Die Heilung des inneren Kindes - Susanne Hühn - E-Book

Die Heilung des inneren Kindes E-Book

Susanne Hühn

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Beschreibung

Die Aussöhnung mit dem inneren Kind und seine Heilung schenken uns eine ungeheure Freiheit." Die AutorinIn diesem Buch bekommt das innere Kind eine Stimme, damit der Leser sein es kennenlernt und damit sich selbst zu verstehen beginnt. So kann er die Verantwortung für das innere Kind übernehmen und dadurch handlungsfähig werden für ein Leben voller Selbstbestimmung. Die Autorin beschreibt die verschiedenen Formen der Verletzungen anhand bekannter Märchenfiguren (u.a. Das hässliche Entlein, Sterntaler, Schneewittchen). Sie beschreibt zahlreiche, sehr einfach durchzuführende Rituale, Übungen und Meditationen, außerdem nennt sie sieben Lebensregeln, mit denen der Leser sein Leben dauerhaft und stabil verändern kann. Dieses Buch holt das innere Kind genau da ab, wo es steht, nämlich im Verlorenen, es geleitet das Kind

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ISBN 978-3-8434-6033-0

Susanne Hühn:

Die Heilung des Inneren Kindes

Sieben Schritte zur Befreiung des Selbst

© 2008, 2017 Schirner Verlag, Darmstadt

Umschlag: Murat Karaçay, Schirner,

unter Verwendung von # 322022117 (© BABAROGA) und # 115590538 (© Melamory), www.shutterstock.com

Print-Layout: Anke Müller, Schirner

Bildnachweis: # 322022117 (© BABAROGA), # 203177821 (© BABAROGA) und # 185415722 (© Bariskina), www.shutterstock.com, Logo »Hände«: Murat Karaçay, Schirner

Lektorat: Claudia Simon, Schirner

E-Book-Layout: Rudolf Scholz, Schirner

Gesetzt aus der Arimo (© Ascenderfonts.com)

unter der Apache-Lizenz 2.0: www.apache.org/licenses/LICENSE-2.0

E-Book-Erstellung: Datagrafix GmbH, Berlin

www.schirner.com

2., überarbeitete E-Book-Auflage 2018

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen und sonstige Kommunikationsmittel, fotomechanische oder vertonte Wiedergabe sowie des auszugsweisen Nachdrucks vorbehalten

ÜBER DIE AUTORIN

Susanne Hühn ist ausgebildete Lebensberaterin und ganzheitliche Physiotherapeutin. Sie schreibt spirituelle Selbsthilfebücher und gibt Lebensberatung, Channelings sowie Meditationskurse für Erwachsene und Kinder. Seit 1986 begleitet sie Menschen auf ihrem Weg zur Gesundung. Mit dem Schreiben begann sie 1992. Zuerst schrieb sie spirituelle Romane, dann vermittelte sie ihr Wissen in Sachbüchern und auf CDs, die sie mittlerweile in großer Zahl veröffentlicht hat.

www.susannehuehn.de

INHALT

Über die Autorin

Vorwort von Stefanie Stahl

Einleitung

Erster Teil

Regel Nummer eins: Weinen dürfen

Regel Nummer zwei: Sich Zeit nehmen, nichts zu tun

Regel Nummer drei: Das machen, wozu man Lust hat

Regel Nummer vier: Damit aufhören, was keinen Spaß macht

Regel Nummer fünf: Zu denen gehen, die einen lieb haben

Regel Nummer sechs: Albern sein

Regel Nummer sieben: Um Hilfe bitten

Allgemeine Rituale für das Innere Kind

Zweiter Teil

Die Heilung des Inneren Kindes

Die inneren Eltern

Der sichere innere Ort

Sei dein engster Verbündeter

Das beschämte Innere Kind

Die vergiftete weibliche Kraft

Die Heilung des co-abhängigen Kindes

Heimkehren ins Licht

Das dunkle Innere Kind

Das innere Paradieskind

Nachwort

Literaturverzeichnis

VORWORT VON STEFANIE STAHL

Den ersten persönlichen Kontakt zu Susanne Hühn hatte ich per E-Mail. Sie fragte an, ob die Rezension, die sie über eines meiner Bücher für einen wichtigen Buchhandelskatalog geschrieben hatte, so in Ordnung sei. Und ob die in Ordnung war! Dabei stand mein Buch doch in Konkurrenz zu ihren Büchern. Donnerwetter, das war verdammt großzügig von Susanne. Das hätten nicht viele an ihrer Stelle fertiggebracht. Ich habe sie inzwischen persönlich kennengelernt und bin überzeugt, dass ihr Großmut ein Zeugnis ihrer Aufrichtigkeit ist. Susanne lebt, was sie schreibt. Sie ist authentisch und liebevoll. Sie will den Menschen wirklich helfen.

Susanne beschreitet in ihren Büchern und in ihren Seminaren zum Inneren Kind einen anderen Weg als ich. Sie ist spirituell, ich leider nicht. Trotzdem finde ich ihre Bücher sehr überzeugend, sie gefallen mir gut. Sehr gut finde ich, dass Susanne immer auch einen Bezug zur physikalischen Ebene herstellt. Sie hat fundierte Kenntnisse über das menschliche Gehirn, die sie auf leicht verständliche Weise vermittelt. Auch sind ihre psychologischen Ausführungen zu den frühkindlichen Prägungen sehr gut nachvollziehbar. Susanne arbeitet wie viele Therapeuten mit dem Persönlichkeitsanteil, der in der Psychologie als »Inneres Kind« bezeichnet wird. Sie erklärt, was unser Inneres Kind prägt und welch ungeheuren Einfluss es auf unser erwachsenes Leben nimmt. Mit ihren Meditationen und Übungen gibt sie den Leserinnen und Lesern wunderbare Hilfen, um Angst, Scham, Trauer und Selbstzweifel zu überwinden. Susanne ist überzeugt, dass es so etwas wie Schutzengel und höhere Lehrer etc. gibt. Als ich mich hierzu einmal skeptisch äußerte, meinte sie: »Steffi, es ist egal, ob du daran glaubst – dein Inneres Kind tut es in jedem Fall!« Genauso ist es. Ihre Meditationen sind ungeheuer tröstlich und heilend, und zwar unabhängig davon, ob man selbst spirituell unterwegs ist oder nicht. Ich habe auch schon einige Übungen von Susanne bei meinen Klienten sehr hilfreich angewendet. Susanne setzt sich mit dem verletzten Inneren Kind mit sehr viel Mitgefühl und fantasievoller Kreativität auseinander. Ihre Übungen helfen, das verletzte Innere Kind zu heilen und dessen fröhliche und spontane Anteile zu stärken.

In diesem Buch stellt Susanne zunächst sieben Regeln vor, die zu einem authentischen und glücklichen Leben führen. Das ist sehr klar und frisch. Überhaupt schreibt Susanne so, wie sie ist: lebendig und geradeheraus. Sie hilft nicht nur, sie unterhält auch. Dafür sind ihr sicherlich viele Leserinnen und Leser dankbar. Wer jedoch nicht nur unterhalten werden will, sondern sich auch weiterentwickeln möchte, muss sich auch mit den Übungen befassen – das gilt für jeden Lebenshilferatgeber. Fleiß gehört dazu, die Heilung fällt nicht einfach vom Himmel. Hier geht es darum, Verantwortung für sich und das Innere Kind zu übernehmen. Diese Verantwortung vermittelt Susanne sehr schön, nicht zuletzt über die Arbeit mit dem inneren Erwachsenen. Wer dieses Buch lebt und nicht nur liest, dem wird bestimmt geholfen.

Liebe Susanne, ich danke dir für deine großartige Arbeit, die du zum Inneren Kind leistest, und bin überzeugt, dass du damit sehr vielen Menschen hilfst!

Ganz herzlich

Steffi

EINLEITUNG

Dieses Buch handelt vom wichtigsten Wesen deines Lebens, wenn du glücklich und erfüllt leben willst: deinem Inneren Kind. Wenn es in Sicherheit ist und sich geborgen fühlt, dann bist du voller Kraft, Freude, Zuversicht und Lebensmut. Ist es dagegen einsam, verletzt, traurig oder wütend, dann scheint dein Leben stehen zu bleiben. Du wirst immer wieder mit den gleichen Fragen konfrontiert, der Erfolg bleibt aus, und irgendwie scheint alles leer zu sein. Egal, in welchen Lebensbereich du dann schaust, du triffst immer wieder auf die gleichen Themen, bekommst nie das, was du wirklich brauchst, fühlst dich immer wieder unbeachtet, zurückgewiesen, nicht anerkannt, du bekommst zumindest gefühlt zu wenig Geld, Liebe, Zuwendung oder Möglichkeiten. Egal, wie sehr du dich anstrengst, letztlich erlebst du immer wieder die gleiche Art von Niederlagen. Du bist ein Opfer der Gesellschaft, eines Mannes oder der Ansprüche deiner Frau, deines Arbeitgebers oder deiner Kollegen, du hast das Gefühl, dein Leben nie wirklich in die Hand nehmen zu können.

Es ist sehr einfach: Wenn du auf der Erde solidarisch mit deiner Seele handeln und agieren willst, ausprobieren möchtest, ob deine Träume und die Bedürfnisse deiner Seele der Schwerkraft und der Statik der Wirklichkeit standhalten, dann brauchst du ein mutiges und selbstsicheres Inneres Kind. Der eingeschüchterte und entmutigte Anteil wird dir sonst bei der Verwirklichung deiner Träume mit all seinen Befürchtungen und Vermeidungsstrategien ständig in die Quere kommen.

Wenn man an das Innere Kind denkt, dann lächeln die meisten Menschen liebevoll oder auch ein bisschen ironisch und meinen damit den Teil, der mit »Das Kind im Manne« oder »Die innere Prinzessin« oder »Pippi Langstrumpf« beschrieben wird. Dieses Kind bekommt ab und zu ein wenig Raum, es darf sich manchmal ein Eis bestellen, obwohl die Diätpläne dagegensprechen, oder vor einem Schaufenster mit Modelleisenbahnen stehen bleiben. Man ist großzügig, wenn es um das Innere Kind geht. Ab und zu darf es spielen, denn das trägt ja dazu bei, dass man sich besser fühlt. Das Inneres Kind wird so verharmlost und verniedlicht, dass man oft erschrickt, wenn man seine wahre Kraft und seinen immensen Einfluss auf das Leben, seine dramatischen Verletzungen und die unbändige Freude, die es bringen kann, zu spüren bekommt.

Es ist das Innere Kind, das leuchtende Augen bekommt, wenn du dir den verbotenen Eisbecher erlaubst, ja. Es ist aber auch das Innere Kind, das dich dazu bringen kann, andere und dich selbst bis zum Exzess zu kontrollieren und zu vereinnahmen oder dich vereinnahmen zu lassen. Es ist das Innere Kind, das so tief einsam ist, dass du nicht anders kannst, als Drogen welcher Art auch immer zu nehmen, das diese vage Ungeborgenheit und jene Selbstzweifel, die dich immer wieder vor den Abenteuern des Lebens zurückschrecken lassen, in dir hervorruft. Es ist das Innere Kind, das dafür sorgen kann, dass deine Beziehungen scheitern, weil du immer wieder in die gleichen Konflikte gerätst, das dich im Beruf unzufrieden sein lässt, weil du nicht für deine Wünsche und Bedürfnisse geradestehst.

Der zutiefst verletzte Teil deines Inneren Kindes zeigt sich in jenen Augenblicken im Leben, in denen du die Nase voll hast und sich das Gefühl in dir ausbreitet, dass nichts einen Sinn ergibt. Es zeigt sich, wenn du dich wertlos fühlst, dich dafür schämst, dass du überhaupt Bedürfnisse nach Liebe und Zärtlichkeit hast, dich kleinmachst und ständig versuchst, über Gebühr für andere da zu sein, weil du sonst gar keine Daseinsberechtigung mehr in dir spürst. Es zeigt sich, wenn du deine Umgebung kontrollierst, besonders dich selbst, wenn du dir nicht erlaubst, zu fühlen, was du fühlst, wenn du eine Rolle spielst, Masken trägst, so bist, wie du meinst, dass andere dich haben wollen.

Dein Inneres Kind aber ist es auch, das dir Kraft gibt, dich mutig über alle Ängste und Zweifel hinwegzusetzen und deinem Herzen treu zu bleiben. Wenn es sich geborgen fühlt, dann kann es dir so viel Kraft und Lebendigkeit schenken, dass du all deine Aufgaben mit Leichtigkeit und Anmut bewältigen könntest. Dein Inneres Kind lässt dich entweder durch das Leben tanzen oder müde dahinschlurfen, je nach Befindlichkeit.

Das komplexe emotionale Gebilde, das sich aus vielen verschiedenen Anteilen des Inneren Kindes zusammensetzt, ermöglicht dir einen direkten und unverfälschten Zugang zu deiner Vergangenheit. Dort ist deine emotionale Wahrheit gespeichert. Das Innere Kind ist der wahre Emotionalkörper, in ihm ist all das verankert, was du nicht ertragen hättest zu spüren, seien es Liebe, Trauer, Scham, Enttäuschung, Angst, Schock, Wut, aber auch Wildheit und überschäumende Lebensfreude. Das Innere Kind ist ein Geflecht aus Erfahrungen, Wünschen, Träumen und Sehnsüchten. In ihm sind all deine Erfahrungen gespeichert, die du als Kind erlebt hast. Und zwar vollkommen subjektiv, eben so, wie du die Dinge mit deinem noch nicht herangereiften Kindergehirn, das noch nicht abstrakt und analytisch denken konnte, erlebt hast. Wie auch immer du deine Kindheit erlebt hast, deine wahren Emotionen sind in deinem Inneren Kind, genauer gesagt im limbischen System deines Gehirnes, gespeichert. Aber auch, und darum geht es in diesem Buch, deine kindlichen Reaktionen auf alles, was du erlebt hast. Denn es sind diese kindlichen Reaktionen, die dir auch heute noch Schwierigkeiten bereiten. Warum? Weil du auch heute noch unbewusst in erster Linie aus der kindlichen Schmerzvermeidung heraus handelst, wenn du dein Inneres Kind nicht bewusst wahrnimmst und hütest.

Wie nimmt ein Kind die Welt wahr? Ein kleines Kind ist kein denkendes, sondern ein ausschließlich wahrnehmendes und fühlendes Wesen. Vor allem aber ist es vollkommen unbewusst. Es kann nicht zwischen sich und der Außenwelt unterscheiden. Alles, was es wahrnimmt, gehört in seinem Erleben unmittelbar zu ihm. Als Baby erwartest du unbewusst und vollkommen berechtigt, dass du versorgt und geliebt wirst, Sicherheit und Geborgenheit erfährst. Sicherheit zu erfahren ist für ein Neugeborenes überlebensnotwendig, lebenswichtiger noch, als geliebt zu werden. Denn auch wenn ein Kind sehr geliebt wird, kann es sein, dass die es versorgenden Personen nicht in der Lage sind, ihm Sicherheit zu geben, zum Beispiel aus finanziellen Gründen, aufgrund einer Krankheit oder der Lebensumstände. Die Liebe selbst hingegen, auch wenn sie keine Sicherheit vermitteln kann, bestimmt das Grundgefühl, das ein Baby sich selbst gegenüber entwickelt. Sicherheit und Liebe zusammen ergeben Geborgenheit.

Was bedeutet es, geliebt zu werden? Beglückst du deine Eltern mit deiner Anwesenheit, dann verankert sich das Gefühl, wertvoll zu sein, tief in den Zellen und im Stammhirn und bildet die Grundlage für deine emotionale Entwicklung. Selbstverständlich ist dieses natürliche Selbstwertgefühl störanfällig und kann durch schmerzliche Erfahrungen nachhaltig traumatisiert werden. Und doch bildet es eine Basis, auf der du, egal, wie sehr du verletzt wurdest, aufbauen kannst. Als Selbstwertgefühl bezeichne ich in diesem Fall das innere Wissen, dass deine pure Existenz, dein reines Sein, dich und andere beglücken und erfreuen kann. Du fühlst dich ermächtigt zu beglücken, und es ist für dich selbstverständlich, dich und deine Gaben in die Welt zu tragen und wirksam werden zu lassen.

Was bedeutet Sicherheit für ein Kind? Du wirst in deinen Bedürfnissen wahrgenommen, und mindestens eine Person ist befähigt, diese Bedürfnisse schnellstmöglich zu erfüllen. Du brauchst Ruhe, Wärme oder Kühlung, du hast Hunger und Durst, du brauchst Sauberkeit, körperliche und emotionale Unversehrtheit. Du brauchst Anregungen und Bewegung, die Möglichkeit, dich zu entfalten und heranzureifen. Du brauchst jemanden, der dir erlaubt, ihn mit deinen Bedürfnissen in Beschlag zu nehmen, und der gern und zuverlässig für dich da ist. Du brauchst einen Menschen, der in der Lage ist, dir einen unermesslich großen Dienst zu erweisen: Jemand stellt seinen Körper zur Verfügung, damit du darin wachsen und gedeihen kannst, er geht im besten Fall eine symbiotische Beziehung mit dir ein.

Warum nicht nur eine versorgende, sondern sogar eine symbiotische Beziehung? Weil auch die Mutter eine Abhängigkeit entwickelt und entwickeln darf. Diese mütterliche Abhängigkeit von ihrem Kind sorgt dafür, dass sie das Leben des Kindes über ihr eigenes stellt und alles zu tun bereit ist, um sein Leben zu schützen. Ist eine Mutter, die eine symbiotische Beziehung mit ihrem Kind eingeht, in der Lage, ihr Kind zu schützen, zu nähren, zu befrieden, dann erfährt sie selbst tiefste Erfüllung, mehr noch, Ermächtigung. Diese Ermächtigung strahlt zum Kind zurück, und es fühlt sich nicht nur sicher, sondern auch wertvoll und machtvoll wie die Mutter. Es spürt, dass es in der Lage ist zu beglücken. Dadurch entwickelt sich ein ganz natürliches Selbstwertgefühl. Das Kind erlebt sich als wertvolles Geschenk. Es erlebt, dass es Freude bereitet, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Und da ein Neugeborenes noch nicht zwischen sich und seiner Umwelt differenzieren kann, also nicht wahrnimmt, dass es ein Gegenüber hat, das sich von ihm unterscheidet, erlebt es im besten Fall: Die ganze Welt ist ein sicherer, freudvoller, behüteter Ort. Das, was die Mutter dem Kind gibt, kann es sich später mit Leichtigkeit auch selbst geben, weil es keinen Unterschied zwischen sich und der Mutter erkennt, innen ist wie außen.

Das, was ihm die Mutter gibt, sei es positiv oder negativ, wird sich das Kind allerdings später in jedem Fall selbst geben, auch wenn es ihm schadet oder zumindest seinem Wohlbefinden nicht zuträglich ist. Denn am Anfang des Lebens identifiziert das Baby die Mutter mit dem gesamten Leben, mit sich selbst, mit allem, was ist.

Warum ist die Mutter so wesentlich? Weil das Kind in ihrem Leib heranwächst. Schenkt der Körper der Mutter dem Kind kein Ja, dann stirbt es. Schenkt der mütterliche Körper dem Kind ein Ja, wächst es also heran, die Mutter selbst aber möchte nicht Mutter werden, dann erleben Mutter und Kind trotz der symbiotischen Beziehung tiefe Einsamkeit. Trotz der Symbiose prägt diese tiefe Einsamkeit die Beziehung zwischen Mutter und Kind nachhaltig. Es ist, als gäbe es einen tiefen Graben an der Stelle, an der wortloses Verstehen zwischen Mutter und Kind stattfinden sollte. Wie schmerzhaft das für beide (!) ist, kannst du dir sicher vorstellen. Ist die Mutter glücklich, selbst wenn sie ab und zu Angst und Zweifel hat, dann fühlt sich das Kind beim Heranwachsen geborgen und sicher, verbunden und eins mit der Mutter. Diese Verbundenheit bildet eine gute Basis, die fehlt, wenn die ablehnende Person die Mutter selbst ist.

Gerade heute las ich in einem Buch »Auch Einsamkeit ist nur ein Gedanke« oder so ähnlich. Um Himmels willen. Kindliche Einsamkeit ist zutiefst erlebte Todesangst, vollkommenes energetisches und emotionales Abgeschnittensein vom Rest der Welt und auch von sich selbst, denn für ein Baby gibt es keinen Unterschied zwischen innen und außen. Es kann nicht mit sich selbst verbunden bleiben, während es im Außen nur Ablehnung erlebt. Fehlt eine verstehende, liebende, symbiotische Beziehung, auf die sich das Kind verlassen kann, dann wird es sich niemals ganz und gar öffnen, wenn es Beziehungen eingeht, nicht einmal sich selbst gegenüber. Ein Teil bleibt weder anderen noch ihm selbst zugänglich.

Eine gesunde Symbiose bedeutet, dass sich die Abhängigkeit auf das bezieht, was zwischen Mutter und Kind gesund und erforderlich ist. Die Mutter (nicht die gesamte Person, sondern der mütterliche Anteil in ihr) spürt sich selbst über das Nähren, das Dasein, die Verbundenheit mit ihrem Kind. Eine Mutter braucht ihr Kind, sonst kann sie nicht Mutter sein, so einfach ist das. Aber sie braucht es zum Muttersein, sonst nicht.

Eine ungesunde Symbiose sieht ganz anders aus und bezieht sich auf Aspekte, die nichts in der Mutter-Kind-Beziehung zu suchen haben, zum Beispiel das einsame Innere Kind der Mutter selbst. Braucht das Innere Kind der Mutter das Kleinkind, ist es eifersüchtig, neidisch, ist es abhängig von diesem äußeren Kind, damit es sich geliebt und nicht mehr so einsam fühlt, dann schleichen sich Anteile in die Mutter-Kind-Beziehung ein, die Energie in Form von Aufmerksamkeit und Liebe vom äußeren Kind fordern. Die gesunde Mutter fordert nichts von ihrem Kind, sie nährt es. Das Innere Kind der Frau aber kann sehr wohl sehr fordernd sein, und damit schadet sie ihrem Kind. Selbstverständlich gilt all das genauso für den Vater.

Kann diese symbiotische Rolle nach der Geburt auch von einer anderen oder von mehreren Personen erfüllt werden? Ja, natürlich. Das Wichtigste ist, dass jemand da ist, der Sicherheit und Verstehen vermittelt und das gern tut.

Ungefähr ab dem sechsten Lebensmonat lockert sich diese Symbiose. Das Kind beginnt, ein Gefühl für sich selbst zu entwickeln. Diese positive Symbiose ist für die Entwicklung des Kindes wesentlich. Fehlt sie, kann das Kind kein Urvertrauen entwickeln. Warum nicht? Weil du nur Vertrauen entwickeln kannst, wenn du positive Erfahrungen machst. Fehlen diese oder erlebst du sie nur sporadisch, dann bleibt das Vertrauen bruchstückhaft und gründet sich mehr auf Hoffnung als auf echtem Erleben. Du wirst alles tun, was in deiner Macht steht, um doch noch die Liebe und die sicheren Umstände zu erringen, die dir verwehrt blieben. Das ungeborgene Kind in dir kämpft, bleibt es ungesehen, ein Leben lang um die Liebe und das Ja der Eltern.

War deine Kindheit von emotionaler Kälte, Angst, Missachtung und Einsamkeit geprägt, dann bleibt dir die Erfahrung der Geborgenheit und Sicherheit versagt. Das Leben selbst scheint Schmerz und Pein zu verursachen, so erlebt es der Säugling. Er kann nicht zwischen der ablehnenden Reaktion der Eltern und sich selbst unterscheiden. Alles ist eins für ihn, und so ist jede Ablehnung, jedes Nein zu seiner Existenz, ein Nein, das auch in ihm entsteht, genährt wird und sich völlig unbewusst und zutiefst in ihm verankert. Das ständige oder gelegentliche Nein der Eltern zu dir wird automatisch zu einem Nein zu dir selbst. Jedes Baby ist in Symbiose mit der Mutter, selbst wenn sich diese verweigert. Für das Kind geht es nicht anders, wenn es überleben will. Diese negative Symbiose verursacht nachhaltig Schmerz, Unsicherheit, Angst, Scham und unermessliche Einsamkeit. Das Schlimmste ist: Das Kind hat keine Chance, diesen Zustand zu ändern. Es kann nichts »richtig machen«, weil es keinen Handlungsspielraum hat. Es braucht die Mutter, damit es überlebt. Dennoch wird das Baby alles tun, um eine positive Symbiose herzustellen, und alles unterlassen, was schmerzhaft ist. Das tut es natürlich nicht bewusst. Diesen Part übernimmt die sogenannte Amygdala, die eng mit dem Lust- und Belohnungszentrum zusammenarbeitet.

Erlebt ein Baby Angst, sei es die eigene oder die der Personen in seinem nahen Umfeld, dann reagiert das Angstzentrum, ebendiese Amygdala, mit einem eindeutigen Befehl an das Stammhirn: Gefahr im Verzug, sofort flüchten, angreifen oder sich totstellen, je nach Situation und Fähigkeit. Ein Baby kann nicht angreifen, also schreit es weiter, oder es erstarrt. Wird das Kind nun gehalten, gestillt, gestreichelt und getröstet, dann ebbt das Angstgefühl ab. Das Angstzentrum beruhigt sich, und das Kind macht unbewusst die Erfahrung: Ich habe manchmal Angst, und dann werde ich getröstet. Das ist eine gute Erfahrung. Das Kind lernt unbewusst, auf Hilfe zu vertrauen, auch wenn eine Situation zunächst schwierig erscheint. Wird es nicht gehalten, dann spaltet das Gehirn die Angst verursachende Situation ab und versucht, sie von nun an zu vermeiden. Wie oft bemerken Eltern gar nicht, können gar nicht bemerken, dass ein Kind Angst hat? Oder übergehen diese Angst? Zumal es oft genug gar nicht die eigene Angst ist, die es spürt? Das Gehirn des Kindes versucht also, eine Angst zu verarbeiten, die gar nicht seine eigene ist. Es kann letztlich nur mit Abspaltung und Vermeidung reagieren. Aus dieser Abspaltung heraus entsteht ein sogenanntes dunkles Inneres Kind, darum kümmern wir uns im zweiten Teil.

Wenn ein Kind nichts oder zu wenig von dem bekommt, was es braucht, wenn sein eigener Platz im System also nicht existiert oder es gefährlich ist, ihn einzunehmen, dann wählt das Kind unbewusst einen Platz im System, an dem es sicher ist und den Schmerz nicht spüren muss. Entweder ist das ein Platz, der leer steht, oder es erschafft sich den Platz und macht sich auf seine Weise unentbehrlich. Das Kind übernimmt Verantwortung und Fürsorge, es spielt den Clown und bringt alle zum Lachen, es macht sich unsichtbar und ist nicht mehr greifbar, zieht sich in sich selbst zurück oder versucht, die Familie zusammenzuhalten. Dieser sichere Platz im System sorgt dafür, dass sich das Kind nicht ständig bedroht und unterversorgt fühlt. Es verschmilzt mit der Rolle, die es einnimmt, und kann schließlich nicht mehr zwischen sich selbst, dem eigenen Bedürfnis nach Sicherheit und der Funktion, die es in der Familie hat, unterscheiden. Das geht so weit, dass das Kind nicht mehr weiß, wer es eigentlich ist, wenn es keine festgelegte Rolle in der Familie erfüllt. Es existiert nur in seiner Funktion als Unterhalter, als Retter, als Clown, nicht als eigenständiger Mensch mit eigenen Bedürfnissen, Plänen und Wünschen. Meistens funktionieren diese Kinder ausgesprochen gut, sind aber nicht in der Lage, eigene Ansprüche zu stellen. Das kann so weit gehen, dass das gesamte Leben und sogar die vermeintliche Bestimmung darauf ausgerichtet bleiben, die Funktion in der Familie zu erfüllen, damit der Platz im System gesichert ist.

Das nennt man Co-Abhängigkeit: Du spürst dich nur über die Beziehung zu anderen, nicht über die Beziehung zu dir selbst. Du spürst dich selbst dann über die Beziehung zum anderen, wenn diese schmerzhaft und sehr belastend ist. Deine eigenen Wünsche und Bedürfnisse ordnest du der Beziehung zum anderen nicht nur unter, du bekommst sie gar nicht mit, leugnest gar, überhaupt Bedürfnisse zu haben. Die allzu Tapferen, die, zu denen man sagt: »Ich weiß nicht, wie du das schaffst«, sind oft diejenigen, die »es« schaffen müssen, weil sie sich sonst nicht spüren. Als Co-Abhängiger führst du lieber eine Beziehung, in der du dich aufopferst und »wichtig« bist, als gar keine. Denn die Beziehung zu dir selbst ist nie auf gesunde Weise hergestellt worden, war immer schuldbehaftet und im schlimmsten Falle gefährlich.

Ich möchte dir Werkzeuge geben, mit denen du eine liebevolle, schützende Beziehung zu dir selbst herstellen kannst, zu deinen inneren Anteilen, die sich nicht selbst beschützen können. Die gibt es immer noch. Das Innere Kind ist der Anteil in dir, der wirklich bedürftig ist, der »zu viel fühlt« und der nicht für sich selbst sorgen kann. Er muss es auch nicht lernen, sondern darf kindlich bleiben. Er ist das Kind, das du warst, das du wirklich warst, nicht das, von dem du bewusst weißt, und auch nicht das, das deine Eltern kennen. Dein Inneres Kind (oder genauer: deine Inneren Kinder, denn du hast viele – in jedem Alter und in jedem emotionalen Zustand, den du erlebt hast) kennt ja deine wahren Gefühle in Bezug auf das, was dir als Kind geschehen ist, und es versucht, dich dazu zu bringen, das Gute zu wiederholen und das Schmerzhafte zu vermeiden. Das klingt sinnvoll, aber es dient nicht dazu, frei, selbstbestimmt und schöpferisch dein Leben zu gestalten. Unreflektierte Schmerzvermeidung und sofortiger Lustgewinn sind nicht immer die besten Ratgeber, schon gar nicht, wenn du dein Leben selbstverantwortlich leben willst.

Doch du bist nun erwachsen, und in dir gibt es herangereifte Anteile, die die Verantwortung für deine Bedürfnisse sehr gut selbst übernehmen können.

Das Innere Kind kann man nur erfassen, wenn man erlaubt, von ihm im Herzen berührt zu werden. Das Reich des Inneren Kindes ist nicht durch logische Argumente oder den Intellekt zu erfassen, und es reagiert auch nicht darauf. Seine Welt ist emotional und magisch, es ist die Welt der inneren Bilder, der Symbole und der Verzauberung. Wenn du verstehst, was in deiner Kindheit passiert ist, warum du verletzt bist, warum du auf eine bestimmte Weise reagierst, dann ist das sicher sehr hilfreich, aber es ändert absolut nichts. Das Innere Kind lässt sich weder davon beeindrucken noch erreichen, im Gegenteil. Nun kannst du dir ganz bewusst dabei zusehen, wie du dennoch auf die alte, wahrscheinlich für andere völlig unverständliche Weise reagierst. Du weißt, warum du es tust, aber du kannst es trotzdem nicht ändern. Die Inneren Kinder wirken nicht irgendwie im Verborgenen, sondern zeigen sich ganz direkt in all den Situationen, in denen alte Wunden berührt werden.

Wenn du ein verletztes Inneres Kind hast, und wer hat das nicht, dann braucht es eine große, beinah heilige Macht, damit du in Frieden mit ihm leben kannst: Mitgefühl. Für dich selbst und für andere. Das schreibt sich leicht, aber im Alltag, wenn du an genau den Stellen berührt wirst, an denen es so wehtut, dass du erstarren, flüchten oder dich unsichtbar machen willst, ist es beinah unmöglich, Mitgefühl aufzubringen, weder für den anderen noch für dich selbst. Und so fühlst du dich gekränkt, wirst trotzig, wirfst mit spitzen oder eiskalten Bemerkungen um dich, jammerst, erlebst dich als Opfer und machst deine Schotten, die Chakren, dicht.

Noch einmal, weil es so wichtig ist: Im Mutterleib bist du, wie wir es weiter oben bereits besprochen haben, maximal von deiner Mutter und deren physischer und psychischer Fähigkeit, dich zu versorgen, abhängig. Wirst du geboren, übernimmst du einige biologische Funktionen selbst, doch du bleibst zunächst äußerst abhängig. Du brauchst einen Menschen, der sich bewusst dafür entscheidet, für dich zu sorgen, selbst wenn es für ihn gerade unbequem ist. Du brauchst einen Menschen, der bereit ist, ebendiese Symbiose mit dir einzugehen. Er muss in der Lage sein, dich zu hören, deine Bedürfnisse zu erkennen, sie sogar zu fühlen und sie zu befriedigen. Du bist dir deiner selbst unbewusst, du bist unschuldig. Du brauchst jemanden, der dir liebevolle, positive Reaktionen schenkt, der sich freut, dich zu sehen und für dich zu sorgen, und der dich liebt. Hast du das nicht, kannst du dennoch überleben, aber du kannst dich nicht gesund entwickeln, sei es physisch oder emotional. Liebe allein ist nicht genug, wenn die Fähigkeit, für dich zu sorgen, fehlt. Für dich zu sorgen reicht auch nicht, wenn du keine positive emotionale Rückmeldung, eben Liebe, bekommst. Diese Symbiose sorgt dafür, dass eine Mutter (oder wer auch immer für das Baby sorgt) spürt, wenn dem Kind etwas fehlt. Sie versetzt sie in der Lage, beinah telepathisch mit dem Baby zu kommunizieren und es zu fühlen. Ein Kind ist davon abhängig, dass es gefühlt und verstanden wird, dass jemand in der Lage ist, seine Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen.

Die Ausschüttung des Hormons Oxytocin bei der Mutter, das nach der Geburt dafür sorgt, dass sie ihr Baby entzückt anschaut, es berühren und stillen will, ist für das Kind lebenswichtig, damit es sich in emotionaler Hinsicht stabil entwickelt. Kennst du dieses Entzücken, wenn du ein Tierbaby oder ein Menschenbaby, das dich wirklich berührt, anschaust? Diese tiefe Rührung, die dafür sorgt, dass du alles, aber auch wirklich alles, tun würdest, um dieses Wesen zu beschützen? Das System eines Babys erwartet diese Reaktionen, auch das Entzücken. Bleiben sie aus, dann wird das Baby in seiner noch völlig unbewussten Selbstwahrnehmung irritiert. Was meine ich damit? Das gesamte System eines Babys, die Art, wie es reagiert, die Art, wie sich sein Gehirn entwickelt, die Art, wie es heranreift, ist darauf ausgelegt, dass es jemanden gibt, der es liebevoll beschützt und versorgt. Ein Menschenkind, das wie alle Menschen später mit sehr vielschichtigen und komplexen Emotionen umgehen muss, braucht eine stabile positive emotionale Reaktion der es versorgenden Menschen. Das Leben hier auf der Erde als Säugetier funktioniert nun einmal so, gesteuert vom Oxytocin.

Das Mindeste, was ein Kind zum Überleben braucht, ist zumindest zeitweilige Beachtung. Dafür tut es einfach alles. Es schweigt, es lässt sich verletzen, es bettelt, verbiegt sich. Es muss so handeln, es kann nicht anders. Warum? Weil sein Stammhirn weiß, dass das Kind stirbt, wenn sich keiner um es kümmert. Der Verlust von Aufmerksamkeit bedeutet für ein Kind, Gefahr zu laufen, allein gelassen zu werden. Wird ein Kind unversorgt allein gelassen, ist es innerhalb von zwei Tagen tot. Das weiß das Überlebenszentrum. Und wenn du nie erfahren hast, dass du ausdrücklich und bewusst die Verantwortung für dich und dein Wohlbefinden nicht nur tragen solltest, sondern auch tragen darfst und kannst, dann wirkt dieses innere Programm weiterhin.

Das klingt drastisch, und das ist es auch. Die Trauer, die Scham, die Einsamkeit, die Angst, verlassen zu werden, die Schocks des Kindes, das du warst, wirken weiterhin in dir, auch wenn du erwachsen wirst. Du hast sie unbewusst verdrängt, damit du weiterleben kannst, und das ist auch gut so. Doch was geschieht, wenn Trauer, Einsamkeit, Scham und Angst verdrängt werden? Es bildet sich ein sogenanntes falsches Selbst, ein den Umständen und den Verdrängungsmechanismen dienendes, oft hochfunktionelles Ersatz-Ich. Es agiert im Außen und sorgt dafür, dass du auf keinen Fall mit den emotionalen Themen deiner Kindheit in Kontakt kommst. Auch in diesem falschen Selbst gibt es ein Inneres Kind: das dunkle Innere Kind. Es ist kein wirklicher Anteil deines Selbst, sondern ebenfalls ein Konstrukt. Gleichzeitig gibt es in dir den starken, genauso unbewussten Wunsch, die Dinge aus deiner Kindheit zu klären, Unerledigtes zu vollenden: die Liebe der Eltern doch noch zu erringen, doch noch Gerechtigkeit zu erfahren, endlich wahrgenommen zu werden, deine Eltern am Ende doch noch zu retten oder was immer dein unbewusstes Innerstes antreibt. Und so entsteht ein innerer Kampf: Ein Teil in dir tut alles, um die Verletzungen der Kindheit zu vermeiden, ein anderer genauso viel, um endlich das zu bekommen, wonach du dich schon so lange sehnst. Du suchst dir immer wieder Beziehungen, seien es berufliche oder private, in denen die Themen der Kindheit aktiviert werden. Gleichzeitig aber wirkt der Verdrängungsimpuls, und du bist zwar in Beziehungsnöten, weißt aber nicht, auf welche Weise du diese Schwierigkeiten immer wieder selbst inszenierst.

Das Innere Kind wird oft mit Lebendigkeit und kindlichem Übermut gleichgesetzt oder, in der verletzten Form, mit Einsamkeit und innerer Leere. Aber es ist sehr viel mehr als das, es ist äußerst vielschichtig, hat dunkle und helle Seiten. Das Innere Kind in seiner ganz besonderen Kraft kennenzulernen, ist eine sehr befreiende Erfahrung und eine der schönsten, die du überhaupt machen kannst.

Der Begriff »Inneres Kind« wird in vielen verschiedenen Zusammenhängen erwähnt. Ich meine damit den wahrhaft spielerischen, kindlichen, äußerst feinfühligen Anteil, der nicht erwachsen werden kann und auch nicht erwachsen zu werden braucht. Dieser Anteil benötigt Schutz, Geborgenheit und Heilung, außerdem einen inneren Raum, in dem er seinen Zauber entfalten kann. Das in verschiedenen Reifegraden hängen gebliebene Innere Kind, das in anderen Ansätzen gemeint ist, ist eine in bestimmten Anteilen noch nicht gereifte Persönlichkeit. Das Innere Kind, über das wir hier sprechen, ist das unermesslich empfindungsreiche, wahrhaftige, unschuldige innere Wesen, das wir alle in uns beherbergen.

Im ersten Teil dieses Buches wirst du sieben Regeln kennenlernen, die du nur zu beachten brauchst, um entspannt, glücklich und erfüllt zu leben. Du wirst lernen, was dein Inneres Kind im Allgemeinen braucht und welche Situationen es erstarren oder an sich selbst zweifeln lassen. Du wirst auch erfahren, wie du mit diesen Situationen umgehen kannst. Und natürlich bekommst du auch sieben hilfreiche Regeln für den Erwachsenen in dir. Denn bestimmt hast du zwar oft genug gesagt bekommen, dass du Verantwortung tragen musst, weil du erwachsen bist, aber sicherlich hast du längst noch nicht oft genug gehört, dass du diese Verantwortung in erster Linie für dein eigenes Wohlbefinden übernehmen kannst und darfst!

Im zweiten Teil bekommst du die Möglichkeit, dich deinen verschiedenen Verletzungen zu widmen. Du wirst verstehen, wie die verschiedenen Anteile des Inneren Kindes im Besonderen wirken und was sie brauchen, um heil zu werden. Du wirst ihre Vielschichtigkeit erkennen und sehen, wie sich das Innere Kind auswirkt, welche Energien es hat, wie es sich bemerkbar macht. Und natürlich lernst du, denn das ist ja das Wichtigste, wie du selbst für dein Inneres Kind sorgen kannst. Als Werkzeuge dienen dir neben deinen eigenen herangereiften, erwachsenen Anteilen die Kraft und Weisheit von Märchenfiguren und anderen kindlichen Helden.

Wenn man mit dem Inneren Kind arbeitet, wenn man es auf jeder Ebene erreichen will, stößt man mit reiner Psychologie schnell an Grenzen. Denn das Innere Kind hat unbewusste magische und spirituelle Aspekte. Kinder glauben an Engel, an eine Seele. Kinder glauben daran, dass es Elfen, Feen, den Weihnachtsmann, das Christkind und Märchenwesen gibt. Und weil das so ist, ist es für die Arbeit mit dem Inneren Kind hilfreich, eine spirituelle Welt zumindest anzunehmen und in die Erlebniswelt des Inneren Kindes mit einzubinden. Das Innere Kind hat emotionale, körperliche und seelische Aspekte. Man kommt nicht weit, wenn man die Seelenebene und die Ebene höherer Bewusstseinswesen nicht miteinbezieht – und man verschließt sich einem ungeheuer wertvollen Spektrum an Helfern für das Innere Kind! Dem Inneren Kind einen Schutzengel an die Seite zu stellen, selbst wenn du gar nicht an Engel glaubst, ist einfach eine gute Idee, deshalb wäre es unklug, diese Möglichkeit auszuschließen. Ich möchte kein ausdrücklich esoterisches Buch schreiben, weil ich euch alle erreichen will, aber wie immer werde ich mich mit dem zeigen, was ich glaube und selbst anbiete, mit dem, was ich für wesentlich halte. Die schamanische Arbeit und die Energiearbeit gehören ausdrücklich dazu. Genauso wenig, wie es sinnvoll ist, spirituelle Inhalte anzubieten, ohne die Psyche einzubeziehen, ergibt es für mich Sinn, psychologisch zu arbeiten, ohne die spirituelle Ebene anzuerkennen. Körper, Seele und Geist lassen sich nun einmal nicht trennen, außer man tut das willkürlich und bewusst. Deshalb plädiere ich hiermit ausdrücklich dafür, die spirituelle, geistige Welt, egal, ob man daran glaubt oder nicht, in die Beziehung mit dem Inneren Kind einfließen zu lassen. Es macht die Dinge einfacher. Warum sollte das Innere Kind kein Kuschelkrafttier haben? Warum keinen Riesen, der es beschützt? Die Erfahrung zeigt, wie heilsam es ist, sämtliche Welten in der Arbeit mit dem Inneren Kind gelten zu lassen. Alles, was vorstellbar ist, gehört nun einmal zur magischen Erlebniswelt des Inneren Kindes dazu. Bestimmte Kräfte, ob erfunden oder tatsächlich existent, aus philosophischen und weltanschaulichen Gründen auszuschließen, wäre einfach schade.

Und noch etwas. Wenn ich mir eine bestimmte Kraft vorstellen kann und sogar eine gewisse Wirkung verspüre, dann kann ich davon ausgehen, dass dadurch ein Gehirnanteil aktiviert wird. Es spielt gar keine Rolle, ob es diese Kräfte tatsächlich gibt oder nicht. Wenn sie im Gehirn etwas anregen, dann ist das doch Grund genug, sie zu nutzen, oder? Die meisten Menschen, die wirklich gar nichts mit spirituellen Kräften zu tun haben wollen, sind irgendwann von ebenjenen Kräften bitter enttäuscht und im Stich gelassen worden. Doch es lohnt sich, Frieden mit ihnen zu schließen und sie sich für das eigene Leben zurückzuerobern.

ERSTER TEIL

Liebe Leserin, lieber Leser, viele Dinge erlaubst du anderen sicher nur deshalb, weil es dir gar nicht klar ist, wie schädlich und energieraubend sie für dich sind, wie traurig sie dich machen und wie sehr du dich damit selbst verletzt. Immer wenn du ein bisschen Aufmerksamkeit und Liebe bekommst, wenn dir etwas irgendwie auch guttut, wenn es nicht ganz und gar offensichtlich verletzend ist, findest du eine Ausrede für das verletzende Verhalten eines anderen, nicht wahr?

Es gibt die Geschichte vom Frosch im Wassertopf: Wenn du einen Frosch in einen Topf mit heißem Wasser setzt, dann springt er sofort heraus und überlebt. Setzt du ihn aber in einen Topf mit kaltem Wasser und erwärmst es langsam, bemerkt er es nicht und stirbt. Wenn du dich also langsam an das Leid gewöhnt hast, wie immer das Leid auch daherkommt, wenn die Bürde immer ein bisschen schwerer wird, das Wasser immer ein bisschen heißer, dann gewöhnst du dich daran. Das meinst du zumindest. In Wahrheit hast du natürlich eine innere Grenze. Du hast sehr viel Übung darin, sie andauernd zu überschreiten, aber sie macht sich dennoch bemerkbar und sorgt dafür, dass du irgendwann reagierst – indem du krank wirst, unleidlich und genervt bist oder undefinierbare Schmerzen entwickelst. Depressionen, Süchte, Schmerzen, Panikattacken und Unfälle sind meist der Versuch der Selbstheilungskräfte, dich darauf aufmerksam zu machen, dass es Zeit wird, den Topf zu verlassen.

Deshalb beginnen wir mit einigen klaren Regeln, die das Innere Kind vielleicht aufstellen würde, wenn man es ihm nur erlaubte.

Wenn jemand gemein zu dir ist, dann darfst du weinen, und du brauchst nicht mehr zu ihm zu gehen.

Nimm dir Zeit, einfach einmal nichts zu tun, sondern nur den Wolken zuzuschauen und Blumen zu pflücken.

Habe nicht so viel Angst, sondern gehe raus, und mache einfach das, wozu du Lust hast.

Wenn dir etwas keinen Spaß macht, dann höre auf damit.

Gehe zu Menschen, die dich umarmen, die dich lieb haben und denen du deine Liebe uneingeschränkt zeigen kannst und darfst.

Sei auch einfach einmal albern, und achte nicht immer auf das, was die anderen sagen oder sagen könnten.

Wenn du etwas nicht kannst, dann bitte um Hilfe. Erinnere dich daran, dass du nicht alles allein machen musst.

Das hört sich zwar sehr befreiend, aber irgendwie auch zu einfach an, nicht wahr? Sicher hast du bereits jetzt tausend gute Gründe, warum das alles nicht stimmt oder nicht so leicht umzusetzen ist. Die Schmerzvermeidung wirkt eben auch jetzt. Warum Schmerzvermeidung? Weil es wehtut, sich die Bedürfnisse des Inneren Kindes anzuschauen. Du hast schließlich sehr viel Übung darin, sie besonders vor dir selbst zu verbergen, damit du dein Leben überhaupt meistern kannst. Du konntest nicht anders. Damals. Doch jetzt bist du erwachsen, und es gibt bessere Möglichkeiten, für dich zu sorgen. Du bist handlungsfähig geworden, indem du herangereift bist. Doch das weiß ein großer Teil in dir vielleicht noch gar nicht.

Schauen wir uns dennoch einmal an, was das Innere Kind vorschlägt. Vielleicht weiß es etwas, was du vergessen hast?

Regel Nummer eins:

Wenn jemand gemein zu dir ist, dann darfst du weinen, und du brauchst nicht mehr zu ihm zu gehen.

Na, das wäre schön, nicht wahr? Warum verlässt du nicht den Raum, die Beziehung oder die Arbeitsstelle, wenn du schlecht behandelt wirst? Wozu lässt du dich mobben, ausnutzen, hinhalten, verletzen, zurückweisen oder beschämen?

Neulich im Flugzeug hörte ich einen Mann zu seiner Frau sagen, sie habe die Weisheit auch nicht gerade mit Löffeln gegessen, weil sie nicht wusste, wie sie den Sitzgurt verschließen sollte. Sie lachte angestrengt. Ich hätte ihm am liebsten eine runtergehauen.

Mir dagegen teilte eine Bekannte neulich mit, nachdem sie mich im Fernsehen gesehen hatte, ich sähe wirklich entsetzlich aus, viel älter und gar nicht wie ich selbst. Ich lachte angestrengt, aber am liebsten hätte ich dieser Frau eine verpasst. Was soll das? Warum lässt man sich das bieten? Warum kannst du für andere da sein, sie verteidigen, deine Wut, den Ärger ausdrücken, aber für dich selbst kannst du das nicht? Für Menschen, die Kinder misshandeln, fordert man ganz leicht drei Mal lebenslänglich, aber das eigene Innere Kind darf nach Herzenslust von anderen missbraucht, beschämt und verletzt werden. Was geschieht, wenn man eine verbale oder körperliche Ohrfeige bekommt, warum fällt man innerlich in Ohnmacht?

Nun, das geschieht nicht, jedenfalls nicht nur. Du erleidest einen Schock, ja, aber gleichzeitig machst du genau das, was dir dieses Buch ans Herz legen will: Du sorgst für das Innere Kind – nur leider nicht für dein eigenes. Denn wenn du nicht genau verstehst, warum der andere so handelt, nimmst du ihn dann nicht automatisch in Schutz, unterdrückst du nicht sofort deine eigenen Gefühle und sorgst für ihn? »Er kann nicht anders, sein Vater ist auch immer so mit ihm umgegangen.« – »Sie meint das nicht so.« – »Du musst doch auch einmal ihre Seite sehen.« – »Er hat doch nur Angst um seinen Arbeitsplatz und fühlt sich dir unterlegen.« Das mag ja alles stimmen, aber ist das ein Grund, sich so zu benehmen? Sabrina Fox* sagte in einem ihrer Vorträge den ganz einfachen Satz: »Wir brauchen uns nicht schlecht behandeln zu lassen.« Wie leicht sich das anhört – und wie recht sie hat! Wie oft findest du Entschuldigungen für diejenigen, denen du es dennoch gestattest, nicht wahr?

Warum tut man das? Warum wechselt man mit der Aufmerksamkeit innerlich unwillkürlich zu demjenigen über, der verletzt, zurückweist, unverschämt wird oder viel zu viel fordert? Nun, vielleicht ist das leicht zu beantworten – vielleicht ist es dir gründlich abtrainiert worden, für dich zu sorgen?

Erinnerst du dich an eine Szene auf dem Spielplatz? Du hast gespielt, warst gerade mit deinen Förmchen beschäftigt und wolltest nichts als deine Ruhe haben. Ein kleines Kind, dein Geschwisterchen oder ein fremdes Kind, kam angelaufen und wollte mitspielen, aber du wusstest aus Erfahrung, dass es dir nur alles kaputt machen und dein Spiel stören würde. Du wolltest weder deine Förmchen her- noch das Kommando über deine Sandkuchen aufgeben. Du hast das Kind abgewehrt, es begann zu weinen – und ein Erwachsener schritt ein: »Sei nicht so egoistisch, sei doch vernünftig, jetzt lasse die Kleine doch mitspielen …« Kennst du das?

Auch andersherum ist dir die Geschichte vielleicht in Erinnerung: Du wolltest unbedingt mit am Tisch sitzen bleiben, fandest es unglaublich spannend, den Erwachsenen zuzuhören. Du wolltest weder stören noch mitreden, einfach nur dabei sein. Doch natürlich wurdest du weggeschickt. Du solltest spielen gehen und Verständnis dafür haben, dass Kinder nicht alles mitbekommen sollen. Hast du dann geweint oder warst wütend, hörtest du vielleicht Folgendes: »Dafür bist du noch zu klein, das wirst du später verstehen, und jetzt gehe raus zu den anderen Kindern.« Da wolltest du aber nicht hin.

Und die dritte Variante: »Sage der Tante (oder der Oma) schön Guten Tag. Stelle dich nicht so an, mein Kind, nur ein Küsschen …« Du wolltest die Tante nicht küssen, du wolltest gar niemanden küssen, und das zeigtest du auch. Daraufhin war sie beleidigt, und du bekamst das Geschenk nicht, oder du wurdest sanft zu ihr hingeschoben. »Sei nett und ein liebes Kind« war die Botschaft, in Wahrheit aber bedeutete sie: »Unterdrücke deine Abwehr, und mache es der Frau, besonders ihrem Inneren Kind, recht, damit sie sich nicht verletzt fühlt. Verletze dich lieber selbst als andere, zeige, dass wir dich gut erzogen haben, und bestätige uns in unserer Eigenschaft als erfolgreiche Eltern.«

Mit dem fremden, sehr netten Onkel aber solltest du nicht mitgehen. Ja, was denn nun?

Was war passiert? Drei Mal wurdest du auf verschiedene Weise angehalten, dein eigenes Gefühl zu unterdrücken und zu verleugnen, um es anderen recht zu machen und deren Bedürfnisse zu erfüllen. Du selbst, das Kind, das du warst, wurdest nicht gesehen. Du wurdest ermahnt, dich so zu verhalten, dass es anderen gut geht. Was du selbst brauchtest, war weniger wichtig. Wie angemessen und berechtigt die Forderungen zum Teil waren, wollen wir hier gar nicht zur Debatte stellen. Sicher ist vieles, was wir Erwachsenen besprechen, nicht für Kinderohren geeignet – und sind wir nicht oft genug froh, wenn unsere Kinder einsichtig sind und andere mitspielen lassen?

Hier aber geht es um dich, um das Kind, das du warst und das noch immer in dir lebt. Was hast du gelernt? Sei schön lieb, tue, was andere von dir verlangen, und verleugne deine eigenen Gefühle, habe Verständnis für die Bedürfnisse anderer, und komme mit deinen eigenen Wünschen und Gefühlen selbst klar. Nun, das tust du. Du schiebst noch ein Bonbon über dein verletztes Gefühl, unterdrückst deine Tränen und verstummst. Hast du den Satz »Du musst lernen, mit Enttäuschungen umzugehen« auch so oft gehört? Irgendwann glaubt man es selbst, nicht wahr? Und ja, der Satz stimmt. Doch zu lernen, mit Enttäuschung umzugehen, bedeutet vor allem, dort wegzugehen, wo du immer wieder enttäuscht wirst! Das konntest du als Kind natürlich nicht.