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Der Krumir ist eine Erzählung von Karl May. Auszug: Zwar war die Zeit erst neun Uhr vormittags, doch stachen die Strahlen der afrikanischen Sonne bereits mit intensiver Schärfe auf das vor uns liegende Thal hernieder. Wir beide waren allerdings gegen die Wärme recht gut geschützt. Zu unseren Häupten breitete ein riesiger Mastix, in dessen gefiederten Blättern ein leichter Nordwind säuselte, seine Aeste aus und badete seine Wurzelspitzen in dem kühlen Wasser eines Baches, welcher in eiligstem Laufe den Fluß zu erreichen suchte. Wir kamen aus der Provinz Konstantine, hatten gestern zwischen Dschebel Frima und Dschebel el Maalega die tunesische Grenze überschritten und waren dann quer durch das Wadi Melis gegangen. Zwischen den westlichen, steilen Abhängen des Dschebel Gwibub hatten wir unter Feigen und Granaten unser Nachtlager aufgeschlagen, waren dann heut in östlicher Richtung über die Höhen gegangen und hielten nun eine kurze Morgenrast.
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Seitenzahl: 246
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Zwar war die Zeit erst neun Uhr vormittags, doch stachen die Strahlen der afrikanischen Sonne bereits mit intensiver Schärfe auf das vor uns liegende Thal hernieder. Wir beide waren allerdings gegen die Wärme recht gut geschützt. Zu unseren Häupten breitete ein riesiger Mastix, in dessen gefiederten Blättern ein leichter Nordwind säuselte, seine Aeste aus und badete seine Wurzelspitzen in dem kühlen Wasser eines Baches, welcher in eiligstem Laufe den Fluß zu erreichen suchte.
Wir kamen aus der Provinz Konstantine, hatten gestern zwischen Dschebel Frima und Dschebel el Maalega die tunesische Grenze überschritten und waren dann quer durch das Wadi Melis gegangen. Zwischen den westlichen, steilen Abhängen des Dschebel Gwibub hatten wir unter Feigen und Granaten unser Nachtlager aufgeschlagen, waren dann heut in östlicher Richtung über die Höhen gegangen und hielten nun eine kurze Morgenrast.
Wir wollten bis zum Abend Seraïa bent erreichen und mußten zu diesem Zwecke das Wadi Mellel durchschneiden, welches mit seinen Cypressen, Johannisbrot- und Mandelbüschen vor uns lag.
»Wie weit ist es noch bis Kef?« fragte ich meinen Diener.
»Nach dem Maße der Franken können es fünfundzwanzig Kilometer sein, Sihdi,« antwortete er.
Er war lange Zeit in Algier gewesen, und daher war ihm das französische Maß geläufig.
»Und bis Seraïa bent?«
»Acht Kilometer in gerader Richtung. Wie ich gehört habe, sind dort die Uëlad Sebira auf der Weide. Herr, ich werde die Meinen wiedersehen, den Vater, die Mutter und –«
Er hielt inne.
»Und wen noch?« fragte ich.
»Sihdi, du hast mich nie gefragt, ob ich eine Bent el Amm habe. Ich weiß, warum du es nicht thatest, aber ich sage dir, daß die Bedawi es nicht für eine Sünde halten, von ihren Frauen zu sprechen und die Morgenröte ihres Angesichtes sehen zu lassen. Die Frauen und Töchter der Uëlad Sebira haben das Herz der Taube, aber nicht die Augen der Tänzerinnen; sie brauchen ihr Gesicht nicht zu verhüllen.«
»So giebt es also zwei Taubenaugen, deren Blick deine Seele erleuchtet?«
»Ich habe noch kein Weib; aber Scheik Ali en Nurabi hat eine Tochter. Sie heißt Mochallah, die Wohlriechende; ihre Füße sind wie die Füße der Gazelle; ihr Haar gleicht den Locken von Dscheheresade; ihre Augen sind wie die Sterne am Himmel; ihre Stimme ist lieblich wie der Gesang des Sandes um Mitternacht, und ihr Gang ist wie der Schritt einer Königin, die durch die Reihen ihrer Sklavinnen wandelt. Allah il Allah – es giebt nur einen Gott, aber es giebt auch nur eine Mochallah! Du wirst sie sehen, Sihdi, und deine Zunge wird mein Glück preisen, mein Glück, welches höher ist als der Himmel, tiefer als die Fluten des Meeres und weiter als die Wüste es Sahar und alle Länder der Erde.«
Er hatte sich erhoben. Sein Auge leuchtete, seine braunen Wangen verdunkelten sich, und seine Hände begleiteten die Rede mit lebhaften Gesten.
»Und Mochallah, die Wohlriechende, wird dein Weib sein?« erkundigte ich mich.
»Sie wird mein Weib sein. Sie ist die Sonne meiner Tage, der Traum meiner Nächte, der Preis meiner Thaten und das Ziel aller meiner Gedanken. Sihdi, ich war arm, aber um sie zu erringen, ging ich fort von den Zelten der Kinder es Sebira. Hamdulillah, Preis sei Gott, der meine Hand und meinen Fuß gesegnet hat! Ich habe mir viele Franken und Piaster verdient; am wohlthätigsten aber hat deine Gnade über mir geleuchtet, Effendi, und nun kann ich dem Scheik bezahlen, was er für seine Tochter von mir gefordert hat. Ich bin Achmed es Sallah und werde der Glücklichste der Sterblichen sein – insch' Allah, wenn es Gott gefällt!«
»Allah kerihm – Gott ist gnädig, doch die Schicksale des Menschen sind im Buche aufgezeichnet. Möge der Baum deines Lebens duften wie die Blume el Mochallah, die deine Seele bezaubert hat!«
»Effendi, der Baum meines Lebens wird sein wie der Baum des Paradieses, der ewig Blüten und Früchte trägt, und aus dessen Wurzeln tausend kühle Quellen strömen. Da drüben erhebt sich der lange Kamm des Dschebel hemormta wergra, bis an dessen Fuß die Herden meiner Brüder weiden. Laß uns aufbrechen, damit ich keinen Tropfen verliere von dem Meere der Seligkeit, dessen Fluten ich bereits rauschen höre!«
»Sollen wir die Pferde nicht noch länger ruhen lassen, Achmed?«
»Die Pferde, Sihdi? War dein Rapphengst nicht das beste Pferd unter den Arab el Hadeddihn zwischen den Flüssen Phrat und Tigris? Wird er nicht ›Rih‹ genannt, weil er schneller noch und unermüdlicher ist als der Sturm, der von den Bergen des Aures braust? Ist meine Fuchsstute nicht im Wadi Serrat geboren, welches berühmt ist wegen seiner Tiere, die niemals ermatten? Wir könnten heut' noch Kef erreichen, trotz der Berge und Flüsse, welche zwischen dort und hier zu finden sind.«
»Gut, so wollen wir aufsitzen!«
Er hatte recht. Was mein Pferd betrifft, so hätte ich es gegen kein Tier der Welt vertauscht, und das seinige war eines der besten, die ich jemals gesehen hatte. Auch er selbst war ein Mann, über den man sich nur freuen mußte. Von zwar nur mittlerer, aber kräftiger und herrlich ebenmäßiger Gestalt, sah er in seinem weißen Haik, mit dem wehenden Turbantuche und den messingbeschlagenen Waffen aus wie eine Gestalt aus den Zeiten Saladin des Großen. Dabei war er treu, ehrlich, wahr und offen, abgehärtet gegen alle Mühen und Entbehrungen und unerschrocken in jeder Gefahr, fast möchte ich sagen, verwegen. Ferner sprach er nicht nur alle landläufigen Dialekte, sondern er war auch, ehe er nach Algier ging, in Stambul gewesen und hatte sich dort zur Genüge auch mit dem Türkischen bekannt gemacht. Aus allen diesen Gründen war er mir bisher ein wertvoller Begleiter gewesen, den ich mehr als Freund denn als Diener zu behandeln pflegte, und so that es mir wirklich leid, ihn so bald verlieren zu müssen.
Wir ritten längs des Baches den kurzen Abhang vollends hinab und hielten dann unten im Thale grad auf den Fluß zu. Das Wasser des Wadi Mellel ist nicht breit; wir gelangten sehr leicht an das andere Ufer und damit in eine nicht sehr große, vollständig ebene Lichtung, welche rings von einem wilden Olivengebüsch eingefaßt wurde.
»Maschallah – Wunder Gottes, was ist das, Sihdi?« fragte da plötzlich Achmed, indem er nach links deutete.
Ich sah in der angedeuteten Richtung, also oberhalb unsers Standpunktes, ein Rudel Gazellen aus den Büschen brechen. Meine Jagdlust erwachte sofort.
»Sie kommen grad' auf uns zu, Achmed. Sie sind auf der Flucht!«
»So ist es, Sihdi. Siehst du den Fahad, der jetzt hinter ihnen aus dem Busche schnellt? Was thun wir?«
»Wir jagen mit und verlegen den Antilopen den Weg. Mein Pferd ist noch schneller als das deinige, halte dich hier am Flusse; ich werde nach rechts hinübergehen.«
»Aber, Sihdi, dürfen wir? Der Fahad gehört jedenfalls einem Scheik, oder gar dem Emir von Kasr el Bordsch!«
»Pah, wir thun dennoch mit. Vorwärts!«
Wie von der Sehne geschnellt, flog mein Pferd über die Ebene dahin. Die Gazellen mußten sich in größter Angst befinden, da sie uns nicht beachteten, trotzdem die Entfernung keine bedeutende war. Sie hatten zweimal gebogene, schwarze, leierförmige Hörner und waren oben hellbraun, unten weiß gezeichnet; Schwanz und Seitenstreifen zeigten eine dunkelbraune Farbe; wir hatten es also mit Antilope dorcas L. zu thun. Ich zählte vierzehn Stück, ließ also die Doppelbüchse auf dem Rücken und langte nach dem Henrystutzen, aus dem ich meine Kugeln abgeben konnte, ohne zwischen jedem Schusse zu laden. Dieses Gewehr hatte mir in Amerika, Australien und Asien große Dienste gethan und auch jetzt immer die Bewunderung meines wackern Achmed auf sich gezogen.
Jetzt hatte der Gepard die hinterste der Gazellen erreicht; mit einem weiten Sprunge warf er sich auf sie und riß sie nieder. Ich hielt mein Pferd an und zeigte demselben das Gewehr. Sofort stand das kluge Tier vollständig bewegungslos, wie aus Erz gegossen. Ich hätte eine halbe Stunde lang im Sattel bleiben und schießen können, ohne daß es auch nur einmal den Kopf gehoben hätte. Es hatte in seiner fernen Heimat die beste arabische Dressur erhalten. Eben krachte mein erster Schuß, als ich es auch aus dem Gewehre Achmeds aufblitzen sah. Zwei Tiere stürzten zu Boden. Zu gleicher Zeit wurde das Buschwerk von neuem durchbrochen, und ich bemerkte sechs Reiter, fünf in arabischer Tracht und der sechste in der goldstrotzenden Uniform eines hohen, tunesischen Offiziers. Auf seiner linken Faust sah ich einen Schahihn sitzen. Er stutzte einen Augenblick, als er uns sah, dann häubte er den Vogel ab und warf ihn empor. Sofort stieß der Falke auf eine der Gazellen, unglücklicherweise aber auf diejenige, die ich in ganz demselben Augenblick auf das Korn genommen hatte; es war zu spät, den Finger zurückzunehmen, denn ich war bereits im Abdrücken – beide Tiere wälzten sich am Boden. Ohne mich um sie zu kümmern, wandte ich mich den vorüberschießenden Gazellen nach und gab noch zwei Schüsse ab. Da aber hörte ich den Hufschlag eines Pferdes hinter mir, und eine Hand faßte meinen Arm.
»Chammar el kelb – Hund von einem Betrunkenen, wie darfst du wagen, hier zu jagen und meinen Schahihn zu erschießen!« donnerte es mich an.
Ich wandte mich um. Es war der Offizier. Seine Augen blitzten vor Zorn; die Spitzen seines Schnurrbartes zitterten heftig, und sein sonst wohl sehr gutmütiges Angesicht hatte sich dunkel gerötet. Ich war nicht gewillt, mir solche Reden bieten zu lassen, und schüttelte seine Hand von meinem Arme.
»Hawuahsch – laß mich in Ruh!« donnerte ich ebenso herzhaft zurück. »Sagst du noch ein einziges solches Wort, so schlage ich dich mit dieser meiner Faust vom Pferde!«
»Allah aienak – Gott helfe dir!« antwortete er, indem er nach dem Griffe seines Dschambijeh faßte. »Mensch, bist du verrückt? Weißt du, wer ich bin?«
»Der Besitzer eines ungeschickten Falken bist du, weiter nichts!«
»Dieser Kerl macht meinen Falken schlecht,« rief der Mann. »Allah istaffer – Gott mag es ihm vergeben! Wirst du gleich von deinem Pferde steigen und mir Abbitte thun!«
»Allah kerihm – Gott ist gnädig; er mag deine Gedanken lenken, damit du dich nicht lächerlich machst. Bist du vielleicht Mohammed es Sadak Bei, der Herrscher von Tunis, oder gar der Sultan von Stambul, daß du von mir verlangst, um Verzeihung zu bitten?«
»Ich bin weder der Sultan, noch der Bei von Tunis, den Allah segnen möge, aber ich bin sein Apha el harass, der Oberste seiner Leibgarde. Herunter vom Pferde, wenn du nicht die Bastonnade schmecken willst!«
Ich zog in höchster Ueberraschung mein Pferd etwas zurück.
»Allah akbar – Gott ist groß! Bist du wirklich der Bei el mamluk des Beherrschers von Tunis?«
»Ich sage es!« antwortete er stolz.
Welch ein Zusammentreffen! Dieser Mann also war ›Krüger-Bei‹, der originelle Anführer der tunesischen Leibscharen! Ich hatte oft, sehr oft von ihm sprechen gehört. Er war keineswegs ein Afrikaner, sondern er stammte als der Sohn eines Bierbrauers aus der ›Streusandbüchse des heiligen römischen Reiches deutscher Nation‹. Sein Kismet hatte ihn im Anfange der dreißiger Jahre nach Tunis verschlagen, wo er zum Islam übertrat. Dadurch erwarb er sich die Gnade des Propheten und aller heiligen Kalifen in der Weise, daß er von Stufe zu Stufe stieg und endlich gar die ehrenvolle Aufgabe erhielt, an der Spitze der Leibmameluken das teure Leben Mohammed es Sadak Paschas zu beschützen. Aber das verleugnete Vaterland schwur ihm Rache. Es sandte nicht etwa, wie Griechenland es vielleicht gethan hätte, drei Erynnien über ihn, sondern es ließ volle fünf unermüdliche Rachegötter über ihn herfallen, und deren Namen lauteten Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ und Syntax. Er hatte das Deutsche nie anders als im Brandenburger Dialekt sprechen können, drüben in Afrika kamen ihm die Regeln seiner Muttersprache nach und nach abhanden, und wenn er sich ihrer nun einmal bedienen wollte, so eilten sofort die genannten fünf Rächer herbei, um sich seiner zu bemächtigen und ihn in ihrem grammatischen Höllenfeuer schwitzen und schmoren zu lassen.
Hiervon sollte ich jetzt gleich ein Beispiel erleben. Wir hatten bisher arabisch gesprochen, nun aber machte ich meiner Ueberraschung in deutschen Worten Luft:
»Sapperlot, Herr Oberst, hätte ich das gewußt, so wäre unsere Unterhaltung etwas manierlicher ausgefallen – – !«
Er riß die Augen auf und öffnete den Mund sperrangelweit. Ich ahnte, daß jetzt Nominativ nebst Dativ und Konsorten in ihm zu rumoren beginnen würden.
»Maschallah, Dunderwetter! Du bist wohl – – – ach so, hätte ich mir doch bald versprochen! Ihnen sind wohl jar ein Deutscher?«
»Allerdings.«
»Allah, wallah, billah, tillah – heiliges Pech, dat is doch eigentlich janz und jar unmöglich!«
»Warum?«
»Deswegen – weil – – insofern – – na, Allah ist jroß, er führt die Seinigen und auch die Ihrigen oft wunderbar und herrlich hinaus. Wat wollen Sie denn hier im Tunis, he?«
»Nichts weiter, als alte Erinnerungen auffrischen und dabei Land und Leute eingehender kennen lernen, als es früher möglich war.«
»Alte Erinnerungen – Land und Leute –? Haben Sie denn früher schon 'mal hier jewesen?«
»Ja.«
»Wo?«
»Weiter im Süden, an den Schotts. Ich ging damals nach Tripolis, Barka und Aegypten.«
»Tripolis – Barka – Aegypten –? Wallahi, tallahi, Schock Batailljon, dat ist weiter als ein Spaziergang von Berlin nach Köpenik! Und wo sind ihnen nun heute hergekommen?«
»Ich komme über den Dschebel – – –«
Die Rede blieb mir auf der Zunge liegen. Mein Auge war auf das Angesicht eines Mannes gefallen, weicher abgestiegen war und sich mit dem toten Falken zu schaffen gemacht hatte. Jetzt wandte er sich zu uns und kam herbei. Wo hatte ich diesen ewig langen, zum Zerbrechen hagern Menschen nur schon gesehen? War dies wirklich Lord David Percy, der eigentümliche, originelle Sohn des Earl von Forfax? Auch er blieb stehen und blickte höchst erstaunt zu mir herauf.
»Good lack! Seid Ihr's, oder seid Ihr es nicht, old Rifleman?« fragte er.
»Lord Percy, ist's wahr!«
»Egad!« nickte er. »Welcorne amidst this tedious part of the world – willkommen mitten in diesem langweiligen Weltteile!«
Er reichte mir die Hand entgegen, die ich ihm herzlich drückte.
»Langweilig?« fragte ich. »Warum?«
»Hm! Kam herüber, um Löwen zu schießen, Tiger, Nashörner, Elefanten, Flußpferde. Habe noch nichts gesehen als Wüstenflöhe, Eidechsen und diese Ziegen da. Langweiliges Land, hm!«
»Ich finde es nicht langweilig.«
»Ja, Sir, mit Euch ist es anders. Ihr dürft nur hintappen, wo Ihr wollt, da giebt es Abenteuer; ich habe kein solches Glück. Well! Werde mich Euch wieder anschließen müssen, wie da drüben in old East-Indies.«
»Sollte mir recht und lieb sein, Sir. Aber wollt Ihr mich nicht diesem Gentleman vorstellen? Ich habe ihm meinen Namen noch nicht genannt.«
»Yes, soll geschehen!«
Er machte eine seiner kolossalen Armbewegungen und stellte mich dem Anführer der Leibgardisten vor. Dann fügte er hinzu:
»War ein guter Schuß, Sir. Könnt nicht dafür, daß Ihr diesen Vogel getroffen habt. Soll ein Falke sein, ist aber wohl nur ein Thistle-finch oder eine Goose gewesen. War schlecht geschult, hatte kein Geschick, nahm die Gazelle nicht oberhalb der Augen, sondern an der Kehle, mußte also von Eurer Kugel getroffen werden. Well!«
»Sie haben Ihnen einander bereits jekannt?« fragte Krüger-Bei.
»Ja. Wir haben miteinander ein gutes Teil von Indien durchstrichen,« antwortete ich ihm.
»Maschallah, hole mir der Jukuk, dat ist zum Erstaunen! Haben sich im Indien jekannt und thun sich hier im Tunis wieder treffen! Ich bin ein juter Moslemit, aber dat ist mich schon mehr als Kismet; dat ist ein Zufall, der mich zu denken jiebt. Schade, daß Ihnen Ihr Freund jar nicht deutsch und nur janz wenig arabisch reden kann; et ist da janz unmöglich, ihm mit sich zu unterhalten.«
»Wo sind Sie mit ihm zusammengetroffen?«
»Er hat sich mir im Tunis vorstellen lassen und ist dann mit mich nach el Bordsch jegangen, was iar nicht weit von hinnen liegt. Ich mußte mit den Achordar, hin, um Pferde einzuhandeln. Heut' wollten wir jagen, und das Nützliche mit das Anjenehme zu befriedigen, werden wir jetzt noch hinüber nach Seraïa bent reiten, was auch zuweilen Mosole jenannt zu heißen wird.«
»Nach Seraïa bent?« fragte ich erfreut.
»Ja, der Scheik Ali en Nurabi lagert dort, der einige prächtige Pferde haben soll, die er mir zeigen muß.«
»Das trifft sich gut, denn auch ich will nach Mosole.«
»Prächtig! Wir reiten zusammen. Aber wie steht es mit die Jasellen, he?«
»Die gehören natürlich Ihnen. Wegen des Schahihn aber dürfen Sie mir nicht zürnen. Er war schlecht dressiert und stieß im unrechten Augenblicke. Hätte er das Wild an der richtigen Stelle genommen, so wäre ihm kein Leid geschehen.«
»Schadet nichts. In Ejypten werden mehr jefangen. Der Bei bekommt von dem Vizekönig öfters welche jeschickt. Aber die Jasellen, welche Ihnen Ihr Jewehr jetroffen hat, die jehören Sie, das thue ich nicht anders. Sehen Sie, da kommen noch zwei Saisz von mich, die haben jeder einen Falken und eine Jaselle aufjeladen, die von mich bereits erlegt zu werden jeworden sind. Ich habe also Fleisch jenug.«
»Gut, so danke ich herzlich und werde mit den Tieren dem Scheik Ali en Nurabi ein Geschenk machen.«
»Richtig! Janz praktisch! Was mir betrifft, so werde ich die Leute zurückschicken, welche mich überflüssig sind.«
Der Gepard war unterdessen wieder mit der Kappe versehen worden. Einer der Männer nahm ihn hinter sich auf das Pferd und kehrte mit den Reitknechten nach el Bordsch zurück. Von den andern Begleitern des Obersten der Leibwache wurde die mir überlassene Jagdbeute aufgeladen, und dann wandten wir uns der im Osten aufsteigenden Thalwand zu. Sie war nicht sehr schroff und hoch und ließ sich leicht ersteigen, da eine Art von Weg hinauf zur Höhe führte.
Oben fanden wir eine kleine, baumlose Ebene, hinter welcher das Terrain sich abermals erhob. Dort gab es wieder Busch und Wald, und da jetzt die Sonne im Zenithe stand, so wurde beschlossen, eine kurze Rast zu machen.
Die Unterhaltung, welche seit unserm Aufbruch etwas ins Stocken geraten war, wurde jetzt wieder lebhaft. Lord Percy war schweigsamer Natur, aber Krüger-Bei wollte viel und alles wissen.
Ich mußte ihm von der Heimat erzählen, von meinen Reisen, von allem möglichen, und als wir wieder aufbrachen, klopfte er mir auf die Schulter und meinte:
»So wohl wie jetzt ist mich's selten jewesen, bei Allah, hole mir der Jukuk! Ich sage Sie, daß ich Ihnen nicht sogleich wieder von mich lasse. Deutsch bleibt Deutsch, dem Propheten und dem Kuran jar nicht mitjerechnet. Nehme es Ihnen nicht übel, aber ich sage Sie, es wäre sehr jut für Ihnen, im Tunis zu bleiben. Zwar so hoch wie mir avanciert es nicht gleich einen jeden, aber ein Mann von die Ihrigen Fähigkeiten wird es nicht schwer finden, es zu einer guten Stellung jebracht zu haben jeworden sein. Jeben Sie mich die Hand! Es kostet mich ein Wort, aus Sie etwas Besseres zu machen, als Ihnen da drüben in Deutschland jemals werden zu können vermögen.«
»Besten Dank, Herr Oberst! Ich werde mir Ihre freundliche Offerte sehr angelegentlich überlegen.«
»Recht so! Der Mensch soll sein Glück niemals nicht mit die Füße betreten. Ich jebe mich die Ehre, Ihnen bereits als Staatsbürger vom Tunis zu betrachten. Von Mohammed und seine Kalifen können wir später einmal zu sprechen die Zeit jefunden haben dürfen. Trotzdem aber werde ich Ihnen nicht zum Islam verleiten, denn ein Christ kann es deretwegen dennoch zu etwas bringen, wenn er nur glaubt, daß der Prophet und die Kalifen wirklich auf der Welt jewesen sind. – Aber jetzt möchte ich wissen, wohin wir reiten müssen, nach rechtsum oder nach linksdrum!«
»Mein Diener kennt die Gegend genau.«
»War er bereits hier jewesen?«
»Er gehört zu den Uëlad, Sebira, zu denen wir wollen.« »Rufen Sie ihm herbei! Ist er ein braver Kerl?«
»Ich betrachte ihn mehr als Freund, denn als Untergebenen.«
»So erlaube ich Sie, ihm mich vorzustellen!«
Ich winkte Achmed herbei. Krüger-Bei betrachtete ihn mit angelegentlicher Gönnermiene und fragte ihn, natürlich arabisch.
»Dein Name ist Achmed?« Der Gefragte machte eine stolze Handbewegung und antwortete:
»Ich heiße Achmed es Sallah Ibn Mohammed er Raham Ben Schafei el Farabi Abu Muwajid Khulani.«
Der freie Araber ist stolz auf seine Ahnen und unterläßt es zur geeigneten Zeit sicherlich nicht, sie wenigstens bis zum Großvater aufzuzählen. Je länger der Name, desto größer die Ehre; ein kurzer wird fast zur Schande gerechnet.
»Schön!« nickte der Bei der Mameluken. »Dein Name ist gut, und dein Herr hat dich gelobt; ich werde – –«
»Mein Herr?« fiel ihm Achmed mit blitzenden Augen in die Rede. »Du selbst ' magst einen Gebieter haben; ich aber bin ein freier Sohn der Beni Rakba vom Ferkah Uëlad Sebira. Ich habe keinen Herrn; aber ich liebe diesen Sihdi, weil er nicht nur klüger und tapferer sondern auch gütiger ist als alle andern, die ich kenne. Was wünschest du von mir, Effendi?«
»Wie kommen wir zu der Uëlad Sebira; hier rechts oder links?«
»Reite rechts. Sobald du das Thal überblicken kannst, wirst du ihre Zelte sehen.«
Er kehrte, während wir seiner Weisung folgten, zu den andern zurück. Krüger-Bei hatte die kleine Zurechtweisung ruhig hingenommen.
»Stolze Kerls, diese Beduinen,« meinte er. »Kein anderer Fürst hat solche Unterthanen!«
»Unterthanen?« fragte ich lächelnd. »Gehorchen sie wirklich Mohammed es Sadak Paschah?«
Der Gefragte zog eine höchst diplomatische Miene.
»Natürlich betrachten sie ihm als ihren Herrscher; dat versteht sich janz von selber. Oder jiebt es vielleicht einem andern, dessen Herrschaft sie ihnen jefallen zu lassen jeneigt zu sein pflegen werden?«
»Ich wüßte allerdings keinen.«
»Na, also! Mohammed es Sadak Bei regiert weder mit Ruten noch mit Skorpionen, wie jener König Rehabraham oder Jerobraham vom Israhel, wie der Kuran erzählt. Oder steht das vielleicht in die Bibel? Er ist klug und läßt es denen Beduinen jar nicht ahnen, daß sie seine Unterthanen zu sein sich zu rühmen haben müssen.«
»Aber wenn sie im Bardo, wo er alle Sonnabende Gericht zu halten pflegt, die Bastonnade oder gar den Strick erhalten, dann merken sie es; nicht?«
»Mahlesch – das thut nichts! Die Bastonnade und der Galgen stehen auch in dem Buche des Lebens jeschrieben, und niemand, dem sie bestimmt sind, kann ihnen entjehen. Wer nicht mag hören wollen, der wird und muß fühlen sollen; dat ist eine alte Wahrheit; verstanden?«
»Wie steht es denn da mit der Bastonnade, die auch ich vorhin bekommen sollte?«
»Die ist abjemacht und verjährt. Allah kehrim, Allah ist barmherzig, und auch mein Jemüt liebt die Gnade. Wir sind Freunde und werden einander also nicht die Füße zu versohlen brauchen notwendig haben. Aber – da unten stehen Zelte. Mich scheint, wir sind nun bald am das Ziel zu kommen anjelangt.«
Auch der Engländer, welcher wortlos neben uns geritten war, hatte bereits die weißen Zelte bemerkt, welche zerstreut auf der Ebene lagen.
»Sind dies die Uëlad Sebira, Sir?« fragte er mich.
»Wenigstens eine Abteilung von ihnen. Sie gehören zu dem großen Stamm der Rakba, welcher unter Umständen weit über zehntausend Krieger zu stellen vermag.«
»Tapfere Kerls?«
»Ja, wie man hört.«
»Räuber?«
»Hm! Der Beduine ist an allen Orten und zu allen Zeiten mehr oder weniger das, was man einen Räuber nennt.«
»Well! So wird es wohl ein Abenteuer geben?«
»Das müßten wir abwarten.«
»Will eins haben; verstanden, Sir? Mit Euch erlebt man andere Dinge als mit diesem Kolonel der Leibwache, mit dem man nicht einmal reden kann. Ich gehe nicht wieder von Euch fort.«
»Ihr seid mir willkommen.«
»Welche Route habt Ihr vor, Sir?«
»Ich will über Kef nach der Ebene der berühmten Uëlad Ayar und von da über die Berge von Melbila und Margela nach den großen Duars von Feriana, um dann nach Gafsa, Seddada, Toser und Nefta am Schott el Dscherid zu gehen. Auf dem Schott mußte ich vor Jahren beinahe einmal mein Leben lassen, und ich möchte mir die Stelle gern noch einmal betrachten.«
»Zounds! Ein Abenteuer? Erzählt es!«
»Jetzt ist keine Zeit dazu. Seht, man hat uns bereits bemerkt und kommt uns entgegen.«
Zwischen den Zelten weideten zahlreiche Schafe, Pferde und Kamele; vor jeder der weißen Sommerwohnungen aber war eine Lanze in den Boden gestoßen, an welcher das Leibpferd des Besitzers gebunden war. Bei unserem Erscheinen wurden die Lanzen herausgezogen und die Pferde bestiegen. Es bildete sich ein Trupp von gegen achtzig Kriegern, der uns entgegengesprengt kam. Die Männer stießen ein lautes, herausforderndes Geschrei aus, schwangen die Lanzen und schossen ihre langen Flinten ab. Sir David Percy griff nach seiner Büchse und lockerte auch die Pistolen.
»Thunder-storm! Sie verhalten sich feindlich. Endlich einmal ein Kampf, ein Abenteuer!«
»Freut Euch nicht zu früh! Sie sehen j a, daß wir nur sieben Personen sind und also keine unfreundlichen Absichten haben können. Sie werden uns nach arabischer Sitte mit einer kriegerischen Fantasia empfangen; von Kampf aber ist keine Rede.«
»Dull, extremely dull – dumm, außerordentlich dumm!« brummte er.
Ich wandte mich an Krüger-Bei:
»Sind Sie sicher, in Ihrer Uniform hier gastlich aufgenommen zu werden?«
»Ja. Die Rakba sind unsere Freunde. Sie haben die Karawanenstraße zu bewachen, welche vom Tunis über Testur, Nebör und Kef nach Konstantine jeht, und bekommen dafür Jeschenke. Wir haben von sie nichts zu befürchten. Dieser Scheik Ali en Nurabi kennt mir übrigens sehr gut, denn er war schon einmal bei mich im Tunis gewesen. Er wird sich freuen, mir jesund wiedersehen jedurft zu haben; darauf können Sie Ihnen verlassen. Und wenn ich Sie ihn als Landsmann vorstelle, so wird er geneigt sein, davon sehr angenehm berührt werden zu können. Dort kommt er an die Spitze von seine Eskadron. Er hat mir bereits erkannt. Bitte, wir wollen in Galopp auf ihm anrennen, denn dat ist diejenige arabische Sitte, welche bei dem Arabern jebräuchlich zu sein jenannt zu werden verdienen muß!«
Wir flogen einander in gestreckter Karriere entgegen, wobei von beiden Seiten durch Schießen und Schreien ein bedeutender Lärm verursacht wurde. Es hatte den Anschein, als ob wir zusammenrennen würden, aber gerade im letzten Moment vor dem Zusammenpralle warf ein jeder sein Pferd herum und ließ das Spiel von neuem beginnen. Zwar nimmt sich dies ganz prächtig aus, aber die Pferde werden dabei ganz außerordentlich in den Häksen angegriffen, und es ist nichts Seltenes, daß ein Tier daran zu Grunde geht. Wir jagten im Scheingefechte durch das von Frauen, Greisen und Kindern belebte Lager und sprangen endlich vor einem Zelte ab, dessen Größe und Ausschmückung uns erraten ließ, daß es dem Scheik gehöre. Die Männer bildeten einen Halbkreis um uns. Bis jetzt war kein Wort der Begrüßung gefallen, jetzt aber trat Ali en Nurabi auf den Anführer der Leibmameluken zu und reichte ihm die Hand.
»Die Wüste freut sich des Regens und der Ibn es Sahar seines Freundes. Marhaba – du sollst willkommen sein. Tritt ein in das Zelt deines Bruders und siehe, wie lieb er dich hat!«
Der Scheik war ein echter, dünn bebarteter Beduine in den reifen Mannesjahren. Er hatte das Hamaïl am Halse hängen und war also in Mekka und Medina gewesen. Krüger-Bei benahm sich außerordentlich würdevoll:
»Der Mond erhält sein Licht von der Sonne, und ich habe keine Freude ohne den Freund meiner Seele. Dein Name ist groß auf den Bergen und deine Stute berühmt in den Thälern; dein Vater war der tapferste der Helden und der Vater deines Vaters der weiseste der Weisen. Mögen deine Söhne stark sein wie Chalid und die Söhne deiner Söhne tapfer wie der Hengst, der seine Frauen und Kinder verteidigt! Ich bringe dir hier zwei Männer aus dem Abendlande. Sie sind große Emirs bei den ihrigen und kommen zu dir, um deine Macht und Freundlichkeit rühmen zu können in den Ländern, wo die Sonne untergeht.«
Wie schade, daß dieser Krüger-Bei das Deutsche nicht ebenso gewandt zu gebrauchen wußte wie das Arabische!
»Du sollst mein Rafik sein, und du mein Aschab,« meinte der Scheik, indem er erst dem Engländer und dann auch mir die Hand reichte. »Ihr seid in meinem Zelte so sicher, als ob Dsu'l Fekar, der Säbel des Propheten, euch beschütze. Tretet ein, und eßt das Brot mit mir!«
Wir traten in das Zelt. Die Begleiter Krüger-Beis blieben draußen, mein Diener Achmed mit ihnen. Er hatte nicht ein Wort, nicht einen Wink der Begrüßung von dem Scheik erhalten. Lag dies daran, daß dieser zunächst seine Gäste zu beehren hatte? Oder hatte es vielleicht andere, Achmed nicht freundliche Gründe?
Im Hintergrunde des Zeltes war ein ungefähr sechs Zoll hohes, hölzernes und mit Matten belegtes Gestell errichtet, das sogenannte Serir, auf welchem wir Platz nahmen. Eine besondere Frauenabteilung gab es augenscheinlich nicht. Die weiblichen Familienglieder des Scheik waren jedenfalls in dem kleineren Zelte, welches neben dem großen lag, untergebracht. Von der Decke hing an einer grünseidenen Schnur ein Glasgefäß herab, welches der Scheik nahm, um es uns entgegenzureichen. Es enthielt Salz, klargestoßenes Natron aus den Salzseen des Südens; dabei lag ein kleiner Porzellanlöffel. Beides, Glasschale und Porzellanlöffel, war hier ein Luxus, auf den der Scheik nicht wenig stolz zu sein schien. Wir genossen jeder einige Körner; Ali en Nurabi that dasselbe und sagte dann feierlich: »Nanu malahin – wir haben Salz miteinander gegessen. Wir sind Brüder, und keine Feindschaft vermag uns zu trennen.«
Hierauf nahm er drei Tabakspfeifen von der Zeltwand, stopfte sie mit eignet Hand, reichte sie uns und gab uns Feuer. Dann entfernte er sich auf kurze Zeit. Als er wieder zurückkehrte, folgte ihm eine ältere Frau und ein junges Mädchen. Die erstere trug ein neun Zoll hohes Senïeh in den Händen, welches sie vor uns niedersetzte. Die letztere war eine vollkommene Schönheit zu nennen. Sie trug das tiefschwarze Haar in langen, dicken Flechten, in welche Silberschnüre eingewoben waren; um den vollen, hellbraunen Hals legte sich eine Korallenkette, an welcher eine goldene Schaumünze hing; sie trug einen schneeweißen Saub, welcher an der Brust ausgeschnitten war, so daß man das rotseidene Sudameirijeh sehen konnte, welches den vollen Busen trug, ohne ihn zu drücken. Dieses Hemde hatte sehr weite geschlitzte Aermel, so daß man den Arm bis zur Gegend des Ellbogens sehen konnte, und reichte bis über das Knie auf die weiß und rot gestreifen Sarwal herunter. Die nackten Füßchen staken in blauen Pantoffeln, und an den Hand- und Fußgelenken glänzten blanke metallene Ringe, an denen je ein Mariatheresienthaler und ein goldenes Fünfpiasterstück befestigt war.
Sie trug einen aus starker Palmfaser geflochtenen, umfangreichen und präsentiertellerartigen Deckel in den Händen, welcher mit allerlei Vorgerichten belegt war, welche die beiden Frauen auf dem Senïeh ordneten.
Da gab es Fubir, knusprige Kebab, kleine Schalen mit Dibs, ein Salabah von Gurken, Granaten, Wassermelonen und verschiedene Sorten von Datteln, von denen mir besonders die Sorte el Schelebi auffiel. Sie ist zwei Zoll lang, kleinkernig und von dem herrlichsten Geruche und Geschmacke. Da sie aus Medina kommt, so ist sie teuer und es war also anzunehmen, daß der Scheik ein wohlhabender Mann sei.
Die Frauen sprachen kein Wort. Als sie sich wieder entfernt hatten, deutete der Scheik auf die Speisen:
»Tefattelan – wenn es Euch gefällig ist. Nehmt von dem wenigen, bis das Lamm geschlachtet und zubereitet ist!«
»EI Hamdulillah!« klang es aus unserem Munde, indem wir zulangten, und ich fügte hinzu: »Dein Herz ist gütig, und deine Hände sind offen für deine Gäste, o Scheik. Nimm auch du eine kleine Gabe, die wir für dich bestimmten. Wir haben el kassahl, die Gazelle, gejagt und mehrere ihrer Schwestern erlegt. Sie liegen vor deinem Zelte und sind dein Eigentum.«
»Rabbena chalïek ïa Sihdi – Gott erhalte dich, o Sihdi!« antwortete er. »Du kommst aus dem fernen Belad er Rurni, aber du kennst trotzdem die Gebote des Kuran, welcher sagt, daß Allah jede Gabe zehnfach vergilt. Ich nehme die Gazellen, und ihr sollt sie mit uns verspeisen.«
Krüger-Bei erkundigte sich:
»Ich habe gesehen Bent es Sebira, die schönste Tochter deines Stammes, aber deine beiden tapferen Söhne sah ich nicht. Warum kamen sie nicht, mir ihr Angesicht zu zeigen?«
»Sie sind hinüber nach el Hamsa. Meine Kundschafter erfuhren, daß die Söhne der Uëlad Hamema gekommen sind, die Kafila zu überfallen, welche wir von Testur her erwarten. Darum sandte ich eine Anzahl junger Krieger aus, um zu erfahren, wo die Feinde sich befinden.«
»Die Beni Hamema? Kommen diese Räuber so weit nach Norden herauf?«
»Sie sind überall zu sehen, wo ein Fang zu machen ist. Ihr Scheik ist der Sohn des Teufels. Seine Hände triefen von Blut; er schont sogar weder Weib noch Kind; aaïb aaleïhu – Schande über ihn!«
»Mohammed es Sadak Bei wird ihn zu finden wissen!«
»Meinst du? Es wird ihn niemand fangen. Sein Stamm hat viele Flinten, und der schlimmste aller Räuber ist sein Genosse.«
»Wen meinest du?«
»Hast du noch nicht von Saadis el Chabir gehört?«