scheint dich mehr zu verstehen.
Ein persönliches Beispiel:
Seit Jahren spürte ich, dass ich mich durch sehr viele Reisen, bei denen ich immer wieder Seminare an neuen Orten gab, überforderte. Ich war gestresst, weil Veranstalter hohe Anforderungen hatten und ich liefern musste – Inhalte und Seminarteilnehmer. Gestresst sein ist aber in meinem Beruf ein absolutes No-Go. Wenn ich nicht entspannt und erleuchtet durch die Gegend schwebe, wer denn dann? So suggerierte man es mir, und ich wusste zwar, dass das Unsinn ist, bediente aber die Anforderungen und verbarg meine Gefühle. Ich liebe das, was ich tue. Und ich bin ein Leistungskind, ich funktioniere. Ich lebe mit jeder Faser meine Berufung. Und so bekam ich beim Tun trotz der Umstände so viel Energie, dass ich dieser Überforderung nicht sonderlich viel Bedeutung beimaß. Ich nahm den inneren Anteil, der mir diese Überforderung signalisierte, natürlich wahr, hörte ihm zu, bemerkt aber lange Zeit nicht, wie ernst es ihm war – und dass er sich verpuppt hatte.
Was war passiert? Ich bemerkte eine Veränderung, da gab es einen inneren Widerstand, eine Trauer, doch das Ausmaß dieser Veränderung konnte ich in keiner Weise erfassen. Ich nahm sie auch nicht als Veränderung wahr. Diese leichte Unzufriedenheit, dieser Herzschmerz, die Atemnot, wenn ich einmal wieder die Haustür hinter mir zugemacht hatte und meine Katzen mir nachschauten (das tun sie tatsächlich), waren einfach der Preis, den ich dafür zahlte, dass ich meine Berufung lebte. Das geht jedem so, das ist Jammern auf höchstem Niveau, dachte ich. Und das stimmt ja auch. Stelle dich nicht so an, war ich versucht, mir selbst zu sagen, aber immerhin war ich einigermaßen mitfühlend mit dem Teil in mir, der nicht schon wieder Koffer packen wollte. Ich erlebte auf Messen oftmals Autoren, die mit Tränen in den Augen über ihre Tiere und natürlich über ihre Kinder sprachen, die sie schmerzlich vermissten, wenn sie unterwegs waren. So ist es eben, dachte ich mir. Finde eine Möglichkeit, das in dir aufzufangen. Und nein, zu viel zu essen ist damit nicht gemeint. So begann der Imago-Prozess in mir. Ich bemerkte die innere Spannung, war aber sehr weit davon entfernt, echte Veränderung anzustreben. Ich hätte auch nicht gewusst, wie, da doch meine ganze finanzielle Existenz daran hing, dass ich unterwegs war, mich auf Messen zeigte und an vielen Orten Seminare anbot.
Doch die Verpuppung begann, die Transformation war irreversibel.
Manche Falter bilden keinen festen Kokon, der sie vor Fressfeinden schützt, sondern lediglich eine dünne Puppenhaut, die schnell durchstoßen werden kann. Diese nur leicht verpuppten Raupen müssen Meister der Tarnung sein, damit sie nicht gefunden werden. Sie wissen eben um ihre immense Verletzlichkeit. Und auch das kennst du. Du bist dünnhäutig, kannst dich nicht gut schützen, hast keinen stabilen Rückzugsort, weder innen noch außen. Aber du tarnst dich.
Das wirkt für andere vielleicht so, als suchtest du Ausreden, als verstecktest du dich. Du könntest schon längst kreativ geworden sein, aber du musst zwei Kinder großziehen und hast deshalb zu viel Arbeit … Natürlich willst du diese unglückliche Ehe verlassen, wie es dir Freundinnen und Familienmitglieder immer wieder raten, doch das Geld, das gemeinsame Haus, die Kinder … Lasse dir nichts einreden. Lasse dich nicht drängen. Du bist noch nicht so weit, wenn du in diesem Stadium bist. Alles zu seiner Zeit. Tarne dich ruhig, indem du unentschlossen und, ja, auch irgendwie schwach wirkst. In dir arbeitet es, und dein Aus- oder Einstieg, je nachdem, wird vorbereitet. Vertraue dem inneren Prozess. Sie werden sich schon alle noch umgucken, wenn du so weit bist. Dann aber bist du wirklich bereit zu fliegen, und du weißt dann auch genau, wohin. Gerade wenn es um Trennung (oder auch darum, wieder ins Arbeitsleben einzusteigen) und um Kinder geht, kann es sehr wohl sein, dass du dich in eine Art Winterschlaf begibst, bis dir der innere Schmetterling deiner Kinder signalisiert, dass es weitergehen darf. Dann wartet der Schmetterling in dir auf die Kinder, weil du genau spürst, dass es katastrophale Folgen hätte, die Ehe jetzt zu verlassen oder durch deine Arbeit viel unterwegs zu sein. Für Kinder haben Scheidungen das fast immer. Aber manche Schäden lassen sich gut beheben und manche eben nicht.
Heißt das, dass jede Unzufriedenheit, jede Gereiztheit der Beginn von etwas Neuem ist? Natürlich nicht. Wenn sie aber anhält oder immer wieder auftaucht, ist es sinnvoll, diese Möglichkeit zumindest in Betracht zu ziehen.
Diese erste Phase ist ziemlich unangenehm, da will ich dir gar nichts vormachen. Dass du dich nicht gut fühlst, gehört dazu. Etwas verändert sich in dir oder auch außen, du kannst es nicht kontrollieren, du kannst es auch nicht benennen, du spürst nur, dass deine gewohnte Sicherheit verschwindet. Da ist nur so ein nagendes Gefühl von Veränderung, das dir eventuell Angst macht. Selbst wenn es eine Veränderung ist, die du herbeisehnst und schon lange einleitest, kann dir das Verlassen der Komfortzone Angst machen. Klingt das paradox? Das ist es nicht.
Für diese erste Phase brauchst du Fähigkeiten, die für viele Menschen schwierig zu erlangen sind: Hingabe und Vertrauen.
»Vertrauen«, sagst du. »Was aber, wenn diese Veränderung in mir dafür sorgt, dass ich einsam und arm sein werde? Oder dass etwas anderes geschieht, was ich auf keinen Fall in meinem Leben haben will?« Genauso recht hast du, wenn du mir vorhältst: »Ich warte schon so lange auf eine Veränderung, und jetzt erwartest du, dass ich stillhalte? Ganz sicher nicht. Sage mir, was ich machen soll.«
Nun gut. Höre mich bitte freundlich seufzen, aber natürlich verstehe ich dich. Du willst Kontrolle haben in einem Prozess, der sich nicht kontrollieren lässt. Das Nichtkontrollieren ist für die Raupe okay, aber sie hat auch keinen freien Willen und bekommt nicht bewusst mit, was passiert. Zumindest unterstellen wir das einmal.
Können wir dennoch einen Moment über Hingabe und Vertrauen reden? Übungen folgen gleich im Anschluss.
Wie auch immer dein Veränderungsprozess aussieht, er ist vom Leben gewollt. Es ist immer ein gesunder Reifungsprozess, an dessen Ende ein Aspekt aus dem Kokon schlüpft, der bereits in dir angelegt war. Bevor es jedoch so weit ist, kannst du diesen Aspekt bestenfalls erahnen, aber mehr noch nicht. Man könnte sagen, da wirkt eine höhere Kraft, sei es einfach deine DNA oder, wenn du das Ganze spirituell sehen willst, deine Seele. Vielleicht auch beides. Weil dieser Prozess gewollt ist, wird er auch geführt. Vertraue dem Prozess, er weiß, was er tut, und er wurde schon sehr lange in dir und auch in deinem äußeren Leben vorbereitet. Heißt das, du sollst einfach alles geschehen lassen? Ja, in diesem Stadium schon. Aber nicht wie ein Opferlamm, sondern bewusst. Denn woher weißt du, dass nicht genau diese Hingabe nötig ist, eben das ist, was du lernen und üben sollst und darfst?
Was bedeutet Hingabe überhaupt, das ist doch wohl sehr nah am Opfersein angesiedelt, oder? Und war es nicht oft genug genau dieses Nichtstun, das dich in Schwierigkeiten gebracht hat? Nun, ich sage dir: Alles zu seiner Zeit. Nichtstun, wenn du einen klaren Handlungsimpuls spürst, ist genauso schädlich wie Aktion, obwohl Hingabe gefordert ist.
Hingabe bedeutet nichts anderes, als dass du deinen Impulsen folgst – den Impulsen nach Ruhe, nach Rückzug, nach Veränderung, nach Handlung, nach all dem, wozu es dich innerlich im Moment drängt. Du erlaubst der Veränderung in dir, stattzufinden, und gibst ihr innerlich Raum, erlaubst deinem Inneren, diesen Kokon zu spinnen. Du hörst bewusst auf, auf althergebrachte Weise zu funktionieren, und sagst Ja zu diesem Prozess der Veränderung, auch wenn du nicht weißt, wohin er dich führt. Du lässt dich mitnehmen und tragen, selbst wenn es ein wenig wackelig und schwankend wird.
Doch warum ist ebendiese Hingabe so schwierig? Weil es in dir nicht nur die gesunde Widerstandsfähigkeit gegenüber Veränderungen gibt, sondern auch ein unbewusstes Lebensrettungsprogramm, das oft übers Ziel hinausschießt: den sogenannten Schmerzvermeidungsinstinkt. Und der leugnet, dass überhaupt ein Prozess stattfindet.
Der Unterschied zur Resilienz? In der Resilienz bekommst du deine neuen Gedanken und Bedürfnisse oder auch deine Zipperlein mit, du spielst sie aber (noch) herunter, findest harmlose Erklärungen und projizierst die Gründe für dein verändertes Gesamtgefühl nach außen. Du akzeptierst das Unwohlsein und versuchst mehr oder weniger bewusst, irgendwie damit zu leben. Du hoffst, dass es irgendwann vorbeigeht, und schiebst das ungute Gefühl auf die Umstände. Und manchmal stimmt das ja auch.
In der Schmerzvermeidung dagegen streitest du komplett ab, dass du dich in irgendeiner Form anders fühlst, dass du eventuell unzufrieden bist, deine Komfortzone zu eng geworden ist. Etwas in dir tut so, als würdest du gar nicht bemerken, dass etwas nicht stimmt. Du suchst nicht nach Lösungen, sondern leugnest einfach völlig, dass du überhaupt eine Lösung brauchen könntest.
Die Schmerzvermeidung dient immer dazu, dir ein bestimmtes emotionales Niveau zu garantieren. Bestimmte Gefühle hält sie dir vom Leib, andere dagegen möchte sie im Zusammenspiel mit dem Belohnungszentrum dauerhaft erzeugen. Das ist auch sinnvoll, solange du ein Kind und deshalb nicht entscheidungsfähig bist, weil dein Leben von den dich versorgenden Personen abhängt. Doch als Erwachsener ist es nicht mehr sinnvoll, dich vom Belohnungs- und Schmerzvermeidungszentrum steuern zu lassen. Denn diese beiden sorgen dafür, dass du in den bekannten Bahnen bleibst, eben in dieser Komfortzone. Evolution aber geht anders.
Ein typisches Beispiel der Schmerzvermeidung: