Gang ohne Wiederkehr - Bärbel Junker - E-Book

Gang ohne Wiederkehr E-Book

Bärbel Junker

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  • Herausgeber: neobooks
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Wer ist die Tote im Fluss? Eine grausige Mordserie halten Kriminalhauptkommissar Felix Heckert und den Vietnamesen Chung in Atem. Ihre Recherchen führen sie nach St. Pauli, zu der Barbesitzerin Johanna Bach und dem stummen Russen Sergej, der ihr hündisch ergeben ist. Bei ihren weiteren Ermittlungen stoßen sie auf ein altes Kloster und auf Hinweise aus dem Darknet, auf die sogenannten Interessenten, deren schauderhafte Verbrechen sie stumm vor Entsetzen werden lassen. Doch welchen Grund gibt es für diese grauenhaften, unmenschlichen Verbrechen? Geld? Der Fall ist dubios und der Kommissar am Verzweifeln. Und dann wird auch noch der fünfjährige Kevin entführt, Heckerts geliebtes Patenkind. Hauptkommissar Heckert, Chung und Kevins Vater Kommissar Markus Jansen machen sich des Nachts auf, nach dem Jungen zu suchen, den sie in dem alten Kloster vermuten. Doch noch immer tappen sie im Hinblick auf die Person, die im Hintergrund die Fäden zieht, völlig im Dunkeln. Da bietet ihnen eine Information von Chung die Möglichkeit, der Verbrecherorganisation eine Falle zu stellen. Kommissar Heckert zögert nicht diese Chance zu ergreifen. Doch wird es gelingen?

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Bärbel Junker

Gang ohne Wiederkehr

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

ZUM BUCH

PROLOG

DIE TOTE IM FLUSS

GNADENLOS

BESUCH IM CLUB

ANKUNFT

EIN RESTAURANTBESUCH

DER ANRUF

EIN WALDSPAZIERGANG

SO VIELE TOTE

UNGEBETENER BESUCH

DER MORDAUFTRAG

DARKNET

DAS TELEFONAT

FALSCHE IDENTITÄT

ENTFÜHRT!

GLÜCKLICHE STUNDEN

NÄCHTLICHE BEGEGNUNG

AUF DER SUCHE

BEGIERDEN

VERWIRRUNG

GRÄSSLICHE WAHRHEITEN

EINE LÜGE

EIN GANOVE

ÜBERLEGUNGEN

KALLES ANRUF

DER ÜBERFALL

RÜCKBLICK

GEFANGEN!

CHUNGS ANRUF

PLANUNGEN

VORBEREITUNGEN

ENDPHASE

BEFEHLE

ERKENNTNISSE

EPILOG

Impressum neobooks

ZUM BUCH

Wer ist die Tote im Fluss?

Eine grausige Mordserie hält Kriminalhauptkommissar Felix Heckert in Atem.

Wer ist für diese ungeheuerlichen Verbrechen verantwortlich, die an asiatischen Frauen begangen werden?

Kommissar Heckert will diese satanische Mordserie unbedingt beenden, selbst wenn er dafür seine Kompetenzen überschreiten muss.

Es ist ihm egal!

Also ermittelt er ohne zu zögern, teilweise sogar ohne Befugnis. Dabei stößt er auf ein altes Kloster, welches anscheinend der Mittelpunkt all dieser schauderhaften Verbrechen ist.

Doch welchen Grund gibt es dafür? Geld?

Seine Recherchen führen ihn in den Club Exquisit auf St. Pauli, der Johanna Bach, der Chefin einer Verbrecherorganisation gehört. Johanna Bach wird von dem stummen Russen Sergej Michailow, der ihr hündisch ergeben ist, rund um die Uhr bewacht.

Doch was ist der Grund für diese sich selbst verleugnende Ergebenheit? Könnte er wichtig für Heckerts Ermittlungen sein?

Der Fall ist dubios und der Kommissar am Verzweifeln.

Doch Hilfe in Gestalt des Vietnamesen Nguyen Duc Chung, kurz Chung genannt, ist unterwegs. Chung soll seine nach Deutschland entführte Landsmännin namens Duyen suchen und sie nach Vietnam zurückzubringen.

Da entdecken Heckert und seine Leute im Darknet einen Hinweis, der die Morde an asiatischen Opfern, zu dem auch die Tote im Fluss gehört, zu erklären erscheint. Und sie sind total schockiert von dem, was sie hier erfahren.

Sie wollen die Täter schnappen. Um jeden Preis!

Aber diese sind ihnen seltsamerweise immer einen Schritt voraus. Wieso?

Doch dann wird der fünfjährige Kevin, Heckerts geliebtes Patenkind, aus dem Garten seiner Eltern entführt, um den Kommissar zu erpressen!

Fünf Millionen Euro verlangen die Entführer, eine Summe, die der Kommissar niemals aufbringen kann.

Das ist den Verbrechern wohl bewusst. Sie verweisen ihn auf seinen guten Kontakt zu Senator Vincent Ziegler, einem reichen Industriellen, von dem er die Summe erbitten soll.

Hauptkommissar Heckert und Kevins Vater Kommissar Markus Jansen machen sich des Nachts auf, nach dem Jungen zu suchen. Dabei begegnen sie Chung, der ihnen seine Hilfe anbietet.

Bei ihrer Suche gelangen sie an den Ort des Schreckens, an dem die entsetzlichen, unmenschlichen Verbrechen begangen werden.

Und obwohl sie mittlerweile die Identität einiger Verdächtiger kennen, tappen sie im Hinblick auf die Person, die im Hintergrund die Fäden zieht, noch immer völlig im Dunkeln.

Da bietet ihnen Chungs Anruf und seine Informationen über den Fall die Möglichkeit, der Verbrecherorganisation, einschließlich des Drahtziehers, eine Falle zu stellen.

Und Kommissar Heckert zögert nicht diese Chance zu nutzen.

Doch wird es ihm gelingen, die Falle zuschnappen zu lassen?

PROLOG

Voller Angst hastet die kleine, schmale Gestalt durch den schummrigen Wald, der schon sehr bald in tiefer Dunkelheit versinken wird.

Dornige Ranken schlagen nach der vorwärts eilenden jungen Frau, dicke Baumwurzeln lassen sie straucheln.

Doch nichts und niemand, noch nicht einmal Schmerzen vermögen ihre Hast zu unterbrechen.

Der Teufel in Menschengestalt ist hinter ihr her, lässt sie verfolgen.

Und wehe ihr, sie fällt ihm wieder in die Hände!

Sie rennt, ohne zu wissen wohin, will nur fort, sucht verzweifelt die Sicherheit vor dem Bösen, vor den Schmerzen, vor der Grausamkeit und vor der Verzweiflung.

Sie denkt voller Sehnsucht an ihr kleines Dorf in Vietnam. An die lauen Nächte. Das Kreischen der Affen. Den exotischen Gesang der Vögel. Das Rauschen in den dicht belaubten Baumgipfeln.

Sie sieht die Wasserbüffel vor sich wie sie die einfachen Pflüge ziehen, mit denen die sich in der Ferne verlierenden Reisfelder oder die Reisterrassen für den Reisanbau vorbereitet werden.

Und sie steht gebückt in den unter Wasser gesetzten Feldern und setzt stundenlang mit schmerzendem Rücken Sämlinge in den schlammigen Boden. Sie hat diese Arbeit gehasst und würde jetzt alles dafür geben, in diesem Moment dort zu stehen mit dem Bündel junger Pflanzen in ihrer nassen Hand.

Und Chung, was wird er denken, wenn er aus Hanoi zurückkehrt und ich so plötzlich verschwunden bin? Wird er jetzt eine andere heiraten? Wird er nachforschen, wo ich abgeblieben bin?

Ja, das wird er.

Nur finden kann er mich hier am anderen Ende der Welt sicherlich nicht.

Sie sehnt sich so sehr nach Daheim, nach ihrem Land, nach der Wärme, den bunten Märkten, dem Leben an sich, wünscht sich mit ihrem ganzen, ängstlich schlagenden, Herzen dorthin zurück und weiß doch, dass sich dieser innige Wunsch niemals mehr erfüllen wird.

SIE HABEN SIE VERRATEN!

Alle haben sie verraten!

Einzig Chung nicht.

Chung von dem sie so wenig weiß, nur, dass sie ihn liebt.

Sie ist in diesem Land gestrandet, das ihr so fremd, so unheimlich ist. In dem es nichts gibt, an dem sie sich orientieren kann, nichts, dass ihr Hoffnung gibt, ihr irgendwann vielleicht Hilfe verspricht.

Ihr Heute und ihre Zukunft bestehen nur noch aus Verzweiflung, Ekel und Schmerz. Und niemand ist da, um sie aus diesem Albtraum zu erlösen.

Sie ist ganz auf sich allein gestellt.

Sie weiß nicht wohin und doch ist alles besser, als zurückzukehren in diesen schrecklichen Albtraum!

Wie konnte meine Familie mir das nur antun, denkt sie zum millionsten Mal. Eine Antwort findet sie nicht.

Sie haben sie verkauft! Einfach wie irgendeinen x-beliebigen Gegenstand verkauft.

„Komm, ich möchte dir etwas zeigen“, hat ihr Onkel sie so freundlich wie immer aufgefordert mit ihm zu gehen. Er hat ihre Hand genommen und sie zum Wasser geführt, dem Fluss, der Vietnam und China trennt.

Und sie hat ihm vertraut!

Dabei warteten sie dort bereits auf sie!

Drei Chinesen sind es, die ihrem Onkel einen dicken Stapel Dong in die Hand drücken. Geld für sie, seine Nichte, denn China hat durch die Ein-Kind-Bestimmung mittlerweile zu wenige Frauen. Wohlgemerkt zu wenig erschwingliche Frauen, Frauen die hauptsächlich nur dafür gedacht sind, einen Nachkommen, natürlich einen Sohn, in die Welt zu setzen.

Und da die einfachen Chinesen nicht das Brautgeld für eine Chinesin aufbringen können, wird eben einfach eine Vietnamesin beim Nachbarn gekauft.

Fast eine Million Dong hat ihr Onkel für sie bekommen, das hat er ihr noch triumphierend gesagt, bevor die drei Chinesen sie in ein Boot zerrten.

Aber sie ist nicht in China geblieben. Der Auftraggeber der drei Chinesen hat sie zusammen mit acht anderen jungen Frauen nach Deutschland weiter verkauft, weil das für ihn lukrativer war.

Für etwa vierzig Euro hat ihr Onkel sie, seine Nichte, ohne zu zögern, ohne Skrupel, ohne Mitleid an Fremde in eine ungewisse, sicherlich nicht erstrebenswerte Zukunft verkauft.

Oh ja! Sie alle, ihre ganze Familie, haben sie verraten.

Denn ALLE! haben es vorher gewusst,

Und sie ist für vierzig Euro in der Hölle gelandet!

Sie stolpert. Ihre Erschöpfung nimmt zu. Immer häufiger strauchelt sie, stürzt zweimal und schlägt sich dabei die Knie blutig.

Sie hat keinen Plan, hat einfach die Unaufmerksamkeit ihres Bewachers genutzt und ist Hals über Kopf vor dem täglichen Grauen davon gerannt.

Und vor dem langen, unheimlichen Gang ist sie geflohen, dem Gang, in den sie hätte gehen müssen und aus dem es für keine der Frauen, die dort jemals hineingingen, eine Wiederkehr gab. Jedenfalls flüsterten sich das ihre Leidensgenossinnen ängstlich hinter vorgehaltener Hand zu.

Sie trägt weder geeignete Kleidung für ein solches Unterfangen wie ihre Flucht, noch hat sie eine wirkliche Vorstellung davon wie und wohin sie entkommen könnte.

Sie ist einfach in den Wald gelaufen.

Und dann?

Es grenzt schon an ein Wunder, dass es ihr überhaupt gelungen ist, die freie Fläche vor den Gebäuden unbemerkt zu überwinden. Wie hat sie sich darüber gefreut in dem Wald untertauchen zu können. Hier fühlt sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder sicher.

Aber es ist eine trügerische Sicherheit.

Denn was kommt danach?

Was, wenn sie den Wald wieder verlässt?

Wer könnte, wer würde ihr helfen, wenn sie ihre Geschichte erzählt?

Wo könnte sie überhaupt jemanden finden, der sie versteht?

Während ihr das alles durch den Kopf geht, ist sie immer langsamer geworden. Jetzt bleibt sie keuchend stehen. Orientierungslos sieht sie sich um.

Bäume so weit das Auge reicht und Gebüsch, viel Gebüsch, auch mit stachelbewehrten Zweigen die ihr zusetzen. Und dahinter ist ein Fluss wie sie bei ihrer Ankunft zufällig bemerkt hat.

Sie blickt an sich herunter, mustert die schwarze Kutte, die man sie gezwungen hat anzuziehen, weil ihre Bewacher es für einen Besucher, eine sogenannten Interessenten, so wollten.

Jetzt ist sie an vielen Stellen zerrissen.

Ihre langen schwarzen Haare hängen feucht und schwer auf ihrem schmalen Rücken. Ihr Gesicht ist ebenso zerkratzt wie ihre Arme und ihr linker Schuh hat den Absatz verloren.

Aber wenn schon.

Sie muss weiter!

Im Begriff sich wieder in Bewegung zu setzen, erstarrt sie.

Hundegebell!

Sie sind ihr bereits dicht auf den Fersen.

Mit Hunden!

Es gibt kein Entkommen!

Sie werden sie finden.

Und sie werden sie töten!

Und niemand wird je erfahren, warum. Denn keiner kümmert sich darum, was in dem Anwesen und den anderen Unternehmungen dieser gnadenlosen Frau geschieht.

Und von den Betroffenen erhält nie jemand die Gelegenheit sich um Hilfe von außen zu bemühen. Vielleicht würde sich in diesem Land die Polizei darum kümmern. Jedoch hat die vermutlich nicht die geringste Ahnung davon, was hier unter ihren Augen passiert.

EIN ZEICHEN!

Ich muss zumindest ein Zeichen hinterlassen, welches vielleicht anderen hilft; denn mein Leben ist verwirkt, wird hier und jetzt zu Ende gehen.

Und warum auch nicht!

Ich bin so müde, so erschöpft, so ohne jede Hoffnung. Sie haben mich zerstört, meine Seele befleckt und mir meine Ehre genommen.

Ich will nicht mehr in ständig neue Gesichter sehen, fremde Körper spüren, wie erstarrt vor Ekel sein.

Es muss endlich ein Ende haben!

Und dann kommt ihr eine verzweifelte Idee.

Sie reißt eine Dornenranke von einem Busch. Einen Moment lang setzt sie sich auf einen Baumstamm um ihr Vorhaben auszuführen.

Sie muss sich dabei beeilen.

Das Bellen kommt näher.

Sie erschrickt. Was tun?

Sie grault sich vor den schrecklichen Kampfhunden, die alle und jeden anfallen.

Ich muss den Fluss erreichen. Ertrinken ist das kleinere Übel, denkt sie fatalistisch.

Geschafft. Sie ist fertig!

Sie wirft die blutverschmierte Dornenranke hinter sich und mobilisiert die letzten, ihr noch verbliebenen Kräfte.

Wie von der Sehne geschnellt eilt sie davon, weiter, immer weiter, auf den Fluss zu.

Doch ihre schwachen Kräfte erlahmen schon sehr bald. Sie wird langsamer. Glaubt schon nicht mehr daran es zu schaffen.

Doch da ist er!

Da ist der Fluss.

Leise gluckernd zieht er seine Bahnen, schert sich nicht um die Sorgen der Menschen um sich herum.

Sie steht am Ufer, zögert sekundenlang den letzten Schritt zu tun.

Da durchbricht ein dunkles Knurren die Stille der Nacht.

Sie dreht sich langsam um.

Der riesige Hund steht geifernd sprungbereit vor ihr. Dicke Speichelfäden rinnen aus seinem Maul, hellblaue, fast durchsichtig wirkende Augen wenden keine Sekunde lang den Blick von ihr.

Sie zittert vor panischem Entsetzen, vermag ihren Blick nicht von dem Furcht einflößenden Gebiss des Tieres zu wenden.

Der Mann, der Hundeführer, lacht.

„Na, jetzt fürchtet sich das kleine Schlitzauge wohl“, höhnt er. „Hast du Schlampe wirklich geglaubt, du könntest uns entkommen? Wenn nicht ich, dann hätte dich mein Kumpel geschnappt und dessen Hund ist noch gefährlicher.“

Sie sieht ihn nur an, versteht diese Sprache kaum, nur wenige Worte, die ihr Chung beigebracht hat. Sie hat sich mit diesem deutschen Alphabet unheimlich schwer getan, bis sie es schreiben konnte und einigermaßen begriffen hatte. Auch jetzt versteht sie die Worte kaum, erkennt jedoch den darin enthaltenen Hohn.

Langsam weicht sie vor ihren Mördern zurück.

„Noch ein Schritt, dann stürzt du da runter. Aber wahrscheinlich wäre das ein angenehmerer Tod“, meint er grinsend.

Sie sagt nichts, starrt ihn nur aus schreckgeweiteten Augen an, bis es ihm zu viel wird.

„Fass, Bazoo!“, befiehlt der Mann.

Da spannt sich der sehnige Körper des Tieres. Wie ein Pfeil fliegt es auf sein schreiendes Opfer zu, krallt sich fest an dessen Brust, beißt einmal so kräftig zu, dass es der Frau fast die Schulter wegreißt, bevor beide zusammen den steilen Abhang hinunter ins Wasser stürzen.

Die junge Frau knallt unglücklich auf ein wurmstichiges Boot, das verborgen inmitten des dichten Pflanzenteppichs dümpelt.

Genickbruch. Sie ist sofort tot.

Der Hund schwimmt zurück zum Ufer, wo er mit einem Tritt von seinem Herrn empfangen wird.

„Wo ist das verdammte Weib?

Du hast sie doch wohl hoffentlich umgebracht“, knurrt er wütend darüber, dass er das blutige Gemetzel nicht mit ansehen konnte.

Er läuft noch eine Weile suchend am Ufer entlang.

Doch die Leiche findet er nicht.

„Ist wahrscheinlich abgesoffen“, murmelt er rüde. Dann dreht er sich um und geht gefolgt von der missbrauchten Kreatur davon.

DIE TOTE IM FLUSS

„Ein Fußgänger hat zufällig von dort oben das Boot und die Leiche darin entdeckt“, erzählte Dr. Eugen Roth, der Rechtsmediziner.

„Ist sie ertrunken?“, wollte Kriminalhauptkommissar Felix Heckert wissen. Ein fünfundfünfzigjähriger mittelgroßer, etwas untersetzter Mann mit kurzen graumelierten Haaren und intelligenten grauen Augen.

„Nein. Sie hat sich das Genick gebrochen. Stürzte wohl von da oben in der Dunkelheit den Abhang hinunter. Außerdem hat ihr ein Hund fast die rechte Schulter weggerissen. Sie wäre wahrscheinlich verblutet.“

„Das schließt dann ja wohl aus, dass sie freiwillig sprang, oder?“

„Freiwillig wohl eher nicht, Felix“, erwiderte Eugen Roth etwas genervt. „Ich frage mich, was sie hier nachts im Wald gemacht hat? Und dann auch noch in dieser Kleidung. Sie muss doch hier des Nachts gefroren haben ohne etwas darunter.“

„Sie trägt eine Kutte. Ob sie aus einem Kloster hier in der Nähe stammt? Gibt es hier überhaupt eines?“, fragte Kommissar Markus Jansen. Der große schlanke Mann mit den warmen braunen Augen, dem markanten Gesicht und dem vollen dunkelblonden Haar, war Heckerts Freund und Kollege.

„Markus, wir haben hier eine tote Asiatin. Welches Kloster sollte das denn deiner Meinung nach sein?“

„Ich meine ja nur, Felix. Aber so ganz unmöglich erscheint mir meine Annahme nun auch wieder nicht“, erwiderte der neununddreißigjährige Markus Jansen ein wenig pikiert.

„Aber wie kommt sie hierher? Und wieso ist ihr Gewand so zerrissen?“, überlegte Heckert laut.

„Vielleicht von dem Sturz?“

„Kann ich mir nicht vorstellen, Markus. Das sieht eher nach Schnitten als nach Rissen aus.“

„Und wenn sie tatsächlich im Wald gewesen ist? Da gibt es Dornenbüsche wie ich aus bitterer Erfahrung weiß.“

„Aber wer geht denn nachts in den Wald, Markus? Noch dazu in der heutigen Zeit, wo das ja wohl nicht gerade ungefährlich ist.“

„Dazu kann ich vielleicht etwas sagen,“ mischte sich der Rechtsmediziner ein.

„Ja, und was?“

„Ihr rechtes Bein, der Oberschenkel. Sehen Sie sich den mal an.“

Die Kommissare Heckert und Jansen kamen der Aufforderung nach.

„Na, das ist doch …“, murmelte Heckert schockiert.

„Das … das sind Buchstaben“, stieß Markus Jansen hervor.

„Ja, sie hat sie sich in den Oberschenkel geritzt“, erwiderte Heckert betroffen.

„Ein Hinweis, Felix?“

„Scheint so. Das ist ein Name. Club Ex … Exq … Exquisit. Kennt den irgendjemand von euch?“, fragte Heckert.

Dr. Roth schüttelte ebenso wie Markus Jansen den Kopf.

Kommissar Heckert ging hinüber zu seinem Ermittlungsteam und fragte dort. Aber sie alle schüttelten den Kopf.

„Wirklich niemand von euch?“, fragte Heckert noch einmal.

„Das könnte dieser feudale Club auf der Reeperbahn sein“, meinte Stephan Fricke, ein junger Polizist, der unbemerkt hinzugekommen war und die Frage mitbekommen hatte, die sein Vorbild gestellt hatte. Denn Stephan Frickes Lebenstraum war, eines Tages zu Hauptkommissar Heckerts Team zu gehören. Ein Traum allerdings, der noch in weiter Ferne lag.

Heckert drehte sich zu dem Polizisten um.

„Kennen Sie diesen Club?“, wollte er wissen.

Der junge Polizist wurde knallrot, als sich das allgemeine Interesse schlagartig auf ihn richtete.

„Kennen ist zu viel gesagt, Herr Kommissar. Ich war nur einmal in dem Club, als ich bei einer Durchsuchung ausgeholfen habe“, brachte er verlegen hervor.

„Es bestand damals der Verdacht der Zwangsprostitution. Der Laden wurde für einige Monate dicht gemacht. Danach fand er einen neuen Besitzer, der ihn in der heutigen Ausstattung für wohlhabende Besucher neu eröffnete“, erklärte Stephan.

„Wissen Sie, wem der Club gehört?“

„Einer Frau wie ich hörte, allerdings kann ich das nicht beschwören.“

„Danke für die Auskunft. Dann werden wir uns dort wohl einmal umsehen müssen“, meinte Heckert.

„Wir haben oben am Abhang Spuren gefunden“, sagte in diesem Moment Olaf Breitner von der Spurensicherung. „Da sind zumindest zwei Männer mit Hunden gewesen.“

„Seht euch mal etwas weiter drinnen im Wald um. Könnte sein, dass Fasern, eventuell blutige, von ihrem Gewand an einem oder mehreren Büschen zu finden sind. Ich möchte auf jeden Fall wissen, ob sie wirklich im Wald gewesen ist“, bat Heckert.

„Geht klar, Chef“, erwiderte Olaf Breitner, ein schmaler, blonder Mann mit großer Erfahrung. Er winkte einen Helfer heran und sie machten sich auf den Weg.

„Von alleine ist sie jedenfalls nicht in den Fluss gesprungen, Markus. Ich stelle mir das folgendermaßen vor:

Sie kommt aus dem Wald, verfolgt von einem Mann mit Hund. Sie bleibt verängstigt am Rand des Abhangs stehen. Der Hund springt sie an, verbeißt sich in ihrer Schulter, krallt sich an ihr fest und stürzt zusammen mit ihr den Abhang hinunter, wahrscheinlich ins Wasser. Dabei trifft sie so unglücklich auf das morsche Boot, dass sie sich das Genick bricht.“

„So könnte es gewesen sein, Felix. Allerdings wirft das eine Flut von Fragen auf“, seufzte Kommissar Jansen.

„Und welche?“

„Das will ich dir gerne sagen:

Frage 1: Warum ist sie mit einer Kutte bekleidet?

Frage 2: Ist sie eine Nonne oder ist sie es nicht?

Frage 3: Was machte sie im Dunkeln im Wald?

Frage 4: Wurde sie verfolgt?

Frage 5: Wenn ja, warum, von wem und von wo aus?

Frage 6: Warum schnitzte sie sich den Namen eines Clubs ins Bein?

Frage 7: Wer ist sie? Und wo wohnt sie?

„Viele Fragen, in der Tat“, erwiderte Heckert.

„Ja, und das sind wahrscheinlich noch lange nicht alle. Wer weiß, was da noch alles so zutage kommt“, seufzte Markus Jansen.

Sein Freund und Chef hatte aufmerksam zugehört, denn natürlich beschäftigten Markus‘ Fragen auch ihn.

„Da wir ja irgendwo anfangen müssen, schlage ich diesen Club Exquisit vor“, erwiderte Heckert.

„Und an welche Uhrzeit hast du gedacht, Felix?“

„Morgen Abend um einundzwanzig Uhr. Früher hat es keinen Sinn. Aber nicht offiziell, Markus. Wir sehen uns da erstmal inkognito um.“

GNADENLOS

„Es tut mir so leid, Chefin“, sagte Hanno Stegner niedergeschlagen. „Ich hab einfach nicht damit gerechnet, dass die Schlampe es so einfach wagt abzuhauen.“

„Du hast es vermasselt, Hanno. Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Leiche bereits gefunden wurde. Und ich frage mich nun, wieso hast du sie dann nicht finden können?“

„Ich hab’s versucht, Chefin. Glauben Sie mir. Ich hab’s wirklich versucht. Ich bin am Wasser entlanggelaufen und hab nach der Leiche gesucht“, beteuerte Hanno.

„Und anscheinend hat die Kleine irgendeine Spur hinterlassen“, sprach die Frau weiter ohne auf das Gestammel ihres Gegenübers einzugehen.

Er hatte versagt, daran bestand für sie nicht der geringste Zweifel. Dass er sich jetzt herauszureden versuchte, das resultierte aus der Furcht vor der Bestrafung, die ihn erwartete.

„Du hast versagt, Hanno. Hast dich von diesem kleinen Flittchen hereinlegen lassen. Ich bin von dir zutiefst enttäuscht, denn du hast nicht nur mich, sondern auch noch einen guten Kunden, einen Interessenten, vor den Kopf gestoßen, der uns eine Menge Geld eingebracht hätte. Jetzt verlangt er sein Geld zurück. Und außerdem hat er uns sehr zornig und sehr enttäuscht verlassen. Ich hatte Mühe ihn zu beruhigen und davon abzubringen, die bereits gezahlte Summe zurückzufordern. Zum Glück gelang es mir, ihn auf einen neuen Termin zu vertrösten.

Wäre mir das nicht gelungen, hätte uns das eine Stange Geld gekostet. Von den anderen Möglichkeiten ganz zu schweigen.

Ja, ich habe dein Versagen zwar ausgebügelt, aber einer Strafe wirst du nicht entgehen. Dazu hast du mich viel zu sehr verärgert. Dummheit und Unfähigkeit müssen bestraft werden, sonst reißen derartige Unsitten ein“, sagte die Chefin eiskalt.

„Ich mache es wieder gut, Chefin, ganz bestimmt“, versicherte Hanno Stegner klitschnass vor Angst. Er fühlte sich wie in der Sauna, so sehr lief ihm der Schweiß den Rücken runter.

Er fürchtete sich fast zu Tode.

Denn seine elegante Chefin Johanna Bach sah zwar aus wie ein Engel mit ihren langen, blonden Haaren, dem fein geschnittenen Gesicht, den großen himmelblauen Augen und den schön geschwungenen Lippen.

Sie hätte vielleicht auch als Model Erfolg haben können bei ihrem Aussehen, ihrer Größe und den grazilen Bewegungen. Aber sie hatte lieber eine andere, eine verbrecherische Laufbahn vorgezogen.

Ja, Johanna Bach sah aus wie ein Engel, aber sie war ein TEUFEL!

Und zwar einer von der allerschlimmsten Sorte.

Sie war eiskalt, erbarmungslos, grausam und absolut geldorientiert. Mitleid war für sie ebenso ein Fremdwort wie Gnade, dass sie mit Schwäche gleichsetzte.

Sie thronte zart und schön hinter ihrem rustikalen, überdimensionierten Schreibtisch und musterte den Mann ihr gegenüber so unerbittlich kalt und gleichgültig wie die Schlange das Kaninchen.

„Du hast diese Vietnamesin nicht nur entkommen lassen, sondern auch noch die Aufmerksamkeit der Bullen auf unsere Organisation gelenkt. Du musstest doch wissen, dass du die Leiche auf gar keinen Fall dort lassen durftest. Jedem Anfänger wäre das klar gewesen.

Aber nein, du setzt dich über diese Selbstverständlichkeit einfach hinweg. Also musst du auch die Folgen deiner Eigenmächtigkeit tragen.

Du weißt doch, dass ich keine Versager in meiner Organisation dulde. Für Nichtskönner ist hier kein Platz“, sagte sie kalt.

„Aber wie hätte ich die Tote denn im Dunkeln finden sollen?“

„Dumme Frage. Du hattest doch sicherlich eine Taschenlampe dabei, oder? Wenn nicht, wäre das ja ein weiterer dummer Fehler von dir, nicht wahr?“

Hanno nickte zitternd.

„Dir ist doch hoffentlich klar, was das für dich bedeutet, Hanno? Oder etwa nicht?“

„Nein, bitte nicht, Chefin! Ich hab Ihnen immer treu gedient. Jeder kann doch mal einen Fehler machen“, flehte der Mann.

„Bei mir nicht, Hanno. Ich dulde niemals Fehler.

Ich bestrafe sie!

Ausnahmen gibt es bei mir nicht. Du hast es dir selbst zuzuschreiben“, entschied sie bar jeglichen Gefühls.

Sie nickte dem Zweimetermann zu, der regungslos wie eine Statue neben der Tür stand und sie nicht aus den Augen ließ. Für Johanna Bach, die er hündisch verehrte, hätte er sich in Stücke schneiden lassen.

Er liebte sie, verehrte sie, blickte zu ihr auf und bewunderte sie über alle Maßen.

„Du weißt, was du zu tun hast, Sergej“, wies sie ihren Leibwächter und Vertrauten an.

Dieser nickte.

Er löste sich von seinem Platz und trat hinter den Stuhl, auf dem Hanno Stegner zitternd hockte. Mit völlig ausdruckslosem Gesicht klopfte er dem Todeskandidaten grob auf die Schulter. Es war der Befehl aufzustehen, denn sprechen konnte Sergej nicht.

Er war stumm.

Hanno Stegner, selbst ein skrupelloser Mörder, der sein Opfer verhöhnt und mit der kleinen Vietnamesin nicht einen Hauch von Mitleid empfunden hatte, stand auf. Seine Beine zitterten jedoch so stark, dass er sich einen Moment lang an der Stuhllehne festhalten musste.

„Bitte, Chefin“, bat er mit zittriger Stimme. „Bitte, nicht die Hunde.“

Johanna Bach musterte ihn so gleichgültig, als sei er ein lästiges Insekt.

„Schaff ihn mir aus den Augen, Sergej“, befahl sie eisig.

Der Russe packte Hanno an den Schultern und schob ihn grob vor sich her. Sein Opfer hatte seinen dicken Muskelpaketen, seiner gewaltigen Kraft, nicht das Geringste entgegenzusetzen. Vielleicht, wenn er seine Waffen dabei gehabt hätte, obwohl das auch eher zweifelhaft war.

Allerdings gelangte niemals jemand mit einer Waffe zu der Chefin dieser Verbrecherbande, dafür war sie viel zu vorsichtig. Sie kannte sich in dem Milieu besser aus, als viele andere.

Sie war skrupellos, raffiniert und intelligent. Sie agierte mit Erfolg aus dem Verborgenen, streckte ihre geistigen Fühler wie die Tentakel eines Kraken aus und erschloss für sich und ihre Organisation ständig neue, zumeist mitleidlose, jedoch sehr einträgliche Geschäfte.

Johanna Bach verschwendete weder Gefühle – falls sie überhaupt welche besaß – noch Gedanken an andere.

Als sich die Tür hinter den beiden Männern schloss, hatte sie den Todeskandidaten bereits aus ihrem Gedächtnis gestrichen.

„Nicht zu den Hunden, Sergej.

Bitte, nicht!“, wimmerte der Todeskandidat.

„Erschieß mich, das ist mir egal. Aber bitte tu das nicht, was die Chefin dir befohlen hat. Sie weiß es doch nicht, Sergej. Du brauchst es ihr doch nicht zu sagen“, flehte Hanno. Ein Mörder, der noch vor kurzem seinen Hund getreten hatte, weil er diesem nicht beim Zerfleischen seines Opfers hatte zusehen können.

Das ist ausgleichende Gerechtigkeit, würde vielleicht so manch einer zu seinem sich abzeichnenden, baldigen Schicksal sagen.

Sergej schüttelte abweisend den Kopf.

Was für ein Ansinnen von diesem Narren.

Wusste dieser denn nicht, dass er stets genau das tun würde, was seine von ihm vergötterte Chefin ihm befahl? Und natürlich würde er sie niemals belügen, sie niemals hintergehen, würde bis zum Tod zu ihr halten.

Denn seine Treue zu ihr war absolut!

Ob sie ein Engel war oder ein Teufel, eine Mörderin oder eine Nonne, all das zählte für Sergej nicht.

Für ihn war Johanna Bach alles. Sie war sein Leben. Ohne sie hörte er auf zu existieren.

Er gab Hanno einen Schubs, was hieß er solle schneller gehen. Zielstrebig trieb er ihn auf seinen Geländewagen zu, der in einer Seitenstraße des Clubs parkte. Hier angekommen, drängte er sein am ganzen Leib zitterndes Opfer auf den Beifahrersitz.

Hanno Stegner saß kaum, da versenkte ihn ein gezielter Handkantenschlag in tiefe Bewusstlosigkeit, die bis zu ihrem Ziel andauern würde.

Sergej schwang sich hinters Steuer, startete den anthrazitfarbenen Geländewagen und fuhr davon, um seinen Auftrag zu erfüllen.

Sein Gesicht war wie aus Stein gemeißelt. In seinen schlammfarbenen Augen spiegelte sich keinerlei Gefühl. Die schmalen, stets zu einem Strich zusammengepressten Lippen kannten keine Zärtlichkeit. Streichholzkurze dunkelblonde Haare betonten das Kantige des Kopfes. Und das vorspringende Kinn betonte zusätzlich die Gnadenlosigkeit und Kälte dieses Mannes.

Doch auch er war durch die Grausamkeit und Manipulation verbrecherischer Menschen zu dem geworden, was er jetzt war. Sie waren es gewesen die ihm seine Zunge, seine Männlichkeit, seine Sprache und sämtliche Gefühle genommen hatten.

Das mochte vielleicht keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung für sein von Gewalt geprägtes Leben sein. Jedoch gab es einen gewissen Einblick, wozu die Gnadenlosigkeit und Boshaftigkeit anderer einen Menschen bringen kann.

Nur bei Johanna Bach kehrte ein wenig Wärme in diesen versteinerten Panzer zurück. Nur wenn er sie sah oder hörte fühlte er, dass er noch am Leben war, ein Leben, in dem es für ihn keinerlei Erinnerungen mehr gab. Denn auch die hatte man ihm genommen.

Jetzt war er ein leeres, vollkommen unbeschriebenes Blatt. Vielleicht war Sergej Michailow noch nicht einmal sein wirklicher Name.

War er überhaupt Russe? Er wusste es nicht und es war ihm auch gleichgültig wie alles in seinem jetzigen dürftigen Leben, alles, außer Johanna Bach.

Denn sie war es gewesen, die ihn zufällig in einem Kellerraum entdeckte, in dem ihn seine Folterer mehr tot als lebendig gefesselt zurückgelassen hatten, um sich ihn am nächsten Tag noch einmal vorzunehmen, wie sie sagten.

Es sei ein reiner Zufall gewesen, hatte sie ihm später erzählt. In dem bewussten Haus war ein Treffen mit einem Geschäftspartner vorgesehen gewesen, welches sich im letzten Moment zerschlagen hatte.

Er war schwer verletzt und kaum noch bei sich gewesen. Er wäre gestorben, hätte sie sich seiner nicht angenommen und ihm die bestmögliche Pflege angedeihen lassen.

Und als er dann endlich wieder körperlich genesen war, jedoch ohne die geringste Erinnerung, da hatte er sie händeringend angefleht bei ihr bleiben zu dürfen, um sie zu beschützen.

Aber wohin hätte er auch gehen sollen?

Er konnte sich nicht artikulieren und verfügte nicht über die geringste Erinnerung. Er hatte nur sie, die ihn so nahm wie er war. An sie klammerte er sich, suchte Halt an ihrer Stärke, sonnte sich in ihrer Sympathie, ihrem Vertrauen zu ihm.

Mit sexuellem Bedürfnis hatte das absolut nichts zu tun. Auch das hatten ihm seine Folterer für immer genommen, ebenso wie seine Zunge.

Und sie hatte ihn mit Freuden bei sich aufgenommen, denn sie brauchte zum Schutz vor ihren gefährlichen, ebenso skrupellosen, verbrecherischen Geschäftspartnern wie sie einer war, unbedingt jemanden, dem sie tausendprozentig vertrauen konnte.

Jemanden wie ihn!

Einen Vertrauten, der nur dann von ihrer Seite wich, wenn sie es befahl. Der zu jeder Tages- und Nachtzeit für sie da war, ihr sein Leben geweiht hatte.

Sergej fühlte kaum jemals irgendetwas, denn auch seine Gefühle waren ihm verlorengegangen. Er kannte nur ein einziges Gefühl, die Sorge um das Wohl seiner Chefin, wenn er nicht in ihrer Nähe war.

Doch im Moment fühlte er so etwas wie Frieden in sich, denn er fuhr gerne des Nachts. Er liebte die Dunkelheit, verlor sich manchmal im Funkeln der Sterne. Und doch wurde er schon wieder unruhig, fürchtete Schlimmes für sie, je weiter er sich von seinem Schützling entfernte.

Er gab mehr Gas, um schneller an sein Ziel gelangen.

Endlich tauchten in der Ferne Lichter auf. Wenig später lenkte er den Geländewagen vor den Eingang des Anwesens, dessen Mittelpunkt ein ehemaliges Kloster war.

Er hielt an.

Sergej sah zu dem Zwinger hinüber und dann auf den bewusstlosen Mann neben sich. Er lächelte verhalten.

Weder mochte er diesen Mann, noch mochte er ihn nicht. Er war ihm völlig gleichgültig wie ihm fast alles gleichgültig war.

Der Tod dieses Mannes war ein Auftrag.

Nur ein Auftrag, mehr nicht.

„Hast du alles zu meiner Zufriedenheit erledigt, Sergej?“, fragte Johanna Bach ihren Vertrauten, der gerade wieder zurückgekommen war.

Sergej nickte.

„Die Hunde?“

Neuerliches Nicken.