Der Mensch zwischen Über- und Unternatur - Andreas Neider - E-Book

Der Mensch zwischen Über- und Unternatur E-Book

Andreas Neider

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Beschreibung

Chancen und Gefahren unserer Zeit Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat Rudolf Steiner auf zukünftige Veränderungen des Bewusstseins hingewiesen und von einem Erwachen im Ätherischen gesprochen. Andreas Neider erläutert Herkunft, Beschaffenheit und Weiterentwicklung der Bewusstseinskräfte, die auch als freie Kräfte bezeichnet werden können - und er zeigt auf, wodurch ihre Entfaltung in unserer Gegenwart massiv bedroht wird.

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ANDREAS NEIDER (Jahrgang 1958), Studium der Philosophie, Ethnologie, Geschichte und Politologie. 17 Jahre Tätigkeit im Verlag Freies Geistesleben, zunächst als Lektor und dann als Verleger. Seit 2002 Leiter der Kulturagentur ›Von Mensch zu Mensch‹ und Veranstalter der jährlich stattfindenden Stuttgarter Bildungskongresse. 2015 Mitbegründer der Akanthos-Akademie Stuttgart e.V. Buchautor und Referent für Anthroposophie, Meditation, Medienpädagogik und Kritik der digitalen Transformation.

 

Zahlreiche Veröffentlichungen im Verlag Freies Geistesleben und im Rudolf Steiner Verlag. Ergänzend zum Thema des vorliegenden Buches: Aufmerksamkeitsdefizite (2014), Digitale Zukunft (2018) und Denken mit dem Herzen (2019).

 

2020 – 2022 hat er gemeinsam mit Michaela Glöckler vier Bücher zur Corona-Krise im Rahmen der Akanthos-Akademie Edition veröffentlicht. Andreas Neider steht für Seminare und Vorträge zum Thema des Buches zur Verfügung.

 

Kontakt: [email protected] und www.andreasneider.de

ANDREAS NEIDER

DER MENSCH ZWISCHEN ÜBER- UND UNTERNATUR

Das Erwachen des Bewusstseins im Ätherischen und die Gefährdung der freien Kräfte

Inhalt

Vorwort zur Neuauflage 2022

Einführung

I.Die ätherische Welt und das Leben des Ätherleibes im Leben und nach dem Tod

Natur und Kultur – zum Verständnis der beiden Seiten des Ätherleibes / Unser ätherisches Ebenbild: der Doppelgänger / Der Moment des Todes und das Lebenspanorama / Ätherleib und Weltenäther – das Kamaloka / Konservierung des Ätherleibes – Lebensgeist / Die Ätherisation des Blutes und die Selbstlosigkeit des Leibes / Die Ätherisation des Erdorganismus durch das Mysterium von Golgatha / Der ätherische Charakter imaginativer Erfahrungen / Eine »Ökologie der höheren Welten«

II.Der Sturz der Geister der Finsternis und die Bedrohung des ätherischen Bewusstseins

Ein Kampf in der geistigen Welt – der Beginn des Michael-Zeitalters / Die Angeloi und das Gedankenleben der Menschen / Das Wesen Michaels / Die zweifache Wirksamkeit des Bösen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts / Die materialistische Medizin und ihre Folgen: Johannes Müller und seine Schüler / Und heute? / Der spirituelle Materialismus im 19. Jahrhundert / Die toten Einschübe in unseren Ätherleibern / Das lichte Zeitalter und das Erwachen für das Ätherische – die Kreuzung der Wesensglieder / Das unbewusste Überschreiten der Schwelle und die Spaltung der Seelenkräfte / Der westliche Okkultismus an der Schwelle und der spirituelle Materialismus

III.Die »Impfung gegen alles Spirituelle« durch die Medienwelt

Der zunehmende Einfluss der Medienwelt auf die Jugend seit dem Ende des 20. Jahrhunderts / Fantasy – Kampf mit dem Drachen oder doch nur Flucht? / Filme und Fantasy-Rollenspiele – Sauron behauptet sich / Romantic- und Urban-Fantasy – die geistige Welt wird verschleiert / Die an die physische Welt unmittelbar angrenzende geistige Welt / Science Fiction – die moderne Form des spirituellen Materialismus / Reale Bilder des Ätherischen? / Hayao Miyazaki und die Welt der japanischen Animé / Der Kampf um die Geisteswissenschaft und die Mission Michaels

IV.Der ahrimanische Doppelgänger und die digitalen Medien

Die Notwendigkeit absterbender Kräfte und das dabei entstehende Geistbewusstsein / Der ahrimanische Doppelgänger und seine Wirkungen / Der ahrimanische Doppelgänger und der »mechanische Okkultismus« des Westens / Computerspiele – das Leitmedium des 21. Jahrhunderts und seine Wirkungen / Die Scheidung der Geister – Ahriman als Medienschaffender

V.Die Belebung des Ätherleibes und das Schicksal der freien Kräfte

Der Mensch zwischen Über- und Unternatur / Die Gestaltung der freien Kräfte vom Denken aus und ihre Bedrohung durch Ahriman / Die bewusste Schulung des ätherischen Bewusstseins – Katharsis und Erleuchtung / Die Erkenntnisstufe der Imagination und deren Gegenbild / Die Erfahrung des Ätherischen als Zeitgestalt / Die Verantwortung des Menschen für die Natur / Der Anthroposophische Seelenkalender und das Erscheinen des Christus im Ätherischen / Die Pflege der Erinnerungskräfte, der luziferische Doppelgänger und das Interesse am anderen Menschen / Digitale Demenz: Wie Handy, Internet & Co. die Erinnerungskräfte schwächen / Die Ätherisierung der Sprachkräfte durch die Kunst der Eurythmie / Das Zusammenwirken von Lebenden und Verstorbenen und die Bedeutung spiritueller Gemeinschaften / »Per spiritum sanctum reviviscimus« / Die Bildung eines neuen Ätherleibes / Der luziferische Doppelgänger und die Welt der Elementarwesen / Die Imaginationsfähigkeit, die Engel und die Zukunft des Sozialen

Nachwort

Anmerkungen

Namenregister

Sachregister

Verzeichnis der Buch- und Filmtitel sowie Roman- und Filmfiguren

Literaturverzeichnis

Vorwort zur Neuauflage 2022

Als ich vor zehn Jahren das vorliegende Buch veröffentlichte, dem wiederum eine siebenjährige Erforschung der hierin behandelten Medienthematik vorausging, stand die Bedrohung der »freien Kräfte« durch die digitalen Medien und ihre Ableger in der Jugendliteratur im Vordergrund.

Diese Bedrohung der »freien Kräfte« habe ich 2013 im Hinblick auf das Internet in meinem Buch Aufmerksamkeitsdefizite – Wie das Internet unser Bewusstsein korrumpiert und was wir dagegen tun können näher ausgeführt. Auf die sich gleichzeitig weiterentwickelnden Tendenzen des Transhumanismus und der Überwachungstechnologien bin ich 2018 in Digitale Zukunft – Kritische Betrachtungen zur digitalen Transformation und wie wir ihr wirksam begegnen können eingegangen. Und die im vorliegenden Buch dargestellten Ansätze der anthroposophischen Meditation habe ich 2019 in Denken mit dem Herzen – Wie wir unsere Gedanken aus dem Kopf befreien können ausführlicher dargestellt.

Dass der Menschheit aber noch ganz andere Bedrohungen ihrer Freiheit bevorstehen würden, wie sie seit 2020 mit der Corona-Pandemie – und dieses Jahr auch mit dem Ukrainekrieg – über uns hereingebrochen sind, konnte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des vorliegenden Buches niemand ahnen.

Mit diesen Bedrohungen, die größtenteils wiederum das Internet als Hauptmedium genutzt haben und weiterhin nutzen, tauchen nicht nur die Gespenster längst überwunden geglaubter totalitärer Regimes des 20. Jahrhunderts wieder auf. Es zeigen sich darin auch die Visionen des Transhumanismus, die in der künstlichen Intelligenz ihre Wurzeln haben, die aber in den mRNA-Impfungen ebenfalls ein wesentliches Element begreifen, um die natürliche Unvollkommenheit des Menschen auf technologischem Wege zu überwinden.

Damit hat die Gefährdung der freien Kräfte eine völlig neue Dimension erreicht, wie sie zuvor lediglich im Bereich der Science Fiction-Literatur und anderer Dystopien dargestellt worden war. Diese Bedrohung kommt zugleich von zwei Seiten: von einer in die Vergangenheit zurückstrebenden diktatorischen Gewaltherrschaft und von einer technologischen Aufrüstung in Richtung einer von »Biosecurity« und übernationaler Gesetzgebung gesteuerten Gesellschaft, in der nicht mehr die durch freie Bürger gewählten Volksvertreter und Parlamente, sondern von wirtschaftlichen Interessen geleitete übernationale Geldgeber und Institutionen wie das Weltwirtschaftsforum über das Schicksal der Menschheit entscheiden.*

Trotzdem spielen das Internet und die digitalen Medien unverändert eine zunehmende Rolle, denn letztlich ist es das Bewusstsein jedes Einzelnen, an welchem Platz er auch stehen mag, in dem sich das weitere Schicksal der Menschheit entscheidet. Die wache und bewusste Urteilsbildung, die sich weder in die Illusionen vergangener nationaler Imperien noch in die technologischen Visionen einer ebenso machtbesessenen wie digital aufgerüsteten globalen Elite hineinziehen lässt, ist heute mehr denn je herausgefordert.

Der freie Mensch kann sich auf der Grundlage der in diesem Buch beschriebenen »freien Kräfte« seinen jeweils eigenen Standpunkt erarbeiten und seine individuellen Entscheidungen treffen. Ausschlaggebend sind für jegliches freie Handeln jedoch die Motive: Entspringen sie einer in Liebe getauchten Moralität oder suchen sie doch nur den eigenen Vorteil, so human sich dieser auch darstellen mag?

In diesem innern Sturm und äußern Streite

Vernimmt der Geist ein schwer verstanden Wort:

Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,

Befreit der Mensch sich, der sich überwindet!*

In diesem Sinne will das vorliegende Buch ein sich zur Freiheit hin orientierendes Bewusstsein unterstützen, das es heute jedoch nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich zu verteidigen gilt.

Andreas Neider,

Weil im Schönbuch im März 2022

*Im Hinblick auf die Corona-Krise habe ich zusammen mit Michaela Glöckler und weiteren Autoren vier Bücher herausgegeben, in denen auf diese Problematik eingegangen wird: Corona – eine Krise und ihre Bewältigung (2020), Corona und die Überwindung der Getrenntheit (2020), Corona und das Rätsel der Immunität (2021) und Corona – Was uns die Pandemie lehren kann (2022).

*J. W. Goethe, aus dem Epos Die Geheimnisse.

Einführung1

Unser Zeitalter wird in der Nachfolge des industriellen Zeitalters als das Zeitalter der elektronischen Medien und der Computertechnologien bezeichnet. Was das bedeutet, hat der Kulturphilosoph Roland Benedikter so ausgedrückt: »Die menschliche Aufmerksamkeit wird zum wichtigsten Rohstoff und zur meistgehandelten Ware des 21. Jahrhunderts.«2 Das Internet und die neuen Medien erzeugen bereits heute durch die Bindung der Aufmerksamkeit eines nicht unerheblichen Teiles der ganzen Menschheit mehr Wert als viele Volksökonomien der Erde. Das heißt, es geht in der Entwicklung der Menschheit global immer mehr darum, wohin sich das Bewusstsein der Menschen im Sinne ihrer Fähigkeit der Aufmerksamkeit entwickelt. Deren Grundlage wird in diesem Buch mit dem Terminus der »freien Kräfte« bezeichnet. Wir werden in diesem Buch zeigen, wie die Kräfte der Aufmerksamkeit, also die »freien Kräfte«, im menschlichen Bewusstsein entstehen, und wie diese durch den Einfluss der digitalen Medienwelt in erheblichem Maße eingeschränkt, manipuliert, wenn nicht sogar zerstört werden, aber auch, wie diese durch bewusste Schulung weiterentwickelt und gesteigert werden können.

Auf die damit einhergehende Problematik hat zu Beginn des 20. Jahrhunderts, also lange vor Beginn des digitalen Zeitalters, der Geistesforscher Rudolf Steiner hingewiesen. Er zeigte 1917, am Ende des Ersten Weltkrieges, Entwicklungslinien auf, die von den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts bis weit in das 20. Jahrhundert hinein wiesen. Dabei entwickelte er eine grundlegende Signatur, die Goethe bereits im Prolog zu seinem Faust angelegt hat, wo es heißt:

Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,

Er liebt sich bald die unbedingte Ruh;

Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,

Der reizt und wirkt, und muss, als Teufel schaffen.3

Goethe deutet mit diesen beinahe scherzhaft wirkenden Worten aber auf eine tiefe, tragische Dramatik hin, die sich insbesondere im 20. Jahrhundert deutlich gezeigt hat.

Mit dem von ihm so genannten »Sturz der Geister der Finsternis« und dem Beginn des »Michael-Zeitalters« 1879 deutete Rudolf Steiner in diesem Sinne auf Entwicklungen hin, die für die Bewusstseinsentwicklung der Menschen im 20. Jahrhundert entscheidende Herausforderungen darstellen sollten. Er bezeichnete die der Entwicklung des Menschen entgegenarbeitenden Kräfte, anders als Goethe, als die »ahrimanischen Mächte». Entgegen der zunehmenden Tendenz einer Materialisierung des Bewusstseins, die während des 19. Jahrhunderts eingesetzt und zur Entwicklung einer »Unternatur«, einem unterhalb der Natur liegenden Reich der Technik geführt hatte, ging es Rudolf Steiner darum, die Menschen auf ein neu erwachendes Bewusstsein und die Welt des Ätherischen aufmerksam zu machen, die er in diesem Zusammenhang als »Übernatur«, weil über die Natur hinausreichend bezeichnete. Steiner machte darauf aufmerksam, dass der Mensch durch die Weiterentwicklung seiner Fähigkeit zur Aufmerksamkeit, die Entwicklung seiner »freien Kräfte«, einen Weg zur »Übernatur« finden kann: »Der Mensch muss die Stärke, die innere Erkenntniskraft finden, um von Ahriman in der technischen Kultur nicht überwältigt zu werden. Die Unter-Natur muss als solche begriffen werden. Sie kann es nur, wenn der Mensch in der geistigen Erkenntnis mindestens gerade so weit hinaufsteigt zur außerirdischen Über-Natur, wie er in der Technik in die Unter-Natur heruntergestiegen ist. Das Zeitalter braucht eine über die Natur gehende Erkenntnis, weil es innerlich mit einem gefährlich wirkenden Lebensinhalt fertig werden muss, der unter die Natur heruntergesunken ist. Es soll hier natürlich nicht etwa davon gesprochen werden, dass man zu früheren Kulturzuständen wieder zurückkehren soll, sondern davon, dass der Mensch den Weg finde, die neuen Kulturverhältnisse in ein rechtes Verhältnis zu sich und zum Kosmos zu bringen.«4

Diese Aufgabe der Erkenntnis einer »Übernatur« stellt sich nun im Zeitalter der digitalen Medien und der Computer in verstärkter Form. So wies Rudolf Steiner bereits 1917 auch auf die Entstehung neuer Bewusstseinstechnologien hin: »Und es wird die Verbindung hergestellt werden zwischen den im Menschen ersterbenden Kräften, die verwandt sind mit elektrischen, magnetischen Kräften und den äußeren Maschinenkräften. Der Mensch wird gewissermaßen seine Intentionen, seine Gedanken hineinleiten können in die Maschinenkräfte.«5

Er wies damit auf eine den Menschen immer tiefer in das materielle Bewusstsein und die Unternatur hineinziehende Entwicklung, deren Höhepunkt wir auch heute noch nicht erreicht haben. Und er deutete damit an, dass die Technologien der Zukunft Bewusstseinstechnologien, d.h. Aufmerksamkeitstechnologien sein werden.

Umso mehr stellt sich uns heute die Aufgabe, die von Steiner aufgezeigte Entwicklungsaufgabe eines neuen Bewusstseins von der Übernatur des Ätherischen zu entwickeln. Dieser Aufgabenstellung geht das vorliegende Buch auf der Grundlage der Geisteswissenschaft Rudolf Steiners nach, dessen Darstellungen zu der Frage des Verhältnisses von Über- und Unternatur in ihrer Fülle und Konsequenz bis heute nur wenig bis gar nicht bearbeitet worden sind.6

Dabei handelt es sich in mancher Beziehung jedoch nur um eine Skizze, einen ersten Entwurf eines umfangreichen Forschungsgebietes. Einige Bereiche desselben, wie der Zusammenhang des Ätherischen mit dem Element des Wassers oder des Astralischen mit der Luft, konnten nur berührt, andere wie etwa die so genannten Ätherarten, konnten gar nicht berücksichtigt werden. Viele weiterführende Fragen, wie etwa die konstitutionelle Situation der Wesensglieder im Kinder- und Jugendalter und die Wirksamkeit der Medienwelt auf dieselbe müssten weiter vertieft werden. Sofern mir bekannt, habe ich die weiterführende Literatur jeweils angegeben.

Dem nicht mit der Anthroposophie vertrauten Leser werden manche Aussagen Rudolf Steiners befremdlich oder gar unverständlich erscheinen. Da hier aber nicht alle anthroposophischen Grundlagen ausgeführt werden konnten, wurde deren Kenntnis im Wesentlichen vorausgesetzt. Eine wesentliche, für das Grundverständnis der hier geschilderten Zusammenhänge wichtige Voraussetzung ist beispielsweise die Annahme einer für die Sinne nicht wahrnehmbaren geistigen Welt und entsprechender geistiger Wesenheiten. Im Sinne der Anthroposophie verfügt nur der Mensch als geistiges Wesen auch über einen physischen Leib, während andere geistige Wesen einen solchen nicht besitzen, weil dieser für ihre Entwicklung nicht von Bedeutung wäre. Für den mit den Grundlagen nicht vertrauten Leser wird in den Anmerkungen jeweils die entsprechende Literatur zum weiteren Studium angegeben.

Methodisch gehen wir in diesem Buch so vor, dass wir die aus Rudolf Steiners übersinnlicher Forschung stammenden, sowohl die historischen wie die sich auf seine damalige Zukunft, unsere heutige Gegenwart, beziehenden Aussagen, anhand der äußeren historischen wie heute gegebenen Fakten überprüfen, so wie er es selbst von seinen Lesern und Zuhörern immer wieder verlangt hat. Im Übrigen stellen wir seine Aussagen in einen Gesamtzusammenhang und können an diesem selbst gedanklich prüfen, wieweit diese Aussagen sich gegenseitig als ein Ganzes tragen oder nicht.

»Und wer dann kritisch vorgeht und in seinen Gedanken, aber nur unbefangen genug, alles dasjenige prüft, was der Geistesforscher vorbringt, wird es, auch ohne dass er selbst Schauungen hat, nachprüfen können. … Das Denken kann sich auch aufschwingen, nicht bloß das bewiesen zu finden durch den gesunden Menschenverstand, was durch die Sinneserfahrung gestützt ist, sondern dasjenige, was sich gewissermaßen wie ein geistiges Planetensystem innerlich selber trägt. Prüfen Sie in dieser Weise, indem Sie auf anthroposophische Geistesforschung das anwenden, was ein solches sich selbst tragendes, sich selbst beweisendes Denken gibt, dann werden Sie das, was der Geistesforscher vorbringt, innerlich so gesichert finden, auch ohne die sogenannten äußeren Stützen, wie das Planetensystem sich frei im Weltenraume trägt, und nur dasjenige, was irdisch ist und schwer ist, gestützt werden muss.«7

In einem ersten Schritt werden wir zunächst grundlegend auf den Zusammenhang des menschlichen Ätherleibes mit der ätherischen Welt eingehen. Uns interessiert hierbei weniger die Naturseite des Ätherleibes, also die Leben erhaltende und Organ bildende Funktion, als die Kulturseite, die mit unseren Gedanken und unserem Gedächtnis zu tun hat. Wir werden dabei die Umwandlung von Lebens-Bildekräften in Erlebens-Bildekräfte oder »freie Kräfte« kennen lernen. Wo auf der Naturseite Leben erhalten und gepflegt wird, da sind es auf der Kulturseite unsere Gedanken und Gefühle, die vom Gedächtnis erhalten und, wenn man so will, auch gepflegt werden. Die Vorgänge in unserem Ätherleib, die mit der Bewusstseins- und Gedächtnisbildung etwas zu tun haben, hat Rudolf Steiner auch mit dem Begriff der »Ätherisation des Blutes« umschrieben. Wenn wir das Erwachen des Bewusstseins im Ätherischen genauer verstehen wollen, müssen wir also diese Vorgänge besonders berücksichtigen.

Beim Tode aber hören diese Vorgänge auf. Danach zeigt sich die Eigenart dieser Kräfte, wenn man das Schicksal des Ätherleibes über den Tod hinaus verfolgt, noch in anderer Weise. Und wir lernen dabei auch die ätherische Natur dessen kennen, was Rudolf Steiner als den Doppelgänger oder das »ätherische Ebenbild unseres Ätherleibes« bezeichnet hat.

In einem zweiten Schritt gehen wir den historisch-symptomatologischen Darstellungen Rudolf Steiners zum »Sturz der Geister der Finsternis« nach sowie weiteren Aussagen über die Veränderungen der Wesensgliederkonstitution an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert. Dabei werden wir auch zu klären versuchen, um was für Wesenheiten es sich bei den »Geistern der Finsternis« genau handelt.

Im dritten Schritt kommen wir dann zu einer eingehenderen Betrachtung der Bedrohung des neuen Bewusstseins vom Ätherischen durch die heutige Medienwelt in all ihren Facetten, insbesondere aber in der Jugendzeit. Hierbei zeigt sich einerseits die besondere Konstellation des Zusammenwirkens der Geister der Finsternis mit dem von Steiner so genannten unbewussten »Schwellenübertritt« der Menschheit, andererseits mit der natürlichen Evolution des Ätherleibes der Menschen. Dabei werden wir auch genauer zu verstehen versuchen, warum die Angriffe auf das neu erwachende Bewusstsein vom Ätherischen vor allem in der Kinder- und Jugendzeit ansetzen.

Ein vierter Schritt zielt dann hin auf die genauere Untersuchung dessen, was Rudolf Steiner als den »ahrimanischen Doppelgänger« des Menschen bezeichnet und den mit ihm verbundenen zerstörerischen Wirkungen sowie der aus ihm resultierenden Computertechnik. Hier spricht Steiner nun dezidiert von bestimmten negativen Absichten westlicher okkulter Bruderschaften, deren Wirksamkeit wir heute ganz konkret in der Betrachtung der digitalen Medienwelt aufzeigen können. Wenn wir Steiners weit vorausschauende Aussagen von 1917 genauer erfassen, dann sehen wir, dass er damit bestimmte, negative Auswirkungen der heutigen digitalen Medienwelt im Auge hatte. Als hauptsächliche Auswirkung bezeichnete er, dass durch diese Art der Technik das Bewusstsein der Menschen, seine »freien Kräfte«, bis ins Nachtodliche hinein an die irdische Materie gefesselt werden können. Von diesen Wirkungen der Technik wird deshalb nicht nur die Jugend, sondern sind im Prinzip alle Altersstufen bedroht.

Dem gegenüber steht das bewusste Erfassen der uns umgebenden ätherischen Welt durch die Belebung des Ätherleibes. Wie diese einerseits auf natürlichem Wege, andererseits durch regelrechte Schulung, aber auch durch die Kunst, insbesondere die der Eurythmie herbei geführt werden kann, soll das Ziel unserer Betrachtungen sein. Dabei kommen auch die Beziehungen zwischen Lebenden und Verstorbenen und deren Pflege ins Blickfeld, aber auch ein anderer Umgang mit den Kräften der Natur.

Auch wenn mancher Leser sich von der hier aufgezeigten Bedrohung des Erwachens im Ätherischen durch die Medienwelt nicht betroffen fühlt, weil er sich dieser gar nicht erst aussetzt, muss er sich über Folgendes klar werden: Erst durch die im letzten Kapitel beschriebene Schulung der Bewusstseins- und Aufmerksamkeitskräfte kommen wir tatsächlich in die Lage eines selbst begründeten Erfassens der geistigen Welt gegenüber. Die in den Kapiteln zuvor auf der Grundlage des Studiums der Geisteswissenschaft dargestellten Aussagen Rudolf Steiners sollten uns daher nicht in die Lage des naiven Realismus der geistigen Welt gegenüber fallen lassen, der meint, das, wovon er im Studium etwas erfährt, schon realisiert zu haben. Auch das Schwimmen lernt man nur dann, wenn man sich ins Wasser begibt. In diesem Sinne möchte der Verfasser die zitierten Aussagen Rudolf Steiners im Sinne seiner Erkenntnistheorie als Aufforderungen verstehen, zu einem eigenständigen Verhältnis zur geistigen Wirklichkeit zu kommen und nicht als »Einrichtungsgegenstände« in einem schon vermeintlich vorhandenen geistigen Gebäude.

In diesem Sinne wird auch das von Steiner für unsere Zeit vorhergesagte »Wiedererscheinen des Christus im Ätherischen« in unsere Betrachtungen so einfließen, dass dieses auf der heute aktuellen Erfahrungsgrundlage, in der Auseinandersetzung mit der Unternatur, verstanden werden kann. Bei dieser Auseinandersetzung aber gilt es zu berücksichtigen:

»Das alles kann natürlich nicht zum Jammern oder irgend so etwas Anlass geben, sondern zu einer Stärkung der Kraft und Energie der Menschenseele nach dem Spirituellen hin. Denn wird in diesem fünften nachatlantischen Zeitraum von den Menschen dasjenige erreicht, was erreicht werden kann durch die Einverleibung der Kräfte des Bösen im guten Sinne, dann wird zu gleicher Zeit etwas Ungeheures erreicht: … in dem die Menschenseelen erkennen werden, dass sie in dem Christus den Helfer haben, um die Kräfte des Bösen in Gutes umzuwandeln.«8

Indem die Menschen ihre Aufmerksamkeitskräfte, die freien Kräfte ihres Ätherleibes schulen, erwacht ihr Bewusstsein für die Sphäre des Ätherischen, und da kommt ihnen der Christus als Helfer zur Überwindung des Bösen entgegen. Dazu muss dieses aber erst erkannt werden, um es dann auch überwinden zu können: »Ein Kämpfer um das Spirituelle muss der Mensch sein in dieser fünften nachatlantischen Zeit; erleben muss er, dass seine Kräfte erschlaffen, wenn er sie nicht fortwährend im Zaume hält für die Eroberung der spirituellen Welt.«9

I. Die ätherische Welt und das Leben des Ätherleibes im Leben und nach dem Tod

In diesem Kapitel werden wir zunächst einen Gesamtüberblick geben über wesentliche Gesetzmäßigkeiten, die mit unserem Ätherleib und mit dem Erwachen des Bewusstseins im Ätherischen verbunden sind. Diese betreffen vor allem die so genannte »Kulturseite« des Ätherleibes, also alles, was sich uns bewusstseinsmäßig im Gedankenleben und als Gedächtnis darstellt. Wie diese Funktionen vom Bewusstsein ergriffen und weiterentwickelt werden können und was es demgemäß mit der Welt des Ätherischen auf sich hat, wird im letzten Kapitel dieses Buches zur Darstellung kommen, nachdem wir die dieser Entwicklung entgegenstehenden Hindernisse genauer untersucht haben. Manches, was zu Anfang noch unverständlich erscheinen könnte, wird sich im Laufe der Darstellung aufklären. Es soll in diesem ersten Kapitel ein Umriss dessen gegeben werden, was es mit der »Kulturseite« unseres Ätherleibes auf sich hat und wie diese sich auch nach dem Tode weiterentwickelt.

Natur und Kultur – zum Verständnis der beiden Seiten des Ätherleibes

Unser Ätherleib hat zunächst die Funktion, unseren physischen Leib zu beleben, aufzubauen und zu organisieren.1 Er ist der Gestaltbildner, der die Organe formt und ihren Zusammenhang organisiert. Diese Kräfte der Gestaltbildung und der Organisation können nun aber nicht nur dazu verwendet werden, physische Stoffe zu beleben und zu organisieren, sondern auch dazu, die von Ich und Astralleib gebildeten Gedanken und Vorstellungen zu fassen, zu gestalten und aufzubewahren. Durch unser Gedächtnis haben wir die Möglichkeit, unsere Gedanken und Vorstellungen immer wieder lebendig werden zu lassen.

Wir werden die Funktion des Ätherleibes im Nachfolgenden nur im Hinblick auf die Vorstellungstätigkeit, das Gedächtnis und unsere Erinnerungen, nicht auf seine Lebensfunktion hin untersuchen. Die Naturseite unseres Ätherleibes verwandelt sich um das siebte Lebensjahr: Ein Teil seiner Lebensfunktionen wird mit dem Abschluss der Bildung und dem Aufbau des physischen Leibes im zweiten Jahrsiebt frei und dient fortan der Gedanken- und Gedächtnisbildung. Gedanken- und Gedächtniskräfte sind also umgewandelte Lebenskräfte.

»Diese im Ätherleibe wirksamen Kräfte betätigen sich im Beginne des menschlichen Erdenlebens – am deutlichsten während der Embryonalzeit – als Gestaltungs- und Wachstumskräfte. Im Verlaufe des Erdenlebens emanzipiert sich ein Teil dieser Kräfte von der Betätigung in Gestaltung und Wachstum und wird Denkkräfte, eben jene Kräfte, die für das gewöhnliche Bewusstsein die schattenhafte Gedankenwelt hervorbringen.

Es ist von der allergrößten Bedeutung zu wissen, dass die gewöhnlichen Denkkräfte des Menschen die verfeinerten Gestaltungs- und Wachstumskräfte sind.«2

Wie aber geht diese Umwandlung, die etwa ab dem siebten Lebensjahr in ausgeprägter Form in Erscheinung tritt, genau vor sich?3 Im Inneren des Gehirns befinden sich in den sogenannten Ventrikeln Geflechte von Blutadern (Plexus chorioidei). Hier wird das arterielle Blut, das der Lebenserhaltung und Versorgung dient, in Gehirnwasser (Liquor cerebrospinalis) und in venöses Blut verwandelt. Diese beiden Flüssigkeiten unterliegen der Beweglichkeit unseres Atemrhythmus. Sie steigen im Rückenmarkskanal auf und ab, je nachdem, ob wir ein- oder ausatmen.

In diesem physiologischen Geschehen haben wir nun ein genaues Abbild des Übergangs von Lebens-Bildekäften, die im arteriellen Blut ihren Ausdruck finden, zu Erlebens-Bildekräften, die sich in dem von Stoffversorgung freien Gehirnwasser, das sich als kristallklare Flüssigkeit darstellt, und dem venösem Blut zum Ausdruck bringen. In der Atmung lebt der Astralleib, er kann durch unser Ein- und Ausatmen, das sich über das Zwerchfell dem im Rückenmarkskanal strömenden Liquor mitteilt, auf das Gehirnwasser einwirken und dadurch die von Stoffversorgung frei gewordenen Bildekräfte des Ätherleibes für seine Zwecke gebrauchen. Darauf beruhen physiologisch betrachtet die bildhaften Vorstellungen und Gefühlserlebnisse.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Gehirns mit den Strömen des Gehirnwassers, angedeutet durch die schwarzen Pfeile. Die gerippten Flächen im Inneren stellen Blutadergeflechte dar, in denen das innere Gehirnwasser gebildet wird. Durch die beiden Ventrikel fließt das innere Gehirnwasser nach außen. Die inneren grauen Flächen müssen als durch und durch von Nervengeflecht durchzogen vorgestellt werden, das wiederum mit den Sinnesorganen über Nervenbahnen verbunden ist.

»Auf der Berührung des Atmungsrhythmus mit den Nervenströmungen beruht es, dass wir uns Bilder machen können von der äußeren Welt. Gedanken, abstrakte Gedanken sind noch durchaus an das Nervenleben gebunden, aber das Bildhafte ist an das Atmungsleben gebunden. So dass man sagen kann: Hier haben wir das bildende Leben.«4

Der Astralleib, der bewusst erlebende Mensch, benötigt für die Bewusstseins-, das heißt die Vorstellungsbildung, eine leibliche Grundlage, die in der Lage ist, diese Erlebnisse nachzubilden bzw. zu spiegeln. Die toten abstrakten Gedanken, die bildlosen, gefühlsarmen Vorstellungen haben die Nerven zur Grundlage. Das lebendige Vorstellen und Erleben hingegen hängt mit dem Atemrhythmus zusammen.5 Dieser findet in dem vom Stoffwechsel frei gewordenen, vormals arteriellen Blut, dem Gehirnwasser, seine Grundlage. Die Bildekräfte des Ätherleibes, die zuvor die im arteriellen Blut bewegten Stoffe an ihrem Ort, den Lebensorganen eingebaut und damit unseren Leib aufgebaut haben, dieselben plastizierenden Bildekräfte werden nun etwa ab dem siebten Lebensjahr frei zur Bildung unserer Vorstellungen! Wenn in diesem Buch weiterhin von der Belebung des Ätherischen gesprochen wird, dann ist damit eine Belebung dieser frei gewordenen Bildekräfte gemeint.

Wenn der Mensch nur einen Astralleib und ein Ich, aber keinen ätherischen Leib besäße, könnte er zwar Erlebnisse und Eindrücke haben, diese würden aber sofort wieder verfliegen und nicht festgehalten werden können. Der Ätherleib ist es, der unsere Erlebnisse vor der Auflösung bewahrt und zwar mit Hilfe der eben beschriebenen Vorgänge innerhalb unseres Gehirns. Diese bilden die leibliche Unterlage, durch die es dem Ätherleib möglich wird, die Erlebnisse tatsächlich festzuhalten. Diese Vorgänge liegen also auch der Gedächtnisbildung zugrunde.

Indem arterielles Blut in klares, stofffreies Gehirnwasser verwandelt wird, werden zuvor stoffgebundene Bildekräfte frei. Diese können in der Berührung des Gehirnwassers mit der Ein- und Ausatmung, in der der Astralleib tätig ist, von diesem zur Vorstellungsbildung genutzt werden. Indem die dabei tätigen Bildekräfte nun aber nicht wieder in leiblich tätige Bildekräfte zurückverwandelt werden, können sie die Vorstellungsinhalte aufbewahren. Dabei dienen die entsprechenden Teile des Gehirns als materielle Grundlage. Lässt der Astralleib die Bildekräfte wieder los, entsteht solchermaßen die Gedächtnisvorstellung, eine rein ätherische Form, die nun nicht mehr im Bewusstsein ist. Der Ätherleib wird so vom »Bewahrer« des stofflichen Leibes zum »Bewahrer« unserer Bewusstseinsinhalte. Diese aufbewahrten Gedächtnisinhalte werden dann beim Erinnerungsvorgang im Sinne des vergangenen Erlebten vom Astralleib im Ätherleib »gelesen»:

»Erinnerung ist, grob verglichen, ein Lesen der Seele in einer späteren Zeit dessen, was mit der Vorstellungsbildung parallel gegangen ist. Die Seele hat unterbewusst dieses Vermögen, in sich zu lesen, was sich gebildet hat, während ich vorgestellt habe.«

»Aber gleichzeitig mit jeder Wahrnehmung verläuft zwischen der Menschenseele und der Außenwelt ein anderer Vorgang. Ein solcher, der im mehr zurückliegenden Teile des Seelenlebens liegt. Da, wo die Wachstumskräfte, wo die Lebens-Impulse wirken. In diesem Teile des Seelenlebens prägt sich beim Wahrnehmen nicht nur ein vorübergehendes Bild, sondern ein dauerndes, reales Abbild ein. Das kann der Mensch ertragen, denn das hängt mit dem Sein des Menschen als Weltinhalt zusammen. Indem dies sich vollzieht, kann er ebenso wenig sich verlieren, wie er sich verliert, da er ohne sein volles Bewusstsein wächst, sich ernährt.

Wenn nun der Mensch seine Erinnerungen aus seinem Innern holt, dann ist das ein inneres Wahrnehmen dessen, was geblieben ist in dem zweiten Vorgang, der sich beim äußeren Wahrnehmen abspielt.«6

Nun geschieht die Aufbewahrung jedoch nicht einfach so, sondern es dauert für gewöhnlich drei Tage und Nächte, bis das Erlebte tatsächlich vom Ätherleib und physischen Leib verarbeitet ist. Die Erlebnisse müssen gewissermaßen den Gesetzen des Ätherleibes erst angepasst werden. Das geschieht hauptsächlich während der Nacht. Und unsere Träume, die durch die Berührung von Astralleib und Ich mit Ätherleib und physischem Leib beim Aufwachen entstehen, sind ein Ausdruck dieser nächtlichen Erinnerungsarbeit.7 Während wir also im Bewusstsein mit unseren Erlebnissen und Sinneseindrücken umgehen, arbeitet unser Ätherleib ständig daran, sich diese einzuverleiben und dem physischen Leibe einzuprägen.

Unser ätherisches Ebenbild: der Doppelgänger

Aber nicht nur dasjenige, was wir gewöhnlich als Erinnerung und Gedächtnis bezeichnen, umfasst der Ätherleib. Es gibt eine gesteigerte Form von Erinnerungen, und diese betreffen unsere Wahrnehmungen des anderen Menschen. Stehen wir jemand anderem gegenüber, so schwingen neben den bewussten Eindrücken, die wir von ihm haben, auch immer unbewusste Eindrücke, Bilder, mit. Rudolf Steiner nennt diese Bilder »gesteigerte Erinnerungen«.8 Womit hängen diese zusammen? In dem betreffenden Vortrag schildert Steiner, dass jeder Mensch durch seinen Ätherleib von einer ganzen Anzahl von elementarischen Wesenheiten umgeben ist, die sich in einer Art elementarischem Gegenbild unseres Ätherleibes, dem ätherischen Doppelgänger, zusammenfassen. Die Art, wie wir uns anderen Menschen gegenüber verhalten, uns zu ihnen stellen, ist besonders geprägt von diesem unseren ätherischen Umfeld. Dieses bildet eine Art von »Sonnensystem« aus, in dessen Zentrum unser ätherischer Doppelgänger steht, umgeben von den »Planeten« der anderen Elementargeister.9

»Nur das müssen wir festhalten, dass wir, während wir gewissermaßen Verwandtschaft haben immer zu einer größeren Zahl von elementaren Wesenheiten, wir Beziehungen haben ganz besonders starker Art zu einer elementarischen Wesenheit, die gewissermaßen das Gegenbild ist von unserem eigenen Ätherleib. Man kann sagen, dass unser eigener Ätherleib zu einem besonderen Ätherwesen intime Beziehungen hat. Und so, wie unser Ätherleib – das, was wir von der Geburt bis zum Tode unseren Ätherleib nennen – dadurch, dass er dem physischen Leib eingegliedert ist, seine besonderen Beziehungen entwickelt zur physischen Welt, so vermittelt uns dieses Ätherwesen, das gewissermaßen das Gegenbild, der Gegenpol zu unserem eigenen Ätherleib ist, unsere Beziehungen zur gesamten elementarischen Welt, zur umliegenden, kosmisch-elementarischen Welt.«10

Dieses Gegenbild unseres ätherischen Leibes ist also gewissermaßen ein Teil unseres Gedächtnisses, indem es die uns unbewussten Eindrücke imaginativer Art aufbewahrt. Zu diesen zählen aber auch jene Eindrücke und Gedanken, die wir uns nicht bewusst machen wollen oder können, weil sie uns unangenehm oder unerträglich sind. Rudolf Steiner nennt diesen Teil unseres Gedächtnisses, der uns unbewusst bleibt, den Doppelgänger des Menschen. Er ist der Bewahrer aller unbewussten Erinnerungen, mithin alles dessen, was wir auch als unseren Schatten bezeichnen können.11 Dieses Ebenbild unseres Ätherleibes spielt daher auch eine besondere Rolle im Moment des Todes. Wir werden sehen, dass wir die bewusste und die unbewusste Natur unseres Ätherleibes, die sich in unserem Gedächtnis und in dessen unbewusstem Ebenbild, dem Doppelgänger ausprägt, noch besser verstehen, wenn wir sein Schicksal über den Moment des Todes hinaus weiter verfolgen, denn Rudolf Steiner hat dazu eindrückliche Beschreibungen gegeben, um dieses Verständnis anzuregen.

Der Moment des Todes und das Lebenspanorama

Tritt der Tod ein, so verliert der Ätherleib den festen Halt, den ihm der physische Leib verliehen hat. Er verliert seine Aufgabe, die er in der Organisation der Stoffe des Leibes und in der Verarbeitung unserer Sinneswahrnehmungen zu Vorstellungen und Erinnerungen gehabt hat. Alles, was an Erinnerungen und gesteigerten Erinnerungen in ihm bewahrt ist, wird nicht mehr physisch festgehalten und kann sich nun innerhalb von drei Tagen der ätherischen Umwelt mitteilen.

Warum innerhalb von drei Tagen? Weil es auch drei Tage gebraucht hat, die Erlebnisse und Eindrücke im Ätherleib zu verarbeiten. Derselbe Zeitraum wird nun benötigt, um sie der kosmischen Umgebung mitzuteilen.12 Dabei entsteht für den Verstorbenen das so genannte Lebenspanorama, in dem alle seine Erinnerungen vor ihm ausgebreitet sind. Das ätherische Geflecht unserer Erinnerungen war, solange wir im physischen Leib verkörpert waren, gewissermaßen zeitlich gegliedert, es konnte immer nur punktuell, das heißt auf einen bestimmten zeitlichen Moment hin erinnert werden. Mit dem Tode des physischen Leibes tritt nun die eigentliche Natur dieses ätherischen Gebildes vor den Verstorbenen hin. Es zeigt sich jetzt, dass alles, was wir im physischen Leib erlebt haben und was durch den Ätherleib belebt und aufbewahrt wurde, nur durch den physischen Leib von seiner geistig-ätherischen Umgebung abgetrennt war. Das Erleben der ätherisch-kosmischen Umgebung ist uns nur durch den physischen Leib genommen worden. Jetzt, nach dem Tode aber, tritt es in unser Bewusstsein ein.

Warum aber kann der Verstorbene davon jetzt ein Bewusstsein haben? Das Bewusstsein kommt ja immer aufgrund des Astralleibes zustande. Dieser ist beim lebenden Menschen, wenn er im Schlaf ist, zwar auch vom physischen Leib getrennt, aber er ist des Nachts damit beschäftigt, dem Ätherleib die Kräfte zuzuführen, die dieser zur Regeneration des physischen Leibes benötigt. Deshalb kann er kein Bewusstsein erzeugen. Nach dem Tode aber fällt diese Aufgabe der Erneuerung des physischen Leibes weg. Daher kann nun ein Bewusstsein der Vorgänge im Ätherischen gebildet werden.

Es entsteht dabei ein quasi räumlicher Eindruck des eigenen Ätherleibes: »Zum Raum wird hier die Zeit«. Das heißt, dass im Ätherischen die zeitlich voneinander getrennten Erlebnisse gleichzeitig erscheinen. Dieser Vorgang ist aber nun keinesfalls einer Auflösung des Ätherleibes gleichzusetzen, sondern er stellt sich, genauer betrachtet als sehr viel komplexer heraus.

»Aber es wäre ganz falsch, wenn Sie sich dieses Übergehen des Ätherleibes in die Ätherwelt auch als ein solches Auflösen denken würden, wie den Übergang des physischen Leibes in die physische Erdenmaterie. Es ist kein Auflösen; sondern das, was in diesen Ätherleib von dem Menschen hineingearbeitet ist, das bleibt darinnen: Der Ätherleib vergrößert sich. … Durch dasjenige, was wir dem Ätherleib gegeben haben, bereichern wir die Ätherwelt nach unserem Tode. Wir können also nicht sprechen von einer Auflösung des Ätherleibes im Äther, sondern wir müssen da schon versuchen, einen ganz anderen Vorgang zu denken, als er in der physischen Welt sein kann. Und es ist gut, dafür ein Wort zu wählen, das sich nicht deckt mit irgendeinem physischen Vorgang. Ich habe viel darüber nachgedacht, und wenn ich bezeichnen will die Art und Weise, wie dieser Ätherleib aufgenommen wird in die Ätherwelt, so könnte ich das am besten bezeichnen mit ›Inbindung‹. Der physische Leib also unterliegt einer Auflösung, der Ätherleib unterliegt einer Inbindung.«13

Das heißt also, dass alles, was wir erlebt, gedacht und empfunden haben und was Bestandteil unseres Gedächtnisses war, nun zum Bestandteil der geistigen Welt, genauer gesprochen der ätherischen Welt wird:

»Da wird allmählich das, was wir im Laufe des Lebens für unseren Ätherleib erworben haben, was wir diesem Ätherleib angeeignet haben, Mitglied der geistigen Welt; das webt sich ein den Kräften der geistigen Welt, und wir müssen nur durchaus uns klar darüber sein, dass jeder Gedanke, jede Vorstellung, jedes Gefühl, das wir entwickeln, wenn sie auch noch so verborgen bleiben, ihre Bedeutungen haben für die geistige Welt, dass sie mit unserem Ätherleib, wenn der Zusammenhalt zerrissen ist mit dem Durchgang durch die Pforte des Todes, in die spirituelle Welt hineingehen und Glieder dieser spirituellen Welt werden. Wir leben nicht umsonst. Die Früchte unseres Lebens, wie wir sie aufnehmen in das, was wir an Gedanken erarbeiten, was wir an Gefühlen erleben, das wird dem Kosmos einverleibt.«14

Noch genauer betrachtet geschieht nun diese »Inbindung« unseres Ätherleibes dadurch, dass der oben erwähnte ätherische Doppelgänger unseren Ätherleib quasi in sich aufnimmt, dass unser Ätherleib also eins wird mit seinem elementarischen Ebenbild. Dieser ist es, der die »Inbindung« vollzieht:

»Dass uns unser Ätherleib einige Tage nach dem Tode abgenommen wird, das beruht im Wesentlichen darauf, dass unser Ätherleib gewissermaßen angezogen, aufgesogen wird durch sein ätherisches Gegenbild und mit diesem nun eins wird, so dass wir in der Tat einige Tage nach dem Tode unseren Ätherleib ablegen, gewissermaßen ihn übergeben, aber an unser ätherisches Gegenbild.«15

Ätherleib und Weltenäther – das Kamaloka

Der Ätherleib hat sich also innerhalb von drei Tagen nach dem Tode von Astralleib und Ich abgetrennt und wird nun in die elementarische Welt eingearbeitet. Es ist dies die Zeit des sogenannten »Kamaloka«, in der der Verstorbene sein vorhergehendes Erdenleben noch einmal rückwärts durchläuft. Das geschieht in etwa in der Zeit, die er auf Erden geschlafen hat, weil er in den Nächten auf Erden bereits in ähnlicher Form auf sein jeweiliges Tageserleben hinschauen konnte.16

Die Erlebnisse während der Kamalokazeit werden nun ganz entscheidend von dem Blick des Verstorbenen auf das Schicksal seines Ätherleibes geprägt. Denn jetzt zeigt sich, ob die in diesem aufbewahrten Gedanken, Gefühle und Erinnerungserlebnisse der kosmisch-ätherischen Umgebung entsprechen oder ob sie Fremdkörper sind, die von dieser Umgebung nicht aufgenommen werden können.17 Es zeigt sich sozusagen, was wir aus den freien Kräften des Ätherleibes an Vorstellungen gewonnen haben, wie diese unser Handeln beeinflusst haben und was für Erinnerungsvorstellungen wir daraus gewonnen haben. Können diese in dieser Form umgewandelten Lebenskräfte nun nicht der ätherischen Umwelt »ingebunden«, d.h. zumindest teilweise in ätherische Lebenskräfte zurückverwandelt werden, so ergibt sich daraus das Schicksal des nächsten Erdenlebens, an diesen Unvollkommenheiten weiterzuarbeiten. Unser ätherisches Gegenbild, der Doppelgänger, begleitet uns in diesem Sinne über mehrere Erdenleben hinweg, er bleibt als ein überzeitliches Gedächtnis erhalten und kann erst dann von der ätherischen Weltensubstanz aufgenommen werden, wenn wir ihn entsprechend umgearbeitet haben.

Rudolf Steiner weist darauf hin, dass durch die »Inbindung« des Ätherleibes in die elementarische Umgebung auch die Eintragungen in die Akasha-Chronik »geschrieben« werden. Was während des Erdenlebens durch den physischen Leib festgehalten wurde, wird nach dem Tode der Ätherwelt eingeschrieben:

»Solange der Mensch nun auf der Erde lebt, gerät sein Ätherleib immer, wenn er sein Bewusstsein im Wachzustande entwickelt, in Mitbewegung. Und diese Mitbewegung findet ihre Grenzen an der Form des physischen Leibes. Sie kann gewissermaßen nicht hinaus über die Hautgrenze. Und so bleibt während des ganzen Lebens zwischen Geburt und Tod die feine Äthersubstantialität, in der sich mit bewegen die Gedanken, die Vorstellungen, die Gefühls- und Willenserlebnisse, gewissermaßen zusammengerollt innerhalb des physischen Leibes. Und wenn der physische Leib im Tode abgelegt wird, dann rollt sich das Ganze, wie wir es öfter beschrieben haben, auf und wird jetzt der Weltensubstantialität mitgeteilt, so dass wir jetzt, nach dem Tode, beginnen zurückzuschauen auf das, was eingraviert worden ist in unsere Ätherindividualität, die jetzt, nach dem Tode, aufgeht in die Weltenäthersubstantialität.«18

Auf diese Eintragungen blickt der Verstorbene nun hin und erkennt daran seine Unvollkommenheiten, erkennt, was er weiter an sich zu arbeiten hat:

»Denn überlegen Sie nur einmal, was der Mensch alles denkt! Wäre es nicht der schrecklichste Gedanke, den Sie fassen können, wenn Sie sich sagen müssten, dass alle Gedanken der Menschen objektiv in die Weltenmaterie eingegraben werden und also ewig da sein würden? Das aber würde geschehen, wenn der Mensch nicht dadurch, dass er wiederholte Erdenleben durchmacht, in der Lage wäre, diejenigen Gedanken, die nicht bleiben sollen, wieder auszubessern, entweder zu korrigieren oder ganz auszumerzen und durch andere zu ersetzen und so weiter. Das ist eben etwas, was die Evolution durch die verschiedenen Erdenleben hindurch bildet: dass der Mensch in die Lage kommt, wirklich das, was er bei jedem Tode in die allgemeine Weltensubstantialität eingräbt, zu verbessern, und dass er anstreben kann, dass wirklich von ihm aus, wenn er durch die letzte Erdeninkarnation gegangen sein wird, nur solches der Weltenäthersubstantialität übergeben worden ist, was nun wirklich bleiben kann.«19

In dem, was hier als »Weltenäthersubstantialität« angesprochen wird, ist nun auch ein Bereich der so genannten »Akasha-Chronik« anzusiedeln.20 Ihre Eintragungen kommen u.a. durch die hier beschriebene »Inbindung« des Ätherleibes zustande.21

Daraus erwächst natürlich für unser Erdenleben ein ungeheures Verantwortungsgefühl, weil man sich sagen muss, dass alles, was man denkt oder fühlt, einstmals dem Weltenäther übergeben werden muss, dort aber nur aufgenommen werden kann, wenn es dieser Weltensubstanz ebenbürtig ist.

Dem nach geistiger Erkenntnis Strebenden tritt deshalb an der Schwelle der geistigen Welt ein »Hüter der Schwelle« entgegen, der sich ihm zunächst in der Gestalt seines ätherischen Ebenbildes, seines Doppelgängers, zeigt.22 An diesem wird nun schon während des Lebens bewusst, wie unser ätherisches »Konto« aussieht. Nur dadurch, dass der Geistesschüler sich dieses ätherischen Ebenbildes, seines »Schuldenkontos« bewusst ist, kann er in der ätherischen Welt tatsächlich etwas wahrnehmen. Würde er ohne Kenntnis seines Doppelgängers in der ätherischen Welt wahrnehmen, so würden sich in diese Wahrnehmungen ständig die ätherischen Ebenbilder des eigenen Ätherleibes hinein mischen. Die Folge wäre eine subjektiv verunreinigte, nicht objektive Wahrnehmung.

Konservierung des Ätherleibes – Lebensgeist

Kommen wir nun noch zu einem weiteren Aspekt des nachtodlichen Schicksals unseres Ätherleibes. Es gibt einige Schilderungen Rudolf Steiners, die uns darauf aufmerksam machen, dass sich Teile des Ätherleibes nach dem Tode nicht auflösen bzw. in die Ätherumgebung eingebunden werden, sondern dass diese bestehen bleiben, »konserviert« werden.

Eine Ausnahmesituation ergibt sich schon im Falle eines Eingeweihten. Dessen Ätherleib bleibt nach dem Tode so gut wie vollständig erhalten, löst sich also überhaupt nicht auf. Wie ist das möglich? Unser Wesengliedergefüge ist ja so beschaffen, dass wir die drei leiblichen Glieder, physischer Leib, Ätherleib und Astralleib besitzen, die irdisch und damit vergänglich sind. Sie werden beim Tode und danach Stück für Stück abgelegt. Dann haben wir die drei Seelenglieder, von denen eines, nämlich die Empfindungsseele, am engsten mit dem Leib verbunden ist, die Bewusstseinsseele hingegen mit dem Geist. Dazwischen lebt als Seelenkern die Verstandesseele. Unsere geistigen Wesensglieder sind in der Regel heute noch nicht ausgebildet, sind also nur keimhaft vorhanden. Arbeitet der Mensch nun an seinen Leibesgliedern, so wandelt er Leibliches in Geistiges vom Vergänglichen zum Unvergänglichen um. Der Astralleib wird in der Zukunft auf diese Weise zum Geistselbst, der Ätherleib zum Lebensgeist und der physische Leib zum Geistesmenschen.

Wenn also der Ätherleib des Eingeweihten nicht vergeht, dann deshalb, weil er ihn bereits in den Lebensgeist umwandeln konnte. Er bildet dann für ein neues Erdenleben keinen neuen Ätherleib, weshalb auch sein Aufenthalt in der geistigen Welt nach dem Tode sehr viel kürzer ausfällt als beim normalen Menschen und sich dadurch auch seine äußere Erscheinung über verschiedene Erdenleben hinweg ähnlich bleiben kann.23

Wie sieht es aber für den normalen Menschen aus? Was heißt es, wenn Rudolf Steiner von »Konservierung« des Ätherleibes spricht? Nach dem, was wir vom Eingeweihten erfahren haben, müsste es sich um eine partielle Umwandlung des Ätherleibes in den Lebensgeist handeln. Was aber ist der Lebensgeist, wie kommt diese Umwandlung des Ätherleibes zustande?

Die Ätherisation des Blutes und die Selbstlosigkeit des Leibes

Schauen wir noch einmal auf den Ätherleib im irdischen Dasein. Der Mensch war ursprünglich kein physisches Wesen. Er besaß bis in die lemurische Zeit hinein noch keinen physisch sichtbaren Leib, der Träger eines Ich hätte sein können. Dieser hat sich erst im Laufe der Evolution aus dem Ätherleib heraus verdichtet, verstofflicht. Der höchste Ausdruck dieser Verstofflichung ist unser Blut, genauer gesprochen unser arterielles Blut.

Nun schildert Rudolf Steiner, dass im Laufe dieser evolutionären Verdichtung die Gefahr bestand, dass der physische Leib, der Ätherleib und der Astralleib durch die luziferischahrimanischen Gegenmächte so korrumpiert worden wären, dass beispielsweise unsere mit dem Ätherleib verbundenen Lebensorgane nur sich selbst empfunden, sich gewissermaßen selbst verzehrt hätten.24 Um diese und weitere Gefährdungen zu verhindern, opferte sich bereits vor dem Mysterium von Golgatha jene Wesenheit, die sich später als der Jesus von Nazareth inkarnierte und die Rudolf Steiner als die »Schwesterseele« der Menschheit bezeichnet,25 und ließ sich von der Christus-Wesenheit »durchseelen». Dieser von Steiner als »Vorstufe des Mysteriums von Golgatha« bezeichnete Vorgang, der sich dreimal wiederholte, war für die Evolution des Menschen und für sein eigentliches Menschsein von allergrößter Bedeutung. Er ist in der heutigen Evolutionslehre von der biologischen Seite her als die Grundlage der Empathiefähigkeit des Menschen bekannt.26

Rudolf Steiner beschreibt diesen Vorgang am Beispiel unserer zentralen Lebensorgane, unseres Herzens und unseres Gehirns, im Hinblick auf die makrokosmische, phylogenetische Evolution noch genauer und spricht in diesem Zusammenhang von der »Ätherisation« des Blutes.

»So gehört es also zu den wichtigsten Impulsen unserer Erdenentwickelung, dass die Ätherkräfte, nachdem sie sich zu einem Organsystem verdichtet haben, nicht bei diesem Ziel- und Endpunkt gelassen werden, sondern dass gleichsam andere Kräfte, andere Impulse eingreifen, die wiederum auflösen. In demselben Momente, wo unsere menschlichen Organe ihre stärkste Dichtigkeit in der Erdenentwickelung erlangt haben, da lösen gewisse Mächte des Makrokosmos die Substantialitäten dieser Organsysteme wieder auf, so dass das, was früher gleichsam hineingeschlüpft ist in die Organsysteme, jetzt wiederum herauskommt, wiederum sichtbar wird.«27

So kann der Eingeweihte heute beim einzelnen Menschen, ontogenetisch sozusagen, wahrnehmen, wie neben dem Blutstrom, der vom Herzen zum Kopf strömt, ein zweiter, ätherischer Strom parallel läuft. Dieser Strom von sich ätherisierendem Blut ist es, der unser Gehirn so plastisch macht, dass es in der Lage ist, Vorstellungen über die Außenwelt zu bilden.

Wir haben oben ja bereits gesehen, welche Vorgänge innerhalb des Gehirns dieser Ätherisation des Blutes zugrunde liegen. Es ist die Umwandlung arteriellen Blutes in das Gehirnwasser innerhalb des im Inneren des Gehirns liegenden Adergeflechtes. Das Gehirnwasser aber kann nun durch die Atmung im Rückenmarkskanal auf- und abströmen. Diesen Strom meinte Rudolf Steiner offensichtlich, wenn er 1911 von der Ätherisierung des Blutes sprach.28 Wäre das nicht der Fall, könnte unser Gehirn nur auf den eigenen Leib und dessen Bedürfnisse bezogene Vorstellungen ausbilden, nicht aber über die Außenwelt. Die Ätherisation des Blutes bildet also für alles, was wir vorher als die Kulturseite unseres Ätherleibes bezeichnet haben, die entscheidende Grundlage, indem unser Gehirn dadurch gewissermaßen zu einem selbstlosen Organ zur Ausbildung von Vorstellungen gemacht wird.

Diese Selbstlosigkeit ist nun aber nur eine leibliche Voraussetzung für die Freiheit des Menschen. Nimmt er nämlich durch sein Ich und seinen Astralleib nun dieser Freiheitstendenz unseres Organismus entgegenwirkende Impulse von Luzifer (sich selbst erleben wollende Ichsucht) oder Ahriman (Verhärtung in materialistischem Streben) auf, so können diese über den Astralleib auf den Ätherleib zurückwirken und die in ihm veranlagten freien Bildekräfte an den physischen Leib, das heißt vor allem an die Nerven-Sinnestätigkeit zurückbinden. Dieser physiologische Angelpunkt unserer Freiheit, die Art der Vorstellungsbildung, die Art, wie wir die freien Bildekräfte unseres Ätherleibes nutzen, ist naturgemäß auch der Hauptangriffspunkt für die Wirksamkeit der Gegenmächte.

Die Ätherisation des Erdorganismus durch das Mysterium von Golgatha

Der Vorgang der Ätherisation kann noch weiter betrachtet werden. Rudolf Steiner schildert nämlich in diesem Zusammenhang auch, wie diese mikrokosmische Ätherisation unseres Blutes ein makrokosmisches Vorbild hat, das sich mit dem Tod am Kreuz von Golgatha vollzogen hat.29 Das am Kreuze fließende Blut des von dem Christus durchdrungenen Jesus von Nazareth verband sich mit dem gesamten Erdorganismus und strömt nun als ätherisiertes Blut weiterhin mit dem Leben unserer Erde mit.30 Es hat sich gewissermaßen diese Lebenssubstanz des Christus-Jesus mit der Erde verbunden.

»So wie in der Gegend des menschlichen Herzens ein fortwährendes Verwandeln des Blutes in Äthersubstanz stattfindet, so findet ein ähnlicher Vorgang im Makrokosmos statt. Wir verstehen dieses, wenn wir unser Auge hinwenden auf das Mysterium von Golgatha und auf jenen Augenblick, in dem das Blut des Christus Jesus geflossen ist aus den Wunden. Dieses Blut darf nicht nur als chemische Substanz betrachtet werden, sondern es ist durch alles das, was geschildert worden ist als die Natur des Jesus von Nazareth, etwas ganz Besonderes. Und indem es ausfloss und hineinströmte in die Erde, ist unserer Erde eine Substanz gegeben worden, die, indem sie sich mit der Erde verband, ein Ereignis war, das ein bedeutendstes ist für alle Folgezeiten der Erde, und das auch nur einmal auftreten konnte. Was geschah mit diesem Blut in den folgenden Zeiten? Nichts anderes, als was sonst im Herzen des Menschen geschieht. Dieses Blut machte im Verlaufe der Erdenevolution einen Ätherisierungsprozess durch. Und wie unser Blut als Äther vom Herzen nach oben strömt, so lebt im Erdenäther seit dem Mysterium von Golgatha das ätherisierte Blut des Christus Jesus.«31

Deshalb kann der Christus-Jesus auch in den Lebensrhythmen unserer Erde beobachtet werden. Der Jahreslauf und sein Rhythmus von Einatmung im Winter und Ausatmung im Sommer ist in diesem Sinne auch der Atmungsvorgang der mit unserer Erde verbundenen Christus-Wesenheit.32 Mit diesem Atmungsvorgang kann sich der Mensch nun vereinen.

»Dadurch, dass in dem Erden-Ätherleib das ätherische Blut des Jesus von Nazareth ist, strömt mit dem von unten nach oben, vom Herzen nach dem Gehirn strömenden ätherisierten Menschenblute dasjenige, was das ätherisierte Blut dieses Jesus von Nazareth ist, so dass nicht nur das zusammentrifft im Menschen, was früher geschildert worden ist, sondern es trifft zusammen die eigentliche menschliche Blutströmung und die Blutströmung des Christus Jesus. Aber eine Verbindung dieser beiden Strömungen kommt nur zustande, wenn der Mensch das richtige Verständnis entgegenbringt dem, was im Christus-Impuls enthalten ist.«33

Rudolf Steiner hat dazu, kurze Zeit nach dieser Aussage, eine meditative Grundlage in dem Anthroposophischen Seelenkalender geschaffen, durch die der Mensch das makrokosmische Ätherisierungsgeschehen nachvollziehen kann.34

Der ätherische Charakter imaginativer Erfahrungen

Bilden wir auf diese Weise Vorstellungen aus, die sich nicht mehr auf Physisch-Sinnliches, sondern auf Geistiges beziehen und verbinden wir uns zum Beispiel durch die Meditation des Anthroposophischen Seelenkalenders in unserer Gedankenwelt mit dem in den Rhythmen des Jahreskreislaufes lebenden Christusimpuls, dann wird dadurch ein Teil unseres Ätherleibes umgewandelt. Er verwandelt sich in individualisiertes Geistiges, in Lebensgeist. Die freien Bildekräfte gehen durch ihre Offenheit dem Atmungssystem gegenüber in unvergängliche, aber individualisierte geistige Kräfte über. Das erwachende Bewusstsein vom Ätherischen stellt zugleich einen Auferstehungsvorgang dar, durch den Leibliches in Geistiges, man könnte auch sagen Kosmisches, verwandelt wird.

»Der Mensch behält die Imaginationen nicht in sich; sie sind in das kosmische Sein eingezeichnet; und aus diesem kann er sie immer wieder in dem Bild-Vorstellungsleben abmalen. … Was der Mensch von der Kraft des bewussten Imaginierens erlebt, das wird zugleich Welt-Inhalt. … Die Christuskraft prägt die Menschen-Imagination dem Kosmos ein. Die Christuskraft, die mit der Erde verbunden ist.«35

Die auf diese Weise erworbenen Erfahrungen, die Rudolf Steiner als Imaginationen bezeichnet, stellen nun wiederum einen Gegenpol zu den unbewussten Imaginationen dar, aus denen unser ätherisches Ebenbild, unser Doppelgänger besteht. Dieser begleitet uns, weil wir gewissermaßen einen Teil unseres Gedächtnisses nicht in uns, sondern außerhalb von uns tragen. Es sind die unverarbeiteten, nicht bewussten Imaginationen, die Schattenseiten unseres Selbst, die hier aufbewahrt werden.

Die bewussten Imaginationen aber, die wir auf dem Wege der Ätherisation wie oben beschrieben erworben haben, prägen sich nun ebenfalls nicht unserem bewussten Gedächtnis ein und können deshalb auch nicht erinnert werden. Rudolf Steiner macht auf diese Tatsache der Nichterinnerbarkeit immer wieder als ein Qualitätsmerkmal imaginativer Erfahrungen aufmerksam. Daher müssen diese verwandelten Teile unseres Ätherleibes, diese imaginativen Eindrücke immer wieder neu erzeugt und aufgesucht werden.

Imaginative Erfahrungen sind ihrer Qualität nach ins Bewusstsein gehobene, sonst unbewusst bleibende Imaginationen. Wir haben diese auch sonst im Leben, auch in unserem Traumleben tauchen solche Eindrücke auf. Aber solange sie unbewusst bleiben, leben sie gewissermaßen nur ein Schattendasein. Werden sie aber ins Bewusstsein heraufgehoben und dann durch die Beschäftigung mit der anthroposophischen Geisteswissenschaft auch begrifflich festgehalten, dann können sie immer wieder neu aufgesucht, jedoch nicht erinnert werden. Erinnert werden können nur die in Begriffe verwandelten Vorstellungen.

»Man kann scheinbar ganz richtig einwenden: Wie kann man denn überhaupt wissen, dass irgendeine geistige Erfahrung neu ist, wenn man sich nicht erinnert? An die geistige Erfahrung kann man sich ebenso wenig erinnern, wie man sich nicht an gewisse Menschen erinnert, die man nicht vor sich hat. Das geistige Ereignis, das entschwindet, das wird nicht in der Erinnerung aufbewahrt. Nur dann, wenn man es umgewandelt hat in Begriffe, in Vorstellungen, erinnert man sich an die Vorstellungen.«36