Der Mir von Dschinnistan - Karl May - E-Book

Der Mir von Dschinnistan E-Book

Karl May

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Beschreibung

'Der Mir von Dschinnistan' ist Fortsetzung von 'Ardistan'. Kara Ben Nemsi gelingt es nach und mit vielen Mühen, den Mir von Ardistan von seinen despotischen, gewaltsamen Methoden wegzubringen. Gemeinsam stellen sie sich gegen einen Verräter, der sich selbst zum neuen Mir von Ardistan ausruft. - Höhepunkt des Romans sind die Erlebnisse rund um die Dschemma der Toten. In seinem Spätwerk, zu dem der vorliegende Band 'Der Mir von Dschinnistan' gehört, schreibt Karl May zwar immer noch Abenteuerromane, aber er spickt sie voll theologisch-philosophischer Gedanken.

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Karl May

 

Der Mir von Dschinnistan

 

Ardistan und Dschinnistan Band 2

 

 

 

 

(Dies ist keine Ausgabe des Karl May Verlags)

 

Basel, 2015

[email protected]

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Mit der Natur im Bunde

In der Höhle des Löwen

Weihnacht

Nach der »Stadt der Toten«

Wieder frei

Gegenzüge

Die Schlacht am Dschebel Allah

Nach der Grenze empor

[email protected]

Mit der Natur im Bunde

Als wir die Offiziere der Dschunub überholt hatten, befanden wir uns bereits im geologischen Gebiet der Landenge. Der Sand wechselte mit festem Gestein. Felsenstücke lagen zerstreut umher. Es bildeten sich Bodenerhebungen, die erst nur leise begannen, dann aber um so kräftiger wurden, je weiter wir kamen. Und da sahen wir Halef weit draußen am Horizont, zunächst nur als kleinen Punkt, doch kamen wir ihm so rasch näher, daß wir sehr bald Reiter und Pferd voneinander unterscheiden konnten. Er ritt nicht mehr Galopp, sondern Trab. Darum zügelten wir unseren rasenden Lauf, zumal Halef anhielt, um auf uns zu warten, als er uns kommen sah. Er lachte mit dem ganzen Gesicht.

»Ist er auf den Dicken gestiegen?« fragte er uns schon von weitem entgegen.

»Ja«, antwortete ich.

»So sei Allah ihm barmherzig und gnädig! Was es heißt, auf diesem Ungetüm zu sitzen, das können nur meine Knochen und Knöchelchen schildern; leider aber bin ich es allein, der ihre Sprache empfindet. Wie kommst du zu diesen Menschen? Was wollen sie? Warum nahmen sie dich gefangen? Oder vielmehr, warum gingst du darauf ein, als Gefangener zu gelten?«

»Davon später, lieber Halef. Vor allen Dingen muß ich wissen, wie du auf den Gedanken gekommen bist, uns entgegenzureiten, und zwar auf Smihk, der doch in der Hauptstadt zu sein hat, aber nicht hier!«

»Er hat da zu sein, wo sich sein Herr befindet!«

»Ganz recht! Ich habe mir auch, sobald ich ihn sah, sofort gesagt, daß Scheich Amihn uns nachgekommen ist.«

»Nicht nur er, sondern auch Taldscha, seine Frau!«

»Auch sie? Was ist geschehen?«

»Etwas außerordentlich Wichtiges. Du sollst es sofort hören!«

Dieses »sofort« war bei ihm niemals wörtlich zu nehmen. Er pflegte Dinge, die er für wichtig hielt, stets so ausführlich wie möglich zu behandeln. Darum machte er, während wir weiterritten, eine kleine Kunstpause, um unsere Spannung zu erhöhen, und begann dann an einem Punkt, der scheinbar gar nicht zur Sache gehörte:

»Sihdi, weißt du, daß Ardistan zwar bis an das Meer reicht, aber ohne Häfen und darum auch ohne Schiffahrt ist?«

»Ja. Nur zuweilen kommt ein kühner Indochinese oder Sundamalaie auf leicht gebautem Segler nach der unwirtlichen Küste von Ardistan, um bei den wenigen Menschen, die da wohnen, Waren einzutauschen.«

»Ganz recht, Effendi! Und mit so einem Malaien ist der Diener gekommen.«

»Welcher Diener?«

»Welcher? Ah, richtig! Das weißt du ja noch nicht! Also, der Mir von Ardistan hat jetzt endlich dem Mir von Dschinnistan den Krieg erklärt, offen, gerade heraus, oder wie nennt man das in eurem Abendland?«

»Amtlich, offiziell.«

»Ja, so ist es richtig: amtlich, offiziell. Daß die beiden Söhne des Scheichs der Ussul zur Leibwache des Mirs von Ardistan gehören, ist dir bekannt?«

»Ja. Doch glaube ich, daß sie trotz dieser Stellung nur Bewachte, nicht aber Wächter sind. Ich halte sie nicht für Kommandierende, sondern für Geiseln, durch welche sich der Mir Gehorsam erzwingen will.«

»Diese Vermutung scheint sich zu bewähren. Denn die beiden Söhne des Scheichs sind ganz plötzlich verschwunden. Der Mir hat verlangt, daß ihm der Scheich tausend Ussulkrieger sende, um ihm gegen Dschinnistan beizustehen. Da haben die Söhne sich geweigert, dies ihrem Vater zuzumuten. Sie haben erklärt, daß die Ussul nicht den geringsten Grund haben, den Mir von Dschinnistan zu bekämpfen. Hierauf sind sie mitten in der Nacht, als alles schlief, ergriffen und mit einem ihrer Diener, der sich bei ihnen befand, heimlich fortgeschafft worden. Wohin, das hat man ihnen nicht gesagt. Der Diener aber behauptet, wahrscheinlich nach der Todesstadt, denn sie sei der schon von alters her gebräuchliche Ort, mißliebig gewordene hohe Personen verschwinden zu lassen. Sie wurden auf Pferde gebunden. Der Ritt dauerte lang. Am zweiten Abend gelang es dem Diener, zu entwischen. Er entkam nach der Küste und wurde dort von einem malaischen Schiffer aufgenommen, der ihn gegen das Versprechen einer guten Belohnung quer über die Bai und dann den Fluß hinauf fast bis nach Ussula brachte. Er kam nach der Stadt, gerade als der Dschirbani mit seinen Hukara von dort abgezogen war. Die Ältesten wurden schnell zur Beratung zusammengerufen, und man beschloß, dem Dschirbani rasch zu folgen, um mit dir und ihm das Nötige zu besprechen. Die Angst hat den Eltern Flügel verliehen. Sie kamen heute früh hier an.«

»Und der Dschirbani?«

»Schon gestern Abend.«

»Aber nicht mit allen seinen Hukara! Das ist nicht möglich!«

»Nein, nur mit einigen. Die übrigen kamen dann während der Nacht, in der Reihenfolge der Leistung ihrer Pferde. Er hat sich keinen Schlaf gegönnt, sondern sofort alle Vorbereitungen getroffen, denen du gewiß gern zustimmen wirst. Es wurden von dem Engpaß bis nach der Hauptstadt Zwischenstationen eingerichtet und bis zum Fluß Wasserposten gestellt, die erst die geleerten und dann die wiedergefüllten Schläuche einander zu reichen haben. Ich habe ihn auch schon zum Brunnen des Engels geführt, über dessen Wert er von sehr hoher Meinung ist. Er hat die Strecke vom Felsenloch bis zum Felsentor genau untersucht ...«

»Auch den verborgenen Weg?« unterbrach ich ihn.

»Ja, auch den. Und er sagte, daß es keine bessere Falle geben könne als diese. Seine Hukara sind auch schon ganz genau so aufgestellt und unterwiesen, als ob die Feinde augenblicklich zu erwarten seien. Ich glaube nicht, daß du noch irgend etwas hinzuzufügen hast. Du wirst zufrieden sein.«

»Wie steht es mit dem Palang und seinen beiden Gefährten?«

»Die stecken in einer Felsenenge gefangen, aus der sie nicht entkommen können, und werden von meinem Hu bewacht.«

»Und der oberste Minister und der oberste Geistliche von Dschunubistan?«

»Die stecken in einer anderen Felsenspalte, aus der sie nicht herauskönnen, und werden von Hi bewacht.«

»Also auch gefangen?«

»Natürlich! Sie waren unterwegs dem Dschirbani begegnet und von ihm veranlaßt worden, mit ihm umzukehren, da er derjenige sei, der über ihre Wünsche zu bestimmen habe. Er hatte an ihre Ehrlichkeit geglaubt und sie darum ihrem hohen Rang gemäß behandelt. Sobald er aber dann von mir erfuhr, was eigentlich ihre Absicht sei, wurden sie ebenso eingesperrt wie die drei Tschoban.«

»Haben die Tschoban und die Schunub einander gesehen?«

»Ja. Es ist nicht zu vermeiden gewesen.«

»Nun, und warum kamst du uns jetzt entgegengeritten? War das der Wille des Dschirbani?«

»Nein; der wünschte es nicht. Aber der Scheich und die Scheichin trieben mich; sie haben Angst um ihre Söhne, und sie glauben, sich mehr auf dich als auf den Dschirbani verlassen zu können. Sie sind ungeduldig zunächst auf deinen Rat. Darum forderten sie mich auf, dir mit der Bitte entgegenzureiten, dich zu beeilen. Und als der Dschirbani meinte, daß dies überflüssig, unter Umständen sogar gefährlich sei, veranlaßten sie mich, es ohne sein Wissen zu tun. Ich konnte nicht widerstehen und hätte gern ein Pferd der Tschoban oder der Dschunub genommen; das hätte mich aber dem Dschirbani verraten, und so war ich denn gezwungen, auf Smihk, den Dicken, zu klettern und heimlich fortzureiten. Und der war gescheiter als ich. Ich wollte nach Nordost; er aber ging mit mir durch und rannte nach Nordwest; da, Sihdi, traf ich dich!«

Wir waren während dieses Berichtes so weit gekommen, daß wir jetzt die See erblickten und den Felsenzug des Engpasses vor uns liegen sahen. Ich erzählte Halef, was wir unterwegs erlebt und erfahren hatten. Dann war die Landenge erreicht; das Meer erschien auch auf der andern Seite, und in einiger Entfernung stieg gerade vor uns das Felsentor empor. Noch eine Strecke weiterhin trat der erste Posten der Ussul, um sich uns zu zeigen, hinter Steinen hervor, die ihn verborgen hatten. Dieser Posten bestand aus Irahd, dem bekannten Anführer, und acht seiner Leute. Er hatte diesen wichtigen Posten selbst übernommen, um gewiß zu sein, daß nichts Fehlerhaftes geschehe. Und eben, als wir mit ihm sprachen, kam der Dschirbani mit vielleicht einem Dutzend seiner Hukara geritten, um diesen Teil des Kampfplatzes zu besichtigen. Es war ein lieber, warmer, aufrichtiger Händedruck, mit dem er mich begrüßte; vor Abd el Fadl aber verbeugte er sich tief und feierlich, wie vor einer Person von höchstem Stand. Das fiel mir auf. Einige kurze Fragen und Antworten genügten für ihn und mich, uns gegenseitig das Nötigste mitzuteilen; dann bat er mich, mir die Aufstellung seiner Truppen zeigen zu dürfen. Ich willigte ein, obgleich es mir Spaß gemacht hätte, bei der Gefangennahme der Dschunuboffiziere, die nun bald erscheinen mußten, zugegen sein zu können. Ich belehrte Irahd, wie das zu machen sei, und Halef versicherte mir mit sehr unternehmendem Lächeln, daß ich da ganz unbesorgt sein könne, weil er selbst hierbleiben werde, um für einen festlichen Empfang dieser Herren einzutreten.

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