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Studienarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Ethnologie / Volkskunde, Note: 2,3, Freie Universität Berlin (Latein-Amerika-Institut), Veranstaltung: Sport, Kultur und Identität in Lateinamerika, Sprache: Deutsch, Abstract: Obwohl Sport ein kultureller Bestandteil fast einer jeden Gesellschaft ist, unterscheiden sich die Auffassungen über seine Bedeutung und Funktion erheblich. Ein gutes Beispiel ist das Kanada des späten 19. Jahrhunderts, das sich als junge Nation gegenüber sich selbst und anderen Ländern zu definieren suchte. Als kultureller Teilaspekt fungierte die indigene, indianische Sportart Baggataway, die anfangs von der Kanadischen Mittelklasse adaptiert und später auch modifiziert wurde. Dieser Prozess wurde Seitens der Kanadier als „Zivilisierung“ und Modernisierung eines primitiven Sports angesehen, was dem Verständnis der Indianer über die rituelle Bedeutung von Lacrosse diametral entgegensteht. Für Kanadier wurde es Nationalsport und somit kultureller Identitätsträger. Für Indianer war es Ritus, Spiel und vieles Mehr. Schließlich führte diese Unterschiedliche Perzeption und Konzeption zum sportlichen und gesellschaftlichen Ausschluss der Indianer. Um diese These zu belegen, werde ich im folgenden Text Allen Guttmanns evolutionäres Modell von Sport auf das Beispiel von Lacrosse in Kanada anwenden. Die vergleichende Analyse beider Lacrosse-Varianten, sowie deren Bedeutung, Funktion und Perzeption soll belegen, das die unterschiedlichen Konzepte von Sport Kanadas Sportgeschichte bis heute geprägt und vielerorts gespalten hat.
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Paul Vierkant
Der kleine Bruder des Kriegs passt nicht ins
Konzept -Einekomparative Studie zwischen Baggataway und Lacrosse
Abstrakt
Obwohl Sport ein kultureller Bestandteil fast einer jeden Gesellschaft ist, unterscheiden sich die Auffassungen über seine Bedeutung und Funktion erheblich. Ein gutes Beispiel ist das Kanada des späten 19. Jahrhunderts, das sich als junge Nation gegenüber sich selbst und anderen Ländern zu definieren suchte. Als kultureller Teilaspekt fungierte die indigene, indianische Sportart Baggataway, die anfangs von der Kanadischen Mittelklasse adaptiert und später auch modifiziert wurde. Dieser Prozess wurde Seitens der Kanadier als „Zivilisierung“ und Modernisierung eines primitiven Sports angesehen, was dem Verständnis der Indianer über die rituelle Bedeutung von Lacrosse diametral entgegensteht. Für Kanadier wurde es Nationalsport und somit kultureller Identitätsträger. Für Indianer war es Ritus, Spiel und vieles Mehr. Schließlich führte diese Unterschiedliche Perzeption und Konzeption zum sportlichen und gesellschaftlichen Ausschluss der Indianer. Um diese These zu belegen, werde ich im folgenden Text Allen Guttmanns evolutionäres Modell von Sport auf das Beispiel von Lacrosse in Kanada anwenden. Die vergleichende Analyse beider Lacrosse-Varianten, sowie deren Bedeutung, Funktion und Perzeption soll belegen, das die unterschiedlichen Konzepte von Sport Kanadas Sportgeschichte bis heute geprägt und vielerorts gespalten hat.
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Als William George Beers im Jahre 1864 sein Regelwerk für Lacrosse -Lacrosse:The National Game of Canada- veröffentlichte, kann dies als Beginn der Entwicklung des organisierten und modernen Sports in Kanada betrachtet werden.1Wenn man sich jedoch die pränationale Sportgeschichte Nordamerikas anschaut, dann steht die Modernisierung von Lacrosse für einen Meilenstein der historischen Sportentwicklung, an dem sich die Wege zweier Kulturen trennen. Das indianische Ballspiel Baggataway, schon Jahrhunderte vor der Ankunft erster Siedler in Nordamerika praktiziert, besitzt Bedeutungen und Funktionen, die sehr wenig mit dem gemein haben, was Kanadier daraus gemacht haben. Lacrosse als Kanadas erster Nationalsport diente vor allem der Definition des kanadischen Nationalstaates. Beers und andere Sportorganisatoren wollten die Nation durch eine Gemeinsamkeit - in diesem Falle eine distinkt kanadische Sportart - einen und sich gleichzeitig gegenüber dem Mutterland England, sowie den südlichen Nachbarn USA abgrenzen. Lacrosse hat zwar seine Wurzeln im indianischen Baggataway, jedoch sind die Spielcharaktere grundverschieden. Ersteres legt die Prämisse auf Modernität, Zivilisierung und den Amateurgedanken. Letzteres hingegen ist mannigfaltig in seiner Funktion, ob religiös, rituell oder substitutionell motiviert. Der folgende Text ist eine vergleichende Studie über die Auffassung von „Sport“ Seitens der Kanadier und Indianer Ende des 19. Jahrhunderts. Meine These ist, dass unterschiedliche Auffassungen über Lacrosse als Sportart und kulturellem Identitätsträger zur Neuerfindung des Sports und den Ausschluss Indianischer Spieler führten. Dies soll anhand des zuvor erläuterten evolutionären Sportmodells von Allen Guttmann bewiesen werden.2Die Ergebnisse sollen Aufschluss darüber geben, inwieweit die Vorstellungen und Konzepte von Sport divergierten und was die sozio-historischen Auswirkungen waren. Bei der vergleichenden Analyse liegt das Augenmerk auf Guttmanns Charakteristika für einen modernen Sport. Zu Beginn ist es jedoch nötig, zu definieren, was Sport überhaupt ist. Im Kontext zu Kanada sollten wir ferner vorab klären, was überhaupt Indianer und Kanadier bedeutet, ebenfalls in spezieller Hinsicht auf Lacrosse als Sportart und Kanada als Nation. Abschließend soll Sport als kultureller Faktor im Fall Kanada zusammengefasst und erklärt werden, denn Sport in Kanada heißt bis heute Selbstdefinition und nationale Einheit.
1Beers, William George. Lacrosse: The National Game of Canada. Montreal: Dawson Brothers, 1869.
2Guttmann, Allen. From Ritual to Record.