Der Lustmörder - Horst Bosetzky - E-Book

Der Lustmörder E-Book

Horst Bosetzky

3,9

Beschreibung

Nach einem realen Fall: Kappe und eine Mordserie im Niederbarnim Januar 1920: Am Tegeler Fließ ist ein grausiger Mord geschehen. Ein Paar wurde überfallen und getötet, die Frau zuvor vergewaltigt. Es ist bereits die vierte Tat dieser Art – seit über zwei Jahren treibt ein Serienmörder sein Unwesen im nördlichen Umland Berlins. Grund genug für den Landkreis Niederbarnim, Verstärkung anzufordern: Kommissar Hermann Kappe und sein Kollege Galgenberg werden für die Lösung der Mordfälle hinzugezogen. Doch die Ermittlungen werden durch den Kapp-Putsch behindert, der Berlin für vier Tage in den Ausnahmezustand versetzt. Dann geschieht ein weiterer Doppelmord, und die Zeit wird knapp …

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Horst Bosetzky

Der Lustmörder

Kappes sechster Fall

Kriminalroman

Horst Bosetzky alias -ky lebt in Berlin und gilt als «Denkmal der deutschen Kriminalliteratur». Mit einer mehrteiligen Familiensaga sowie zeitgeschichtlichen Spannungsromanen avancierte er zu einem der erfolgreichsten Autoren der Gegenwart. Zuletzt erschienen im Jaron Verlag von ihm die biographischen Romane «Kempinski erobert Berlin» (2010) und «Der König vom Feuerland. August Borsigs Aufstieg in Berlin» (2011) sowie die ersten Bände seiner Romanserie «Wie Berlin und Brandenburg wurden, was sie sind: Unglaubliche Geschichten aus dem Mittelalter» (ab 2011). Zu der Krimireihe «Es geschah in Berlin» trug er bereits mehrere Bände bei, zuletzt «Unterm Fallbeil» (2012).

Originalausgabe

2. Auflage 2012

© 2008 Jaron Verlag GmbH, Berlin

1.digitale Auflage 2013 Zeilenwert GmbH

Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

www.jaron-verlag.de

Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin

Satz: LVD GmbH, Berlin

ISBN 9783955520052

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelseite

Impressum

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

NACHWORT

Es geschah in Berlin …

EINS

«PASS GUT AUF DICH AUF», sagte Erna Priepert zu ihrem Mann, als der sich aufmachte, mit ihrem Hund die abendliche Runde zu drehen.

«Wer soll mir schon was tun?» Erich Priepert war kräftig gebaut und keineswegs ein Feigling. «Im Gegenteil, das Kroppzeug soll nur aufpassen, dass ich ihm nichts tue!»

Vor einiger Zeit war in seinen Kolonialwarenladen in Tegel eingebrochen worden, und er hatte einen der Diebe so verprügelt, dass der ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Der andere allerdings war ihm entkommen.

«Rüpel, los, ab die Post!» Priepert nahm seinen Dackel an die Leine. «Und wenn mich einer anfällt, dann beißt du ihm ein Bein ab.»

«Und stolpere nicht wieder über die Äste, Erich!»

«Nein, Erna, ich kenne hier jeden Zentimeter.»

«Trotzdem, du weißt ja.»

Am 12. Januar 1920 hatten in Berlin orkanartige Stürme gewütet und an vielen Stellen erhebliche Schäden verursacht. Strom- und Telefonleitungen waren von den Masten gerissen und Bäume entwurzelt worden. Abgerissene Äste blockierten die Wege. Auch zwei Tage später waren die Aufräumarbeiten noch nicht abgeschlossen, denn Berlin war von einer gewaltigen Grippewelle erfasst worden, und überall fehlten die Arbeitskräfte.

Priepert liebte seine abendlichen Spaziergänge. Darauf freute er sich schon seit dem Mittag. Wenn man den ganzen Tag im Laden stehen musste, war Bewegung das A und O, wollte man nicht vorzeitig auf dem Friedhof landen. Ach, wer den Krieg überlebt hatte, der hatte Glück. Doch noch schien nicht alles vorbei zu sein, überall rumorte es. Gestern bei der Demonstration vor dem Reichstagsgebäude wegen der Änderungen im Betriebsrätegesetz hatte die Reichstagswache in die Menge geschossen, 42 Menschen getötet und über 100 verletzt. Schrecklich. Andererseits hatte Berlin auch wieder seinen Opernball gefeiert. Das ließ auf bessere Zeiten hoffen. Ohne Lebensmittelkarten und mit Kunden, die wieder Geld in den Taschen hatten. Erich Priepert überlegte allerdings, ob er nicht ein neues Schild über seinem Laden brauchte. Das Wort «Kolonialwaren» erschien ihm absurd, da Deutschland nun keine Kolonien mehr hatte. Kamerun, Togo, Deutsch-Südwestafrika und Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Neuguinea, Samoa - alles war den Bach runter. Schade.

Das und vieles andere ging Priepert durch den Kopf, als er mit Rüpel die Forststraße entlangging, den südlichsten Ausläufer Hermsdorfs. Links von ihm lag das Fließtal im silbernen Licht des Mondes, dort schlängelte sich das Tegeler Fließ - mal sich zu einem kleinen See erweiternd, mal nur ein etwas breiterer Bach - von Lübars kommend durch Waidmannslust hindurch und an Hermsdorf vorbei nach Tegel.

Über ein Straßenstück, das den Namen Schöne Aussicht trug, erreichte Priepert die Bismarckstraße, die später den Namen Hermsdorfer Damm tragen sollte. Drüben ging ein Soldat. Mit schnellen Schritten strebte er in Richtung Tegel. Hoffentlich ging das nicht schon wieder los mit dem Bürgerkrieg. Es wurde ja so manches gemunkelt. Dass viele Soldaten es nicht hinnehmen wollten, nutzlos zu sein.

Priepert überlegte kurz, welchen Weg er nun einschlagen sollte. Zum Fließ hinunter? Nein, da war es zu morastig. Links gegenüber in den Wald hinein? Nein, da war es zu dunkel, und man stolperte andauernd über Wurzeln und Äste. Geradeaus über die Straße hinweg und in die kleine Siedlung hinein, die sich zwischen der Bismarckstraße und der Revierförsterei gebildet hatte? Da war es nicht gerade spannend. Also nach Hause zurück? Doch am nicht eben warmen Ofen zu sitzen, hatte er noch keine rechte Lust.

Er überlegte noch, als plötzlich auf der anderen Straßenseite etwas Dunkles aus dem Unterholz brach. Im ersten Augenblick hielt er es für einen Hirsch, dann sah er, dass es sich um einen Menschen handelte. Der Hund begann zu kläffen und riss wie wild an der Leine.

«Hilfe!», schrie der Mann. «Hilfe, ich kann nicht mehr …» Priepert sah ihn zusammenbrechen und lief, vom Hund gezogen, über die Fahrbahn.

Der Mann war schwer verletzt, Gesicht und Hände waren blutüberströmt. Das konnte Priepert sogar im matten Licht der Gaslaterne erkennen. Er beugte sich hinunter.

«Was ist denn passiert?»

«Ich bin überfallen worden, als ich …» Der Mann röchelte, konnte nicht mehr.

«Als Sie was?»

«Da hat einer ein Liebespaar überfallen, und als ich zu Hilfe kommen wollte, da hat er mich … Polizei!»

Damit verlor der Mann das Bewusstsein. Priepert war sich sicher, dass er gestorben wäre, bevor ein Arzt zur Stelle sein könnte. Die Polizei musste herbeigerufen werden. Er hetzte zum ersten Haus an der Forststraße und klingelte Sturm.

ZWEI

GESCHIEHT EIN MORD im tiefsten Frieden, so sind die Bürger ungemein erschrocken und reagieren mit Abscheu und Empörung, wird aber einer von ihnen mitten im Krieg ermordet, zudem noch im bis dahin blutigsten seit Menschengedenken, dann sind sie zu erschöpft, um sich darum zu kümmern. Auch sind in Behörden, die als nicht kriegswichtig gelten, die Bureaus nur dünn besetzt, weil die Männer in den Schützengräben hocken. So kam es, dass die Liebespaarmorde im Berliner Norden von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurden. Bis zum Januar 1920 waren es immerhin vier Taten, die zu Protokoll genommen werden mussten. Der modus operandi war immer derselbe, so dass auf ein und denselben Täter geschlossen werden konnte: Erst beobachtete er ein Liebespaar, das gerade zur Sache kommen wollte, dann erschoss er den Mann, verging sich an der Frau und tötete schließlich auch diese.

Im Mai 1917 wurde im Tegeler Forst, Nähe Schulzendorf, genauer gesagt am Fuße des Bahndamms auf Höhe des Apolloberges, ein Liebespaar ermordet.

Im Juni 1918 gab es die zweite Tat, und zwar im Wald bei Hermsdorf, in der Nähe der Kneippstraße.

Im August 1919 registrierte man die dritte Tat, diesmal traf es ein Paar im Wald bei Heiligensee, das sich im Gebüsch hinter dem Elchdamm scheinbar unbeobachtet gewähnt hatte.

Im Oktober 1919 schlug der Lustmörder, wie man ihn nun schon nannte, zum vierten Mal zu, diesmal am Hermsdorfer See bei Waidmannslust, Nähe Tonstichweg.

Man hatte in diesen Zeiten anderes zu tun, als die Bevölkerung zu warnen, und wo die Leute wirklich von den Mordtaten gehört hatten, war der Trieb stärker als die Angst, zum nächsten Opfer zu werden. Die Wohnverhältnisse waren so schlecht, und man hockte so dicht aufeinander, dass einem oft nichts weiter übrigblieb, als es im Walde und auf der Heide miteinander zu treiben.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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