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Am Ufer des Ochotskischen Meers leben die Niwchen, ein Volk von Fischern und Robbenjägern. Der halbwüchsige Kirisk darf zum ersten Mal mit aufs Meer hinausfahren und an einer Robbenjagd teilnehmen. Nach alter Tradition soll er auf dieser Fahrt sein Jägerhandwerk erlernen und mit dem Meer vertraut werden. Begleitet wird er von seinem Vater, vom Onkel und von Organ, einem weisen Greis. Als sich das Boot im dichten Nebel verirrt, wird aus der Weihe ein lebensgefährliches Abenteuer. Die drei erfahrenen Männer greifen zum äußersten Mittel, um dem Jungen das Überleben zu ermöglichen: Sie opfern ihr eigenes Leben.
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Seitenzahl: 253
Am Ufer des Ochotskischen Meers leben die Niwchen, ein Volk von Fischern und Robbenjägern. Der halbwüchsige Kirisk darf zum ersten Mal mit aufs Meer hinausfahren. Begleitet wird er von seinem Vater, vom Onkel und von Organ, einem weisen Greis. Als sich das Boot im dichten Nebel verirrt, wird aus der Weihe ein lebensgefährliches Abenteuer.
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Tschingis Aitmatow (1928–2008) erlangte mit der Erzählung Dshamilja Weltruhm. Er besuchte das Maxim-Gorki-Literaturinstitut in Moskau und war Redakteur einer kirgisischen Literaturzeitschrift. Sein Werk fußt auf den Erzähltraditionen Kirgisiens und verarbeitet die Grundfragen der Zeit.
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Charlotte Kossuth (1925–2014) war Russisch-Lektorin in Halle/Saale und fast dreißig Jahre lang Verlagslektorin für russische und sowjetische Literatur in Berlin.
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Tschingis Aitmatow
Der Junge und das Meer
Erzählung
Aus dem Russischen von Charlotte Kossuth
E-Book-Ausgabe
Unionsverlag
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Die russische Erstausgabe erschien unter dem Titel Pegij pës, beguščij kraem morja in der Zeitschrift Znamja, April 1977.
Deutsche Erstausgabe unter dem Titel Scheckiger Hund, der am Meer entlangläuft in der Zeitschrift Sowjetliteratur, Nr. 4, 1978.
Der Titel Der Junge und das Meer wurde erstmals für die Lizenzausgabe im Bertelsmann Verlag, München 1978, gewählt.
Originaltitel: Pegij pës, begušcij kraem morja (1977)
© by Tschingis Aitmatow 1977
© by Unionsverlag, Zürich 2024
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Kirill Putchenko
Umschlaggestaltung: Martina Heuer
ISBN 978-3-293-30747-6
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Inhaltsverzeichnis
DER JUNGE UND DAS MEER
In einer finsteren, dunstgeschwängerten Nacht tobte entlang der …Mehr über dieses Buch
Über Tschingis Aitmatow
Tschingis Aitmatow: Über mein Leben
Kasat Akmatow: Tschingis Aitmatow bei sich zu Hause
Über Charlotte Kossuth
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In einer finsteren, dunstgeschwängerten Nacht tobte entlang der ganzen Ochotskischen Seeküste, an der ganzen Front von Land und Meer, der uralte, unbändige Kampf der zwei Elemente – das Festland trotzte dem Druck des Meeres, das Meer berannte unermüdlich das Land.
Tosend, verzweifelt stürmte das Meer im Dunkel immer wieder gegen die Klippen an und zerschellte. Qualvoll stöhnte die steinharte Erde, während sie die Angriffe des Meeres abwehrte.
So liegen sie im Widerstreit seit dem Schöpfungsakt – seit der Tag zum Tag und die Nacht zur Nacht geworden; und so wird es fernerhin sein, alle Tage und alle Nächte, solange es Erde und Wasser gibt, im ewigen Zeitenlauf.
Alle Tage und alle Nächte …
Eine neue Nacht verrann. Die Nacht vor der Ausfahrt aufs Meer. In jener Nacht fand er keinen Schlaf. Zum ersten Mal im Leben schlief er nicht, zum ersten Mal litt er an Schlaflosigkeit. Mit allen Fibern sehnte er den Tagesanbruch herbei, damit er hinauskonnte aufs Meer. Auf ein Robbenfell gelagert, spürte er, wie der Boden unter ihm vom Meeresanprall kaum merklich bebte, wie die Wogen in der Bucht donnerten, sich abhetzten. Er fand keinen Schlaf, lauschte hinaus in die Nacht …
Früher war alles ganz anders gewesen. Keiner konnte sich jetzt vorstellen, keiner wusste oder ahnte auch nur, dass die Welt ganz anders aussehen könnte, hätte es vor Urzeiten nicht die Ente Luwr gegeben. Dann stünden nicht Festland gegen Wasser, Wasser gegen Land. Denn am Anfang, am Urbeginn, gab es keine Erde in der Natur – nicht einmal ein Staubkörnchen. Ringsum breitete sich Wasser, nichts als Wasser. Das Wasser war aus sich selbst entstanden, in seinem ewigen Wandelkreis – in schwarzen Abgründen, tiefen Strudeln. Wogen um Wogen rollten da, rollten auseinander, nach allen Richtungen der damals richtungslosen Welt: aus dem Nichts ins Nichts.
Die Ente Luwr aber – ganz recht, die gewöhnliche breitschnäblige Wildente, die bis zum heutigen Tag in Schwärmen zu unseren Häuptern dahinfliegt – irrte dazumal mutterseelenallein über der Welt herum, und nirgends konnte sie ihr Ei ablegen. Weit und breit war nur Wasser – nicht einmal Schilfrohr fand sich, um ein Nest zu flechten.
Die Ente Luwr schrie in der Luft, sie fürchtete, das Ei nicht länger halten zu können, es über dem bodenlosen Abgrund zu verlieren. Wohin sie sich auch wandte, wo immer sie suchte – überall plätscherten unter ihren Flügeln Wellen, erstreckte sich das Große Wasser – Wasser ohne Grenzen, ohne Anfang und ohne Ende.
Völlig entkräftet erkannte sie schließlich: Auf der weiten Welt gab es keinen Ort, wo sie ein Nest bauen konnte.
Da ließ sich die Ente Luwr auf dem Wasser nieder, zupfte sich Federn aus der Brust und flocht ein Nest. Und aus diesem schwimmenden Nest wuchs die Erde. Nach und nach weitete sich die Erde, wurde sie von mancherlei Geschöpfen bevölkert. Der Mensch aber tat sich unter allen hervor – er lernte, auf Skiern über Schnee zu laufen, im Boot auf dem Wasser zu fahren. Er begann Wild zu erlegen und Fische zu fangen, nährte sich so und mehrte sein Geschlecht.
Hätte die Ente Luwr nur geahnt, wie hart das Dasein wurde mit der Entstehung des festen Landes inmitten des reinen Wasserreichs! Kann sich doch, seit es die Erde gibt, das Meer nicht beruhigen; das Meer kämpft gegen das Land und das Land gegen das Meer. Der Mensch aber hat es zuweilen bitter schwer zwischen Land und See, zwischen See und Land. Das Meer liebt ihn nicht, denn er ist mehr der Erde verhaftet … Der Morgen zog herauf. Wieder ging eine Nacht zu Ende, wieder wurde ein Tag geboren. Wie sich das Maul eines Rentieres durch dessen graublaue Atemwolke abzeichnet, so trat aus dem sich lichtenden, hellgrauen Dämmer allmählich der tosende Zusammenprall von Meer und Ufer. Das Meer atmete. Entlang der ganzen brodelnden Frontlinie von Land und Meer ballte sich der kalte Dampf von dahinziehendem Sprühregen, und übers Ufer, so weit es sich auch erstreckte, hallte das Dröhnen der Brandung.
Die Wellen verfolgten hartnäckig ihr Ziel: Das Festland zu stürmen, rannte Woge auf Woge machtvoll hinauf – rannte über die kalte und harte Kruste ausgewaschenen Sandes, auf braune, glitschige Steinhaufen hinauf, so weit Kraft und Schwung reichten; doch Woge auf Woge verebbte auf dem äußersten Rand des Brandungsgürtels, ließ flüchtigen Schaum zurück und den fauligen Geruch aufgerührter Wasserpflanzen.
Von Zeit zu Zeit wurden mit der Brandung Bruchstücke von Eisschollen ans Ufer geschleudert – wer weiß woher angeschwemmt von dem frühlingsbewegten Ozean. Auf den Sand geworfen, verwandelten sich die verirrten Schollen alsbald in närrisch hilflose Trümmer eines gefrorenen Meeres. Doch schon eilten neue Wogen herbei und trugen sie wieder zurück in ihr Element.
Der Nebel schwand. Lichter und lichter wurde der Morgen. Allmählich traten die Umrisse der Erde hervor, klarte das Meer auf.
Vom Nachtwind aufgestört, schäumten am Ufer noch die weiß gekrönten, anlaufenden Wogenreihen, aber tief in der sich verlierenden Ferne besänftigte, beruhigte sich das Meer bereits, bleigrau glänzte dort schwerer Wellengang.
Und es zerrissen die Wolken überm Meer, während sie näher zogen zu den Hügeln am Ufer.
Hier, nahe der Bucht des Scheckigen Hundes, ragte auf der hügeligen Halbinsel, die sich schräg ins Meer schnitt, die markanteste Erhebung: ein Fels, der von fern wirklich an einen riesigen, am Meer geschäftig entlanglaufenden scheckigen Hund erinnerte. An den Seiten von allerlei zottigem Gesträuch überwuchert und bis in den heißesten Sommer mit einem Schneefleck – gleich einem großen Schlappohr – auf dem Kopf, dazu noch einem großen weißen Fleck in der Weichengegend, einer schattigen Mulde, war dieser Berg, der Scheckige Hund, von weit her zu sehen, vom Meer und vom Wald.
Von hier aus, von der Bucht des Scheckigen Hundes, legte gegen Morgen, als die Sonne zwei Pappeln hoch stand, ein Niwchen-Kajak ins Meer ab. Im Boot waren drei Jäger und ein Junge. Die beiden jüngeren und kräftigeren Männer ruderten mit vier Rudern. Am Steuerruder saß der Älteste und zog gemächlich an seiner Holzpfeife – ein braungesichtiger, dürrer Alter mit hervorstehendem Adamsapfel, er war runzlig, vor allem der Hals war von tiefen Falten durchfurcht, und entsprechend waren auch die Hände – groß und knotig in den Gelenken, voller Narben und Risse. Grau war er schon. Fast weiß. Deutlich traten aus dem braunen Gesicht die grauen Brauen hervor. Der Alte blinzelte wie gewohnt mit tränenden rötlichen Augen, musste er doch sein Lebtag auf den Wasserspiegel schauen, der die Sonnenstrahlen zurückwirft; und es machte ganz den Eindruck, als steuerte er das Boot blind durch die Bucht. Am anderen Ende des Kajaks, unmittelbar am Bug, hin und wieder zu den Erwachsenen spähend und sich mit größter Mühe still verhaltend, um ja nicht den mürrischen Alten zu verdrießen, hockte wie eine Schnepfe ein schwarzäugiger Junge.
Der Junge war heftig erregt. Vor Spannung blähten sich seine Nasenflügel, und sein Gesicht übersprenkelten Sommersprossen. Das hatte er von der Mutter – wenn die sich sehr freute, traten in ihr Gesicht ebensolche dunkle Pünktchen. Der Junge hatte allen Grund zur Hochstimmung. Diese Ausfahrt ins Meer wurde seinetwegen unternommen – er sollte das Jagdhandwerk erlernen. Deshalb drehte Kirisk wie eine Schnepfe den Kopf hierhin und dorthin und betrachtete alles mit nicht erlahmendem Interesse, voller Ungeduld. Zum ersten Mal in seinem Leben fuhr er zusammen mit richtigen Jägern aufs offene Meer, fuhr er zu einem großen Fang aus in dem großen Kajak der Sippe. Wie gern hätte sich der Junge von seinem Platz erhoben, hätte er die Männer angefeuert, selbst nach den Rudern gegriffen, sich mit Macht hineingelegt, um schneller zu den Inseln zu gelangen, wo die große Seetierjagd stattfinden sollte! Aber derlei kindliche Wünsche mochten ernsthaften Leuten närrisch dünken. Aus Furcht davor versuchte er nach Kräften, sich nicht zu verraten. Ganz gelang ihm dies nicht. Schwer fiel es ihm, sein Glück für sich zu behalten – heiße Röte malte sich unübersehbar auf seinen sonnenverbrannten drallen Wangen. Und aus seinen Augen – strahlenden, klaren, beseelten Jungenaugen – sprachen unverhohlen Freude und Stolz, die sein Herz erfüllten. Vor ihm lag das Meer, vor ihm – die große Jagd!
Der alte Organ verstand ihn. Während er mit zusammengekniffenen Augen übers Meer steuerte, bemerkte er dennoch, wie der Junge vor Ungeduld zappelte. Dem Alten wurden die Augen heiß – ach ja, die Kindheit, die Kindheit –, doch sog er schnell an seiner erlöschenden Pfeife, um ein Schmunzeln in den Winkeln seines eingefallenen Mundes zu unterdrücken. Er durfte nicht lächeln. Der Junge war nicht zum Spaß bei ihnen im Boot. Er sollte das Leben eines Jägers auf See beginnen. Beginnen, um es dereinst irgendwo im Meer zu beenden – so wollte es das Schicksal, denn nichts Schwierigeres und Gefährlicheres gibt es als den Fang zur See. Daran muss man sich von klein auf gewöhnen. Nicht umsonst pflegten die Leute früher zu sagen: »Verstand gibt der Himmel, Geschick erwirbt man schon als Kind!« Und dann sagten sie noch: »Ein schlechter Jäger fällt der Sippe zur Last.« Daraus folgt: Wer als Mann ein guter Ernährer sein will, muss sein Handwerk schon in frühester Jugend erlernen. Nun war die Reihe an Kirisk, war es Zeit, dem Jungen das Nötige beizubringen, ihn seetüchtig zu machen.
Das wussten alle – die gesamte Siedlung, der ganze Clan der Fischfrau am Scheckigen Hund wusste, dass die Männer heute seinetwegen hinausfuhren, um des künftigen Jägers und Ernährers Kirisk willen. So war es Brauch: Wer als Mann geboren ist, muss von klein auf mit dem Meer Freundschaft schließen, damit das Meer ihn kennt und er selbst das Meer achtet. Daher gingen sie in See – Organ, der Clan-Älteste, und die beiden besten Jäger, der Vater des Jungen, Emraijin, und ein Vetter des Vaters, Mylgun; daher kamen sie der hohen Pflicht der Älteren gegenüber den Jüngeren nach, diesmal ihm gegenüber, dem Jungen Kirisk, der von nun an für immer mit dem Meer zu tun haben würde, in Tagen des Erfolgs und des Misserfolgs.
War er, Kirisk, jetzt auch noch ein Junge, ein Milchbart, und blieb noch ungewiss, was je aus ihm würde – wer weiß, ob nicht gerade ihm bestimmt war, Ernährer und Stütze der Sippe zu werden, wenn sie selber als hilflose Greise nicht mehr ihrem Handwerk nachgehen konnten. So musste es sein, so hielt man es von Geschlecht zu Geschlecht, von einem zum anderen. Darauf beruhte das Leben.
Wozu darüber reden! Das denkt man bei sich und spricht davon selten. Daher schenkte dort, am Ufer des Scheckigen Hundes, keiner aus der Sippe der Fischfrau Kirisks erstem Jagdzug besondere Beachtung. Im Gegenteil, seine Stammesgefährten taten, als bemerkten sie gar nicht, wie er mit den erfahrenen Jägern aufs Meer hinausfuhr. Als nähmen sie dieses Vorhaben gar nicht ernst.
Nur die Mutter begleitete ihn, verlor aber ebenfalls kein Wort über die bevorstehende Fahrt und verabschiedete sich schon vor der Bucht. »Na, geh nur in den Wald!«, sagte sie betont laut zu dem Sohn und sah dabei geflissentlich nicht aufs Meer, sondern zum Wald. »Aber nimm nur trockenes Holz, und verlauf dich nicht im Wald!« Mit diesen Worten wollte sie die Spuren verwischen, den Sohn vor den Kinren schützen, den bösen Geistern. Auch den Vater erwähnte die Mutter mit keiner Silbe. Als wäre Emraijin nicht der Vater, und Kirisk ginge nicht mit dem Vater in See, sondern mit Fremden. Die Kinren sollten nicht erfahren, dass Emraijin und Kirisk Vater und Sohn waren. Wenn Väter und Söhne gemeinsam jagen, wüten die bösen Geister. Sie könnten den einen vernichten, um dem anderen Kraft und Willen zu rauben, auf dass er schwüre, nie wieder hinauszufahren aufs Meer, nie mehr den Wald zu betreten. So sind sie, diese tückischen Geister, versäumen keine Gelegenheit, den Menschen zu schaden.
Kirisk selbst hatte keine Angst vor den bösen Kinren, er war ja schon groß. Die Mutter aber fürchtete sie, bangte vor allem um ihn. »Du bist noch klein«, sagte sie. »Dich kann man noch leicht verwirren und töten.« Wie wahr! Wie viel Unheil bringen die bösen Geister über das junge Volk! Schicken Krankheiten und sonstiges Übel, verkrüppeln ein Kind, damit kein Jäger aus ihm wird. Wem nützt aber solch ein Mensch? Daher ist es so wichtig, vor bösen Geistern auf der Hut zu sein, besonders in der Kindheit, solange man noch nicht erwachsen ist. Steht einer erst auf eigenen Beinen, ist er eine Persönlichkeit, dann schrecken ihn auch keine Kinren mehr. Dann bezwingen sie ihn nicht, sie fürchten die Starken.
So nahmen Mutter und Sohn Abschied. Eine Weile noch verharrte die Mutter wortlos – in ihrem Schweigen lagen Angst, Flehen und Hoffnung –, dann ging sie zurück, ging und hatte sich kein einziges Mal nach dem Meer umgesehen, hatte kein Wort über den Vater verloren, als wüsste sie in der Tat nicht, wohin sich Mann und Sohn begaben, obwohl sie selbst die beiden am Abend für die Fahrt gerüstet, ihnen Wegzehrung bereitet hatte – Vorrat für drei Tage; jetzt stellte sie sich ahnungslos, so sehr bangte sie um den Sohn. In ihrer Angst verbarg sie sogar ihre Unruhe, ließ sich vor den bösen Geistern nicht anmerken, wie sehr sie sich insgeheim fürchtete.
Die Mutter war schon vor der Bucht umgekehrt, der Sohn aber stürzte, im Strauchwerk Bogen schlagend, um seine Spur zu verwischen und die unsichtbaren Kinren abzuschütteln, wie die Mutter ihn geheißen – wollte er sie doch an diesem Tag nicht erzürnen –, den weit vorausgegangenen Männern nach.
Rasch hatte er sie eingeholt. Sie gingen gemächlich mit ihrer Last, Gewehren und Fanggerät, auf der Schulter. Voran schritt der Älteste Organ, ihm folgte, auffallend groß gewachsen und kräftig, der breitschultrige, bärtige Emraijin, und hinterdrein stapfte, die Füße einwärts setzend, Mylgun, knorrig, klobig und rund wie ein Holzklotz. Ihre Kleidung, gut eingetragen, war für die Seefahrt aus gegerbten Häuten und Fellen so gefertigt, dass sie warm hielt und keine Nässe durchließ. Verglichen mit den Männern wirkte Kirisk geradezu schmuck. Die Mutter hatte sich große Mühe gegeben, hatte seit Langem an seiner Seekluft genäht. Die Robbenfellstiefel und die Oberbekleidung hatte sie überdies an den Rändern bestickt. Wozu das auf dem Meer? Aber eine Mutter ist nun einmal eine Mutter.
»Sieh mal an! Wir dachten schon, du kommst nicht mit. Dachten, du wirst an der Hand wieder heimgeführt!«, spöttelte Mylgun, als Kirisk neben ihm auftauchte.
»Wieso? Nie und nimmer! Ich?!« Kirisk verschluckte sich fast vor Kränkung.
»Na, na, verstehst wohl keinen Spaß!«, wies ihn Mylgun zurecht. »Das gewöhn dir schnell ab. Mit wem sollen wir auf See schon sprechen, wenn nicht miteinander? Da, trag lieber was!« Er reichte ihm seine Winchesterbüchse. Dankbar lief der Junge neben ihm her.
Bald hieß es alles verstauen und ablegen.
So ging es fort aufs Meer. Wie anders würde die Rückkehr aussehen, falls sie Glück hatten und reiche Beute heimbrachten! Dann winkten dem Jungen Ehrungen – mit Fug und Recht. Feiern wird man die Heimkehr des jungen Jägers, mit Liedern die Freigebigkeit des Meeres rühmen, in dessen unermesslichen Tiefen sich Fische und anderes Getier mehren, für starke und kühne Jäger bestimmt. Der Fischfrau wird man Lieder darbringen, der Urmutter, dank der die Fischfrau-Sippe die Erde bevölkert. Dann werden die Hohlstammtrommeln unter den Schlägen der Ahornschlegel erdröhnen, und inmitten der Tanzenden wird der Schamane, der Allwissende, mit Erde und Wasser zu reden beginnen, über ihn, Kirisk, den neuen Jäger. Ja, über ihn wird der Schamane mit Erde und Wasser sprechen, er wird sie beschwören und bitten, stets gut zu ihm zu sein, auf dass er zu einem großen Jäger heranwachse, das Glück ihn stets begleite zu Lande und zu Wasser, und es ihm nie an Beute fehle, sie gerecht zu verteilen unter Alt und Jung. Auch wird der weise Schamane Erde und Wasser beschwören und bitten, dass Kirisk Kinder geboren werden und alle am Leben bleiben, damit sich das Geschlecht der Großen Fischfrau mehre und Nachkommen zeuge noch und noch.
Wo schwimmst du, Große Fischfrau?
Dein heißer Leib empfängt das Leben,
dein heißer Leib hat uns geboren am Meer,
dein heißer Leib ist der beste Ort auf Erden.
Wo schwimmst du, Große Fischfrau?
Deine weißen Brüste gleichen Robbenköpfen,
deine weißen Brüste nährten uns am Meer.
Wo schwimmst du, Große Fischfrau?
Der stärkste Mann wird zu dir schwimmen,
auf dass dein Leib schwelle
und dein Geschlecht sich mehre auf Erden …
Solche Lieder wird man singen auf dem Fest bei Tanz und Frohsinn. Und noch etwas Wichtiges stand Kirisk an jenem Fest bevor. Der ekstatisch tanzende Schamane wird sein Jägerschicksal einem Stern am Himmel anbefehlen. Hat doch ein jeder Jäger seinen Schutzstern. Welchem Stern er aber sein, Kirisks, Schicksal anvertraut, würde keiner je erfahren. Einzig der Schamane und jener Stern, der unsichtbare Beschützer, werden das wissen. Sonst niemand. Sterne aber gibt es am Himmel ohne Zahl …
Natürlich werden sich die Mutter und das Schwesterchen am meisten freuen, sie werden am lautesten singen und hingebungsvoll tanzen. Und der Vater, Emraijin, wird sich, allen vernehmlich, sein Vater nennen, wird gleichfalls froh sein und stolz. Einstweilen aber ist er kein Vater. Auf See gibt es weder Vater noch Sohn, auf See sind alle gleich und ordnen sich dem Ältesten unter. Was der Älteste sagt, geschieht. Der Vater hat sich da nicht einzumischen. Und der Sohn hat sich nicht beim Vater zu beklagen. So ist es Brauch.
Froh bewegt wird wohl auch Musluk sein, das Mädchen, mit dem er als Kind spielte. In der letzten Zeit spielten sie schon seltener miteinander. Und von nun an ist es sicher damit ganz vorbei: Nicht nach Spielen steht einem Jäger der Sinn …
Das Boot fuhr prächtig, glitt wiegend über die Wellen. Längst hatten sie die Bucht des Scheckigen Hundes hinter sich gelassen, schon lag das Lange Kap hinter ihnen, und hinaus gings aufs offene Meer, da merkten sie, dass der Wellengang auf See nicht stärker war als in der Bucht. Gleichmäßig plätscherten Kräuselwellen. Bei solch ruhiger See kommt man schnell voran.
Gut und gewandt fuhr das aus dem Stamm einer mächtigen Pappel gefertigte Boot. Zuverlässig hielt es sich bei Quer- und Seitenwellen, leicht gehorchte es dem Heckruder.
Noch immer an seiner bereits erloschenen Pfeife ziehend, genoss der alte Organ die sichere Fahrt, gab sich einem Gefühl hin, als wäre er selbst das Boot, das – bis zur halben Bordhöhe im Wasser – durchs Meer dahinglitt; als schwämme er selbst unter dem gleichmäßigen Knirschen der Dollen und den gemessenen Ruderschlägen durch die Meeresweite; als durchschnitte er selbst mit dem Kiel – wie mit der eigenen Brust – die elastischen Wellen und schwanke leicht unter dem Anprall und den Stößen des Wassers. Dieses Gefühl völligen Einsseins mit der Bewegung des Bootes weckte in ihm seltsame Überlegungen. Er war mit dem Boot zufrieden, sehr sogar, hatte er es doch selbst ausgestemmt und gehobelt; die Pappel hatten sie gemeinsam gefällt; einer allein, ja sogar vier Mann hätten das nicht bewältigt, aber bearbeitet hatte er den Stamm allein – drei Sommer hatte er ihn getrocknet und behauen, und bereits damals war ihm klar gewesen: Das würde der beste Kajak, den er je gefertigt hatte. Doch bei dieser Erinnerung beschlich ihn jäher Kummer. Wenn es nun sein letzter wäre? Er wollte noch eine Weile leben. Noch auf Fang hinausziehen ins Meer, noch ein paar Kajaks bauen, solange ihn Augenlicht und Fingerfertigkeit nicht im Stich ließen.
In Gedanken sprach er mit seinem Boot. Ich liebe dich und vertraue dir, Bruder Kajak, sagte er. Du kennst die Sprache des Meeres, kennst die Tücken der Welt, darin liegt deine Stärke. Du bist ein würdiger Kajak, der beste, den ich je gehobelt habe. Du bist ein großer Kajak – zwei Seehunde und noch eine Ringelrobbe finden in dir Platz. Du bringst uns Glück. Daher achte ich dich. Wir alle lieben dich, wenn du schwer trägst an unserer Beute, wenn du, bis zum Rand einsinkend und sogar Wasser schöpfend, ans Ufer zurückkehrst. Dann kommen alle angelaufen, dich zu empfangen, Bruder Kajak!
Auch wenn ich sterbe, fahre du noch lange, über weite Entfernungen, an beutereiche Orte. Auch wenn ich sterbe, geh du mit jungen und starken Jägern in See. Auch wenn ich sterbe, diene du ihnen, wie du jetzt mir dienst. Und halte aus, Bruder Kajak, bis auch dieser unser Spross, der dort am Bug sitzt und ungeduldig den Kopf dreht – wäre da nicht Wasser, sondern Land, würde er auf der Stelle hinauslaufen zur großen Jagd, meint er doch, er käme mit allem allein zurecht –, halte aus, Bruder Kajak, bis auch er herangewachsen ist und mit dir fährt nach nah und fern. Heute aber ist er das erste Mal mit uns auf See. So muss es sein. Soll er sich daran gewöhnen. Wir gehen dahin, er aber hat noch lange Jahre vor sich. Gerät er nach dem Vater, nach Emraijin, wird aus ihm ein tüchtiger Mann. Kein Schwätzer. Emraijin ist zurzeit wohl der beste Jäger. Ein kräftiger, arbeitsamer Mann. Einstmals war auch ich so. In meinen besten Jahren! Damals liebten mich die Frauen. Und ich dachte, das Leben würde nie enden. Erst später begreift man, dass das nicht so ist. Die Jungen wollen davon nichts wissen. Emraijin und Mylgun denken sicher auch noch nicht daran. Nun gut. Sie werden es noch merken. Aber sie rudern gut, mit langen Schlägen. Mylgun steht Emraijin nicht nach. Ein zuverlässiges, ausdauerndes Paar. Das Boot kommt wie von allein voran, spielerisch. Aber das scheint nur so. Auf See bewegt man sich mit den Armen. Heute heißt es noch rudern und rudern! Bis zur Dämmerung, bis wir die Dritte Zitze erreicht haben. Und morgen den ganzen Tag wieder zurück. Vom frühen Morgen an den ganzen Tag. Ich werde mal den einen, mal den anderen ablösen, doch schwer ist diese Arbeit – ein ganzes Meer mit den Rudern aufrühren. Kehren wir aber mit reichem Fang heim, dann feiern wir ein Fest.
Hörst du, verstehst du mich, Bruder Kajak? Du bringst uns zu den Inseln, zu den Drei Zitzen, zu reichen Jagdgründen. Darum fahren wir ja. Dort am Ufer sind die Lagerplätze der Robben. Bald werden sie jungen, deshalb versammeln sie sich auf den Inseln.
Verstehst du mich, Bruder Kajak? Du begreifst mich schon. Mit dir habe ich bereits geredet, als du das Meer noch gar nicht kanntest, als du noch im Leib der großen Pappel im Wald lebtest. Ich habe dich aus dem Leib des Baumes befreit, und jetzt schwimmen wir.
Wenn ich aber nicht mehr sein werde, vergiss mich nicht, Bruder Kajak. Denk an mich, wenn du auf dem Meer fährst …
So überlegte Organ, während er vom Hauptorientierungspunkt am Ufersaum, vom Scheckigen Hund aus, geraden Kurs aufs Meer hielt. Dieser Klippenberg hatte eine ungewöhnliche Eigenschaft, von der alle sprachen, die hinausfuhren – bei klarem Wetter schien er mit der Entfernung zu wachsen. Als folge einem der Scheckige Hund unentwegt, als wolle er nicht zurückbleiben. Wann immer man sich umsah, der Scheckige Hund bot sich dem Blick. Sehr lange war dieser Hügel zu sehen, auf weite Entfernung, dann entschwand er unversehens hinter einem hohen Wellenberg. Der Scheckige Hund war nach Hause gegangen, das Land lag weit zurück …
Dann aber musste man sich gut einprägen, wo, in welcher Richtung der Scheckige Hund zurückgeblieben war, woher – bezogen auf den Berg – der Wind wehte, wo die Sonne gestanden hatte, man musste die Wolken beobachten, falls Windstille herrschte, musste während der ganzen Zeit, da man zu den Inseln fuhr, die Lage des Scheckigen Hundes im Gedächtnis behalten, um auf dem weiten Meer nicht vom Kurs abzukommen.
Sie hielten auf Inseln zu, die fast eine Tagesfahrt entfernt lagen. Es waren unbewohnte, winzige Felseninseln, drei Brocken Festland, die wie dunkle Zitzen aus der unendlichen Wasserwüste ragten. Daher wurden sie auch die Drei Zitzen genannt – die Kleine, die Mittlere und die Große. Dahinter aber, wenn man weiterfuhr, kam der Ozean, von dem sie weder Ausdehnung noch Namen wussten – das große, unerschlossene, unbekannte Wasser der Ewigkeit, das aus sich selbst entsteht und seit der Erschaffung der Welt existiert, seit jener Zeit schon, da die Ente Luwr schreiend dahinjagte auf der Suche nach einem kleinen Flecken für ihr Nest – einem handtellergroßen Stückchen Landes – und es auf der ganzen Welt nicht fand. Dort, auf jenen Inseln, an der Grenze von Ochotskischem Meer und Ozean, befanden sich in jenen Frühlingstagen die Lagerplätze der Ringelrobben. Dorthin führte sie der Weg …
Der Junge staunte, weil das Meer ganz anders aussah, als er es von seinen Spielen auf den Felsnasen des Scheckigen Hundes her kannte, ja nicht einmal so, wie er es bei Bootsfahrten auf der Lagune erlebt hatte. Besonders deutlich spürte er das, als die Bucht hinter ihnen lag, das Meer sich unversehens weitete, den ganzen sichtbaren Raum bis zum Himmel ausfüllte und zur ungeteilten, unübersehbaren, einzig wirklichen Welt geworden war.
Das offene Meer überwältigte Kirisk. Ein solches Schauspiel hatte er nicht erwartet. Nur Wasser, bewegtes, schweres Wasser, nur Wellen, rasch entstehend und vergehend, nur Tiefe, dunkle, erregende Tiefe, und nur Himmel, voll von wandernden, schwerelosen und unerreichbaren weißen Wolken. Das war die ganze Welt, nichts weiter gab es, nichts als das Meer – weder Winter noch Sommer, weder Hügel noch Schlucht.
Wasser bedeckte die Welt von einem Ende zum anderen.
Das Boot aber fuhr, glitt wiegend über die Wellen. Noch immer war der Junge glücklich und froh, im Boot zu sein – voll Erwartung der großen Jagd. Doch alles, was er ringsum sah und entdeckte – im Wasser und darüber –, nahm er dieses Mal nur flüchtig wahr, mit feiertäglicher halber Aufmerksamkeit, denn sein Herz eilte voraus, eingestimmt auf ganz andere Eindrücke. Wie sehr hätte ihn sonst das endlose Spiel der Strahlen auf dem Wasser gefesselt, die bizarr über die Oberfläche glitten und das Antlitz des Meeres in immer neue schillernde Farben tauchten – von Zartviolett und Dunkelgrün bis zu Tiefschwarz im Schatten hinter der Bordwand; wie herzlich hätte er sich gefreut über die drolligen, neugierigen Fische, die plötzlich neben dem Boot auftauchten, hätte er über die Buckellachse gelacht, die in einem ganzen Schwarm mit dem Boot zusammenstießen und, statt fortzuschwimmen, sich vor Schreck noch enger aneinanderdrängten, vereinzelt aus dem Wasser sprangen, dann komisch auf die Rücken der anderen fielen, von dort in die Luft ragten …
Alldem schenkte er jetzt keine besondere Aufmerksamkeit – Lappalien! Nur nach einem stand sein Sinn: möglichst schnell zu den Inseln gelangen, sich in die Arbeit stürzen!
Bald jedoch änderte sich die Stimmung des Jungen sonderbar, wie von selbst, obwohl er sich nichts anmerken ließ. Je weiter sie sich vom Land entfernten, vor allem, nachdem der Scheckige Hund plötzlich hinter einem hohen schwarzen Wasserberg verschwunden war, wuchs in ihm das Gefühl einer vagen Gefahr, die vom Meer ausging, spürte er, wie abhängig er war vom Meer, wie unendlich klein und wie unendlich schutzlos angesichts dieses gewaltigen Elements.