Der Kristall - Bärbel Junker - E-Book

Der Kristall E-Book

Bärbel Junker

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Beschreibung

Mit Hilfe ihrer Gefährten, der schwarzen Pantherin Danina, des telepathisch begabten Mauswiesels Mawi, des Zwergenführers Hetzel, des Elfenkönigs Ephlor, des Trolls Tolkar und des Kriegers Rowan soll Samiras ein zweites Mal den Perlmuttbaum retten. Doch das kann ihr nur mit Hilfe des Knaben Esmahel gelingen, dem "Kind des Lichts". Er allein kann sie zum "Stein des Lichts" führen, dessen alleinige Magie dem Perlmuttbaum die Lebensenergie zurückzugeben vermag. Magier und Zauberer sowie die Schwarze Hexe Lestizia unterstützen den Dämon, dessen Ziel es ist, sich an Samiras zu rächen und die Erde im Chaos versinken zu lassen. Der Perlmuttbaum siecht unter dem Einfluss des "Roten Kristalls" dahin und es bleibt nicht mehr viel Zeit, ihn zu retten. Wird es Samiras und ihren Gefährten dennoch gelingen? Der Dämon ist sicher, Samiras, ihre Gefährten und sogar den "Rat der Weisen", der über die Erde und ihre Lebewesen wacht, mit Hilfe eines grauenerregenden Ungeheuers zu besiegen. Samiras´ Bruder Osiac, die Weiße Hexe Aglajah, die Saphirkater Mansur und Poctero unterstützen Samiras im Kampf gegen das Böse ebenso, wie die Völker der Nirlik, Orlik und der Tektof. Doch Orks und andere Kreaturen versuchen ihrer habhaft zu werden. Die Macht des Dämons ist gewaltig und die Kraft des Ungeheuers unüberwindbar. Doch Samiras weiß, dass sie sich dem Dämon in dem unterirdischen Labyrinth Zophtarrs stellen muss, denn an diesem Ort wird sich die Zukunft der Erde und die ihrer Bewohner entscheiden.

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Bärbel Junker

Der Kristall

Die Samiras-Saga 3

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ZUM BUCH

NOLDIKIANS SCHMACH

DER ROTE KRISTALL

STRAHLENZAUBER

DAS HAUS DES ZAUBERERS

DIE SCHWARZE HEXE

ZWIST IM ZWERGENREICH

KASSANDRA UND DER GEFANGENE

DAS HEXENHAUS

EIN SELTSAMER ALTAR

GEFANGENE DER ORKS

AUF DEM WEG NACH ARAKOW

AUF DER FLUCHT!

ESMAHEL, KIND DES LICHTS

ABSCHIED!

DAS VOLK DER NIRLIK

WARJA, DIE WEISE FRAU DER NIRLIK

AUFBRUCH NACH TAMARIS

ÜBERFALL!

IM STOTECK-GEBIRGE

WO IST SAMIRAS?

RITT NACH TAMARIS

DIE SCHATTEN DES VERGESSENS

DER STEIN DES LICHTS

DER RAT DER WEISEN

DIE RÜCKKEHR

BEGEGNUNG MIT DEN TEKTOF

EIN LETZTER VERSUCH!

HEIMKEHR

AUFBRUCH NACH ZOPHTARR

EINE VERRUCHTE STADT!

UNTERIRDISCHES ZOPHTARR

BÖSE VORFREUDE!

DÄMONISCHE RACHE!

EPILOG

Leseprobe

Impressum neobooks

ZUM BUCH

Mit Hilfe ihrer Gefährten, der schwarzen Pantherin Danina, des telepathisch begabten Mauswiesels Mawi, des Zwergenführers Hetzel, des Elfenkönigs Ephlor, des Trolls Tolkar und des Kriegers Rowan soll Samiras ein zweites Mal den Perlmuttbaum retten.

Doch das kann ihr nur mit Hilfe des Knaben Esmahel gelingen. Er allein kann sie zum „Stein des Lichts“ führen, dessen alleinige Magie dem Perlmuttbaum die Lebensenergie zurückzugeben vermag.

Magier und Zauberer sowie die Schwarze Hexe Lestizia unterstützen den Dämon, dessen Ziel es ist, sich an Samiras zu rächen und die Erde im Chaos versinken zu lassen.

Der Perlmuttbaum siecht unter dem Einfluss des „Roten Kristalls“ dahin und es bleibt nicht mehr viel Zeit ihn zu retten. Wird es Samiras und ihren Gefährten dennoch gelingen?

Der Dämon ist sich sicher, Samiras, ihre Gefährten und sogar den „Rat der Weisen“, der über die Erde und ihre Lebewesen wacht, mit Hilfe eines grauenerregenden Ungeheuers zu besiegen.

Samiras´ Bruder Osiac, die Weiße Hexe Aglajah, die Saphirkater Mansur und Poctero unterstützen Samiras ebenso wie die Völker der Nirlik, Orlik und der Tektof. Doch Orks und andere Kreaturen versuchen ihrer habhaft zu werden. Die Macht des Dämons ist gewaltig und die Kraft des Ungeheuers anscheinend unüberwindbar.

NOLDIKIANS SCHMACH

An diesem herrlichen Sommertag brachen erneut die Schatten der Vergangenheit über Samiras herein. Doch noch ahnte sie nichts davon. Noch war sie glücklich. Sie lächelte, als sie Tolkar beobachtete, der mit einem riesigen Hammer bewaffnet auf seinem Dach hockte.

Das Haus war schon lange fertig. Der Troll hatte dank seiner gewaltigen Kräfte nicht lange dafür gebraucht. Es war ein schlichtes Holzhaus geworden, aber so massiv, dass es jedem Wetter, selbst dem allerschlimmsten, trotzte.

Fast zwei Jahre waren seit ihrem Abenteuer in der Wüste und in der fürchterlichen Stadt Zophtarr vergangen. Zwei Jahre, in denen sie den Zwerg Hetzel und den Elfenkönig Ephlor nicht gesehen hatte. Sie sehnte sich nach ihnen, dachte in letzter Zeit so häufig an sie, als gäbe ihr jemand diese Sehnsucht ein. Konnte das sein? Doch wer sollte das tun? Und warum?

Und dann diese in ihre Träume verpackten Warnungen, dass etwas Schreckliches geschehen würde. Zwar kamen sie unregelmäßig, doch in letzter Zeit immer öfter. Doch wer schickte sie? Und was für eine Gefahr drohte ihr? Mit wem sollte, konnte sie darüber sprechen? Würde nicht jeder sagen es sind nur Träume, vielleicht auch unterschwellige Ängste aus der Vergangenheit?

Was sollte sie tun? Sie wusste es nicht. Also schüttelte sie die fruchtlosen Überlegungen wieder einmal ab. Und doch nahm sie die Warnungen nicht auf die leichte Schulter. Vielleicht würden sie irgendwann deutlicher, so hoffte sie.

Tolkar winkte ihr zu und Samiras winkte zurück. Sie scheuchte ihre seltsamen Gedanken davon. Letztendlich hat sich doch noch alles zum Guten gewendet, dachte sie. Sie fühlte sich in Preleida bei ihrem Volk wohl, wäre sogar glücklich gewesen, würde Karons schreckliches Ende nicht noch immer an ihr nagen.

So nahe waren sie ihrem Glück gewesen. Doch der Moglack hatte es zerstört! Mit einem einzigen Schlag hatte das Ungeheuer alles zunichte gemacht.

Nur die Erinnerung und der Ring an ihrer Hand waren ihr von Karon geblieben. Hätten ihr nicht Danina und Mawi und natürlich Tolkar in dieser schweren Zeit beigestanden, sie hätte nicht gewusst, wie sie aus dem tiefen Graben der Trauer hätte herauskommen sollen.

Herausgezogen hatte sie letztendlich ihr Bruder Osiac, den sie innig liebte, und den König Askento zu seinem und seiner Gattin Ashras Leibgardisten ernannt hatte. Seitdem lebte er bei ihnen im Schloss, doch sie sahen sich häufig.

Ja, Osiac! Der nach seiner letzten Metamorphose zwar die Gabe des Formwandels verloren hatte, aber nicht allzu traurig darüber war. Er war so glücklich seine Gestalt zurückerhalten zu haben, dass er diese Gabe nicht vermisste.

Wären diese innere Unruhe und die schrecklichen Träume nicht, könnte ich zufrieden sein, dachte Samiras. Doch Nacht für Nacht träumte sie in letzter Zeit von IHM. Hörte SEINE letzten Worte, die ER in der Burg des Magiers Teufat zu ihr sagte, bevor sie IHN verbannte. Vernahm wieder und wieder SEINE Prophezeiung, die Weissagung des BÖSEN, die sie schweißgebadet aufwachen ließ:

„Für heute hast du gewonnen. Doch das Böse lässt sich nicht auf ewig verbannen. Ich kehre stets wieder zurück, denn ich bin unsterblich, existiere schon so lange wie die Welt. Wir sehen uns wieder, Samiras. Und dann gewinne ICH! Ich habe Zeit, so unendlich viel Zeit. Du hast den Zaubersamen gefunden, jedoch den Perlmuttbaum noch nicht zu neuem Leben erweckt. Sollte es dir nicht gelingen, kehre ich aus der Verbannung zurück und vernichte dich und alles, was dir wichtig ist. Schaffst du es jedoch, dann sage ich dir:

Vereinige dich ruhig mit dem Perlmuttbaum und erwecke ihn zu neuem Leben. Schenke der Welt ein schöneres Kleid. Welch ein Vergnügen wird es dann erst für mich sein zurückzukehren und alles wieder zu zerstören. Und glaube mir! Ich werde es mit jeder Faser meines Seins genießen“! gellte ER und SEIN abscheuliches, boshaftes Gelächter verfolgte sie jede Nacht.

Aber der Perlmuttbaum lebte!

ER konnte nicht zurückkehren. Aber weshalb dann diese Albträume? Vielleicht eine Warnung vor der Zukunft? Bloß das nicht, dachte Samiras. Dem Perlmuttbaum darf nichts geschehen. Nicht um meinetwillen, aber meines Volkes und der anderen Völker wegen.

„Hallo, schöne Frau“, riss sie Noldikians unangenehme Stimme aus ihren Gedanken. Der bekannteste Magier und Heilkundige der Stadt ließ keine Gelegenheit aus, ihr nachzustellen. Auch jetzt eilte er mit wehendem Umhang auf sie zu.

Unaufgefordert setzte er sich neben sie auf die Bank, von der aus sie Tolkar zugesehen hatte. Bevor sie es verhindern konnte, legte er seine schlaffe weiße Hand auf ihre und schmachtete sie mit seinen hervorstehenden, farblosen Augen an.

„Hast du es dir überlegt?“, fragte er.

Sie hasste es, von ihm geduzt zu werden, konnte ihn jedoch nicht davon abbringen. Sie selbst vermied ihm gegenüber jegliche Vertraulichkeit.

Aber Noldikian war stur. Er nahm ihre abweisende Haltung einfach nicht zur Kenntnis. Er hielt sich für unwiderstehlich, obwohl er vom Alter her ihr Vater hätte sein können. Seit über einem Jahr stellte er ihr nach, obwohl sie keinen Zweifel daran ließ, dass eine Beziehung zwischen ihnen überhaupt nicht in Frage kam. Aber er blieb stur und schlich um ihr Haus.

Und dann hatte sie vor einigen Wochen kleine Stoff- und Holzpuppen sowie andere Fetische dicht beim Haus gefunden. Dinge, mit denen er anscheinend versuchte, sie seinen Wünschen gefügig zu machen und ihren Widerstand zu brechen. Aber entweder war sie gegen derartige Praktiken immun oder seine magischen Fähigkeiten waren weitaus schwächer, als seine Bewunderer glaubten.

Samiras sah zu Tolkar hinüber, der gerade seinen Hammer aus der Hand gelegt hatte, um vom Dach herunterzusteigen. Er wusste, dass sie den Zauberer nicht ausstehen konnte.

„Ich habe weder jetzt, noch in Zukunft die Absicht mich zu binden“, erwiderte sie kühl. „Aber das habe ich mittlerweile ja wohl schon einige hundert Mal gesagt, nicht wahr?“

„Aber, aber meine Liebe. Es ist für eine schöne junge Frau nicht gut allein zu bleiben. Das ist wider die Natur. Frauen sollten ein Heim und Kinder haben.“

„Ich habe ein Heim.“

„Aber keinen Mann, meine Gute. Ich kann dir in jeder Hinsicht eine Menge bieten, Samiras. Und ich kann dich beschützen.“

„Ich kann sehr gut auf mich alleine aufpassen. Außerdem kann mich niemand so gut beschützen wie Danina und Tolkar.“

„Eine Bes … äh, Pantherin und ein Troll. Ich bitte dich, meine Liebe. Das kann doch nicht dein Ernst sein.“

Am liebsten hätte sie dem arroganten Kerl eine reingehauen. „Ich lasse meine Freunde nicht beleidigen, noch dazu auf meinem Grund und Boden“, zischte Samiras wütend.

„Kein Grund sich aufzuregen“, grinste der Zauberer und legte frech den Arm um sie. „Wir werden ein sehr glückliches Paar“, versprach er grinsend und zog sie in seine Arme. Gierig suchten seine Lippen ihren Mund.

Vier Dinge passierten fast gleichzeitig. Samiras Hand zuckte hoch und landete klatschend auf seiner Wange. Tolkar packte ihn am Kragen und Danina schlug ihre Reißzähne in seinen Umhang und zerrte ihn von Samiras weg, während Mawi, das Mauswiesel, ihm kräftig in die Hand biss.

Als Noldikian vor Schmerz kreischte, löste Tolkar seinen Griff und der Zauberer fiel zu Boden. Danina schleifte ihn noch zum Gartentor. Hier ließ sie ihn los und ging zurück zu Samiras, die sie lachend an sich drückte.

Noldikian raffte seine Gewänder zusammen, stand auf und straffte seine hagere Gestalt. Kreidebleich vor Wut drehte er sich zu Samiras um.

„Das wirst du noch bereuen!“, schrie er mit drohend erhobener Faust. „Ich werde dich und diese Brut vom Angesicht der Erde tilgen, du Hexe. Und glaube nur nicht, dass der Perlmuttbaum dich schützen kann. Das kann er mit Sicherheit nicht!“ Mit einem unsagbar hämischen Lachen drehte er sich um und ging davon.

„Er ist gefährlich“, brummte Tolkar. „Von jetzt an lasse ich dich nicht mehr aus den Augen.“

„Ich auch nicht“, zischte Danina. „Der Troll hat recht. Irgendetwas Unerfreuliches kommt auf uns zu. Ich weiß bloß noch nicht was.“

„Du hast es auch gespürt?“

„Natürlich! Was dachtest du denn?“

In dieser Nacht schlief der Perlmuttbaum so tief und so fest wie noch niemals zuvor. Weich wie flaumige Federn war die Stimme, die ihn sanft in den Schlaf wiegte. Und der Perlmuttbaum gab sich ihr vertrauensvoll hin. Er war in Preleida bei seinem Volk, das ihn über alles liebte. Nichts Böses konnte ihm hier geschehen, so dachte er.

Noldikian, der Magier, wischte grinsend seine Hände an einem Tuch ab und warf es ins Gebüsch. Dann raffte er seine Gewänder und eilte davon.

DER ROTE KRISTALL

Beschwingten Schrittes eilte Samiras über die saftigen Wiesen zum Perlmuttbaum. Sie liebte diese allmorgendliche Begegnung und das Austauschen ihrer Gedanken.

„Geht es dir gut?“, fragte sie wie jeden Morgen, als sie sich an seinen silberglänzenden Stamm lehnte.

„Ich habe so tief geschlafen, dass es mir schwer fällt, richtig wach zu werden. Ich fühle mich so matt. Diese wundervolle Stimme muss der Grund dafür sein“, wisperte der Baum.

Samiras Hand strich liebevoll über den glatten Stamm und blickte dabei über sich in das silberne Laub. Wie schön es ist, dachte sie. Zärtlich fuhr sie mit dem Finger über den Rand eines der filigranen Blätter. Dabei drehte es sich um.

„Mein Gott“, flüsterte Samiras und ließ es erschrocken fallen.

„Was ist?“, fragte der Perlmuttbaum verwundert.

„Dein Laub! Einige deiner Blätter haben sich verfärbt.“

„Viele?“

„Nein. Aber wie kann das sein?“

„Ich weiß es nicht, Samiras. Ich weiß nur, dass ich noch niemals so tief schlief wie in der vergangenen Nacht.“

„Du sprachst von einer wundervollen Stimme. Was meintest du damit?“

„Sie sang mich in den Schlaf. Es war wunderschön und weckte alte Erinnerungen in mir. Ich erwachte erst, als du kamst.“

„Dann hättest du nicht gemerkt, wenn sich dir des Nachts jemand genähert hätte“, überlegte Samiras laut. Kann es sein, dass irgendjemand dem Baum ein Leid zufügte? dachte sie. Aber ist das überhaupt möglich? Sie fragte ihn.

„Allein das Böse könnte mir schaden und mir meine Lebenskraftrauben“, erwiderte der Baum. „Aber das weißt du doch. Ich sagte es dir damals, als wir uns vereinigten.“

„Ich habe ein ganz schlechtes Gefühl“, sagte Samiras unruhig. „Ich sehe mich hier mal um. Mich beunruhigt dieser Gesang. Woher kam er? Wer hat gesungen?“ Sie ging langsam um den Baum herum.

UND DA SAH SIE ES!

Auf dem Boden lagen einige Hände voll zusammengerollter, vertrockneter Blätter.

„Was beunruhigt dich, Samiras?“, fragte der Perlmuttbaum, dem sich ihre Gefühle und Ängste mitteilten, als wären es seine eigenen.

„Hier liegen noch mehr Blätter. Ich sehe mich mal bei den Büschen dort drüben um. Vielleicht finde ich eine Spur desjenigen, der gesungen hat.“

UND SIE WURDE FÜNDIG!

Mit spitzen Fingern zog sie ein mit Erde beschmiertes Tuch aus dem Gebüsch. Damit hat sich jemand die Hände abgewischt, nachdem er gegraben hat, vermutete sie. Nur wer würde hier, bei dem Perlmuttbaum, graben? Und warum? Nachdenklich kaute Samiras auf ihrer Unterlippe.

Sie ging zurück zu dem Baum, von dem ihre Lebensdauer abhängig war. Mit auf den Boden gerichteten Blick umkreiste sie ihn langsam. Alles war wie immer.

Doch Halt! Hier hatte jemand gegraben!

Sie bückte sich und strich mit der Hand über die Stelle. Der Boden war so lose, dass sie eine Handvoll davon nehmen konnte. Jetzt war ihre Neugier, aber auch ihre Sorge geweckt. Mit einem schmalen Stück Holz, das sie nicht weit entfernt fand, grub sie tiefer, fand jedoch nichts.

„Ich hole Tolkar. Wir brauchen einen Spaten. Wer weiß, wie tief wir graben müssen, falls hier etwas liegt, das nicht hierher gehört“, sagte Samiras und eilte davon.

Kurze Zeit später kam sie mit dem Troll und einem Spaten zurück.

„Sei aber vorsichtig, Tolkar, damit du nicht die Wurzeln verletzt“, warnte sie. Der Troll brummte etwas und machte sich an die Arbeit. Nachdem er etwa fünf Fuß tief gegraben hatte, winkte er Samiras heran.

„Was ist das?“, flüsterte sie. Verwundert starrten sie auf das rote Schimmern zu ihren Füßen.

„Es sieht wie ein roter Stein aus“, erwiderte Tolkar. „Soll ich ihn herausholen?“

Der Perlmuttbaum hatte den Vorgang in Samiras´ Gedanken, zu denen er dank seiner Magie Zugang hatte, mitverfolgt. Als er jetzt von dem roten Stein hörte, ahnte er Schreckliches, denn eine alte Erinnerung kehrte zurück. Man hatte ihn übertölpelt, hatte ihn getäuscht!

„Sollen wir den Stein entfernen?“, fragte Samiras in diesem Augenblick. „Vielleicht ist er Schuld an den abgefallenen Blättern.“

„Das ist er mit Sicherheit“, erwiderte der Baum niedergeschlagen. „Aber ihr dürft den roten Kristall auf keinen Fall entfernen. Wahrscheinlich könntet ihr es gar nicht ohne euch und mir zu schaden. Er ist bereits fest mit mir verbunden.“

„Du weißt, was das ist?“, fragte Samiras verwundert.

„Oh ja, das weiß ich nur zu gut. Ich kam schon einmal mit einem solchen Stein in Berührung. Doch das ist schon so viele Menschen-Lebensalter her. Ich hatte es schon fast vergessen. Doch die wunderbare Stimme zusammen mit dem Kristall können kein Zufall sein. Deshalb ist es mir wieder eingefallen.

Ja, Samiras. Es ist der rote Kristall. Er wurde von IHM geschickt, um mir die Lebenskraft zu rauben. Es kann nicht anders sein. Daher auch die toten Blätter. Und doch ist das erst der Beginn der Katastrophe“, erklärte der Perlmuttbaum traurig.

„Heißt das etwa, ER ist wieder zurück? Aber wieso? Ich habe IHN doch verbannt“, flüsterte Samiras entsetzt.

„Das Böse ist sehr, sehr stark. Trotzdem, ER muss die Hilfe eines Schwarzen Magiers und zumindest einer Schwarzen Hexe gehabt haben. Aber da muss außerdem noch etwas sehr Starkes und sehr, sehr Böses mitgeholfen haben.“

„Und was kann das gewesen sein?“, fragte Samiras niedergeschlagen.

„Ich weiß es nicht, Samiras. Ich kann dir nur sagen, was du zu meiner und damit auch deiner Rettung unternehmen kannst. Aber es wird nicht einfach sein, vielleicht sogar unmöglich. Du kannst es nur versuchen.“

„Ich verstehe es einfach nicht“, murmelte Samiras. „Ich habe doch alles getan. Ich habe den Zaubersamen gefunden. IHN in die Verbannung geschickt. Den Perlmuttbaum zu neuem Leben erweckt. Und schon jetzt, nach nur zwei Jahren beginnt alles wieder von vorn? Wieso hat mich die Zauberin Xzatra nicht über diese eventuelle Gefahr aufgeklärt? Und du hast auch nie etwas zu mir gesagt, mich nie gewarnt“, sagte Samiras vorwurfsvoll.

„Es erschien mir wie auch sicherlich Xzatra einfach unmöglich, dass so etwas geschehen könnte. Ich kann mir auch jetzt nicht erklären, welche ungeheuer bösartige Kreatur dieses möglich machte. Denn nur ein Zauberer und eine Schwarze Hexe allein hätten den Dämon niemals befreien können. Und er wird mit jedem Tag stärker. Die Zeit drängt.“

„Was können wir tun, um IHN wieder dorthin zu schicken, wohin ER gehört? Denn in unserer Welt darf ER nicht bleiben“, fragte Samiras, die sich wieder beruhigt hatte.

„Ich helfe dir und wenn wir die Hölle besuchen müssen“, brummte Tolkar.

„Und ich dir auch. Das ist doch keine Frage“, stimmte ihm Danina zu, die lautlos neben ihnen aufgetaucht war.

„Du hast es gehört“, sagte Samiras zu dem Perlmuttbaum. „Zwei, mit Mawi drei Gefährten habe ich schon. Doch um erneut den Dämon zu bezwingen, brauchen wir die Hilfe unserer früheren Gefährten. Doch sie ahnen nichts von der erneut auf uns zukommenden Gefahr. Und wir haben nicht die Zeit, zu ihnen zu reisen und sie um Hilfe zu bitten“, sagte Samiras niedergeschlagen.

„Du unterschätzt meine Möglichkeiten und meine Macht“, erwiderte der Baum vorwurfsvoll. „Ich sorge dafür, dass der Elfenkönig Ephlor dir schon bald zu Hilfe kommt.“

„Und wie gelangt er hierher?“

„Mit Xzatras Hilfe, als Spektralfarbe in einem Regenbogen. Diese Reiseart ist für ihn ja nichts Neues.“

„Und was ist mit Hetzel? Wird auch er uns begleiten?“

„Ich kümmere mich darum, Samiras. Vertrau mir“, bat der Baum. „Doch verliert keine Zeit. Sobald Ephlor hier ist, müsst ihr euch umgehend auf den Weg machen. Hetzel kann erst zu euch stoßen, wenn seine Probleme behoben sind.“

„Was für Probleme?“, fragte Samiras besorgt.

„Ich weiß es nicht. Ich spüre nur, dass er welche hat. Aber ich bin sicher, er wird sie meistern und wieder dein Gefährte sein.“

„Und wie geht es jetzt weiter?“, wollte Samiras wissen. „Denn bevor wir uns erneut in ein Abenteuer stürzen, muss ich mit König Askento und meinem Bruder sprechen, der uns wohl begleiten wird. Sie sollen wissen, wohin uns unsere Reise führt.“

„Dann hör mir jetzt gut zu“, bat der Perlmuttbaum. „Dieser Kristall der von meiner Lebenskraft zehrt, ist ein Kristall aus den Gefilden des Bösen, in der Gegenwelt. Nur ein so mächtiger Dämon wie ER kann ihn hierher gebracht haben. Um ihn zu entfernen, und damit seine unheilvolle Macht aufzuheben, müsst ihr den „STEIN DES LICHTS“ finden.

Dieser ruht seit Äonen verborgen in „Tamaris.“ Allerdings liegt Tamaris wiederum in einem anderen Ort verborgen. Welcher Ort das ist, kann Esmahel nur von Warja, der weisen Frau der Nirliks erfahren. Aber selbst wenn ihr ihn findet, dürft ihr ihn auf keinen Fall berühren. Niemand darf das, außer Esmahel, denn er ist das KIND DES LICHTS.

Deshalb müsst ihr zuerst nach Arakow reiten, wo der Junge bei der Heilerin Arlena lebt. Nur Esmahel kann euch zum“ Stein des Lichts“ führen. Nur er vermag den Ort zu finden, an dem er seit Äonen ruht und den kein Sterblicher betreten darf. Dieses Wissen ruht im Unterbewusstsein des Knaben und wird sich ihm zu gegebener Zeit offenbaren.

Die Frucht, die du zweimal im Jahr von mir erhältst, ist jetzt reif. Sie wird es dir ermöglichen, zusammen mit Esmahel die „Schatten des Vergessen“ zu betreten, in dem der mich und natürlich auch dich rettende „Stein des Lichts“ wartet. Aber denke immer daran, Samiras: Alleine Esmahel darf den magischen Stein berühren.

Und noch etwas: Ihr müsst das Loch, das Tolkar gegraben hat, wieder zuschütten. Wenn ihr dann den Stein gefunden habt, kommt zu mir zurück. Sobald er auf den Boden über den roten Kristall gelegt wird, hebt er dessen unheilvolle Macht auf und der böse Kristall kann entfernt werden.“

„Aber was wird danach mit dem Dämon? Er muss zurück in die Verbannung, denn er könnte dir jederzeit wieder Schaden zufügen“, sagte Samiras bestimmt.

„Wir müssen ihn loswerden. Doch diesmal wird es vielleicht ein wenig einfacher sein“.

„Meinst du?“, sagte Samiras skeptisch. „Und wieso?“

„ER weiß zum Glück nicht, dass ich SEINEN wahren Namen kenne“, wisperte der Baum. „Alle Dämonen hüten ihren wahren Namen und vernichten jeden, der ihn kennt.

Und nun höre SEINEN wahren Namen und vergiss ihn nicht: CZUTHUL! So lautet des Dämons wahrer Name.“

„Und was ist daran so wichtig?“, fragte Samiras verwundert.

„Dass er dir und deinen Gefährten das Leben retten kann, das ist so wichtig und für den Dämon so gefährlich, wenn ihn jemand kennt“, erwiderte der Baum. „Denn sobald du ihn laut aussprichst wird der Dämon STERBLICH und ihr könnt ihn vernichten!“

Samiras brauchte eine Weile um das zu verarbeiten. Dann jedoch ging ein Strahlen über ihr Gesicht. „Dann werden wir ihn für immer los!“, frohlockte sie.

„Ja, aber zuerst einmal müsst ihr ihn bezwingen. Seine Macht ist außerordentlich, das solltet ihr niemals vergessen“, warnte der Baum. „Aber ich habe noch etwas für dich, das sehr hilfreich sein könnte“, fuhr der Baum fort. „Nimm ein Blatt von mir mit. Sobald du damit ein Lebewesen berührst, wird es dir zu Willen sein und jedem Befehl folgen. Außerdem kann es nicht anders, als dir stets die Wahrheit zu sagen. Allerdings gilt dies nicht für den Dämon.

Und nun geh und bereite alles vor. Und denke daran: Ich bin stets bei dir und stehe dir bei. Du musst erfolgreich sein, Samiras. Denn die Lebewesen dieser Welt brauchen uns. Doch nun geh, mein liebes Kind und kehre gesund wieder zurück. Ich werde dich vermissen.“

„Ich vermisse dich bereits jetzt“, flüsterte Samiras mit Tränen in den Augen. „Doch ich werde stark sein. Ich werde Esmahel und den „Stein des Lichts“ finden und dich retten.“

STRAHLENZAUBER

„Wir schaffen das schon „, brummte der sonst so wortkarge Troll. „Urselik würde mir nie verzeihen, sollte der Perlmuttbaum und damit das Schöne und das Gute auf dieser Welt vergehen. Er wäre wie Karon umsonst gestorben.“

Samiras nickte. „Aber es wird nicht leicht werden, Tolkar. SEINE Macht ist ebenso gewaltig wie SEINE Bosheit. Mir wird übel, wenn ich nur an IHN denke.“

„Wenn ER sterblich geworden ist, dann bringe ich IHN mit Vergnügen um“, knurrte der sonst so friedliebende Troll.

„Er ist drollig“, amüsierte sich Danina. „Aber er hat natürlich recht.“

Also geht es doch mal wieder ans Packen, dachte Samiras zu Hause angelangt. Dabei habe ich so gehofft, IHN niemals wiederzusehen. Wie schön wäre es, wenn Karon mir zur Seite stünde, alles wäre gleich viel leichter. Sie seufzte traurig. Aber sie musste IHN bezwingen. Karons Tod durfte nicht umsonst gewesen sein.

Eine weiche Zunge leckte über ihre Hand, und ein kleiner Körper schmiegte sich an sie. Mawi, das Mauswiesel, etwa anderthalb Mal so groß wie ihre Hand, mit rötlich-braunem Fell, schneeweißem Bäuchlein und blau-weiß gesprenkelten Augen, nicht zu vergessen die scharfe, giftige Kralle in seiner linken Pfote, war aus ihrer Tasche aufgetaucht und versuchte sie zu trösten.

Der kleine Telepath war ständig bei ihr. Seinetwegen hatten die meisten ihrer Kleidungsstücke mittlerweile Taschen, in denen das kleine Kerlchen die meiste Zeit schlief. Doch wie oft hat er mir und meinen Gefährten schon aus der Patsche geholfen, dachte sie dankbar. Liebevoll drückte sie ihn an sich und der Kleine fiepste vor Vergnügen.

Noch immer in Gedanken stieg sie die Treppe zum Keller hinunter. Vor einer massiven Holztür blieb sie stehen. Zögernd schob sie den Riegel zurück und trat ein.

Bis auf eine große Eichenkiste war der Raum leer. Sie klappte den Deckel zurück und … blickte auf ihre Vergangenheit. Alles war noch vorhanden. Lederhose und Wams, Hemden, die hohen Lederstiefel, der graue Elfenumhang, der Lederbeutel für ihre Habe den man auch auf dem Rücken tragen konnte, die sich niemals leerende Wasserflasche, der magische Vorratsbeutel und natürlich … STRAHLENZAUBER!

Zögernd griff sie nach dem Schwert. Es hatte sich nichts geändert!

Die Waffe sprang ihr förmlich entgegen und schmiegte sich in ihre Hand. Wie festgewachsen blieb sie darin liegen. Leicht war sie, warm und pulsierend wie etwas Lebendiges. Ihr war bis heute nicht klar, hatte sie in den Kämpfen das Schwert geführt? Oder war es umgekehrt? Hatte das Schwert sie benutzt?

Wie auch immer. Auf jeden Fall hatte sie so gekonnt gekämpft, als hätte sie nie etwas anderes getan. Sie griff nach der schlichten Scheide, die ihr Ventor, der Meisterschmied der Zwerge geschenkt hatte und ließ Strahlenzauber hineingleiten. Sie würde sicherlich noch froh sein, es zu besitzen!

Beladen bis unters Kinn stieg sie die Treppe hinauf. Als erstes verbarg sie die Frucht des Perlmuttbaums und das silberne Blatt in der Geheimtasche ihres Umhangs. Und nachdem sie ihren Lederbeutel gepackt hatte, machte sie sich auf den Weg zum Schloss. Sie musste mit König Askento und ihrem Bruder Osiac sprechen.

Am späten Nachmittag saß Samiras auf der Bank vor ihrem Haus und dachte über ihr Gespräch mit dem König nach. Der König und seine Königin Ashra waren entsetzt gewesen über das, was dem Perlmuttbaum angetan worden war. Und sie waren zutiefst besorgt. Wer kann den roten Kristall vergraben haben? hatten sie gefragt. Jemand den wir kennen?

Und da war ihr schlagartig Noldikian eingefallen!

Er ist ein Magier, dachte sie auch jetzt. Und er ist böse. Da musste sie nur an seine Drohung zu denken. Und er ist machtgierig. Ganz anders, als sein Halbbruder Asper, der Vertraute und Berater des Königs.

Und dann hatte Asper ihnen auch noch erzählt, dass er Noldikian in Begleitung einer Schwarzen Hexe gesehen hätte, die Preleida eigentlich nicht betreten durfte, denn König Askento hatte sie verbannt. Außerdem hatte Noldikian damit geprahlt, schon sehr bald der mächtigste Zauberer neben seinem unüberwindbaren Gönner zu sein. An sein übersteigertes Selbstbewusstsein gewöhnt, hatte Asper das Gerede nicht weiter ernst genommen.

Sie hatte mit ihrem Bruder verabredet, Noldikian aufzusuchen, sobald der Elfenkönig angekommen war. Vielleicht konnten sie etwas von ihm erfahren. Wusste Noldikian von dem Dämon? Kannte er ihn? War ER sein sogenannter Gönner? Wusste er vielleicht sogar, wo ER sich aufhielt? Und war es Noldikian gewesen, der den roten Kristall vergraben hatte? Sie benötigten unbedingt Antworten. Samiras hoffte, der Zauberer würde sie ihnen geben.

Gleich nach dem Besuch bei dem Zauberer wollten sie sich auf den Weg nach Arakow machen, um den Knaben Esmahel zu finden. König Askento hatte Osiac, der seine Schwester unbedingt begleiten wollte, sofort freigestellt.

Fehlt nur noch Hetzel, dachte Samiras. Und natürlich Karon. Aber daran durfte sie nicht denken. Karon war tot und nichts und niemand konnten ihn ihr wieder zurückbringen. Aber sie hatte gelernt, damit zu leben. Nur tat es immer noch weh.

In dieser Nacht suchte der Albtraum Samiras nicht heim. Ungestört schlief sie bis zum Morgen durch.

DAS HAUS DES ZAUBERERS

Das Haus am Waldrand schien leer zu sein. Anscheinend war Noldikian nicht zu Hause. „Wir gehen trotzdem rein“, sagte Samiras. „Wir sehen uns da mal um. Vielleicht finden wir einen Hinweis, für wen der Zauberer arbeitet und ob er den Kristall am Perlmuttbaum vergraben hat. Aber achtet auf magische Fallen.“

Ephlor konnten sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. „Vielleicht sollte ich die Vorhut machen, Samiras“, schlug er vor. „Mir entgeht so leicht nichts.“

Samiras lachte. „Da war ich wohl ein wenig voreilig“, erkannte sie. „In meiner Freude dich wieder zum Gefährten zu haben, bin ich wohl übers Ziel hinaus geschossen. Es tut mir leid.“

Ephlor winkte ab und ging wachsam auf das Haus zu. Eventuelle magische Fallen würde er rechtzeitig entdecken und sie warnen.

Die Schwarze Hexe Lestizia, die in Gestalt einer Krähe über den Gefährten in einem Baum hockte, grinste gehässig. Sie hasste Elfen und Trolle und alle anderen Lebewesen eigentlich auch. Sympathie hegte sie nur für sich selbst.

Sie war eitel und machtgierig. Und sie war zutiefst Böse. Ihre Bösartigkeit hatte ihr die Gunst des Dämons gesichert, dem sie ausgesprochen nützlich war.

Lestizia bewunderte und beneidete IHN. Aber sie fürchtete IHN auch. ER hatte ihr zwar etwas gegeben, das ihre Magie erheblich stärkte, doch war ihr klar, dass sie gegen IHN nicht den Hauch einer Chance hatte. Also diente sie IHM, wie sie von jeher dem Bösen gedient hatte.

Die Krähe Lestizia hüpfte auf einen anderen Ast, von dem aus sie besser verstehen konnte, worüber die ungebetenen Besucher sprachen. Sie kannte die Frau mit den kupferfarbenen Haaren. Jeder in Preleida kannte die Gefährtin des Perlmuttbaums. Und jeder verehrte sie.

Das Volk der Schlangenmenschen hatte ihr zu Ehren ein zehn Fuß hohes Monument aus weißem Marmor errichtet. Es hatte die Form eines Samenkorns und darin eingemeißelt standen die Namen all derer, die Samiras dabei geholfen hatten den Zaubersamen zu finden und den Perlmuttbaum neu entstehen zu lassen.

Lestizia verabscheute diese, ach, so gute, Person. Sie würde ihr hier und jetzt zeigen, was das Böse alles vermochte! Wenn ich Vieh verhexen kann, dann kann ich auch die schwarze Pantherin verhexen, dachte Lestizia höhnisch. Der Frau scheint ja sehr viel an ihr zu liegen.

Durch die Macht, die ER mir verliehen hat, gelingt es mir vielleicht sogar das Tier in etwas Grauenhaftes zu verändern.

Sie konzentrierte sich, hielt ihren Blick auf Danina gerichtet, fixierte sie, wie die Schlange ihre Beute.

Samiras wurde plötzlich unruhig. Ihre feinen, magischen Sinne spürten einen Hauch von Gefahr. Da war etwas, etwas das mit Worten nicht zu beschreiben, aber von fast greifbarer Intensität war. Es war da, irgendwo ganz in ihrer Nähe, lautlos und lauernd. Eine unbestimmbare, stumme Bedrohung. Doch sie spürte, die Bedrohung galt nicht ihr, sie galt …

„DANINA!“

Ihr Warnschrei erreichte die Pantherin in dem Moment, in dem diese einen Feuerstrahl aus ihren goldenen Augen in die Baumkrone schickte. Danina hatte die Gefahr längst erkannt.

Unter lautem Gezeter und mit glimmendem Gefieder schwang sich eine Krähe in die Luft und flog unsicher schwankend hastig davon. Verdammt! Was war das denn?! wütete die Schwarze Hexe. Wieso habe ich die Magie in dem Mistvieh nicht gespürt? Um ein Haar hätte das ins Auge gehen können. Der Feuerstrahl ging haarscharf an mir vorbei.

Verdammter Mist! Hoffentlich sind sie jetzt nicht gewarnt, dachte sie besorgt. Das würde ER mir sehr verübeln! Aber dann beruhigte sie sich wieder. Magie oder nicht! Es ist ja schließlich nur ein Tier, dachte sie überheblich. Beim nächsten Mal kommt es mir nicht lebend davon.

„Was war los?“, fragte Samiras die Pantherin.

„Einen Moment lang konnte ich ihre Gedanken lesen“, erwiderte Danina. „Die Krähe war in Wirklichkeit Lestizia, die Schwarze Hexe. Sie ist ein besonders böses Geschöpf. Und sie dient IHM. Sie wollte mich in etwas Schreckliches verwandeln, um dir weh zu tun, Samiras.

Sie hasst dich. Das las ich in ihren Gedanken. Und sie verfügt über zusätzliche Fähigkeiten, die ER ihr verlieh. Sie dachte ständig an einen Anhänger, den ER ihr gab. Noldikian erhielt auch einen. Ich vermute, sie beziehen daraus ihre zusätzlichen Kräfte.“

„Dann wissen wir also schon mal, wer seine Helfer sind“, erwiderte Samiras. „Damit ist wohl ziemlich sicher, dass Noldikian der Bösewicht mit dem roten Kristall war. Nur wie hat er ihn erhalten? Und wer hat den Perlmuttbaum in den Schlaf gesungen? Na, egal! Ich werde es schon aus ihm herausholen“, murmelte sie.

„Was ist? Kommt ihr nicht mit? Ephlor wartet“, drängte Osiac neben ihnen. „Du wolltest doch Antworten, wenn ich mich recht entsinne.“

„Einige habe ich schon“, erwiderte Samiras und erzählte sie ihm.

Gemeinsam mit Danina und ihrem Bruder näherten sie sich dem von einer undurchdringlichen hohen Hecke umschlossenen Haus. Es war nur durch einen schmalen, mit einem separaten Heckenteil verschließbaren Durchgang zu erreichen.

Die Hecke war gespickt mit langen Dornen, die schreckliche Wunden reißen mussten. Noldikian hat seinen Besitz gut gesichert, dachte Samiras. Deshalb benötigt er wohl auch keine magischen Sperren.

Der Elfenkönig wartete bereits vor der offenen Tür. „Was war da eben los?“, fragte er. Und Samiras erzählte es ihm.

„Wie hast du denn die schwere Tür aufgekriegt?“, wollte Osiac wissen.

„Das war leicht, denn sie war gar nicht abgeschlossen“, erwiderte Ephlor.

„Also dann“, sagte Samiras. Als sie die Schwelle überschritt, fühlte sie das Böse, das hier lauerte, wie einen körperlichen Schlag. Es war still. Ihrem Gefühl nach zu still. Sie standen in einem großen Raum, den eine geschwungene in das Obergeschoss führende Wendeltreppe unterteilte.

Nacheinander stiegen sie die Treppe hinauf, als letzter der Troll, dessen schwere Schritte durch das Haus dröhnten. Spätestens jetzt musste Noldikian sie bemerken, sollte er sich hier irgendwo aufhalten.

Auch das Obergeschoss bestand nur aus einem einzigen, weitläufigen Raum. Aber wie sah es hier aus! Ein Hurrikan musste sich hier ausgetobt haben!

Sie gingen an der umgestürzten Sitzecke vorbei zu dem gewaltigen Schreibtisch, der zusammen mit einigen wenigen noch stehenden Bücherregalen eine ganze Wand einnahm. Samiras stellte den Stuhl dahinter wieder auf und setzte sich. Sie musterte die Reste des jetzt überwiegend beschädigten Sammelsuriums vor sich.

Bücher und Dosen, Steine und Gefäße, Flaschen mit unbekannten Essenzen, Fetische verschiedenster Art, auch solche, die sie bei ihrem Haus gefunden hatte, durchsichtige Glasgefäße mit ekligem, undefinierbarem Inhalt und vieles mehr. Samiras zog die Schreibtischschublade auf. Vielleicht ließ sich hier etwas für sie Wichtiges finde.

Sie fand etwas, aber nicht das, was sie suchte.

Der Inhalt der Schublade bestand nur aus einer dünnen Mappe und einem länglichen, in schwarzen Stoff eingewickelten Paket. Sie wickelte es aus. Eine kleine, grob gefertigte Figur lag vor ihr. An und für sich nichts Besonderes, hätte sie nicht ausgerechnet ihr Gesicht gehabt! „Dieser verdammte Kerl“, flüsterte sie.

„Besser, du vernichtest die Figur“, sagte Ephlor. „Ich spüre das Böse in ihr.“

„Gib her“, grollte Tolkar. Er nahm die Puppe und zerdrückte sie. Nur noch so etwas wie grober Sand rieselte durch die Finger seiner schaufelgroßen Hand.

„Riecht ihr das auch?“, fragte Osiac schnüffelnd.

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, da flitzte Danina schon dorthin, wo anscheinend Noldikians Schlafecke war. Jedenfalls ließ der hohe Deckenstapel darauf schließen. Fauchend zerrte sie die Stapel auseinander.

„Mein Gott“, flüsterte Samiras schockiert.

Entsetzt starrten die Gefährten auf das, was von dem Zauberer Noldikian noch zu erkennen war. Wer, um Himmel willen, konnte ihn derart grausam zugerichtet haben?! fragten sie sich. Über seinen geschundenen Körper mussten ganze Pferdekolonnen galoppiert sein, so zerschunden wie der war.

„Wenn sich hier kein Schlägertrupp ausgetobt hat, dann war es Magie in ihrer schlimmsten Form“, sagte Osiac.

„Es war schwarze Magie“, wisperte Danina in Samiras Kopf. „Ich kann sie förmlich riechen, die Hexe Lestizia. Kein Wunder, dass der Dämon mit ihr paktiert.“

„Seht mal, was ich neben dem Bett gefunden habe“, sagte Ephlor. Auf seiner Hand lag ein schwarzer, tropfenförmiger Anhänger mit einem blutroten winzigen Teufelsgesicht in der Mitte. Die Kette, an der er hing, war zerrissen.

„Das muss der Anhänger sein ...“, Samiras stockte. Erschrocken starrte sie Ephlor an. Dessen Gesicht verzerrte sich zur Grimasse. Er keuchte und schnaufte, fletschte bedrohlich die Zähne, zog sein Schwert und … griff Samiras an!

Diese reagierte nicht, stand nur da, starr vor Entsetzen.

Da umschlang ein gewaltiger Arm den schmalen Oberkörper des Elfenkönigs. Eine schaufelgroße Hand nahm ihm das Schwert aus der Hand und dann den unseligen Anhänger. Tolkar war es, der noch vor seinen Gefährten begriffen hatte, dass der Anhänger der Auslöser von Ephlors Angriff auf Samiras war.

Alle starrten ihn besorgt an. Was, wenn der verderbliche Anhänger auch auf ihn wirkte? Seiner Stärke hatten sie im Moment nicht allzu viel entgegenzusetzen. Doch ihre Sorge war unnötig. Auf den Troll wirkte der Anhänger nicht.

„Was soll mit dem verfluchten Ding geschehen?“, brummte Tolkar. Er musterte Ephlors Gesicht, welches den entsetzlichen Ausdruck verloren hatte. Die Einflüsterung des Bösen war durch des Trolls Geistesgegenwart gebrochen. Er war wieder er selbst. Tolkar ließ ihn los.

„Du hast vielleicht einen Griff“, stöhnte Ephlor. „Dir möchte ich nicht im Bösen begegnen.“

Tolkar grinste. „Das wirst du nicht, Elfenkönig. Nicht solange du Samiras nichts Böses zufügst. Was is´ jetzt mit diesem blöden Ding. Soll ich es auch zerdrücken oder lieber zertreten?“

Samiras holte tief Luft. Der Schreck saß ihr noch immer in den Gliedern. „Das muss Noldikians Anhänger sein. Der Anhänger verstärkte seine Fähigkeiten und schenkte ihm mehr Macht. Noldikian erhielt ihn von dem Dämon. Vermutlich wird es bei der Hexe genauso gewesen sein. Nur dass sie ihren noch hat.

Noldikian muss seinen bei dem Kampf verloren haben. Dadurch verringerte sich seine Macht und sie gewann die Oberhand. Aus Hass und zu ihrem Vergnügen, vielleicht auch mit Weisung des Dämons, tötete sie den Zauberer“, erahnte Samiras sehr genau das Geschehen.

„Zerstöre ihn, Tolkar“, bat Samiras. „Und danke für deine Geistesgegenwart.“

„Kein Problem“, brummte der Troll. Er legte den Anhänger auf den Boden, hob den Fuß in dem schweren Stiefel und trat mit voller Wucht darauf. Knirschend zersprang das Ding. Tolkar trat noch einmal kräftig zu und zermahlte den Rest zu feinem Pulver.

Für einen kurzen Moment glaubten sie einen zornigen Schrei zu vernehmen. Doch das musste wohl auf Einbildung beruhen und ihrer Aufregung zuzuschreiben sein.

Danina schmiegte sich an Tolkars Beine. Sie wusste, sie konnte dem Troll vertrauen. Solange sie beide über Samiras wachten, würde dieser nichts Schlimmes geschehen.

Der Abstecher zu dem jetzt toten Magier hatte sich doch noch gelohnt. Sie kannten jetzt die Helfer des Dämons, wobei einer schon nicht mehr unter den Lebenden weilte. Wussten von dem Anhänger, welcher die Schwarze Hexe stärkte und den sie an sich bringen mussten. Wenn jetzt auch noch Hetzel zu ihnen stieß, waren sie komplett.

Es hat schon ungünstiger ausgesehen, dachte sie optimistisch. Selbst wenn ER sich neue Helfer sucht: Wir werden sie überwinden! Sie wollte schon gehen, als ihr die schmale Mappe einfiel. Sie ging hinüber zu dem Schreibtisch, nahm sie heraus und schlug sie auf.

„Hast du etwas Interessantes gefunden?“, fragte Ephlor immer noch wegen seines Angriffs verlegen.

„Und ob“, erwiderte Samiras. „Wir wissen jetzt, wo diese mörderische Hexe zu finden ist.“

„Es tut mir leid, wegen vorhin“, sagte der Elfenkönig leise. „Du glaubst mir doch, dass ich dir nie etwas antun würde, oder?“

„Das weiß ich doch, Ephlor. ER war es, nicht du. Du konntest nichts dafür. Ich bin sicher, das Gute in dir hätte gesiegt.“

„Ich danke dir“, seufzte Ephlor erleichtert.

DIE SCHWARZE HEXE

Lestizia hatte sich nach dem Fiasko mit der Pantherin weit entfernt auf einer alten Eiche ausgeruht. Jetzt war sie auf dem Rückflug zum Düsterwald, wo sie sich niedergelassen hatte. Sie war so wütend, dass sie sich unbedingt abreagieren musste!

Und sie wusste auch schon wie!

Sie landete geräuschlos vor dem mit üppig rankenden Rosen bedeckten Holzhaus. Nachdem sie sich zurückverwandelt hatte, eilte sie die drei Stufen zum Eingang hinauf. Schwungvoll stieß sie die Tür auf und trat in die dahinterliegende Küche.

Die Katze Kassandra versuchte sich unter der Eckbank zu verstecken, doch ein gemeiner Tritt beförderte sie die schmale Treppe hinunter. Kläglich jaulend huschte sie davon.

„Blödes Vieh“, fluchte die Hexe. Mit beiden Händen ordnete sie ihr üppiges bordeauxrotes Haar, zog ihr tief ausgeschnittenes Mieder zurecht und griff nach dem bereitstehenden Korb. Aus einer Schublade holte sie ein angeschimmeltes halbes Brot und legte es in den Korb.

Dazu legte sie ein ranziges Stück Speck und einen wurmstichigen Apfel. Nachdem sie noch ein Gefäß mit Eintopf, in dem undefinierbare Fleischstücke schwammen, und eine Flasche Wasser dazu gestellt hatte, machte sie sich auf den Weg.