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Zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und 1990 erlebte der West-Berliner seine Teilstadt als etwas ganz Unvergleichliches – bewohnt von wahren Helden, die ihr Überlegenheitsgefühl gegenüber den bedauernswerten Ossis und den provinziellen Westdeutschen genüsslich kultivierten. Ernst Reuter oder Harald Juhnke, Kudamm oder schwangere Auster, Doppeldecker-Bus oder Grüne Woche – vieles gab dem West-Berliner das Gefühl, dass seine ummauerte Insel dem Rest der Welt überlegen sei: „Ätsch, det habt ihr nich!“ Charmant und selbstironisch erinnert der einstige West-Berliner Horst Bosetzky an den „interessantesten Ort des Universums“.
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Seitenzahl: 183
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Horst Bosetzky
West-Berlin
Erinnerungen eines Inselkindes
Jaron Verlag
Abbildungen
Günter Schneider, Berlin: S. 9, 105, 128, 146, 197
Landesarchiv Berlin: S. 33, 75; S. 96, 101 (Fritz Eschen);
S. 177 (Edmund Kasperski); S. 48, 59, 62 (Horst Siegmann)
Taschenbuchausgabe
2. Auflage 2017
© 2006, 2013 Jaron Verlag GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
www.jaron-verlag.de
Umschlaggestaltung: Bauer+Möhring, Berlin, unter Verwendung eines Fotos des Landesarchivs Berlin/Karl-Heinz Schubert
(Kurfürstendamm 1966)
Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
ISBN 978-3-95552-224-7
Cover
Titel
Impressum
Vorwort 2013
Der West-Berliner als der große Gewinner
Am Anfang war das Ende – Die Entstehung des West-Berliners
Dem Osten trotzen (I): Die Blockade
Frontstadthelden mit Charisma
Dem Osten trotzen (II): Das Eingemauertsein
Viel Feind, viel Ehr
Die Heiligsprechung durch John F. Kennedy
Besuche in Ost-Berlin – Zwischen Mitleid und Herablassung
Worauf der West-Berliner ganz besonders stolz ist
West-Berlin als Keimzelle alternativen Lebens
Die Glaubenssätze des West-Berliners
Der West-Berliner als der große Verlierer
Der Verlust an Bedeutsamkeit alles West-Berlinischen
Der Verlust an heiligen Kühen
Der Verlust an Lebensqualität
Der Verlust jeder Zukunft
Ein Schlusswort
Literatur
Es ist zwar nur ein Gerücht, dass sich die Gesellschaft für bedrohte Völker schon des in diesem Buch so ausführlich beschriebenen West-Berliners angenommen habe. Aber dass dieser mal recht starke mitteldeutsche Stamm langsam ausstirbt, dürfte unbestritten sein. Nur wer 1989 zur Wendezeit als Eingeborener in einem der zwölf West-Berliner Bezirke gewohnt hat und mit dem dort vorherrschenden Wertesystem sozialisiert worden ist – sagen wir, wer damals mindestens zehn Jahre alt gewesen ist, dürfte doch das richtige tribalistische Bewusstsein entwickelt haben und sich heute als echter West-Berliner fühlen. Nach dem, was ich im Freundes- und Bekanntenkreis, bei Lesungen und anderen Veranstaltungen erlebe, gibt es aber kaum noch bekennende West-Berliner, die nicht grauhaarig sind. Und vererben lässt sich das echte »ein West-Berliner Sein« leider nicht, wie ich bei meinen eigenen Kindern immer wieder schmerzlich erleben muss.
2006 ist die Originalausgabe dieses Buches erschienen, und wir West-Berliner haben seitdem das Schlachten weiterer heiliger Kühe erleben müssen. Am 30. Oktober 2008 war Schluss mit dem Flughafen Tempelhof, Tegel verlieren wir auch noch, und Schönefeld ist für einen alten West-Berliner noch immer negativ besetzt. Er erinnert sich mit Grausen an die auf dem Boden aufgemalten Umrisse eines rechten und eines linken Fußes, auf die man bei der Abflugkontrolle treten musste, um unbemerkt von oben herab geröntgt zu werden. Im Juni 2011 schloss das legendäre Broadway Filmtheater in der Tauentzienstraße. Am 3. Dezember 2011 ist mit der Sprengung der Deutschlandhalle begonnen worden. Weiteres Ungemach droht, denn mindestens eines der Boulevard-Theater am Kurfürstendamm soll verschwinden, das ICC wird nach seiner Sanierung den Status als Kongress-Zentrum verlieren, und mit der Eröffnung des Humboldt-Forums im wiederaufgebauten Stadtschloss können wir uns vom Museumsstandort Dahlem verabschieden. Und dass Hertha BSC in der Saison 2012/13 wieder mal in der vielgeschmähten Zweiten Bundesliga spielen musste, versetzte einen erheblichen Teil der West-Berliner Männer in eine gewisse präsuizidale Stimmung.
Trotz allem ist es für einen Nachruf noch zu früh, denn es gibt auch Positives aus der alten Frontstadt zu berichten. Die Freie Universität Berlin, ein echtes Kind des alten West-Berlin, ist im Oktober 2007 zum ersten Mal zur »Exzellenz-Universität« gekürt worden und hat diesen Titel im Jahre 2012 verteidigen können. Ich fühle mich mit ihr geehrt, war ich doch in den Jahren 1960 bis 1970 dort in Dahlem Student und Assistent. Und die Rütli-Schule, die ich auch einmal besucht habe, ist möglicherweise die bekannteste Grundschule Deutschlands geworden, weil sie die Neuköllner unter der Ägide des wackeren Bezirksbürgermeisters Heinz Buschkowsky von einem Ort der Katastrophen zu einem Vorzeigeprojekt gemacht haben. Groß herausgekommen ist auch die Steglitzer Einkaufsmeile Schloßstraße, wo sich zwischen den U-Bahnhöfen Walther-Schreiber-Platz und Rathaus Steglitz mit Schloss-Straßen-Center (SSC), Forum Steglitz, Karstadt, Boulevard Berlin und Schloss gleich fünf Shopping-Tempel aneinanderreihen. Der Bierpinsel – noch mehr West-Berlin geht eigentlich nicht – hat überlebt, und dank Dieter Hallervordens Tatkraft wird seit September 2009 im nahen Schlossparktheater wieder gespielt.
Das Wahrzeichen West-Berlins: Die Gedächtniskirche
Auch die Gegend um den Bahnhof Zoo ist keine innerstädtische Wüstenei geworden, sondern ist voll des Lebens und macht, was die Bauten betrifft, ein wenig auf Manhattan. Die Eröffnung des Waldorf Astoria Berlin lässt den alten West-Berliner singen: »Der Insulaner hofft unbeirrt, dass sein Bahnhof wieder ’n schöner ICE-Halt wird.« Das Bikini-Haus am Zoo wird restauriert und nicht abgerissen, und was den Zoologischen Garten selbst betrifft, so steht er bei den Berlinern und den anrückenden Touristen höher im Kurs als der Tierpark, sein Ost-Berliner Pendant, und schlägt ihn (in Millionen Besuchern) locker mit drei zu eins. Die Krönung ist aber die Meldung der B.Z. vom 20. Juni 2012: »Kudamm ist Berlins Nummer 1 bei Facebook. Shopping vor Sightseeing: Bei den Facebook-Nutzern rangiert unter den Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt nicht etwa das Brandenburger Tor an der Spitze der Beliebtheitsskala, sondern die Flaniermeile Kurfürstendamm.« Viele scheinen Sehnsucht nach ihm zu haben, auch wenn sie Hildegard Knefs Song noch nie gehört haben. WB steht also nicht nur für West-Berlin, sondern auch für WIR BLEIBEN, wir sind nicht totzukriegen.
Am 28. Juni 2012 hatte ich die Ehre und das Vergnügen, von der Berliner Abendschau des rbb auf dem Breitscheidplatz, also am Fuße der Gedächtniskirche, zum Thema Befindlichkeiten des alten West-Berliners interviewt zu werden, und habe am Schluss mit Nachdruck die Schaffung eines West-Berlin-Museums gefordert. Beifall brandete auf, und hinterher wurde ich von mehreren älteren Mitbürgern geradezu umarmt. Nun, dieses Museum wird es so schnell nicht geben – begnügen wir uns deshalb mit diesem Buch aus dem Jahre 2006, dessen Text unverändert in die Neuausgabe übernommen worden ist.
Es heißt, ich sei im Februar 1938 auf die Welt gekommen. Zwar glaube ich das nicht, mit zunehmendem Alter immer weniger, aber nehmen wir einmal an, es sei wirklich so gewesen. Fest steht auf alle Fälle der Ort des Geschehens: die Lindenstraße im Bezirk Köpenick, später Ost-Berlin und Teil der Hauptstadt eines Landes mit dem Namen DDR. Hätte meine Mutter damals ausgerufen: »Horst ist ein Ostberliner!«, wäre sie auf totales Unverständnis gestoßen. Zunächst einmal lag und liegt Köpenick im Südosten der Stadt, und ganz abgesehen davon kannte die Umgangssprache damals weder den Ost- noch den West- oder den Südberliner, sondern einzig und allein den Nordberliner, lebend in den Bezirken Reinickendorf, Pankow und Weißensee. Nicht ohne Grund gibt es heute noch den als normale Tageszeitung, wenn er auch nur einmal in der Woche erscheint. Unterhielt man sich im Alltag über seinen Wohnort, dann spielte– neben Bezirk, Ortsteil, Kiez und Straße, versteht sich– die damalige postalische Zuordnung eine große Rolle. Die großen innerstädtischen Postbezirke waren aber nicht nur nach den vier Himmelsrichtungen– plus C für die Mitte– sortiert, sondern auch noch unterteilt in NW, NO, SW und so weiter, wobei Bezeichnungen wie SO 36 auch noch im 21.Jahrhundert eine gewisse Rolle spielen, zum Beispiel beim Quartiersmanagement.
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