Jagd auf Cosima - Bärbel Junker - E-Book

Jagd auf Cosima E-Book

Bärbel Junker

0,0

Beschreibung

"So viele Morde! Warum?", fragt Mimi, die Wirtin einer Pöseldorfer Jugendstilkneipe, die Journalistin Tanja Thorn, der sie in Liebe verbunden ist. Ja, warum? Dabei hat für Tanja alles mit einer banalen Recherche in Harsefeld angefangen, die plötzlich zur atemberaubenden Story ihres Lebens wird. Fünfzig Millionen Euro verlangt der skrupellos mordende Erpresser von der deutschen Regierung oder "Cosima" und ihre Brut, die "Wasserkiller", werden aus Deutschland und den Anrainerstaaten eine gewaltige Sandwüste machen, indem sie Leben spendendes Wasser in Sand verwandeln. Werden der Biologe Henrik van Cliff und Tanja dem Erpresser rechtzeitig Einhalt gebieten können? Und wovor versucht der Journalist Peter Holznagel Tanja noch in der Stunde größter Not zu warnen? Kommissar Heckert und Inspektor Carmichel versuchen das Puzzle aus Hass, Rache und Geldgier zusammenzufügen. Doch dann wird der Fall dem undurchsichtigen Hajo Bentheim übergeben, dem Chef des Bundeskriminalamtes Und während sich die Ereignisse überstürzen, treiben Tanja und ihre Schwester Connie in der Gewalt des Erpressers auf das Zentrum des Schreckens zu, wo alle Fragen ihre Antwort finden.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 376

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Bärbel Junker

Jagd auf Cosima

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

ZUM BUCH

TANJAS AUFTRAG

BEVOR ALLES BEGANN

SIE TEILEN SICH!

ERPRESSUNG

BARTELS ÜBERRASCHT TANJA

WASSERKILLER!

WO IST SYLVIA?

DER ERPRESSER UND COSIMA

SENSATIONELLER ARTIKEL!

TANJAS ALBTRAUM

AGENT SCHMIDT

SKRUPEL

TRAURIGES ENDE EINER FREUNDSCHAFT

VERGIFTET!

CONNIE UND TANJA

WAS WUSSTE PIET?

BARTELS FÜRCHTET SICH!

MYSTERIÖSER UNFALL

HENRIK VAN CLIFF

FALSCHER VERDACHT?

MORBIDE FANTASIEN

GRAUSIGER FUND

BKA-CHEF HAJO BENTHEIM

UNTER VERDACHT!

LUXUS PUR!

JACK UND EDDY

DIE ALTE MÜHLE

ÜBERRASCHENDER BESUCH

GELDÜBERGABE

ANGST VOR RATTEN

GEWISSENLOS!

FATALER IRRTUM

VAN CLIFFS VERDACHT

DER TERROR BEGINNT!

HEIMLICHKEITEN

VISIONEN

BETROGENER BETRÜGER!

GESPRÄCH MIT MIMI

BERNHARD HÜBNERS ANGEBOT

EINBRUCH BEI TANJA

KOMMISSAR HECKERTS VERDACHT

DAS ARMBAND

ENTFÜHRT

ANGST UM CONNIE

DIE FALLE SCHNAPPT ZU!

GELIEBTE ELVIRA

AM FORELLENTEICH

BEGEGNUNG MIT COSIMA

GRAUENHAFTE WAHRHEIT!

SIE MÜSSEN STERBEN!

METAMORPHOSE

COSIMAS MACHT

FÜNF TAGE SPÄTER

EPILOG

Impressum neobooks

ZUM BUCH

„So viele Morde! Warum?“, fragt Mimi, die Wirtin einer Pöseldorfer Jugendstilkneipe, die Journalistin Tanja Thorn. Ja, warum? Dabei hat für Tanja alles mit einer banalen Recherche in Harsefeld angefangen, die plötzlich zur atemberaubenden Story ihres Lebens wird.

Fünfzig Millionen Euro verlangt der skrupellos mordende Erpresser von der deutschen Regierung oder „Cosima“ und ihre Brut, die „Wasserkiller“, werden aus Deutschland und den Anrainerstaaten eine gewaltige Sandwüste machen, indem sie Leben spendendes Wasser in Sand verwandeln.

Werden der Biologe Henrik van Cliff und Tanja dem Erpresser rechtzeitig Einhalt gebieten können?

Und wovor versuchte der Journalist Peter Holznagel Tanja noch in der Stunde größter Not zu warnen?

Kommissar Heckert und Inspektor Carmichel versuchen das Puzzle aus Hass, Rache und Geldgier zusammenzufügen. Doch dann wird der Fall dem undurchsichtigen BKA-Chef Hajo Bentheim übergeben.

TANJAS AUFTRAG

Tanja saß in Gedanken versunken vor dem leeren Bildschirm ihres Computers und träumte den immer wiederkehrenden Traum von der ganz großen Story ihres Lebens und nichts und niemand warnte sie vor den kommenden Ereignissen, die sie in den Strudel einer unglaublichen Geschichte reißen sollten. Ein derber Schlag auf die Schulter riss sie abrupt aus ihren Tagträumen.

„He, Tanja! Hör auf vom Pulitzerpreis zu träumen, dein Typ wird verlangt. Du sollst zum Boss kommen“, krähte ihr die helle Stimme ihres besten Freundes und künftigen Schwagers Peter Holznagel, genannt Piet, ins Ohr und ließ sie zusammenzucken.

„Was will Bartels von mir?“

„Hab gehört, du sollst in irgend so ein Kaff für ´ne mickrige Recherche. Beeil dich lieber, Bartels hat mal wieder ´ne Stinklaune.“

Seufzend machte sie sich auf den Weg zu ihrem Redakteur, der sie nicht ausstehen konnte und ihr ständig die langweiligsten Aufträge zuschanzte. Widerstrebend öffnete sie die schwere Glastür.

Bartels glupschte sie aus seinen vorstehenden Augen niederträchtig grinsend an. „Ich habe eine tolle Story in Harsefeld für Sie“, sagte er heiser und schob ihr mit seinen dicken Wurstfingern einen Zettel zu.

„Harsefeld? Wo soll das sein?“, fragte Tanja desinteressiert.

„In Niedersachsen bei Buxtehude. Denen ist plötzlich ihr Badesee abhandengekommen. Klären Sie die Sache, damit endlich diese nervtötenden Anrufe aufhören.“ Mit einer wedelnden Handbewegung wies er sie hinaus.

„So ein verdammter Mistkerl“, fluchte Tanja. Wütend nahm sie ihre kleine Reisetasche aus dem Schrank und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Wenn das so weiterging, würde sie in der Bedeutungslosigkeit versinken, bevor sie jemals einen interessanten Artikel veröffentlicht hatte. Tanja Thorn die Versagerin!

Stinksauer fuhr sie mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage, warf die Reisetasche in den Kofferraum ihres Golfs und startete wütend mit viel zu viel Gas und quietschenden Reifen.

Erst nachdem die Hamburger Innenstadt hinter ihr lag und sie ihren weißen Golf auf die nach Harsefeld führende Bundesstraße 73 lenkte, verrauchte ihr Zorn. Sie konzentrierte sich auf den dichten Verkehr und bemühte sich, Bartels zu vergessen.

Anderthalb Stunden später erreichte sie Harsefeld. Zum Dorfkrug hieß der Gasthof vor dem sie hielt. Vielleicht konnte sie hier etwas über diesen verschwundenen Badesee erfahren. Sie öffnete die geschnitzte Eichentür, trat ein und steuerte auf den langen Eichentresen zu. Sie setzte sich. Unauffällig musterte sie die drei Männer, die zwei Hocker weiter saßen und sich lautstark unterhielten.

„Ich sag dir, Alfons, das geht nicht mit rechten Dingen zu, da hat der Teufel seine Hände im Spiel“, meinte der eine.

„So ein Unsinn! Der Teufel hat damit bestimmt nichts zu tun. Irgend so ein Mistkerl hat bei Nacht und Nebel den Badesee zugeschüttet, aus welchen Gründen auch immer“, entgegnete Alfons und stürzte sein Bier in einem Zug hinunter.

„Karl, noch ´ne Runde“, verlangte ein kleiner, schmächtiger Mann, dessen verarbeitete Hände nervös sein leeres Bierglas auf dem Tresen hin und her schoben.

„Hör auf mit dem Glas zu spielen, Hans, das macht mich nervös“, knurrte der Wirt gereizt.

„Karl hat recht. Du wolltest uns doch was erzähl´n, oder?“, fragte ein grobschlächtiger Mann, der Dritte im Bunde.

Tanja spitzte neugierig die Ohren.

Der schmächtige Hans räusperte sich. „Tja, das ist so. Das Wasser in meinem Forellenteich verschwindet nämlich. Es wird einfach zu Sand“, sagte er leise.

„Zu Sand? Das gibt´s doch nicht! So warm, das ein ganzer Teich austrocknet, ist es ja nun auch wieder nicht“, rief Alfons.

„Ihr habt mich nicht richtig verstanden“, sagte Hans. „Mein Forellenteich trocknet nicht aus, vielmehr wird das Wasser einfach zu Sand. Und bei dem Baggersee am Ende meines Grundstücks fängt es auch schon an.“

„So ein Unsinn!“, entfuhr es Tanja, bevor sie es verhindern konnte. Vier Augenpaare starrten sie unfreundlich an.

„Meinen Sie etwa uns?“, knurrte der Grobschlächtige.

„Ich wollte Sie nicht beleidigen“, versicherte Tanja. „Aber wie kann Wasser einfach zu Sand werden? Das ist unmöglich.“

„Und wer sagt so was? Was geh´n Sie unsere Probleme überhaupt an? Wer sind Sie eigentlich?“, fragte der Wirt ärgerlich.

„Ich heiße Tanja Thorn und bin Journalistin in Hamburg. Ich soll über den verschwundenen Badesee schreiben.“ Sie nahm die Baseballmütze ab und schüttelte ihr schulterlanges, dunkles Haar.

„Oha! Eine Journalistin aus der Großstadt! Welch Glanz in meinem bescheidenen Gasthaus. Vielleicht finden Sie ja heraus, wo der See abgeblieben ist, denn uns einfachen Leuten vom Land will das einfach nicht gelingen“, meinte der Wirt ironisch und stellte ein Bier vor sie hin.

„Haben Sie schon was rausgekriegt?“, fragte der grobschlächtige Bruno neugierig.

„Nein, ich bin gerade erst angekommen. Ich dachte, Sie könnten mir vielleicht was sagen.“

„Wir?! Da haben Sie aber mit Zitronen gehandelt, junge Frau“, sagte Alfons. „Wir wissen nur, dass unser schöner Badesee plötzlich ein riesiger Sandhaufen ist.“

„Aber das Wasser muss doch irgendwo geblieben sein!“

„Ist es ja auch“, sagte Hans. „Es wurde zu Sand, genauso wie mein Forellenteich langsam dazu wird! Was, wenn wir plötzlich kein Wasser mehr haben?“

„Jetzt übertreib aber mal nicht, Hans“, knurrte Bruno. „Aber merkwürdig ist die ganze Geschichte schon.“

Es wurde still im Schankraum.

Was ist das nur für eine absurde Geschichte? dachte Tanja frustriert. Daraus lässt sich ja noch nicht mal ein Zweizeiler machen.

„Wollen Sie sich meinen Forellenteich mal ansehen?“, fragte Hans neben ihr.

Tanja nickte. „Gleich?“

„Ja“, sagte Hans und rutschte von seinem Hocker.

„Bruno und ich kommen auch mit“, rief Alfons und bezahlte hastig.

„Dürfte ich die Herrschaften begleiten?“, fragte eine kultivierte Stimme vom anderen Ende des Tresens.

Tanja musterte überrascht den schlanken Mann, der auf sie zukam. Er hatte versteckt hinter einem Sichtschutz aus Eichenholz in einer Ecke gesessen. Sie hatte ihn nicht bemerkt.

Freundlich lächelnd reichte er ihr die Hand. „Mein Name ist Henrik van Cliff. Ich bin zu Gast in diesem schönen Ort“, stellte er sich vor. „Ich bin Biologe. Vielleicht kann ich Ihnen bei Ihrer Recherche nützlich sein. Was hier passiert beunruhigt mich. Wasser wird zu Sand. Wenn das stimmt, sollte man die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen“, sagte er ernst.

„Das ist wahr, falls es stimmt!“, erwiderte Tanja.

„Können wir fahr´n? Mir brennt nämlich die Zeit unter den Nägeln“, drängte Hans.

Tanja setzte die Baseballmütze wieder auf und hängte sich ihre Tasche über die Schulter. „Wenn Sie wollen, können Sie mit mir fahren, Herr van Cliff“, bot sie dem Wissenschaftler an.

In dem Golf war es so heiß, dass Tanja hastig die Scheibe runter drehte. Van Cliff stieg ohne mit der Wimper zu zucken ein und stellte seine lederne Aktentasche zwischen seine Füße. „Von mir aus kann es losgehen“, sagte er.

Hans klemmte sich hinters Lenkrad eines alten Geländewagens Marke Eigenbau. Alfons und der grobschlächtige Bruno stiegen in einen dunkelblauen Ford, dessen linker Kotflügel ein großflächiger, dottergelber Fleck zierte.

Ratternd setzten sich die beiden Fahrzeuge in Bewegung, gefolgt von Tanjas weißem Golf.

BEVOR ALLES BEGANN

Eine Woche bevor in Harsefeld alles begann!

Endlich war es soweit! Fasziniert starrte der hochgewachsene Mann in das riesige Aquarium, welches fast den gesamten Raum einnahm. In den Scheiben spiegelte sich sein sympathisches Gesicht, in dem tief empfundenes Leid seine unauslöschlichen Spuren hinterlassen hatte.

„Ich werde die Menschheit das Fürchten lehren, werde sie vor mir im Staub kriechen und um Gnade winseln sehen“, flüsterte er in die ihn umgebende Stille und es klang nach viel mehr, als nur einem Versprechen.

Er drehte sich um und ging zu seinem Schreibtisch hinüber, auf dem ein Foto in einem silbernen Rahmen stand. Vorsichtig nahm er es in seine langgliedrigen, sehnigen Hände.

„Elvira!“, murmelte er, und seine eisblauen Augen liebkosten das reizende Frauengesicht auf dem Bild. „Ich werde dich rächen, Geliebte, werde sie bestrafen für das, was sie dir angetan haben“, flüsterte der einsame Mann und Hass verzerrte sein Gesicht.

„Bald kehre ich reich und mächtig zu dir zurück, bis dahin hilft mir mein Hass dieses Leben ohne dich zu ertragen. Er treibt mich voran und richtet mich auf, wenn ich verzweifelt nach dir rufe und doch keine Antwort erhalte.

Rache! singt es dann in mir. Rache!, für meine geliebte Elvira!

Sie alleine treibt mich an und lässt mich planen und hoffen. Du schaffst es, singt es dann in mir. Und mein Glaube wurde wahr, erfüllte sich hier und jetzt. Endlich! ist die Zeit der Abrechnung gekommen, Elvira! Und ich werde sie genießen! Werde sie mit jeder Faser meines Seins genießen!“, schrie der Mann von plötzlichem Zorn übermannt in die Stille des Raumes.

Aber trotz seines Jähzorns stellte er den silbernen Rahmen mit Elviras Foto sanft auf den Schreibtisch zurück. Er drehte sich mit einem Ruck um und ging zurück zum Aquarium.

„Ja, so ist es richtig, Cosima, meine Kleine“, flüsterte er und beobachtete mit glänzenden Augen das rege Treiben seiner unglaublichen Kreatur.

SIE TEILEN SICH!

Sie verließen Harsefeld und fuhren in Richtung Hollenbeck weiter.

„Wie kommt ein Wissenschaftler nach Harsefeld?“, versuchte Tanja ein Gespräch in Gange zu bringen.

„Zufall. Purer Zufall“, erwiderte van Cliff. „Ich suchte nach einem ruhigen Ort, um an einer schwierigen Abhandlung zu arbeiten und kam dabei nach Harsefeld. Als ich dann von der angeblichen Wasserumwandlung hörte, wurde ich neugierig und beschloss zu bleiben. Mir gefällt die Gegend. Vielleicht lasse ich mich sogar hier nieder.“

„Und Ihre Frau?“

„Meine Frau? Wieso? Was soll mit meiner Frau sein?“

„Ist sie auch hier? Na ja, Sie tragen einen Ehering und da dachte ich, ihre Frau hätte Sie vielleicht begleitet.“

„Meine Frau ist tot. Ich bin schon seit mehreren Jahren Witwer.“

„Oh! Entschuldigen Sie bitte“, sagte Tanja verlegen.

„Schon gut. Das konnten Sie ja nicht wissen“, erwiderte van Cliff freundlich.

Vor ihnen leuchteten plötzlich die Blinker und Bremsleuchten grell auf, als die beiden Fahrzeuge in einen schmalen Feldweg einbogen. Tanja folgte ihnen.

Die dicken Stämme der alten Eichen zu beiden Seiten des Weges ließen nur wenig Platz. Tanja musste sehr vorsichtig fahren, um eine Kollision zu vermeiden. Das dichte Blätterdach über ihnen warf bizarre Schatten auf den sich wie eine Schlange darunter hindurch windenden Weg und verwandelte den lichten Tag in ein diffuses Halbdunkel.

Es war still, jedes Geräusch verstummt, außer dem Brummen der Motoren. Ein Gefühl kommenden Unheils beschlich die junge Frau und ließ sie frösteln. Da wurde der Weg breiter. Kurz darauf fuhren sie auf ein weites, mit Büschen und Gras bewachsenes Areal zu, in dessen Mitte eine sich weitflächig ausdehnende Sandwüste zu sehen war, die zur Mitte hin kontinuierlich zu einem beachtlichen Berg anwuchs.

Sie hatten ihr Ziel erreicht.

Tanja stieg aus und ging zusammen mit dem Wissenschaftler auf den Sandberg zu, der einmal ein Badesee gewesen sein sollte. „Und hier soll Wasser gewesen sein?“, fragte sie skeptisch.

„Dies hier war bis vor kurzem noch ein See“, sagte van Cliff. „Aber wieso ist es so schnell gegangen?“

„Wie meinen Sie das?“

„Na ja, falls unbekannte Mikroben Schuld an dieser Umwandlung von Wasser in Sand waren, dann ist das aber verdammt schnell gegangen. Da müssten ja ungeheure Mengen am Werk gewesen sein.“

„Sie glauben den Unsinn doch nicht, oder?“, fragte Tanja verblüfft.

„Weshalb sollten die Männer lügen? Das würde doch sehr schnell herauskommen“, erwiderte van Cliff. „Kommen Sie. Wir sehen uns mal den Forellenteich an.“

Sie fuhren Hans hinterher zu dem Teich, der nicht weit vom Badesee entfernt lag. Als sie dort ankamen stoppte Hans abrupt, sprang aus seinem Wagen und rannte laut schreiend darauf zu.

Alfons, Bruno und Tanja rannten ihm hinterher.

Die großzügig angelegte Anlage lag inmitten weiter Wiesenflächen, eingerahmt von dichtem Gebüsch. Das gegenüberliegende Ufer war so weit entfernt, dass es mit bloßem Auge kaum zu erkennen war.

Die reinste Idylle, dachte Tanja, musste jedoch beim Näherkommen feststellen, dass dieses Arkadien einen Makel besaß. Einstmals reichten die Wiesenflächen wohl bis an den Wasserrand. Jetzt wurde der weitläufige Teich von einem etwa zwei Meter breiten Sandgürtel eingefasst, auf dem sich wie mumifiziert aussehende Fischkadaver stapelten.

„Meine Forellen!“, schrie Hans und hüpfte wie ein verrückt gewordener Kobold aufgeregt hin und her.

Der Wissenschaftler bückte sich und nahm eine tote Forelle in seine Hand, die ein dünner Handschuh schützte. „Dem Fisch wurde die Flüssigkeit entzogen, dadurch wirkt er wie mumifiziert“, flüsterte er heiser.

„Was ist mit dem Wasser?“, fragte Tanja. „Es müsste ein stilles Gewässer sein, doch es brodelt und bewegt sich immerzu.“

„Ich werde eine Wasserprobe entnehmen und sie untersuchen“, sagte van Cliff. Er nahm eine bauchige Flasche aus seiner Aktentasche und ging zum Wasser.

„Was ist?“, fragte Tanja als er zurückkam. „Sie machen so ein besorgtes Gesicht?“

„Sehen Sie selbst“, sagte van Cliff und hielt die Flasche hoch. Tanja und Alfons traten näher.

Hinter dem Glas bewegte sich ein etwa walnussgroßes Insekt!

„Was ist das?“, fragte Tanja.

„Es ähnelt einer zu groß geratenen Wanze. Mehr kann ich im Moment nicht sagen. Ich muss es erst untersuchen“, erwiderte van Cliff zurückhaltend.

Die Journalistin starrte wie hypnotisiert auf das Insekt. Und dann sah sie plötzlich ... ZWEI! Sie schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, waren es jedoch noch immer zwei Insekten, obgleich das nicht möglich war.

Der Wissenschaftler bemühte sich den aufgebrachten Hans zu beruhigen. Von der Verdoppelung der Wanze hatte er noch nichts bemerkt. Tanja beobachtete weiter. Plötzlich zogen sich die Körper der beiden Insekten zusammen, dehnten sich, zogen sich erneut zusammen, teilten sich. Jetzt befanden sich bereits VIER! Insekten in der Flasche und es wurde langsam eng.

„Vier! Sie teilen sich!“, stieß Tanja gleichermaßen fasziniert wie abgestoßen hervor.

„Was sagten Sie?“, fragte van Cliff.

„Sie teilen sich. Jetzt sind es schon vier.“

Der Wissenschaftler starrte auf die Flasche in seiner Hand. „Tatsächlich“, flüsterte er.

„Und was bedeutet das alles?“, fragte Bruno verständnislos.

„Ich muss zurück und einige Tests vornehmen“, sagte van Cliff aufgeregt.

„Das können Sie sich sparen“, stieß Tanja hervor. „Diese Viecher sind es. Sie machen aus Wasser Sand!“

Alle starrten auf die Flasche. Die vier Insekten vermehrten sich nicht mehr. Sie hockten regungslos in der Flasche und saugten das Wasser in sich hinein; aus einer Öffnung am hinteren Ende ihres Körpers kam es als Sand wieder heraus. Die fünf Menschen sahen bestürzt zu.

Kurz darauf war die Flasche mit Sand gefüllt, und die vier unheimlichen Lebewesen hatten sich aufgelöst. Nur vier kirschgroße, dunkelrote Kugeln waren von ihnen übrig geblieben.

„Mein Gott!“, flüsterte Tanja. „Was würde wohl passieren, sollten diese Viecher in die Wasserversorgungssysteme gelangen?“

Van Cliff antwortete nicht, sondern starrte auf die mit Sand gefüllte Flasche in seiner Hand.

„Das ist ja schrecklich“, stöhnte Hans. „Jetzt wissen wir, wo der Badesee geblieben ist und was mit dem Baggersee geschieht. Und was wird aus meinen Forellen?!“, brüllte er plötzlich hysterisch. „Unternehmen Sie doch was! Vernichten Sie dieses eklige Zeug!“, schrie er van Cliff an.

„Das kann ich nicht. Ich weiß doch ebenso wenig wie Sie, woher diese sonderbaren Lebewesen kommen und was man dagegen unternehmen kann.“

„Die Gesundheitsbehörden müssen verständigt werden. Und ich muss sofort meine Redaktion anrufen“, sagte Tanja aufgeregt, die nun doch noch eine richtige Story witterte.

„Woher kommen diese Viecher so plötzlich?“, meinte Bruno nachdenklich. „Sie müssen doch irgendwie hierhergekommen sein.“

„Falls sie nur hier, in Harsefeld, vorkommen und sich auf die Teiche und Seen beschränken die keinen Zufluss zu anderen Gewässern haben, können wir sie wohl unter Kontrolle halten, aber wenn sie auf andere Gewässer oder auf die Versorgungssysteme übergreifen ...“ Er verstummte.

„Sobald kein Wasser mehr da ist, sterben die Wasserkiller anscheinend“, sagte Tanja. „Der Badesee wurde bereits zu Sand und dem Forellenteich und dem Baggersee wird wohl dasselbe Schicksal beschieden sein. Damit dürfte sich dieses Problem doch von selbst erledigen.“

„Wenn diese Wasserkiller, übrigens ein sehr treffender Name“, lächelte van Cliff, „nur hier auftreten, könnten Sie recht haben.“

„Aber woher kommen diese gemeinen Viecher?“, fragte Bruno noch einmal.

„Ich weiß es nicht, aber wir sollten es auf jeden Fall herausfinden. Zuerst einmal müssen die betroffenen Gebiete sofort isoliert werden. Noch lässt sich der Schaden vielleicht begrenzen, aber wehe diese Brut breitet sich aus, dann gnade uns Gott!“

„Schrecklich“, murmelte Bruno bestürzt.

Sie kamen überein, die gefährdeten Gebiete zu überwachen, bis offizielle Stellen diese Aufgabe übernehmen würden.

Hans blieb bei seinem Forellenteich. Bruno kümmerte sich um den Baggersee. Und Alfons würde ein Auge auf den ehemaligen Badesee haben. Der Wissenschaftler erklärte sich bereit die Behörden von Harsefeld aus telefonisch zu mobilisieren. Und Tanja arbeitete bereits gedanklich an ihrem Artikel.

Entweder Bartels gab ihr die Story oder sie würde sich an eine andere Zeitung wenden, dachte Tanja. Wegnehmen ließ sie sich diese Chance jedenfalls nicht! Plötzlich hatte sie es eilig nach Harsefeld zurückzukommen. Sie verabschiedete sich von Hans und seinen beiden Freunden und eilte gefolgt von dem Wissenschaftler zu ihrem Wagen.

ERPRESSUNG

Die ersten Takte des Boleros von Ravel vermischen sich mit dem leisen Rauschen eines Flusses. Der großformatige Flachbildschirm zeigt das Panorama des im milden Abendlicht glitzernden Bodensees. Späte Sonnenstrahlen überziehen das Wasser mit diamantenem Schimmer. Die weißen Segel der schnittigen Boote erglühen orangerot, faszinierend schön wie auf einem exquisiten Ölgemälde.

Ravels Bolero gewinnt an Substanz. Die Musik schwillt an. Das idyllische Bild des Bodensees vergeht.

Farbige, sich ekstatisch windende Kreise huschen über den Bildschirm. Die Musik spielt Fortissimo. Ein Tusch und ... ein Entsetzensschrei aus rauen Männerkehlen.

„Mein Gott! Was ist das?!“, stöhnt der Innenminister Randolph Stein.

Ravels Bolero verklingt, das Entsetzen bleibt, manifestiert sich in dem Bild auf dem Monitor.

Ein INSEKT!

Doch was für eine Scheußlichkeit! Größer als zwei Riesenschildkröten zusammen, aber chitingepanzert wie ein Insekt. Und dann der abscheuliche Kopf, auf dem die nach allen Seiten beweglichen Augen auf Stielen sitzen. Und das bizarre Geschöpf bewegt sich behände auf sechs stämmigen Beinen.

„Und das ist C O S I M A!“,

sagt eine elektronisch verzerrte Stimme in die atemlose Stille hinein. „Sie ist die Mutter meiner Wasservernichtungswanzen, die Sie gleich sehen werden. Danach gebe ich Ihnen meine Forderungen bekannt. Und nun viel Vergnügen, meine Herren.“

Wieder Cosima. Doch diesmal hockt sie in einem riesigen Aquarium. Eine behandschuhte Hand schiebt sich ins Bild und stellt eine Schale gefüllt mit einem undefinierbaren Brei vor das Insekt. Cosima macht sich darüber her und noch während sie frisst, werden aus ihrem Hinterteil wie am Fließband wallnussgroße Insekten gedrückt. Nachdem sie die Schale leer gefressen hat, schließt Cosima die Augen und schläft ein.

Eine Glasscheibe senkt sich zwischen sie und die walnussgroßen Insekten herunter die munter werden, als Wasser in ihre Aquariumhälfte sprudelt. Sie saugen es ein und stoßen es als Sand aus einer Öffnung am hinteren Ende ihres Körpers wieder aus.

Und sie arbeiten schnell! Sehr schnell!

Die Zuschauer sehen sprachlos zu wie sich Leben spendendes Wasser vor ihren Augen in Sand verwandelt.

Abrupter Szenenwechsel.

Das zauberhafte Panorama des Bodensees vertreibt die Wasser vertilgenden Scheußlichkeiten vom Monitor. Die Insel Mainau in ihrer ganzen Schönheit nimmt ihre Stelle ein. Sanft sich wiegende Palmenwedel im lauen Wind; Sonnenstrahlen vergolden das sich sanft kräuselnde Wasser. „Wie schön“, flüstert eine Stimme. Im Hintergrund ertönt leise Musik.

Ein gewaltiger Paukenschlag beendet jäh die Idylle! Gläser fallen aus zitternden Händen und zerschellen am Boden. Eine erschreckende Computersimulation vertreibt die eben noch dargebotene heile Welt.

Sandhügel schieben sich auf die Mitte des Sees zu, nehmen die Insel in Besitz, die jetzt inmitten mumifizierter Felchen und Forellen, Hechte und Barben liegt.

Abgestorbene Palmenwedel bewegen sich raschelnd wie altes Pergament im heißen Luftstrom des Windes. Birken und Eichen, Akazien und Linden, Ulmen und Eiben strecken ihre verdorrten Äste anklagend dem Himmel entgegen. Aus vertrocknetem Laub ist der Teppich, der die trockene, rissige Erde bedeckt.

Die sechs Männer starren entsetzt auf das unglaubliche Bild. Schreckliche Bilder verdurstender Menschenmassen, verendender Tiere und zerstörter Landschaften drängen sich ihnen auf. Könnte so etwas wirklich geschehen? Gab es wirklich eine so zerstörerische Macht?

„Können Sie sich vorstellen, meine Herren, was meine Wasservernichtungswanzen aus unserem blühenden Land machen können?“, fragt die Computerstimme spöttisch.

„Genau! Eine gewaltige Sandwüste bar jeglichen Lebens. Durch Cosima stehen mir jede Menge Wasservernichtungswanzen zur Verfügung. Mit ihnen könnte ich Flüsse und Seen und natürlich auch die Wasserversorgungssysteme in Deutschland und den Anrainerstaaten vernichten.

Sie glauben mir nicht und denken an die Milliarden von Wanzen, die dazu erforderlich wären? Ja und? Kein Problem. Schauen sie wie einfach das für mich ist. Ja, schauen Sie auf den Monitor! Sehen sie es?“

Die Wasservernichtungswanzen verändern sich! Sie dehnen sich, ziehen sich wieder zusammen und – teilen sich wieder und immer wieder, bis die erforderliche Anzahl für die jeweilige Wassermenge erreicht ist.

„Dieses System ist perfekter als alles, was Menschen jemals erschaffen haben“, sagt der Erpresser.

„Der Kerl ist verrückt! Völlig verrückt!“, keucht der Innenminister. „Mit diesen grauenhaften Viechern könnte alles Leben vernichtet werden. Und dieser Wahnsinnige ist davon auch noch begeistert! Ich glaube ...“

Die Stimme des Erpressers unterbricht ihn, als hätte er zugehört:

„Ja, meine Insekten wurden erschaffen, um zu vernichten. Aber ist der Mensch denn anders? Der Unterschied besteht doch letztendlich nur im Abwägen des Vorteils.

Meine Wanzen machen Wasser zu Sand, ohne dadurch einen Vorteil zu erringen. Im Gegenteil! Sie vergehen mit dem Wasser, kaum etwas bleibt von ihnen übrig.

Der Mensch jedoch vernichtet um des eigenen Vorteils wegen. Die Geschichte lehrt uns das ja zur Genüge. Von jeher war die Gier nach Reichtum und Macht die Triebfeder für unglaubliche Gräueltaten.

Unter dem Mäntelchen Gutes fürs Volk tun zu wollen wurden und werden die Menschen in Kriege und Hungersnöte, Armut und Verzweiflung getrieben, wobei der wirkliche Grund, der wahre Auslöser für all diese Scheußlichkeiten immer wieder die Machtbesessenheit einiger weniger ist.

Sie bereichern sich, saugen das Volk aus wie Vampire und wenn nichts mehr zu holen ist und alles zusammenzubrechen droht, verschwinden sie und lassen ihr Land ausgeblutet zurück.

Für mich gibt es keine gewissenlosere Kreatur als den Menschen“, zischt die Stimme voller Hass. „Dagegen ist meine Cosima ein Juwel an Reinheit, innerer Schönheit und Güte! Doch was soll´s. Sie, als Politiker, wissen das alles ja aus eigener Anschauung viel besser als ich.

Oder ist auch nur einer unter Ihnen, der ein ganz normales Leben in einer der üblichen, dem einfachen Volk vorbehaltenen Gegend, in einer schlichten Mietwohnung, mit durchschnittlichem Einkommen, führt?

Wohl kaum, meine Herren.

Unter einem feudalen Haus in bester Lage und anderen, lukrativen Vergünstigungen macht es doch keiner von Ihrer Sorte. Sie sind intelligent, clever und sehr gerissen. Sie besitzen die richtigen Verbindungen und Beziehungen und verstehen sie zu nutzen. Das Volk kann sehen wo es bleibt. Im Grunde ist es Ihnen sogar lästig.

Aber zum Zahlen und zum Wählen wird es benötigt. Deshalb muss es wohl oder übel einigermaßen gut behandelt, von Zeit zu Zeit eingelullt, beschäftigt und abgelenkt werden. Manipulation ist wichtig! Und auf die Intelligenz im Lande hat man ein waches Auge. Möglichst das Volk dumm halten, heißt die Parole. Solange es den Menschen nicht zu schlecht geht, halten sie still.

Allerdings hält sich mein Mitleid in Grenzen. Die meisten von ihnen haben es nicht besser verdient. Ohne die Menschheit wäre unsere Erde sicherlich weitaus besser dran.

Und jetzt, meine Herren Politiker, hören Sie gut zu, denn ich stelle meine Forderung nur dieses eine Mal. In genau sieben Tagen, also am 17. August, zahlen Sie an mich fünfzig Millionen Euro oder meine Wasservernichtungswanzen beginnen ihr Werk. Ort und Zeit der Übergabe erfährt Innenminister Stein rechtzeitig von mir. Er muss für mich ab dem 17. August in seinem Büro jederzeit telefonisch erreichbar sein.

Wenn alles zu meiner Zufriedenheit verläuft, erhalten Sie im Gegenzug Cosima und die bis dahin produzierten Wanzen. Aber geben Sie sich besser keinen machthungrigen Hoffnungen in Bezug auf meine Mutterwanze hin, denn ich werde Cosima im Moment der Übergabe vernichten.

Sie sind überrascht?

Haben Sie sich etwa wirklich eingebildet, ich überließe Ihnen ein derartiges Machtpotenzial zur freien Verfügung? Na ja, wahrscheinlich haben Sie das tatsächlich. Gewissenlos genug sind die Herren Politiker ja allemal!

Wenn Sie zahlen, haben Sie von mir nichts mehr zu befürchten. Wenn nicht, werde ich meine Wasservernichtungswanzen rücksichtslos zum Einsatz bringen und Deutschland in eine Sandwüste verwandeln“, droht der Erpresser.

Beschaffen Sie das Geld! Sie hören wieder von mir!“

Ein letztes Mal beherrscht Cosima den Monitor, ein Klicken und sie ist fort. Irgendjemand drückt auf den Knopf für die automatischen Jalousien. Es wird hell.

„Das gibt es doch nicht“, stöhnt der Innenminister. „Der Kerl will fünfzig Millionen aus uns herauspressen. Ob dieser Verrückte es wirklich ernst meint?“

„Selbstverständlich ist es dem Verbrecher mit der Erpressung ernst“, ertönt die sonore Stimme des Bundeskanzlers.

„Ob diese Wanzen wirklich so gefährlich sind oder blufft der Kerl?“, fragt Hajo Bentheim, der Leiter des Bundeskriminalamtes, kurz BKA genannt.

„Wenn ich an die Fotos von dem Forellenteich in Harsefeld denke und daran, der Kerl könnte diese Viecher wirklich in die Wasserversorgungssysteme einschleusen, dann bekomme ich ganz schönes Muffensausen“, sagt der Innenminister burschikos.

„Also, meine Herren, was schlagen Sie vor?“, will der Bundeskanzler wissen.

„Der Erpresser muss unschädlich gemacht werden; und wir müssen diese vermaledeite Mutterwanze finden“, knurrt Bentheim.

„Das ist wohl wahr. Sie wäre ein fantastisches Druckmittel anderen Staaten gegenüber“, meint der Verteidigungsminister verträumt. „Mit dieser Cosima im Hintergrund würden sich für uns herrliche Verhandlungsspielräume eröffnen.“

„Das wäre zwar nicht besonders nett, aber sicherlich sehr ergiebig“, murmelt Peter Baumgarten, der Außenminister.

Die wichtigsten Männer des Staates verhandeln und diskutieren, denn zahlen wollen sie natürlich nicht. Endlich schieben sie Hajo Bentheim den schwarzen Peter zu. Sie verlangen, dass der BKA-Chef den Erpresser bei der Geldübergabe fasst.

„Wir sollten die Professoren Wenzel und Schnieker einweihen. Vielleicht finden sie heraus, was für ein Lebewesen diese Cosima ist. Würden wir ihre Lebensbedingungen kennen, könnten wir vielleicht herausfinden, wo der Kerl sie versteckt hält“, schlägt Bentheim vor.

„Ausgezeichnete Idee“, lobt der Bundeskanzler. „Leiten Sie alles Nötige in die Wege und machen Sie für morgen Mittag, einen Termin“, befiehlt er.

BARTELS ÜBERRASCHT TANJA

Tanja stoppte mit quietschenden Reifen und sprang aus dem Golf. Sie rannte auf den Gasthof zu und stieß so heftig die Tür auf, dass diese krachend gegen die Wand schlug und dem Wissenschaftler fast gegen den Kopf gekracht wäre.

Der Wirt ließ vor Schreck ein Glas fallen. „Sind Sie verrückt geworden?“, schimpfte er. „Sie hätten fast meine schöne Eichentür demoliert!“

„Entschuldigen Sie“, sagte Tanja und verzog sich in eine Ecke, um zu telefonieren.

Bartels war noch in seinem Büro und zeigte sich erstaunlich kooperativ. „Was ist denn in den gefahren?“, murmelte Tanja verblüfft, bevor sie ihren Bericht durchgab.

„Sehr gut, Tanja. Ihr Artikel erscheint in der morgigen Ausgabe, das ist noch zu schaffen, wenn ich ihn gleich weiterleite“, sagte Bartels so freundlich, dass sie glaubte, sie hätte sich verhört.

„Sie sind damit einverstanden?“

„Aber selbstverständlich, meine Liebe. Der Artikel ist brillant. Ich wüsste nicht, was daran verbessert werden könnte. Bleiben Sie in Harsefeld. An der Sache könnte mehr dran sein, als sich in diesem Anfangsstadium übersehen lässt. Bleiben Sie am Ball.“

„Ist der krank?“, murmelte Tanja perplex und ging zum Schankraum zurück. Alfons saß am Tresen und informierte den Wirt lautstark über den Stand der Ereignisse. Anscheinend hatte er es am Badesee nicht lange ausgehalten.

„Wozu soll ich einen Haufen Sand bewachen“, erwiderte er auf ihre Frage. „Der Badesee ist futsch. Aus dem Haufen Sand wird nie wieder Wasser.“

„Ich brauche ein Zimmer“, sagte Tanja zu Karl, dem Wirt. „Ich bleibe noch ein bisschen.“

WASSERKILLER!

Als Tanja am nächsten Morgen in den Frühstücksraum kam und die Morgenzeitung nahm, sprang ihr die reißerisch aufgemachte Überschrift ihres Artikels förmlich ins Gesicht:

WASSERKILLER!

In Niedersachsens Gewässern!

Droht uns der Tod durch Verdursten?!

„Das war Bartels, dieser verdammte Mistkerl“, schimpfte Tanja. Wütend klatschte sie die Zeitung auf den Tisch, nachdem sie ihren aufgemotzten Artikel gelesen hatte. Das war ja die reinste Panikmache!

„Ich hoffe, Ihr Unmut gilt nicht mir, meine Liebe“, sagte Henrik van Cliff und blieb neben ihrem Tisch stehen. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“

„Gern. Ich bin auf meinen Redakteur wütend. Er hat meinen Artikel völlig verschandelt mit seiner Panikmache. Ich wollte die Leser zwar informieren, aber doch nicht in den Herzinfarkt treiben“, knurrte sie böse.

Van Cliff setzte sich und griff nach der Zeitung. „Sie haben recht, Tanja. Solider Journalismus ist das nicht“, stimmte er ihr zu, nachdem er den Artikel gelesen hatte. „Ich darf Sie doch beim Vornamen nennen?“, fragte er. „Wo uns der Zufall doch zu Partnern gemacht hat“, fügte er lächelnd hinzu.

Sie musterte ihn misstrauisch. Wollte er sie etwa anmachen? Nein, entschied sie instinktiv. Er ist eher der väterliche Typ. Alter zwischen fünfzig und sechzig; volles graumeliertes Haar; markantes Gesicht; sportliche Figur. Alles in allem ein sehr sympathischer, Vertrauen erweckender Mann, beendete sie ihre Kurzanalyse zu seinen Gunsten. „Sie dürfen“, lächelte sie. „Sich mit dem Vornamen anzusprechen, hat mir schon während meiner Zeit in den USA ausnehmend gut gefallen. Es macht das Leben unkomplizierter.“

„Fein, Tanja. Ich heiße Henrik“, sagte van Cliff. „Wo waren wir stehen geblieben? Ach ja. Wie gesagt, ich kann Ihre Empörung über den Artikel zwar verstehen, doch ganz so überzogen geschrieben wie Sie glauben, ist er leider nicht.“

„Nicht? Wie meinen Sie das? Der Artikel ist doch die reinste Horrorgeschichte.“

„Das ist nur teilweise richtig wie Sie gleich feststellen werden.“

„Henrik, wissen Sie etwas, was ich noch nicht weiß?“, fragte Tanja. „Ich wollte Sie gestern Abend noch sprechen, aber Karl sagte mir, Sie seien nicht im Hause. Ist etwas passiert?“

Seine durchdringenden Augen musterten sie nachdenklich. „Also gut, Tanja. Ja, gestern Abend ist wirklich etwas passiert“, erwiderte er. „Aber Sie müssen mir versprechen, mich unbedingt aus Ihren Artikeln herauszuhalten. Kann ich mich darauf verlassen?“, fragte er eindringlich. „Sollten Sie sich nicht daran halten, könnte mich das nämlich in ernsthafte Schwierigkeiten bringen.“

Sie begegnete seinem Blick und erschrak vor der darin liegenden Intensität.

„Spannen Sie mich nicht auf die Folter, Henrik. Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, Ihren Namen in keinem meiner Artikel zu erwähnen, solange Sie es nicht ausdrücklich wünschen. Ist das für Sie okay?“

Er musterte sie so intensiv, als wolle er ihr Innerstes ergründen.

„Also gut, Tanja. Ich baue auf Ihre Loyalität. Also hören Sie gut zu: Nachdem ich gestern die Behörden informiert hatte, drangen zwei Männer mit dem Universalschlüssel des Wirtes bei mir ein und zwangen mich, sie zu begleiten. Sie brachten mich zu einer alten Villa, wo mich ein Mann namens Schmidt erwartete. Ein Deckname, vermute ich. Er befragte mich zwei Stunden lang zu den Geschehnissen in Harsefeld.

Er wollte wissen, wer mich zum Badesee und zum Forellenteich begleitet hat. Und ich sagte es ihm. Sie erwähnte ich allerdings nicht. Es sollte sich zeigen, dass ich gut daran getan hatte. Und dann erfuhr ich auch noch zufällig, warum dieser Schmidt so viel Aufhebens um mich machte.

Nach dem Gespräch wurde ich in ein Zimmer eingesperrt und mit Tee und belegten Broten versorgt. Doch ich traute diesen Leuten nicht und schüttete alles in die Toilette. Dann legte ich mich aufs Bett und stellte mich schlafend.

Ich muss eingeschlafen sein. Das leise Knarren der Zimmertür weckte mich. „Er schläft wie ein Murmeltier“, sagte Schmidt dicht neben meinem Bett.

„Kein Wunder, Chef. Er hat ja auch fast den ganzen Tee getrunken“, erwiderte einer der Männer.

„Sehr gut. Dann wird er mindestens bis morgen Abend durchschlafen. Bis dahin haben wir hoffentlich herausgefunden, wer hinter der Erpressung steckt“, sagte Schmidt zufrieden.

„Und wenn nicht? Was machen wir dann mit ihm?“

„Dann muss er eben fürs Erste weiterschlafen“, knurrte Schmidt unwirsch. „Hast du dich um die anderen Männer gekümmert, Jack?“, fragte er einen hageren, hochaufgeschossenen Mann.

„Selbstverständlich, Chef. Sie werden keine Gelegenheit haben etwas hinauszuposaunen. Obwohl ihnen wahrscheinlich sowieso niemand glauben würde.“

„Wir gehen lieber auf Nummer sicher. Nicht auszudenken, die Medien würden von der Sache Wind bekommen und den Forellenteich genauer in Augenschein nehmen. Die Schlagzeile möchte ich nicht sehen. Die Angelegenheit muss geheim bleiben, selbst dann noch, wenn wir den Erpresser geschnappt haben. Wozu die Bevölkerung unnötig beunruhigen, das schadet der Staatsräson und löst höchstens Panik aus“, sagte Schmidt energisch.

„Glauben Sie denn an die Existenz dieser seltsamen Wasservernichtungswanzen?“, fragte Jack.

„Du nicht?“

„Ich möchte es mal so ausdrücken, Chef: Eddy und ich können uns nicht vorstellen, dass diese Viecher in der Lage sein sollen, ganze Teiche, Seen, Flüsse oder noch größere Gewässer in Sand umzuwandeln.“

„Aber ihr habt doch den Forellenteich gesehen!“, sagte Schmidt kopfschüttelnd. „Was ist, wenn dieser verrückte Erpresser die geforderten fünfzig Millionen nicht erhält und die Insekten tatsächlich in die Wasserversorgungssysteme einschleust?

Könnt ihr euch vorstellen, was dann passiert? Du lachst, Eddy? Dann mangelt es dir wirklich an Fantasie. Was meinst du wie schnell dir das Lachen vergeht, wenn an Stelle von klarem Leitungswasser feiner Sand aus der Leitung rieselt!“

„Reine Science-Fiction, Chef“, grinste Eddy.

„Oder auch nicht, Eddy. Stell dir nur mal vor, in einem ohnehin schon wasserarmen Land versanden plötzlich die Trinkwasserreservoirs und die Schuld daran wird dem feindlichen Nachbarn gegeben. Was meinst du Schlauberger von einem Agenten, was dann passiert?“

„Hmm. Sie fallen übereinander her, um an das Trinkwasser des Gegners zu gelangen, richtig?“

„Genau, Eddy! Du kannst ja doch denken“, rief Schmidt sarkastisch.

„Aber, wenn das alles wirklich stimmt, dann besitzt dieser Erpresser eine Langzeitwaffe mit unglaublicher Durchschlagskraft“, sagten Eddy und auch Jack bestürzt.

„Endlich habt ihr das Problem begriffen“, erwiderte Schmidt. „Hat ja auch lange genug gedauert. Und deshalb müssen wir jeden Kontakt van Cliffs und der anderen Männer zu den Medien verhindern. So, und nun lasst uns verschwinden. Wir haben hier schon genügend kostbare Zeit vergeudet“, befahl Schmidt.

Eddy löschte das Licht, und die drei Männer verließen den Raum.

Ich hatte genug erfahren. Töten wollte man mich also nicht. Und sobald ihr Artikel erschienen war würde es keinen Grund mehr geben, mich noch weiter fest zu halten. Ich hatte gut daran getan, Sie aus der Sache herauszuhalten.

Gegen Morgen kehrten die Männer zurück, um den ihrer Meinung nach betäubten Gefangenen abzuholen. Sie legten mich auf eine fahrbare Bahre und brachten mich zu einem dunkelgrünen Lieferwagen.

„Sollen wir ihn wirklich freilassen, Chef?“, fragte Eddy.

„Ja, Order von ganz oben. Er scheint ein prominenterer Wissenschaftler zu sein, als ich dachte. Zudem ist er unwichtig geworden. Der Artikel über die Wasservernichtungswanzen steht heute in der Zeitung. Die da oben haben zu spät reagiert. Die Zeitung befindet sich bereits im Umlauf.“

„Und was passiert jetzt?“, fragte Jack.

„Was wohl! Wir fahnden weiter nach dem Erpresser. Viele Leute werden sowieso nicht glauben, was da in Harsefeld passiert. Seitdem die Fischkadaver fortgeschafft wurden, ist an dem Forellenteich nicht mehr viel zu sehen.

Den Badesee gibt´s nicht mehr und der Baggersee versandet zwar, aber das sieht man nur, wenn man es weiß. Die Neugierigen werden wohl glauben einer Zeitungsente aufgesessen zu sein.“

„Und wenn jemand dem Teich eine Wasserprobe entnimmt?“, wollte Eddy wissen.

„Das werden wir zu verhindern wissen“, erwiderte Schmidt barsch.

„Und der Besitzer des Teichs? Wird der nichts erzählen?“, fragte Eddy, der sehr neugierig war.

„Den wird eine Geldzuwendung oder Drohung genau so ruhig halten wie seine Freunde“, sagte Schmidt abfällig.

Doch Eddy ließ nicht locker. „Und wie stellen wir van Cliff ruhig?“

„Durch Geld. Wenn ihm sein Leben lieb ist, dann hält er den Mund. So, und jetzt hör´ endlich mit der blödsinnigen Fragerei auf“, knurrte Schmidt genervt.

Dann wurde ich von der Trage gehoben und auf die Ladefläche gelegt. Schmidt gab mir eine Spritze, um die Wirkung des Schlafmittels aufzuheben, das ich nicht genommen hatte. Aber das konnte er ja nicht wissen. Sie fuhren mich hierher und schworen mich auf mein Stillschweigen ein. Dann verschwanden sie.“

„Eine tolle Geschichte“, sagte Tanja.

Van Cliff nickte. „Und eine tolle Story für Sie. Der Staat wird mit den Wasserkillern erpresst und nur Sie wissen es.“

Ja, dachte Tanja. Das könnte tatsächlich die Story meines Lebens sein! Und ausgerechnet Bartels, dieser Widerling, hatte sie darauf angesetzt!

„Schildern Sie bloß eindringlich die Gefahr, in die wir alle geraten, sollte die Regierung nicht zahlen. Die Menschen müssen gewarnt werden“, drängte van Cliff.

„So ist es, Henrik. Die Menschen haben ein Recht auf Informationen“, reihte sich Tanja unbewusst in die Riege Phrasen dreschender, sensationsgieriger Kollegen ein. Dass derartige Informationen auch Panik und Ängste schüren konnten, das interessierte sie im Moment nicht. Sie wollte ihre Story! Nur das alleine zählte.

„Gut so, meine Liebe. Ich wusste, dass Sie eine verantwortungsvolle Journalistin sind. Ich habe mich nicht in Ihnen getäuscht“, sagte van Cliff lächelnd.

Sie sah in sein zufriedenes Gesicht und fragte sich plötzlich, weshalb er eigentlich so selbstlos ihre journalistische Arbeit unterstützte. Was hatte er davon? Sie fragte ihn.

„So selbstlos, wie Sie meinen, ist meine Hilfe gar nicht“, erwiderte er. „Ich will mehr über diese Wasserkiller herausfinden, um sie bekämpfen zu können. Sollte mir das vor den anderen Wissenschaftlern gelingen benötige ich vielleicht die Unterstützung der Presse, um berechtigte Forderungen anzumelden. Und dabei könnten Sie mir dann helfen. Ist das ein reeller Deal?“

Tanja nickte. „Wir alle streben nach Erfolg und Anerkennung. Ich denke, das geht in Ordnung“, sagte sie.

„Telefon für die Presse“, unterbrach Karl sie grinsend. „Hans möchte Sie sprechen. Er ist ziemlich aufgeregt!“

„Hans?“, fragte van Cliff erstaunt. „Dieser Schmidt glaubt doch, das Geld hätte Hans und dessen Freunde mundtot gemacht.“

„Er ist sehr aufgeregt“, flüsterte Karl, als er Tanja den Hörer in die Hand drückte.

„Hallo, was gibt es?“

„Sind Sie die Journalistin?“

„Ja. Wo brennt´s denn?“

„Können Sie zu mir kommen? Mein Hausmädchen Sylvia hat ´ne Mordsstory für Sie. Sie will aber nur mit Ihnen verhandeln. Ich soll Ihnen sagen, sie will aber Bares für ihre Information.“

„Wofür, Hans? Ich brauche einen Anhaltspunkt. Was hat Sylvia mir denn zu bieten?“

Einen Moment blieb es still in der Leitung.

„Hans! Sind Sie noch da?“

„Natürlich bin ich noch da. Ich musste nur kurz nachdenken.“

„Also, was hat Ihr Hausmädchen mir zu bieten?“

„Sie weiß, wer meinen Forellenteich mit den Wanzen verseucht hat, aber sie will es nur Ihnen erzählen“, sagte Hans aufgeregt.

„Sie hat den Mann wirklich gesehen?! Ist das sicher?“, fragte Tanja skeptisch.

„Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Was ist? Wollen Sie die Story nun oder sollen wir sie einer anderen Zeitung anbieten?“

„Natürlich will ich! Über den Preis werden wir uns schon einig. Ich muss nur noch nach Hamburg in meine Redaktion, bin aber am Nachmittag wieder zurück. Ich komme dann sofort zu Ihnen, abgemacht?“

„In Ordnung. Ich richte es Sylvia aus. Dann bis heute Nachmittag“, sagte Hans und legte auf.

„Was wollte er?“, fragte van Cliff neugierig.

„Sein Hausmädchen Sylvia will den Mann gesehen haben, der den Forellenteich verseucht hat, sagt Hans. Ich fahr´ am Nachmittag zu ihr.“

„Sie hat was?!“

„Sie hat den Kerl mit den Wasserkillern gesehen und will mir die Story verkaufen.“

„Aber Tanja!“, rief van Cliff aufgeregt. „Dann kann sie Ihnen eine Beschreibung des mutmaßlichen Erpressers liefern. Ist Ihnen das eigentlich klar?“

„Und ob mir das klar ist. Ich fahre sofort nach Hamburg in meine Redaktion und mache alles für meinen Bericht klar. Sylvias Aussage und die Erpressung sichern mir die Titelseite.“

„Mein Gott! Sie haben es wirklich geschafft! Sie werden berühmt“, flüsterte van Cliff beeindruckt.

„Es scheint so. Bartels wird sich vor Wut und Neid in den Allerwertesten beißen, falls er dazu elastisch genug ist“, erwiderte Tanja grinsend. „Machen Sie´s gut, Henrik. Bis heute Abend“, verabschiedete sie sich und eilte davon.

WO IST SYLVIA?

Tanjas Besuch in der Redaktion war ein voller Erfolg. Ein erstaunlich kooperativer Bartels stimmte ihren Wünschen und Forderungen in vollem Umfang zu und erklärte sich bereit, die Titelseite der morgigen Ausgabe für sie freizuhalten.

Beschwingt machte sich Tanja auf den Rückweg nach Harsefeld, wo das Hausmädchen Sylvia mit hoffentlich weiteren Sensationen auf sie wartete.

Da sie es eilig hatte, wählte sie die Autobahn als Zubringer und fuhr in Rade auf die Bundesstraße 73. Kaum vierzig Minuten später erreichte sie das Anwesen von Hans Schmock und parkte ihren Wagen vor dem reetgedeckten Haus.

Er musste sie gehört haben, denn als sie ausstieg, trat Hans aus dem Haus. „Kommen Sie“, sagte er und steuerte auf einen Anbau zu, in dem sein Personal wohnte.

Sie betraten das Gebäude und stiegen eine massive Holztreppe zu einer Empore hinauf, von der etliche dunkelgrün lackierte Türen abgingen. Vor der letzten Tür blieben sie stehen. Hans klopfte. Doch niemand meldete sich.

„Sylvia?! Sylvia, mach auf. Die Journalistin aus Hamburg ist hier.“

Keine Antwort!

„Nun mach schon auf, Sylvia. Wir haben keine Lust, hier draußen rumzustehen“, verlangte Hans ungeduldig.

Doch hinter der dunkelgrünen Holztür rührte sich nichts.

„Wo ist das dumme Ding bloß? Sie wollte hier auf Sie warten, jedenfalls hat sie das gesagt“, schimpfte Hans.

„Vielleicht ist sie im Garten oder am Teich. Kommen Sie, wir suchen sie“, schlug Tanja vor. „Sie will doch Geld von mir, da wird sie sich bestimmt nicht weit entfernt haben.“

Sie stiegen die Treppe wieder hinab und traten ins helle Tageslicht hinaus. Und erstmals fiel Tanja die unnatürliche Stille auf. Kein Vogel sang. Kein Lüftchen regte sich. Es war so still, als hielte die Welt den Atem an. Tanja fröstelte trotz der Wärme.

Auch Hans fühlte sich nicht wohl „Wieso ist es so still?“, fragte er. „Selbst mein Bernhardiner Bosko lässt sich nicht sehen. Bosko?! Wo bist du, mein Kleiner? Komm zu Herrchen“, lockte Hans. Doch kein Bosko kam angelaufen. „Das verstehe ich nicht. Sonst kommt er, sobald ein Fremder das Grundstück betritt“, sagte Hans beunruhigt.

Während er sprach, hatten sie den Hof überquert und sich den Stallungen genähert. Eine breite Schleifspur erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie endete vor einem hohen Holzstapel. Zögernd gingen sie um das gestapelte Holz herum.

UND DA WAR BOSKO!

Irgendjemand hatte ihm die Kehle durchgeschnitten! Tanja schluckte und hielt mühsam die Tränen zurück. „Mein Gott! Bosko!“, flüsterte Hans und hockte sich neben seinen toten Hund. „Mein armer Junge, wer hat dir das nur angetan? Er war mein bester Freund“, schluchzte er und streichelte das dichte, weiche Fell.

Tanjas Gedanken summten wie ein Bienenschwarm hinter ihrer Stirn. Wer hatte den armen Hund getötet und warum? Und wo war Sylvia? Hatte Boskos Tod etwas mit dem Verschwinden der Frau zu tun? Musste er sterben, weil er die Frau beschützen wollte?

Aber wovor beschützen? Natürlich vor dem Mörder. Das war doch klar. Aber weshalb sollte jemand ein harmloses Hausmädchen töten wollen? Und plötzlich wusste sie es, wusste so genau was passiert war, als sei sie dabei gewesen.

Der Mörder hatte Sylvia aus dem Haus gelockt. Sie waren dem Bernhardiner begegnet der instinktiv die Gefahr erkannte und zu Hilfe eilte. Der Erpresser hatte ihn kaltblütig umgebracht. Das Opfer seiner grausigen Tat lag vor ihnen.

Und was war mit Sylvia geschehen?

„Hans, wir müssen nach Sylvia suchen“, drängte Tanja und rüttelte ihn an der Schulter. „Vielleicht hatte der Mörder es auf sie abgesehen und Bosko kam ihm dazwischen.“

Hans stand auf und sah sie an. „Sie glauben, ihr ist auch etwas zugestoßen?“

Tanja nickte. „Wohin könnte sie gegangen sein?“

„Dieser Weg führt zwar zum Forellenteich, aber was sollte sie dort wollen? Dort ist es nicht mehr besonders schön, nachdem, was dort mit meinen Forellen und dem Wasser geschieht.“

„Trotzdem sehen wir uns dort besser mal um“, sagte Tanja energisch. Niedergeschlagen trottete Hans ihr hinterher.

Wieso war sie sich eigentlich so sicher, dass dem Hausmädchen etwas zugestoßen war? Konnte sie nicht ebenso gut im Schatten eines Baumes sitzen und ein Buch lesen oder auch gar nichts tun? Einfach nur die Zeit vergessen und zufrieden die Schönheit des Augenblicks genießen?

Nein, sagte ihr eine innere Stimme. Sie ist tot oder befindet sich zumindest in großer Gefahr. Sie behielt den Weg und das dichte Gebüsch im Auge, das zu beiden Seiten wuchs. Und doch hätte sie fast das winzige Stückchen Stoff übersehen, das sich im dornigen Gestrüpp verfangen hatte, wäre Hans nicht bei ihr gewesen.

„Es ist ein Stück von Sylvias Bluse!“, rief Hans erschrocken. „Sie hat sie heute zum ersten Mal angehabt und war sehr stolz darauf, deshalb weiß ich das so genau.“