Tödliches Geheimnis - Bärbel Junker - E-Book

Tödliches Geheimnis E-Book

Bärbel Junker

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Beschreibung

Chiara Bianchi wird das Opfer eines besonders unmenschlichen, grauenhaften Verbrechens. Doch sie ist nur das erste Opfer, denn weitere werden folgen. Kriminalhauptkommissar Felix Heckert übernimmt den seltsamen Fall, in dem sich anscheinend alles um eine kleine, afrikanische Holzfigur dreht, die ein Geheimnis umgibt und die spurlos verschwunden ist. Der drogensüchtige Julian Weber wird das zweite Opfer, weil er die Figur gestohlen hat, die irgendetwas mit dem Mord an Chiara Bianchi zu tun hat. Und die beiden ehemaligen Söldner Hajo Winkler und Nuka Akunyili, die über Leichen gehen, werden von ihrem Chef, der im Hintergrund wie eine Spinne seine Fäden zieht, auf das Auffinden der Skulptur angesetzt. Noch mehr Morde, Körperverletzungen und Einschüchterungen geschehen, doch die Figur finden sie nicht. Doch dann lichten sich die Nebel! Und selbst den ansonsten so gelassenen Kommissar Heckert bringen die Überraschung und Erkenntnis dessen, wer im Besitz der mysteriösen Figur ist und deren gut verborgenes Geheimnis, zeitweilig aus dem Gleichgewicht.

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Bärbel Junker

Tödliches Geheimnis

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ZUM BUCH

PROLOG

UNHEILVOLLE BEGEGNUNG

ERBARMUNGSLOS

ITALIENISCHE TRAGÖDIE

CHIARAS TOD

UNGEBETENE BESUCHER

HOFFNUNG AUF EINE SPUR

DAS GESPRÄCH

SCHLIMME NEUIGKEITEN

DER INDUSTRIELLE

NOCH EIN TOTER

EINE MUTTER TRAUERT

DER AUFTRAGGEBER

DIE BEERDIGUNG

VENDETTA

RECHERCHEN

DIE BEFRAGUNG

ERINNERUNGEN

MÖRDERISCHE ABSICHTEN

IN UNGNADE GEFALLEN

NEUE IDENTITÄTEN

GEFÄHRLICHE ERPRESSUNG

EIN FINGERZEIG

WIDERSPRÜCHE

DER ANRUF

ERKENNTNISSE

DER ERPRESSER

DAS TREFFEN

DIE GELDÜBERGABE

DER TOTE IM PARK

KRANKENBESUCH

EINE AFRIKANISCHE FIGUR

SCHLIMMER VERDACHT

EPILOG

Impressum neobooks

ZUM BUCH

Chiara Bianchi, Privatsekretärin des Industriellen und Hamburger Senatorenanwärters Vincent Ziegler, wird das Opfer eines besonders unmenschlichen, scheußlichen Verbrechens.

Doch sie ist nur das erste Opfer, denn weitere werden folgen.

Kriminalhauptkommissar Felix Heckert übernimmt den seltsamen Fall, in dem sich anscheinend alles um eine kleine, afrikanische Holzfigur dreht, die ein Geheimnis umgibt.

Welches Geheimnis? fragt sich der Kommissar und ermittelt.

Der drogensüchtige Julian Weber wird das zweite Opfer, weil er die Figur gestohlen hat, die irgendetwas mit dem Mord an Chiara Bianchi zu tun hat.

Aber was?

Die beiden ehemaligen Söldner Hajo Winkler und Nuka Akunyili, die über Leichen gehen, werden von ihrem Chef, der im Hintergrund wie eine Spinne seine Fäden zieht, auf das Auffinden der Skulptur angesetzt. Und die beiden Männer gehen mit ungebremster Skrupellosigkeit vor.

Noch mehr Morde, Körperverletzungen und Einschüchterungen, doch die Figur finden sie nicht.

„Wenn ich diese Figur finde, entwirren sich alle Unklarheiten und der Fall ist gelöst“, sagt Heckert überzeugt zu Kommissar Markus Jansen, seinem Freund und Mitarbeiter.

Aber wo ist die Skulptur abgeblieben?

Welches ist ihr tödliches Geheimnis?

Und wer ist der Drahtzieher, der hinter all diesen Verbrechen steckt?

So viele ungeklärte Fragen, Zweifel und Probleme, die ständig auch noch neue hervorbringen und die Kriminalisten fast zur Verzweiflung treiben.

Und dann die Lösung!

Selbst den ansonsten so gelassenen Kommissar Heckert bringen die Überraschung und Erkenntnis dessen, wer im Besitz der mysteriösen Figur ist und deren gut verborgenes Geheimnis, zeitweilig aus dem Gleichgewicht.

PROLOG

Trotz ihrer geschlossenen Augen hat die kleine Holzfigur schon so viel gesehen und erlebt, war Zeugin schrecklicher und barmherziger Geschehnisse.

Weit ist sie in der Welt herumgekommen, nachdem ein reicher Sammler sie auf seiner Reise durch Afrika entdeckt und einem Medizinmann abgekauft hat.

Könnte sie sprechen, wüsste sie viel zu erzählen über Sitten und Gebräuche; Zeremonien und Tänze, bei denen kunstvolle Masken die Gesichter der Akteure verbergen; Gesänge und Spiritualität; Ahnenverehrung und Ritualmorde, auch noch in heutiger Zeit, um die Geister und dunklen Mächte gnädig zu stimmen; und natürlich der Voodoo-Kult, der aus der Heimat der kleinen Holzfigur nicht wegzudenken ist.

Ihre geschlossenen Augen täuschen den Betrachter, lassen ihn glauben, sie schliefe. Vielleicht tut sie das, vielleicht ist sie auch einfach nur ein zu einer Figur geformtes Stück Holz. Doch eines ist sicher:

DIE KLEINE HOLZFIGUR BRINGT DEN TOD!

Nein, übersinnliche Fähigkeiten besitzt sie nicht. Und doch brachte sie bisher jedem, der sie sein eigen nannte, über kurz oder lang Unglück.

Aber wahrscheinlich hätten sich die Betroffenen ihrem vorgegebenen Schicksal sowieso nicht entziehen können.

Wer kann das schon sagen?

Und doch, welchen Einfluss sollte ausgerechnet eine harmlose kleine Holzfigur auf die Geschicke der Menschen haben?

Es sei denn, man glaubt an Voodoo und solche Geschichten oder daran, dass sich manchmal dunkle Gefühle auf eine kleine Holzfigur übertragen lassen.

Kriminalhauptkommissar Heckert glaubt nicht an solche Dinge. Er hat Mordfälle aufzuklären, muss die Täter zur Strecke zu bringen. Und diese Kriminellen sind Menschen und keine dubiosen Skulpturen.

Allerdings ist nicht auszuschließen, dass an sich harmlose Gegenstände für Verbrechen missbraucht werden.

Wer weiß, vielleicht ist ja genau das der kleinen, afrikanischen Holzfigur widerfahren.

UNHEILVOLLE BEGEGNUNG

Abgerissen und hager schwankt die trostlose, traurige Gestalt die kaum beleuchtete, menschenleere Straße entlang.

Wimmernde, kaum noch verständliche, menschliche Laute, hervorgestoßen zwischen aufgeplatzten Lippen, begleiten den Crystal-Süchtigen auf seinem Weg zum vermeintlichen Glück. Ausgelaugt wie ein alter Schwamm braucht er die Droge, giert, fiebert danach.

Seine schweißnasse Hand umklammert das dünne Bündel Geldscheine in der Tasche seiner zerschlissenen, dunkelblauen Jacke. Schon sehr bald gehören seine Leiden, seine Schmerzen, für wenige Stunden der Vergangenheit an, hofft er verzweifelt.

Doch was kommt danach?

Die wenigen Scheine, der Rest der Geldsumme, die er für den Verkauf der kleinen afrikanischen Figur bekommen hat, sind sein letztes Geld, um sich die für ihn lebenswichtigen Thai Pillen zu kaufen.

Und dann?

Ein neuer Diebstahl, um an Geld für die ihn zerstörende Droge zu kommen?

Doch bietet sich ihm nicht häufig die Möglichkeit etwas Wertvolles, dessen Verkauf seinen Drogenkonsum für längere Zeit sichert, unbemerkt zu entwenden.

Und dazu diese schreckliche Angst vor seinen Häschern!

Sie haben nicht lange gebraucht um herauszufinden, dass er die kleine Holzfigur gestohlen hat.

Wer auch sonst?

Fremde haben keinen Zutritt zu diesem Haus.

Nur er hatte die Gelegenheit dazu, war der am wenigsten Zuverlässige, wurde nur geduldet, jedoch nicht gemocht.

Als sich ihm die Gelegenheit dann bot, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, das Haus nach Dingen zu durchsuchen, die er zu Geld machen konnte. Und er hatte sich wahrlich nicht ungeschickt dabei angestellt.

Und wie ein Film rollte der Ablauf des Geschehens noch einmal vor ihm ab:

Wie ein Schatten streicht er unbemerkt durchs Haus auf der Suche nach Wertsachen, nach Geld, Schmuck oder anderen handlichen, gut zu verkaufenden Gegenständen. Er braucht dringend Geld, um sein Verlangen zu stillen, seinen Crystal-Konsum zumindest für einige Tage zu sichern.

Er ist nicht alleine im Haus, bemerkt er zu seinem Schreck. Er weiß es, weil er Stimmen, Lachen und auch Schreie vernimmt, die seine Arme mit einer Gänsehaut überziehen.

Das geht mich nichts an, denkt er wie stets alles Unangenehme von sich schiebend. Bestimmt verlassen diese Leute irgendwann das Haus, dann kann ich meine Suche in Ruhe fortsetzen.

Als er jemanden kommen hört, versteckt er sich hastig in einem kleinen Nebenraum nahe der Treppe, in dem einige Möbelstücke untergebracht sind, die zurzeit nicht benötigt werden. Ein bequemer Ohrensessel ist zu seiner Freude auch dabei, so dass er es schön bequem hat.

Er muss eingeschlafen sein, denn nicht weit entfernt von seinem Versteck fällt etwas zu Boden, ein Geräusch, das ihn weckt.

„Pass doch auf, du Trottel. Du hast Glück, dass niemand da ist“, knurrt jemand gereizt. Die Stimmen verlieren sich.

Eine Tür wird zugeschlagen.

Das ist die Gelegenheit!

Nachdem wieder Ruhe eingekehrt ist, wagt er sich aus seinem Versteck. Eilig verlässt er die Kammer und macht sich auf die Suche. Irgendetwas Wertvolles muss sich in dieser Hütte doch finden lassen, denkt er gierig.

Und dann stößt er nach vergeblichem Suchen in einem der Räume auf die kleine Figur, die schräg gegenüber einer üppig gepolsterten Wohnlandschaft auf einem massiven Sockel steht.

Da er nichts Kostbareres gefunden hat, nimmt er in Ermangelung dessen die Holzfigur mit, deren Wert er, falls sie denn überhaupt einen besitzt, nicht abzuschätzen vermag. Aber ein paar kleinere Scheine wird sie mir schon bringen, hofft er

Er steckt sie in seinen Rucksack und verschwindet ungesehen aus dem Haus.

Er versucht die Figur in Berlin zu verkaufen, doch niemand interessiert sich dafür. Er will sie schon wegwerfen, überlegt es sich jedoch anders und nimmt sie mit nach Hamburg als er mit seiner Mutter dahin übersiedelt.

Hier kauft sie ihm Ben Kremser, der früher in Berlin einen Laden hatte, aus Gefälligkeit ab, wie er sagt.

Jetzt ist er ein angesehener Mann auf dem Hamburger Kiez und gut im Geschäft.

Wenige Zeit später kommt ihm dann zu Ohren, dass zwei Männer auf der Suche nach ihm sind. An der Beschreibung erkennt er sie. So ein Mist, denkt er und taucht unter.

Doch seine Verfolger kommen ihm immer näher.

Sie sind ihm auf der Spur!

Und wehe, sie schnappen ihn!

Seit mehreren Wochen versteckt er sich nun schon vor ihnen. Wagt sich nicht mehr nach Hause. Nächtigt überall, wo sich ihm eine Möglichkeit bietet.

Er besuche einen Freund in Köln, hat er seiner gutgläubigen Mutter bei seinem letzten Besuch erzählt. Sie hat ihn umarmt und ihm eine schöne Zeit in Köln gewünscht.

Eine schöne Zeit, von wegen!

Kein Dach über dem Kopf!

Nur dann etwas zu essen, wenn ich etwas finde, das andere weggeworfen haben.

Und dazu diese Angst! Diese fürchterliche Angst!

Schließlich kennt er seine Verfolger und deren Skrupellosigkeit, obwohl diese natürlich nichts davon ahnen. Er hat sie eine Zeit lang aus reiner Neugier heimlich beobachtet, wollte wissen, wohin sie abends gehen und wieso sie stets so gut bei Kasse sind.

Und es blieb ihm nicht verborgen wie gut sie sich in dem kriminellen Milieu Berlins auskannten.

Sie arbeiteten für einen Mann, den sie nur Chef nannten. Und sie machten alles, wenn sie nur gut genug dafür bezahlt wurden. Sie waren sich für nichts zu schade, hatten keinerlei Skrupel anderen zu schaden, sie ins Unglück, ja, sogar in den Tod zu stürzen.

Sie schlugen Huren, wenn diese nicht so wollten wie sie. Prügelten beim Geldeintreiben Schuldner, die nicht zahlen konnten oder wollten krankenhausreif.

Dealten mit Drogen.

Nahmen sich in bestimmten Gegenden was ihnen gefiel ohne zu bezahlen. Überfielen Personen die sie zuvor beim Geldabholen beobachtet hatten und raubten sie aus.

Kurzum sie scheuten vor nichts zurück, kannten weder Mitgefühl noch Gnade, lebten und interessierten sich nur für ihre eigene Befindlichkeiten.

Als ihm das bewusst wurde, hatte er schlagartig mit dem Bespitzeln aufgehört und sich zurückgezogen.

Denn hätten die beiden Männer ihn dabei erwischt, wäre er nicht mehr am Leben, davon war er felsenfest überzeugt.

Und ausgerechnet diese Halunken waren ihm jetzt auf den Fersen!

„Und das alles wegen dieser kleinen, mickrigen Holzfigur. Allerdings muss sie dann wohl doch ziemlich wertvoll sein, wenn diese Gangster so wild darauf sind. Also hat mich Ben Kremser, dem ich die Figur verkaufte, übers Ohr gehauen. Das ist ja wohl klar!“, flüsterte er verzagt.

Er steckte tief in der Bredouille, so tief wie noch nie zuvor, darüber machte er sich keine Illusionen.

Ihm blieb nur die Flucht.

Doch wie lange noch, bis sie ihn fanden?

Und plötzlich schlägt die Furcht wie eine Woge über ihm zusammen.

„Ich bin tot!

In Wirklichkeit, bin ich jetzt schon tot“, murmelt der, seiner panischen Angst hilflos ausgelieferte Junkie stereotyp, sich wie eine defekte Schallplatte unaufhörlich wiederholend.

Doch die Sucht in ihm, die Sucht nach dem Vergessen, scheucht die Furcht vor seinen Verfolgern schon bald wieder fort.

„Sie kriegen mich nicht!

Nie im Leben kriegen diese verdammten Penner mich“, flüstert er sich Mut zu.

Doch dabei sieht er sich furchtsam um und beschleunigt seinen Schritt.

Ein halbzerfallenes, leerstehendes Haus in einer Seitenstraße der Reeperbahn in Hamburg, ist das Ziel des Süchtigen. Hier haben sich Wohnungslose, einige Dealer, die selber abhängig sind, und Menschen eingenistet, die nicht mehr allzu viel vom Leben erwarten.

Keuchend schwankt der Junkie auf das abbruchreife Gebäude zu. Schwächlich stößt er mit zitternden Händen die schief in den Angeln hängende Tür einen Spalt weit auf, so dass er ins Haus schlüpfen kann.

Aufatmend steht er in der Dunkelheit eines langen Flurs, von dem, wie er weiß, zahlreiche Wohnungstüren abgehen, denn zu sehen vermag er kaum etwas.

Unstet huscht der Blick seiner blutunterlaufenen Augen hin und her, versucht die Schwärze zu durchdringen, die ihm die Sicht verwehrt.

„Jamie? Jamie, bist du da“, krächzt er hoffnungsvoll in die allumfassende Stille hinein.

Ein leises Scharren.

„Jamie, ich bin‘s, Julian. Ich brauch was. Ich hab Kohle dabei.“

Das Wort „Kohle“ mobilisiert, weckt die Gier des sich im Dunkeln verbergenden Dealers und veranlasst ihn, aus den Schatten hervorzutreten.

Julian atmet erleichtert auf.

Sein Dealer ist da. Alles wird gut!

Wie hypnotisiert starrt er auf die Hand der ausgemergelten Gestalt vor sich, fast ein Ebenbild seiner selbst.

Die Tüte!

Die Plastiktüte in der Hand des Dealers ist es, die seinen Blick bannt.

Da drin warten sie, die kleinen, rosafarbenen Glücksbringer, die sein Leben für eine Weile erträglich, ja glücklich machen. Die ihm schenken, wonach er sich in immer kürzeren Zeitabständen verzehrt.

Sein gesamtes Denken, Fühlen und Wollen ist nur noch darauf ausgerichtet. Allein der Gedanke daran lässt seinen schwächlichen Körper erbeben, verleiht seinen wässrigen Augen neuerlichen Glanz, strafft für einen Moment seine zusammengesunkene Gestalt.

Crystal Meth!

Seufzend vor Erleichterung entweicht Julians Atem seiner schmalen Brust.

Thai Pillen!

Schon bald werden sie ihm Vergessen bescheren, ihn schwimmen lassen, in einem See unbeschreiblichen Glücks.

„Für wie viele Pillen reicht deine Kohle?“

Des Dealers gleichgültige, kalte Stimme vertreibt abrupt Julians euphorische Gedanken.

Zitternd trennt er sich von seinem letzten Geld.

Jamie sieht kurz taxierend darauf, dann steckt er die Scheine kommentarlos ein. Er füllt einige der rosafarbenen Tabletten in eine kleine Plastiktüte und gibt sie wortlos seinem Kunden.

Es ist für ihn ein Geschäft. Nur ein Geschäft.

„Stopp! Nicht hier“, bricht er dann aber doch sein Schweigen, als Julian eine Pille aus der kleinen Tüte in seine Hand schüttet.

„Wieso nicht? Die Wirkung tritt doch erst später ein“, wundert sich Julian.

„Such dir einen anderen Platz für deinen Trip. Ich will hier in meiner Gegend keinen Ärger haben.

Sieh zu, dass du Land gewinnst“, blafft ihn der Dealer an und droht ihm unmissverständlich mit der geballten Faust.

„Schon gut, Alter“, kuscht Julian vor der Gewaltandrohung.

Er lässt die ThaiPille zurück in die Tüte fallen und macht sich hastig davon. Er hat es eilig. Die Gier treibt ihn an, beherrscht jeden seiner Gedanken.

Vielleicht sollte ich mich aufs Rauchen oder Spritzen verlegen. Da tritt die Wirkung innerhalb weniger Sekunden ein. Nicht erst nach etwa ‘ner halben Stunde wie bei den Pillen. Hält zwar länger an, aber selbst beim Sniefen muss man nicht so lange auf die Wirkung warten, überlegt Julian.

Doch gleich darauf versickern seine Gedanken wie immer im Nichts.

Die kleine Tüte fest an sich gepresst, eilt er getragen von seinem unbändigen Verlangen in die Richtung zurück, aus der er gekommen ist. Er kennt einen verschwiegenen Platz, wo er sich seinem vermeintlichen Glück ungestört hingeben kann.

Stolpernd biegt er in die enge Gasse ein, an deren Ende der Zufluchtsort wartet.

Mehr wankend als gehend, den Blick stur geradeaus gerichtet, torkelt er seinem Ziel entgegen, welches sich jedoch mit jedem Schritt weiter von ihm zu entfernen scheint.

„Mein Gott, ich halt das nicht mehr aus“, wimmert er.

„Aber das wirst du wohl müssen, Junkie“, zischt eine Stimme gehässig.

Bevor Julian überhaupt begreift, was plötzlich los ist, lösen sich aus dem Schatten zwei Gestalten und versperren ihm den Weg. Eine harte Hand zerrt den zitternden Süchtigen zu sich heran.

„Wo hast du die Figur gelassen, du mieses Stück Dreck?“, zischt einer der beiden, ein großer, muskulöser Mann. Aus seinem harten, wie aus Granit gemeißelten Gesicht starren gletscherblaue, eiskalte Augen Julian abfällig an.

Er kocht vor Wut!

Am liebsten möchte er diesen achtzehnjährigen Bengel, der ihnen so viel Mühe bereitet hat, und den er nie leiden konnte, auf der Stelle seine harten Fäuste spüren lassen.

Aber noch muss er sich zurückhalten.

Er streicht sich über seine langen blonden Haare, die eine silberne Spange im Nacken zusammenhält. Er muss sich beruhigen. Die Zeit ist noch nicht reif für seine mörderischen Gelüste.

„Hast du deine Zunge verschluckt?“, faucht der Blonde ungeduldig. Er greift fester zu und schüttelt Julian wie einen Lumpenfetzen grob hin und her.

Der kapiert nichts, vermag sich überhaupt nicht auf die neue Situation einzustellen.

Er braucht so dringend die Droge, alles andere interessiert ihn nicht. Kraftlos versucht er sich von dem harten Griff des Blonden zu befreien.

„Lass mich los“, keucht er.

Da entreißt der zweite Mann Julian die Tüte mit dem Crystal. Grinsend steckt sie der Farbige, schwarze Haut, krauses Haar, flache, breite Nase, wulstige, dick aufgeworfene Lippen, eckiges Gesicht, in seine Jackentasche.

„Nein! O mein Gott, nein!“, wimmert Julian verzweifelt.

„Ich brauche es! Bitte, bitte gib es mir zurück!“

„Vielleicht bekommst du das Zeug zurück, Julian, vielleicht auch nicht“, erwidert der Schwarze grinsend. „Das liegt ganz bei dir, denn es hängt alleine von deinen Antworten ab, ob du schon bald glücklich sein wirst oder in pure Verzweiflung stürzt. Ich hab deine Glückspillen, also verdien sie dir gefälligst.“

„Das will ich ja. Ich brauch die Pillen. Was soll ich denn tun?“, winselt Julian verzweifelt.

„Du sollst gar nichts tun, Kleiner. Du weißt doch, was wir von dir wollen!

Also zum allerletzten Mal:

WO IST DIE FIGUR?“

Leugnen hilft nicht, denn die beiden Kerle wissen, dass ich es war, der die Holzfigur gestohlen hat. Wenn ich meine Pillen wiederhaben will, sage ich ihnen lieber sofort, wo sie ist, überlegt Julian zitternd.

Aber er hat zu lange überlegt!

Ein kräftiger Fausthieb des Schwarzen, der nicht gerade einer der Geduldigsten ist, reißt Julian von den Füßen. Keuchend stürzt er zu Boden. Schmerzhaft schlägt er auf dem harten Knüppelpflaster auf.

„Also, Junkie, wem hast du die Figur verkauft? Sag es sofort oder ich zerlege dich hier und jetzt in deine Einzelteile.

Hast du das endlich kapiert?“

Julian will es ihnen ja sagen, doch er zittert am ganzen Körper, fürchtet sich vor noch mehr Schlägen, wankt hin und her vor panischer Angst und bringt kein Wort über seine trockenen Lippen. Dazu kommen die überfallartigen Krämpfe die zeitweise sein Innerstes nach außen kehren.

Entzugserscheinungen sind es die ihn quälen.

Die Furcht, dazu der ungewollte Drogenentzug, das alles ist für ihn zu viel, reduziert ihn auf ein fast schon gänzlich zerstörtes, menschliches Wrack.

Und dann gibt ihm der neuerliche gemeine Tritt in die Rippen, der sein Schweigen bestraft, den Rest.

Er seufzt, verdreht die Augen und gleitet in die Schwärze gnadenvoller Bewusstlosigkeit.

„Verdammt, Nuka!

Du solltest die Ratte doch nicht umbringen, jedenfalls nicht, bevor er uns den Namen des Käufers genannt hat. Dir ist doch wohl klar, dass uns der Chef die Hölle heiß macht, wenn wir die Figur nicht bald herbeischaffen!“

„Er ist ja noch am Leben, Hajo. Also mach nicht so ein Theater. Aber ich kann diese miese Ratte einfach nicht leiden, du etwa?“, knurrt der Afrikaner.

„Nein, ich kann ihn auch nicht ausstehen, Nuka. Ich würde ihn mir auch nur zu gerne vornehmen. Doch alles zu seiner Zeit. Sobald wir die Figur haben, sieht die Sache schon ganz anders aus“, erwidert sein Komplize.

Er bückt sich, greift dem Bewusstlosen unter die Schultern, richtet die leichte Gestalt mühelos auf und hält sie fest. Einige sachte Schläge auf die Wangen und Julian schlägt die Augen auf. Orientierungslos sieht er sich um.

„Wo bin ich?“, flüstert er verwirrt.

Sein Blick fällt auf den Farbigen, der ihn giftig anstarrt. Erschrocken weicht er vor dessen mörderischem Blick zurück.

„Jetzt bist du mit der nächsten Frage dran, Hajo“, sagt der Dunkelhäutige mürrisch. „Sieh zu, dass der Bengel endlich mit der Wahrheit rausrückt.“

„Er wird reden“, erwidert der Blonde zuversichtlich.

„Also Julian, du hast es gehört. Dir bleiben zwei Möglichkeiten. Solltest du meine Frage nicht beantworten, überlasse ich dich meinem Freund, der dich absolut nicht leiden kann, zu seinem ganz besonderen Vergnügen.

Beantwortest du sie jedoch zu meiner Zufriedenheit, gibt dir Nuka die kleine Tüte zurück. Hast du das verstanden? Du nickst. Also gut.

Wer hat die Skulptur jetzt?

Wem hast du sie verkauft?“

„Kremser! Ich hab sie Ben Kremser verkauft“, stößt Julian hastig hervor. „Der hat hier auf St. Pauli ‘nen kleinen Laden.“

„Ich kenne Bens Laden. Der Mann ist in Ordnung. Er hat erstklassige Kontakte, kennt jeden in dieser Gegend, der was zu sagen hat. Wenn der die Figur noch hat, ist unser Problem vom Tisch. Wenn nicht, weiß er vielleicht, wo sie jetzt ist. Sein Laden ist nur ein paar Straßen weiter“, erwidert Hajo.

„Krieg ich jetzt meine Thai Pillen zurück? Du hast es versprochen.

Bitte!“, fleht Julian.

„Du bekommst sie ja. Nur keine Sorge, kleiner Junkie. Obwohl du ein mieser Dieb bist und nur Ärger machst, bekommst du von uns mehr als genug von dem Zeug“, verspricht der Afrikaner mit einem bösen Grinsen.

„Wann? Lange halte ich diese Krämpfe nicht mehr aus. Die sind schlimmer als der Tod!“

„Auch damit können wir dienen“, erwidern seine Peiniger wie aus einem Mund.

Sie nehmen Julian in die Mitte, stützen ihn und verschwinden mit ihm in der Nacht.

ERBARMUNGSLOS

Der Händler Ben Kremser hatte die kleine afrikanische Skulptur bereits weiter verkauft, als Hajo Winkler und Nuka Akunyili bei ihm auftauchten und danach fragten. Aber er konnte ihnen den Namen und die Adresse des Käufers sagen, da dieser schon mehrere Male etwas bei ihm gekauft hatte.

Ohne viel Zeit zu verlieren, machten sich Hajo Winkler und Nuka Akunyili sofort auf den Weg.

Jetzt standen die beiden Männer vor dem Haus, in dem der Italiener Francesco Bianchi mit seiner Frau Antonella lebte, einer noch immer sehr reizvollen Frau, mit weiblichen Rundungen, die auch jetzt noch so manchen Mann zum Träumen brachten. Und dann diese funkelnden dunklen Augen und das dichte, jetzt von einzelnen silbrigen Strähnen durchzogene schwarze Haar.

Sie hatten den Mann beobachtet und wussten deshalb, dass seine Frau eine Freundin besuchte und er alleine in der Wohnung war.

Dass die Frau nach Hause gekommen war, während sie an dem Stand an der Ecke jeder zwei Bratwürste verzehrten, war ihnen allerdings entgangen.

Jedoch hätte dieses Wissen auf ihr geplantes Vorhaben sowieso keinerlei Einfluss gehabt. Diese Männer waren zwar nicht besonders intelligent, dafür jedoch absolut skrupellos. Sie ließen sich von nichts und niemandem davon abhalten das auszuführen, was sie sich vorgenommen hatten.

Einer alleine war schon brandgefährlich, beide gemeinsam jedoch eine Katastrophe!

Die Blicke der beiden Beobachter hingen an dem geklappten Fenster im zweiten Stock, an dem in diesem Moment Francesco Bianchi auftauchte, um es zu schließen.

„Schade, dass er nicht die Parterrewohnung gemietet hat. Durch das geklappte Fenster hätte wir ihn leicht überraschen können“, meinte der Afrikaner bedauernd.

„Du wirst wohl bequem, Nuka“, lästerte sein Freund und Komplize. „Sich Zugang zur Wohnung zu verschaffen ist doch für uns kein Problem. Und den Typ schaffen wir lässig mit links.“

„Weiß ich doch, Hajo. Aber es ist doch auch nicht schlecht, es sich bei einem Einsatz mal etwas leichter zu machen. Aber egal, packen wir‘s an“, entgegnete Nuka und setzte sich in Bewegung auf den Hauseingang zu.

Die Haustür war nicht abgeschlossen, was den beiden ungebetenen Besuchern das Eindringen erleichterte. Geräuschlos stiegen sie die Steinstufen zur zweiten Etage empor. Auf dem letzten Absatz vor ihrem Ziel blieb Hajo Winkler stehen.

Er reichte Nuka seine schwarze Lederjacke, unter der er eine gelbe Postjacke trug. Passend dazu setzte er eine Baseballmütze auf.

„Wir machen es wie abgesprochen, klar?“ Der Afrikaner nickte. „Du hältst dich außer Sichtweite. Ich klingle und sag meinen Spruch auf. Und sobald Bianchi öffnet, stürmen wir in die Wohnung, überwältigen und fesseln ihn.

Alles klar? Okay, dann mal los.“

Sie brachten die restlichen Stufen schnell hinter sich.

Hajo rückte seine Mütze zurecht und ging zu der Tür, auf der ein goldfarbenes Schild mit den eingravierten Namen „F. und A. Bianchi“ auf die Bewohner hinwies.

Er klingelte.

„Wer ist da?“, wollte eine freundliche Stimme wissen.

„Die Post. Ich habe einen Einschreibebrief für Sie.“

Vor dem Spion in der Mitte der Tür wurde der Sichtschutz zur Seite geschoben. Ein aufmerksamer Blick. Ein Schlüssel drehte sich im Schloss. Eine schützende Kette wurde ausgehakt.

Und Francesco Bianchi sollte an diesem Tag das Glück für immer verlassen.

Er öffnete die Tür!

Schnell wie Vipern stießen Hajo Winkler und Nuka Akunyili auf den völlig überraschten Mann zu. Francesco Bianchi hatte nicht die geringste Chance.

„Wer war an der Tür?“, verlangte eine weibliche Stimme aus Richtung des Wohnzimmers zu wissen.

Blitzschnell hielt der Afrikaner dem Italiener den Mund zu, bevor dieser einen Warnschrei ausstoßen konnte, der allerdings wohl wenig genützt hätte. Wohin hätte seine Frau auch fliehen sollen?

Grob schob Nuka Akunyili Francesco Bianchi den Flur entlang in Richtung der Wohnzimmertür.

„Verdammter Mist. Die Frau ist ja doch zu Hause“, knurrte Hajo Winkler.

„Na und? Ist das für dich etwa ein Problem?“, fragte der Afrikaner kalt.

„Nein, aber anders wäre es mir lieber gewesen“, erwiderte sein Freund und drängte sich an den beiden Männern vorbei.

„Pech für sie“, murmelte Nuka zynisch.

Jetzt stand Hajo Winkler vor dem Wohnzimmer. Er hob den Fuß und trat kräftig gegen die nur angelehnte Tür.

Antonella Bianchi, die in einem Buch gelesen hatte, hob erschrocken den Kopf, als die Tür gegen die Wand knallte. Entgeistert starrte sie auf die beiden Fremden, die ihren Mann in ihrer Gewalt hatten.

„Keinen Ton oder ich breche ihm das Genick“, warnte der Afrikaner kalt. Und an seinen Gefangenen gewandt: „Ich nehm jetzt die Hand von deinem Mund und lass dich los. Wenn du schreist, zu fliehen versuchst oder auch nur einen einzigen Schritt ohne mein Einverständnis machst, nehme ich mir deine Frau vor. Ist das klar?“

Als Francesco Bianchi nickte, ließ der Afrikaner ihn los.

„Wer, wer sind Sie? Wa … was wollen Sie von uns?“, stotterte die Frau bestürzt.

„Wir woll’n die Figur“, sagte Hajo Winkler kurz angebunden.

„Wo ist sie?“

Antonella starrte ihn verständnislos an.

„Was für eine Figur?“

Und diese harmlose Frage war der Auslöser für das darauf folgende Entsetzen, die Schmerzen und das unermessliche Leid!

Eine Stunde lang, entsetzliche sechzig Minuten nahmen sich die Eindringlinge Francesco Bianchi vor. Sehr schnell hatte er ihnen unter den schrecklichen Misshandlungen und der Drohung, sich seine Frau vorzunehmen, gesagt, wo sie die kleine Figur finden würden.

Da hatten sie von ihm abgelassen. Doch nicht sehr lange, denn sie kehrten mit leeren Händen zurück.

Die kleine afrikanische Figur war spurlos verschwunden!

Aber wieso?

Francesco Bianchi konnte es sich nicht erklären, denn er hatte die Skulptur sicher an ihrem Platz in dem Karton geglaubt, in dem Figuren und andere Kunstgegenstände auf das Einsortieren in seine Sammlung warteten. Das beteuerte er immer wieder aufs Neue.

Doch die beiden Männer glaubten ihm nicht!

Wütend über diese Lüge, wie sie vermuteten, nahmen sie ihn sich brutal, rücksichtlos und ohne jegliches Mitgefühl wieder und wieder vor.

Und sie hatten auch noch ihren Spaß daran!

Jetzt lag er zerschlagen und gedemütigt vor seinen Peinigern am Boden, sorgte sich verzweifelt mehr um seine Frau, als um sich selbst, und fürchtete um ihrer beider Leben.

„Bitte, lassen Sie meine Frau gehen. Sie hat Ihnen doch nichts getan“, flehte er zum werweißwievielten Mal, nachdem ihn die Eindringlinge gefesselt und die ersten brutalen Schläge sein Gesicht verunstaltet hatten.

Jetzt war von seinem normalen, markanten Gesicht unter den Schwellungen kaum noch etwas zu erkennen. Sie hatten es ihm grün und blau geschlagen. Sein linkes Auge unter der geplatzten Augenbraue war zugeschwollen, seine Lippen so dick aufgetrieben, dass sie ihm beim Sprechen höllische Schmerzen bereiteten und er kaum zu verstehen war.

Jeder einzelne Nerv, jeder Knochen in seinem geschundenen Körper sandte Schmerzwellen aus. Doch was ihn fast um den Verstand brachte, war die Sorge um seine Frau. Noch hatten sie Antonella nicht angerührt, doch das war nur noch eine Frage der Zeit, so grausam und so hemmungslos wie diese Unholde waren!

Flehend sah er zu dem blonden, muskulösen Mann hoch, der gefühllos auf ihn herabstarrte.

„Sag uns endlich, wo du die Figur versteckt hast, dann lassen wir vielleicht mit uns reden“, erwiderte sein Peiniger kalt.

„Wenn du jetzt damit rausrückst, bleibt von deinem Gesicht vielleicht noch eine Winzigkeit übrig, an der du zu erkennen bist“, meinte sein Komplize, der dunkelhäutige Afrikaner, der grinsend vor Antonella stand.

„Obwohl du mit Sicherheit schon jetzt die perfekte Visage für die Hauptrolle in einem Horror-Thriller hättest. Du müsstest noch nicht mal ‚nen Maskenbildner bemühen“, fügte er höhnisch hinzu.

„Also, was ist? Soll ich weitermachen wie bisher? Oder nehme ich mir jetzt zur Abwechslung mal dein holdes Weib vor?“, wollte der blonde Folterer, wissen, der sich bislang am häufigsten Francescos angenommen hatte.

Sie waren beide unbarmherzig!

Sadisten, die sich an den Schmerzen erfreuten, die sie ihrem gefesselten Opfer zufügten.

Schmerzen, die Francesco Bianchi nie im Leben für möglich gehalten hätte. Hatte er doch vorher noch nie von den viele Nervensträngen, Knochen, Muskelsträngen und sonstigen Möglichkeiten gehört die es in einem menschlichen Körper gab, durch die einem Menschen furchtbare Schmerzen zugefügt werden konnten.

Jetzt wusste er es!

Ein paarmal hatte er in eine willkommene Ohnmacht entfliehen können.

Doch nur für Sekunden!

Denn seine Peiniger waren nicht nur perfekt im Foltern, sondern ebenso perfekt darin, ihr Opfer schnellstens wieder der Bewusstlosigkeit zu entreißen.

Schließlich wollten sie ihren Spaß haben!

Und dann hatten sie Antonella gezwungen, die ebenfalls gefesselt neben ihm auf dem Boden lag, sich seine Qualen genauestens mit anzusehen, die sie ihm zufügten.

Als sie es nicht mehr ertragen konnte und versuchte ihren Kopf abzuwenden, hatte der Schwarze sie im Nacken gepackt und eisern festgehalten. Schluchzend hatte sie um Gnade für ihren Mann gefleht.

Zwecklos!

Erbarmen war diesen Männern fremd.

Verroht wie sie waren, hatten sie sich anfangs noch über Antonellas Entsetzen, ihr Flehen und ihre Tränen amüsiert. Doch dann war es ihnen irgendwann lästig geworden.

„Hör endlich mit dem nervtötenden Geflenne auf“, hatten sie barsch verlangt. Und als sie ihr Schluchzen nicht zu unterdrücken vermochte, hatten sie ihr kurzerhand einen Lappen als Knebel in den Mund geschoben, damit sie endlich Ruhe gab.

Noch immer rollten Tränen über Antonellas weiche Wangen. Jetzt jedoch lautlos. So gefiel es diesen Ungeheuern schon viel besser.

„Was ist nun? Redest du nun endlich oder …“, knurrte der dunkelhäutige Unmensch gallig, der sich vor Antonella aufgebaut hatte. Er sprach die unterschwellige Drohung nicht aus, nahm jedoch einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. Dann beugte er sich zu der Frau hinunter. Grinsend hielt er das glühende Ende dicht vor ihr schreckensstarres Gesicht.

„Also, wo ist die Figur?“, fragte er eiskalt.

Jetzt konnte auch Francesco die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie würden seine geliebte Frau hier und jetzt quälen. Und er, der sie beschützen sollte, konnte nichts, aber auch gar nichts dagegen tun.

Denn sie verlangten etwas von ihm, etwas, das er ihnen nicht geben konnte, weil es spurlos verschwunden war. Und es war ihm absolut rätselhaft wie so etwas möglich war.

Er hatte dafür einfach keine Erklärung.

„Bitte, tun Sie ihr nichts“, flehte er noch einmal so inbrünstig, dass es einen Stein hätte erweichen können.

„So glauben Sie mir doch!