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Deutschland zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts. Zwei erwachsene Menschen, ein noch junger Mönch und ein in die Jahre gekommener Bader, erleben hautnah und zum Teil selbst in die Handlungen eingebunden, eine Zeit, in der es den Menschen sehr schlecht ging und die Gelegenheit zum Lachen auf einem engen Raum begrenzte. Durch Kriege, der menschenverachtenden Raffsucht des Adels, der Kirche mit ihren Gesetzen, die jeden neuen Ansatz zur Verbesserung der Lebenslage der Menschen, sowohl materiell als auch ideell im Keime erstickten und mit so genannten Gottesurteilen, dem Scheiterhaufen und der Folter durch die Inquisition, wurde den einfachen Menschen, besonders von denen auf dem Land, das Leben unsäglich schwer gemacht. Gott hat ja die Menschen nicht des Leidens und des Sterbens wegen geschaffen - ganz sicher nicht! Die Oberschicht des Landes sperrt sich vehement gegen jede Art von geistigem und materiellem Fortschritt, es sei denn, sie sind einzig und allein die Nutznießer dieser Veränderungen. Das Buch verspricht viel Spannung, in einer Atmosphäre voller: Schikanen, sadistischem Missbrauch des Glaubens, Angst vor Folter und Todesqualen, Liebe, selbstloser Hilfe, unerträglicher Schmerzen, körperlichen Leides und zaghafter Hoffnung auf Besserung.
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Seitenzahl: 290
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In Liebe - für Barbara, Alexandra, Kai, Timon, Nele und Isabelle
Pressestimme von Paolo Pinkel am 3. Juni 2016
'Wanderer, kommst Du nach Velden''. Wer schon einmal im kleinen Velden an der Vils war, der merkt gleich, dass an diesem Ort Kunst, Kultur und Literatur einen besonderen Stellenwert genießen. Der Ort platzt aus allen Nähten vor Skulpturen, Denkmälern und gemütlichen Ecken die zum Verweilen einladen. So ist es auch ganz und gar nicht verwunderlich, dass sich an diesem Ort ein literarischer Philanthrop wie Dietmar Dressel angesiedelt hat.
Dressel versteht es wie wenige andere seines Faches, seinen Figuren Leben und Seele einzuhauchen. Auch deswegen war ich begeistert, dass er sich an das gewagte Experiment eines historischen Romans gemacht hatte. Würde ihm dieses gewagte Experiment gelingen?
Soviel sei vorweg genommen: Ja, auf ganzer Linie!
Aber der Reihe nach. Historische Romanautoren und solche, die sich dafür halten, gibt es jede Menge. Man muß hier unterscheiden zwischen den reinen 'Fiktionisten' die Magie, Rittertum und Wanderhuren in eine grausige Suppe verrühren und historischen „Streberautoren“, die jedes noch so kleine Detail des Mittelalters und der Industrialisierung studiert haben und fleißig aber langatmig wiedergeben. Dressel macht um beide Fraktionen einen großen Bogen und findet zum Glück schnell seinen eigenen Stil. Sein Werk gleicht am ehesten einem Roman von Ken Follett mit einigen erfreulichen Unterschieden!
Follett recherchiert mit einem großen Team die Zeitgeschichte genauestens und liefert dann ein präzises, historisches Abbild. Ein literarischer und unbestechlicher Kupferstich als Zeugnis der Vergangenheit. Dressel hat kein Team und ersetzt die dadurch entstehenden Unklarheiten gekonnt mit seiner großartigen Phantasie. Das Ergebnis ist, dass seine Geschichten und Landschaften 'leben' wie fast nirgendwo anders.
Follett packt in seine Geschichten stets wahre Personen und Figuren der Zeitgeschichte hinein, die mit den eigentlichen Helden dann interagieren und sprechen. Das nimmt seinen Geschichten immer wieder ein wenig die Glaubwürdigkeit. Dressel hat es nicht nötig, historische Figuren wiederzubeleben. Das Fehlen echter historischer Persönlichkeiten gleicht er durch menschliche Gefühle und lebendige Geschichten mehr als aus.
Folletts Handlungen sind zumeist getrieben von Intrige, Verrat und Hinterhältigkeit. Er schreibt finstere Thriller, die Ihren Lustgewinn meist aus dem unsäglichen Leid der Protagonisten und der finalen Bestrafung der 'Bösen' ziehen. Dressel zeigt uns, dass auch in einer so finsteren Zeit wie der frühen, industriellen Neuzeit Freundschaft, Liebe und Phantasie nicht zu kurz kommen müssen. Er wirkt dabei jedoch keinesfalls unbeholfen sondern zeigt uns als Routinier, dass er das Metier tiefer Gefühle beherrscht, ohne ins Banale abzugleiten.
Folletts Bücher durchbrechen gerne die Schallmauer von 1000 und mehr Seiten. Er beschreibt jedes Blümchen am Wegesrand. Dressel kommt mit viel weniger Worten aus. Substanz entscheidet!
In der linken Ecke Ken Follett aus Chelsea, in der rechten Ecke Dietmar Dressel aus Velden. Zwei grundverschiedene Ansätze und Herangehensweisen an ein gewaltiges Thema. Wer diesen Kampf wohl gewinnt?
Keiner von beiden, in der Welt der Literatur ist zum Glück Platz für viele gute Autoren!
www.dietmardressel.de
Mehr Informationen unter
BoD Verlag Norderstedt
www.bod.de
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Das Wirtshaus im Dorf
Eine Häuslerfamilie
Ein scheinbar schrulliger Geselle
Ein Sonntag mit Folgen
Zwei Helfer in der Not werden Freunde
Eine Dorfhochzeit
Das Recht der ersten Nacht
Der Weg in den Tod
Blutige Rache
Ein Dorf in großer Sorge
Der Bader fragt nach
Ein Gasthof zum verwöhnen
Ein beschwerlicher Gang durch das Vogtland
Die Soldaten kommen
Ein altes Schloss verändert sich
Nein, mein Herr: Bislang hat der Mensch sich nichts ausgedacht, das so viel Freude verbreiten könnte wie eine schöne Taverne oder ein Schankhaus.
Samuel Johnson
Der Winter kündigt sich in diesem Jahr schon zeitig an, hoffentlich wird es morgen besser. Denkt ein schon in die Jahre gekommener groß gewachsener Mann mit kräftiger Statur und stapft mühsam auf der Dorfstraße von Mussbach durch die Dunkelheit der Nacht in Richtung Wirtshaus.
Moritz, sein brauner Wallach, hat es mit dem Planwagen im tiefen Schnee auch nicht so leicht und neigt eher dazu, eine kleine Pause einzulegen. Aber sie müssen beide schnell weiter um möglichst vor Mitternacht einen warmen Unterstand im Wirtshaus zu bekommen. Die Nacht wird ganz sicher wieder bitter kalt werden und ohne ein schützendes Dach über dem Kopf würden sie die frostige Nacht kaum überleben können.
Klappergeräusche aus der nahe gelegenen Dorfbäckerei lassen den älteren Mann an die warme Backstube denken. Brotbäcker müsste man sein, überlegt er neidvoll. Sicherlich schiebt sein junger Gehilfe die ersten Teigrohlinge für die wohlschmeckenden, knusprig gebackenen runden Vierpfünder in den Ofen. Schon in der Bibel steht geschrieben, jedenfalls unter Moses Kapitel zwei, dass es schon diese leckeren Brote zur Zeit des Auszugs der Israeliten aus Ägypten gab und das ist immerhin ungefähr dreitausend Jahre her. Da kann man mal sehen, wie gut sich dieses wichtige Nahrungsmittel, überlegt er nachdenklich, bei den Menschen in den vielen Jahrhunderten bewährt hat.
Nur sehr spärlich wird die Umgebung der einfachen, im Pfostenbau zusammen gezimmerten Bauernhäuser aus Holz, Stroh, Schilf und Lehm von der einen oder anderen kleinen Wachskerze, die auf dem Zimmertisch steht, matt erleuchtet. Die kleine Flamme der Kerze wird nicht etwa von Geisterhand bewegt, sondern von einem hundsmiserablen kalten stürmischen Wind, der durch die undichten Räume jagt als wäre der Teufel hinter ihm her und dabei seine schemenhaften, gespenstischen Bilder an die Wände zaubert. Wohlige und angenehme Wärme ist dabei für die Familie, die sich um den kleinen Ofen versammelt, nicht zu verspüren. Was sollen sie denn anderes machen als sich in eine alte Decke zu wickeln, den Großvater und die Großmutter in die Mitte zu nehmen und die Füße nahe am Herd zu halten.
In der Bettkammer kuscheln sich die drei Kinder der kleinen Familie in einem alten Bettgestell, auf einem dünnen nicht mehr ganz so frischen Strohsack liegend, unter einem ehemals dicken Gänsefederbett. Erst wenige Tage vor Weihnachten, wenn Martin und Imanis, ihre zwei Lieblingsgänse für den Weihnachtsbraten geschlachtet werden und die Federn und Daunen der beiden toten Tiere die Zudecke etwas fülliger machen, wird es im Bett hoffentlich etwas wärmer werden.
Die Mutter hat vor dem Schlafengehen der Kinder noch schnell einen am Ofen heiß gemachten Lehmstein mit einem Handtuch umwickelt und in das Bett gelegt, damit sich die Kleinen schneller aufwärmen können. Das Fenster ist mit dicken Kristallblumen schon seit Tagen völlig vereist. An den Zimmerwänden bilden sich schon kleine Eiskristalle, kurz gesagt, es ist hundekalt in der dunklen Schlafkammer.
Mit einer Mütze auf dem Kopf, und die Zudecke bis zur Nasenspitze hochgezogen, an den Beinen einen wärmenden Stein, versuchen sich die Kinder schnell in den Schlaf zu retten und vom warmen Sommer zu träumen. Der Knecht und die Magd schlafen im Stall, zusammen mit den sechs Kühen, zwei Ochsen, acht Schafen, fünf Ziegen und den Hühnern, Enten, Gänsen und Hasen. Eingewickelt in zwei große, alte Decken ist die Kälte für die beiden, dank der Tiere, dem Stroh und dem Heu leidlich zu ertragen aber es stinkt furchtbar. Was soll’s, denken beide, lieber etwas warm und stinkig als in der Kälte erfroren.
Mertlin – so ist der Name von dem älteren, kräftigen Mann, der mit seinem Planwagen, von Moritz seinem Pferd gezogen, mühsam die letzten Meter bis zur Dorfschenke stapft. Sein Beruf oder besser seine Berufung, von der er felsenfest überzeugt ist, hat im Volksmund den Namen „Baderchirurg“. Er kann lesen, schreiben, rechnen und sein Latein ist auch so leidlich gut. Dick eingepackt in einen weiten, festen Wollmantel, eine Fuchspelzmütze auf dem Kopf, festen Filzstiefeln an den Füßen und die Hände in wollenen Fäustlingen gut verpackt, ist er für das Wetter gut gerüstet – trotzdem, der Tag war lang. Müde und hungrig wie er ist, freut er sich schon auf die warme Wirtshausstube.
Nach einem kräftigen Essen, dazu ein warmes Bier und anschließend zum Hinlegen einen Strohsack mit zwei Decken und das möglichst in der Nähe des Ofens, lässt sich nach einer üppigen Mahlzeit und den zwei bis drei Humpen Bier bestimmt ein erholsamer Schlaf finden. Für Moritz gibt es eine große Portion Heu, eine Schaufel Hafer, einen Eimer frisches Wasser und eine mit Stroh eingerichtete Pferdebox im gut verschlossenem Stall.
Kaum steht sein Wagen vor der Dorfschenke, kommt ihm auch schon eilfertig Knecht Franz entgegen, spannt den müden und durchgefrorenen Moritz vom Planwagen und bringt ihn schnell in den Stall. Kontrollieren muß Mertlin nicht, ob der Wallach gut untergebracht ist. Jedes Jahr um diese Zeit kehrt er hier ein um den Winter zu verbringen. Erst im kommenden Frühjahr, wenn die Straßen wieder befahrbar sind, wird er sich auf den Weg machen und sich um seine Patienten auf seiner Wegstrecke durch die Dörfer im Vogtland kümmern.
Sehnsüchtig wird er schon von den Menschen erwartet die krank sind, sich verletzt haben oder bei denen oftmals nur die Haare zu schneiden sind oder der eine oder andere kranke Zahn gezogen werden muss. Natürlich will er auch seine Medizin, seine Heilkräuter und seine Mittelchen gegen die kleinen Leiden des täglichen Lebens verkaufen. Er will ja nicht nur helfen, Geld verdienen muss er auch. Von was sollte er sonst seinen Lebensunterhalt bestreiten? Eine Familie kann er sich aufgrund seines Berufes nicht leisten.
Für das leibliche Wohl sorgen meist die Wirte und für das körperliche und seelische Wohl, als auch für das zeitweise unangenehme Ziehen in der Lendengegend findet sich immer mal ein molliges Weib, jedenfalls mag er solche Frauen wegen ihrer üppigen Rundungen, die ihm zu einer wohligen Entspannung verhelfen und ihm dabei für kurze Zeit den Himmel auf die Erde holen.
Die jahrelange Praxis macht es ihm leicht, wenn erforderlich - zu schröpfen, Salben anzurühren, helfende Verbände anzubringen, ausgerenkte Knochen wieder einzurichten, Knochenbrüche fachlich richtig zu behandeln, kleinere Amputationen an Gliedmaßen durchzuführen, Furunkel und Abszesse auszubrennen und den Unwissenden erklärt er die Wirkungsweise der verschiedenen Heilpflanzen.
Als Baderchirurg gehört er zu dem Personenkreis, die in kleinen Orten, Dörfern und kleinen Städten für die Gesundheit zuständig sind und bei Krankheiten und Epidemien sich bemühen, die schlimmsten Übel zu lindern.
Persönlich hat er sich ein beachtliches Ansehen und einen kleinen Wohlstand geschaffen und kann sich leisten, den Winter in diesem Wirtshaus zu verbringen, sich von den Anstrengungen der zurückliegenden Monate zu erholen und neue Kraft für das kommende Jahr zu schöpfen. Einige Bücher lesen und sich über die große Politik zu informieren wird in diesen kalten Wintermonaten seine Lieblingsbeschäftigung sein. Die Zeit in der er lebt, ist ausgefüllt mit epochalen Veränderungen. Gut wäre es für ihn und seinen Wissensdurst einen Gesprächsbruder in dieser kalten Jahreszeit zu finden, der ihn diesbezüglich in den gemeinsamen Unterhaltungen viel Wissenswertes vermitteln könnte.
Kaum steht Mertlin in der weit geöffneten Tür des in die Jahre gekommenen Wirtshauses und Herberge in einem, kommt ihm auch schon Joseph, der Wirt und Besitzer der Herberge entgegen, nimmt ihn erfreut in die Arme und führt ihn an seinen Stammtisch.
„Sag mal du Herumtreiber – kleiner Scherz – meine Familie und ich freuen uns sehr, dass du wohlbehalten hier bei uns angekommen bist. Konntest du den unangenehmen Gesellen von einem Winter nicht noch einige Zeit beim Herbst lassen? Du bringst ja diesen kalten Burschen sehr zeitig mit.“
„Na, du warst schon lustiger, und deine Witze waren auch schon besser. Wenn du mir zeigst wie ich das machen muss, tue ich es gern. Jetzt lass dich erstmal umarmen, du Berg von einem Mann, ich freu mich wirklich sehr, dich und deine Familie gesund wieder zu sehen. Als ich mich im April von dir verabschiedete, kam ich mit meinen Armen noch leicht um dich herum, du hast kräftig zugelegt, mein Lieber.“
„Kann der Baderchirurg in dir für kurze Zeit mal schön seinen Mund halten, und dafür stell ich dir die Speisen auf den Tisch, die hoffentlich dafür sorgen, dass dein Körperumfang über den Winter etwas größer wird, damit ich mir von meinem Weib nicht ständig die Anspielungen anhören muss, mir an deinem kleineren Bauchumfang ein Beispiel zu nehmen. Sie meint, mit meinem dicken Bauch wären dann nächtliche Übungen mit ihr zusammen nicht mehr so anstrengend für mich. Ist da was dran? Kennst du dich auch in solchen so genannten Liebesübungen aus? Na, du weißt schon was ich meine, oder?“
„Ja, ja - weiß ich schon, aber jetzt um die Zeit, und mit knurrendem Magen – ehrlich gesagt – können wir das nicht auf ein anderes Mal verschieben, Joseph?“ „Oh entschuldige Mertlin, du hast natürlich recht!“
Und mit einem mahnenden Ruf in Richtung Küche, fordert Joseph den ersten Gang für seinen späten Gast und Freund des Hauses an. Was Mertlin in den folgenden zwei Stunden an Brot, Gemüse und verschiedenen Sorten Fleisch in seinen Mund stopft, mit seinem kräftigen Gebiss zerkleinert, um es danach mit einem beachtlichen Schluck Bier in seinen Magen zu spülen, reicht bei einer sechsköpfigen Häuslerfamilie in diesem Dorf für eine ganze Woche. Die bäuerlichen Häusler sind in der gesamten Dorfgemeinschaft das allerletzte Glied in der Kette. Sie leben in armseligen Behausungen am Dorfrand, und verdienen den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien als Tagelöhner oder, je nach Geschick ihrer Hände, als fleißige Handwerker beim ortsansässigen Bäcker, beim Wirt der Herberge und bei den einflussreichen großen Bauern.
Ein Bauer ist im Dorf allerdings nicht gleich Bauer. Da gibt es einmal den so genannten Pferdebauern, also ein Bauer der Pferde für seine Feldarbeiten einspannen kann, und am Sonntag mit seiner Familie zum Kloster mit einer kleinen Pferdekutsche vorfährt. So ganz nebenbei stellen sie in der Regel auch den Gemeindevorstand. Damit sind sie in einer Dorfgemeinschaft das berühmte Zünglein an der Machtwaage und verfügen privat über ein beachtliches Geldvermögen und große Sachwerte. Im Gemeindevorstand sind meistens Pferdebauern, ein Kuhbauer oder gar ein Häusler haben da nichts zu bestimmen, oder zu entscheiden.
In der Dorfgemeinschaft gibt es auch Bauern, die sich keine Pferde leisten können, und die zur Arbeit auf den Feldern mit den Kühen und Ochsen arbeiten müssen. Sie bilden die große Mehrheit im gesamten Dorf, und ihren sehr kleinen Wohlstand kann man mit „schlecht“ und mit „nicht ganz so schlecht“ bezeichnen.
Und was die Häusler betrifft, das scheinbare Glück für diese Häuslerfamilien auf ihren kleinem Hof besteht darin, wenigstens eine kleine Parzelle Acker zum Anbau für die Feldfrüchte, und eine kleine Wiese für ihre zwei bis drei Ziegen, Hühner, Gänse und Karnickel zu haben. Alle Arbeiten auf dem Feld und auf der Wiese müssen sie mit ihren Händen verrichten. Einen Ochsen, oder gar eine Kuh können sie sich nicht leisten, und ein Schaf oder eine Ziege ist zu schwach für die Feldarbeit.
Mertlin ist bei seinem letzten Gang angekommen und Johanna, Josephs Eheweib, hat ihm zur Begrüßung eine leckere Nachspeise zubereitet. Es gibt eine große Schüssel Pudding mit Preiselbeeren angerichtet. Sein Magen hat zwar bereits eine beachtliche Fülle erreicht und eigentlich ist er knüppeldicke satt. Der Duft der Süßspeise spornt ihn allerdings an, sich auch noch über die gut riechende Köstlichkeit herzumachen.
Minuten später ist alles verputzt. Auf seiner Stirn kann man schon kleine Schweißperlen entdecken. Das Essen war vielseitig, sehr gut und – auch sehr anstrengend.
Mertlin lehnt sich im Stuhl zurück, und genießt das angenehme, lebendige Rumoren in seinem Bauch. Jetzt hilft nur noch eins, ein Strohsack, angenehme Wärme und schlafen, und das möglichst bis zum Frühstück am späten Vormittag.
Kräftiges Rütteln an seinen Schultern zerrt Mertlin aus dem Schlaf. Joseph, der Wirt kniet auf seinem Strohsack und ist heilfroh darüber, endlich den Bader, nach dem wird schon dringend gerufen, munter zu sehen.
„Mein lieber Joseph, wenn du keinen handfesten Grund dafür hast, mich aus meiner seligen und wohlverdienten Nachtruhe zu prügeln, haben wir zwei ein Huhn miteinander zu rupfen. Also sprich, was ist so Schlimmes zum frühen Morgen passiert, dass nach meiner Hilfe schreit?!“
„Jetzt hör auf zu schimpfen, zieh dir was drüber und komm bitte mit, es eilt! Und nimm was Wärmendes mit, es ist Winter – ich mein ja nur.“ „Denk bitte an das Huhn, das wir beide gegebenenfalls miteinander rupfen werden. Du bist heute ziemlich ruppig.“ „Jetzt sag doch nicht gleich Holzkopf zu mir, ich weiß ja, dass du ohne Frühstück ein ziemlich grantiger Mensch sein kannst.“
Und plötzlich, deutlich ernster werdend, meint Joseph –
„Bei der Häuslerfamilie Webstein kalbt die Kuh, aber es will nicht so richtig klappen. Sollten beide an der Geburt sterben, also die Kuh und das kleine Kalb, wäre das für die Familie eine große Tragödie. Sie haben nur die eine Kuh, und das Neugeborene wäre eine wichtige Bereicherung für die Familie.“ „Wie kommt denn eine Häuslerfamilie zu einer Kuh, die besitzen doch nur Schafe und Ziegen?“ „Ich glaube, der Mann der Familie bekam vom Fürsten, wegen seines mutigen und kämpferischen Einsatzes gegen die Franzmänner, vor einem Jahr eine Kuh geschenkt.“ „Also gut Joseph, da wollen wir mal sehen, was wir beide tun können.“ „Das ist noch nicht alles, Mertlin!“ „Na, na mein Lieber, mit der kalbenden Kuh werden wir zwei eine Weile anstrengend arbeiten müssen. Und was ist noch passiert?“ „Als der gute Mann vom Krieg gesund, unverletzt und mit einer Kuh an der Leine nach Hause kam, hat er sich mit seiner Frau erstmal im Bett ausgetobt. Das Ergebnis wirst du gleich sehen. Das Kind, das die beiden gemacht haben, will auch nicht raus, und an der kalten Jahreszeit liegt das bestimmt nicht.“ „Los Joseph, da wollen wir mal sehen, wie wir die beiden Problemsäuglinge ans Tageslicht holen können, na, jedenfalls werden wir’s versuchen.“
An der Haustür empfängt sie der Ehemann, und führt sie zuerst in die kleine Küche, es ist der einzige Raum im Haus, der mit einem kleinen Ofen warm gehalten wird. Seine Frau liegt bereits auf dem Küchentisch, etwas abgepolstert mit einer Decke, und windet sich laut weinend im Geburtenschmerz.
„Joseph – schnell! Ich brauche heißes Wasser, aber nicht kochend, ein paar saubere Tücher und eine Flasche Schnaps.“
Den Ehemann fordert Mertlin auf, der werdenden Mutter einen Holzquirl zwischen die Zähne zu stecken, damit sie was zum Beißen hat und sich dabei nicht die Zunge oder die Lippen unnötig verletzt. Mit erfahrenen Händen tastet Mertlin den Bauch ab und spürt, dass der Säugling, nicht wie sonst üblich, mit dem Kopf nach unten zum Geburtsausgang liegt. Er hat das nur ein einziges Mal in seiner ganzen Praxis erlebt, dabei starb das Kind aber die Mutter konnte er vor dem Tod bewahren.
Was er daraus lernte ist, dass das Baby, wenn es nicht mit dem Kopf zuerst ankommt, sehr schnell durch den Geburtskanal kommen muß, wenn es nicht ersticken soll.
„Warum bist du plötzlich so ernst, stimmt mit dem Baby was nicht, Mertlin?“ „Für die Mutter und das Kind ist das wirklich eine ernste Situation, Joseph. Der Lausebengel oder die Lausebengelin, egal, hat bei der ganzen Tollerei im Bauch vergessen, rechtzeitig den Kopf in Richtung Ausgang zu stecken. Ich habe das bis jetzt nur einmal erlebt und möchte lieber nicht daran denken.“ „Versteh ich alles nicht! Was wirst du jetzt machen?“ „Der Medicus sagt dazu Steißlage, dabei schiebt sich der Säugling zuerst mit dem Becken und seinen Beinen und nicht mit seinem Kopf zum Ausgang. Für das Kind besteht bei dieser Art der Geburt die Gefahr, dass die Nabelschnur möglicherweise abgedrückt wird und das es durch einen rapiden Sauerstoffmangel gesundheitliche Schäden davon tragen wird. Im schlimmsten Fall erstickt das Kind.“ „Kannst du das verhindern?“ „Nein, Joseph, das kann ich nicht! Ich bin nur ein Baderchirurg. Die Entscheidung liegt in Gottes Hand.“ „Also gut, Mertlin, versuchen wir dem Satan ein Schnippchen zu schlagen und dem lieben Gott zu helfen. Ehrlich gesagt, zu deinen Händen habe ich allerdings ein größeres Vertrauen. Sag, wie kann ich dir helfen?“ „Der Geburtsvorgang, Joseph, muß möglichst schnell gehen.“ „Wie meinst du das, ha?“ „Jetzt stell dich nicht so an! Wir müssen der Frau beim Pressen helfen. Du wirst am oberen Bauchende, also da wo vermutlich der Kopf ist, mit kräftigen Bewegungen deiner Hände das Kind nach unten drücken.“ „Das kann ich! Wann soll ich anfangen?“ „Jetzt - aber lass den Kopf des Kindes ganz!“
Mertlin hat blitzschnell mit heißem Wasser, Seife und Pflaumenschnaps seine Hände gereinigt und bemüht sich mit vorsichtigem Suchen im Geburtskanal, wenigstens eines von den zwei Beinen, besser alle beide, zu erwischen damit sie sich nicht nach hinten schieben können.
Eine leichte Entspannung zeigt sich in seinem Gesicht. In seiner linken Hand hält er die zwei kleinen Beinchen des Säuglings fest und beginnt mit vorsichtigem Ziehen möglichst schnell auch das Baby in der Hand zu halten.
Ein lauter Schmerzensschrei der Mutter unterbricht das leise Stöhnen von Joseph und bricht sich an den Wänden der kleinen Küche wider. Man sieht ihr die Anstrengung der Geburt noch an aber die Augen strahlen vor Freude.
In seinen Armen hält Mertlin einen kleinen Jungen. Die Erleichterung über den glücklichen Ausgang sieht man in seinem Gesicht. In dem Haushalt des Häuslers gibt es, außer zwei kleinen Töchtern, keine erwachsenen, weiblichen Personen also müssen die Männer ran. Mertlin trennt mit einem Skalpell die Nabelschnur vom Bauch, verbindet die winzige Wunde, gibt dem kleinen Jungen einen leichten Klaps auf seinen Hintern, der darauf mit einem lauten Schrei antwortet und packt ihn in vorgewärmte Tücher. So versorgt, legt er den neugeborenen Lausebengel in die Arme seiner glücklichen Mutter, und dem Vater sieht man das Glück auch an. Erst eine Kuh vom Fürsten, und dann einen Stammhalter für den Hof – bleibt eigentlich nur noch die Sorge um das Kalb, das auch auf die Welt kommen will aber vermutlich alleine nicht kann.
„Joseph, ich brauche dringend noch einen Eimer mit heißem Wasser.“ „Kommt sofort!“
Schnell entfernt Mertlin die Nachgeburt und reinigt den Unterleib mit warmen Wasser und Alaun. Nachdem die Mutter und das Baby gut versorgt sind, verlassen Mertlin und Joseph die Küche, und machen sich auf den Weg zum Stall um der Kuh zu ihrem Mutterglück zu verhelfen. Die beiden Vorderfüße vom Kalb schauen ein Stück heraus, bewegen sich allerdings keinen Zentimeter weiter.
„Warum geht das bei der Kuh nicht voran Mertlin?“ „Kein Problem, Joseph, bring schnell einen längeren Strick und einen Haufen Stroh damit das Kalb, wenn es rauskommt, weich fällt und sich nicht gleich den Hals oder die Beine bricht.“
Mertlin umwickelt die Füße mit einem Lappen, damit sich beim Ziehen mit dem Strick die Füße nicht wundreiben. Ein kleines Kalb ist zwar kein Baby, unnötig leiden muß es ja trotzdem nicht.
„Joseph, du ziehst kräftig aber bitte mit Gefühl. Ich werde den Bauch der Kuh massieren.“ „Wann soll ich anfangen?“ „Jetzt mach schon los und lass dich nicht aufhalten – und denke daran, zieh kräftig aber reiß dem Kalb nicht die Beine aus – ich mein ja nur!“
Zwei kleine Geräusche erfüllen den Stall - ein leises „Muhen“ der Kuh und raschelndes Stroh.
„Geschafft, Joseph, wir werden das Kalb mit Stroh gründlich ab reiben und dann zum Euter seiner Mutter schaffen. Wenn es schon nicht allein auf die Welt kommen will, kann es hoffentlich selbständig trinken.“
Mertlin und Joseph schauen beide nochmals nach der Mutter und dem Kind und verabschieden sich von der Familie - nicht ohne ihnen noch ein paar Anordnungen zu geben, damit die beiden Neugeborenen auch am Leben bleiben. Dem Vater verspricht er, dass er alle zwei Tage zu ihnen kommt und nachschaut wie es den Neugeborenen so geht.
Mertlin weiß, aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Baderchirurg, warum er das sagen muss. Viele neugeborenen Kinder erreichen nicht das zweite Lebensjahr, nur weil ihre Eltern sich nicht an einfache hygienische Maßnahmen halten wollen oder können.
„So, mein lieber Joseph, ich hoffe, Johanna hat was Kräftiges zu Essen für unseren Magen in der Küche, ich hab Hunger und du vermutlich auch!“ „Wem sagst du das, also los!“
Beide Männer laufen mühsam auf der schneeverwehten Straße in Richtung Dorfschenke. Zwei Stunden später hört man von ihnen nur noch die typischen Schlafgeräusche.
Nicht immer endet für Mertlin so ein Tag wie heute. Leid, Schmerz, Tod und Trauer sind die teuflischen Gesellen, die so oft den Menschen das tägliche Leben so furchtbar schwer machen. In den folgenden Wochen bemüht sich Mertlin im Dorf Mussbach um die Menschen, die mit dem Tod kämpfen und an großen Schmerzen leiden. Nicht allen kann er so helfen wie er das wohl gern möchte. Immer wieder stößt er an die Grenzen seines Wissens und Könnens. In solchen Stunden ist er der unglücklichste Mensch, und das Hadern mit sich selbst macht seinen Gemütszustand nicht besser. Das Wissen um die Dinge ist der Schlüssel, denkt er mit aufsteigender Verzweiflung.
Weihnachten steht vor der Tür. Es sind nur noch wenige Tage bis zum Fest. Vor allem für die Kinder, die in dieser Zeit eine besondere Zuwendung bekommen, sind solche Feiertage eine segensreiche Abwechslung in ihrem sonst so harten und entbehrungsreichen Alltagsleben.
Ein kleiner Tannen- oder Fichtenbaum wird aufgestellt und mit bunten Bändern, Äpfeln, Nüssen und Lebkuchen behangen. Wenn es der Geldbeutel der Familie zulässt, wird auch ein kleines Krippenspiel aufgebaut und Geschenke für die Kinder gibt es auch. Oft sind es natürlich nützliche Dinge für den Alltag. Einen dicken Pullover, einen Schal, eine Mütze und Socken von Oma gestrickt, werden dankbar angenommen. Spielzeug gibt es nur, wenn das die Familienkasse zulässt. Nicht zu vergessen, das gute und viele Essen. Zum Frühstück gibt es für die Kinder Kartoffelkuchen richtig dick mit Zucker und Zimt bestreut.
Eine echte Rarität auf einem Bauernhof. Diese leckeren und süßen, braunen Kristalle gibt es selten und wenn man sie kaufen kann, sind sie unverschämt teuer. Also wird bei den meisten Bauernfamilien auf den Bienenhonig zurückgegriffen, auch wenn der sehr knapp ist. Zum Mittagessen gibt es zur Feier des Tages Kartoffelklöße mit Rotkraut und Gänsebraten. Zwei bis drei Gänse müssen dafür ihr Leben lassen, damit das Fleisch für alle reicht und man nicht geizen muss. Zum Nachtisch kommt für die Kinder Grießbrei mit Bienenhonig auf den Tisch und die Erwachsenen trinken einen ordentlichen Humpen Bier. Zum Abendbrot gibt es die traditionelle Vogtlandpfanne. Ein leckeres Gericht aus Eiern, Leberwurst und Semmelstücke gewürzt mit Majoran, Zwiebeln und Salz. Dazu gibt es Brot, und wie sollte es an so einem Tag auch anders sein, viel warmes Bier.
Die Kinder haben sich vor dem Schlafengehen mit Lebkuchen vollgestopft und liegen bereits im Bett damit sich die Erwachsenen ungestört amüsieren können.
Das Feiern ist vorbei und der Alltag kehrt wieder in das tägliche Leben der Bauern ein. Die Männer bessern die schadhaften Stellen am Haus, an der Scheune und am Stall aus und räumen mühsam jeden Tag den Schnee beiseite, der sich meterhoch an den Seiten der Gehwege auftürmt. Die Schneeverhältnisse erschweren es sehr, mal schnell zum Bäcker zu laufen, beim Schmied das eine oder andere lockere Eisen an den Hufen der Pferde wieder zu befestigen und den Nachbarn und Verwandten mal schnell zu besuchen, Tee zu trinken oder einfach nur über die Sorgen, die Familie und natürlich auch über das ekelhafte kalte Wetter zu reden und heftig zu meckern.
Alle freuen sich schon auf den sechsten Januar. Wieder ein Tag, an dem alle ausgelassen die Verehrung der heiligen drei Könige feiern werden. Joseph, seine Frau Johanna und der Knecht Franz haben alle Hände voll zu tun um alles für das Fest vorzubereiten. Jeden Tag kommen neue Gäste und wollen versorgt werden. Für Mertlin eine gute Gelegenheit, sich mit den Neuankömmlingen am Abend bei einem Humpen Bier über die große Politik und die Veränderungen im Land zu unterhalten.
In wenigen Tagen geht das Jahr Siebzehnhundertzweiundneunzig zu Ende. Was wird das neue Jahr bringen? Überlegt Mertlin mit sorgenvollen Gedanken. Was werden die Franzosen in ihrem Land noch alles anstellen? Große Revolution vom Zaun brechen, das Königtum einfach abschaffen, die Guillotine zum Enthaupten der Verurteilten, oder auch ohne Urteil zulassen und überall herrscht barbarischer Krieg. Als ob die Menschen nichts Besseres zu tun haben, als sich gegenseitig den Hals umzudrehen – schrecklich ist das alles. Für die arme Bevölkerung, ganz gleich in welchem europäischen Land, bedeutet das - Hunger, Elend und Krankheiten ohne Hoffnung auf Veränderungen zu ihren Gunsten.
Langsam leert sich der Schankraum und die Gäste legen sich im Schlafraum zur wohlverdienten Nachtruhe auf ihre Strohsäcke. Da jetzt viele Menschen in diesem Raum schlafen, hat Franz in einem kleinen Ofen Feuer gemacht, damit die Kälte erträglich bleibt und die Gäste besser ausruhen können.
Mertlin sitzt allein an seinem Stammtisch und bemüht sich seine unruhigen Gedanken zu ordnen. Eine Hand legt sich behutsam auf seine Schulter.
„Hast du für einen Mann, der sich mit seiner Frau inbrünstig ein Kind wünscht Zeit, damit er auf seine Fragen ein paar nützliche Antworten bekommen könnte?“ „Ach du bist das, Joseph, ich dachte schon ein Gast will mit mir reden.“
„Wie du dich erinnerst, hatte ich dich bezüglich anstrengender, nächtlicher Bettspiele mit Johanna schon mal genervt aber mit leerem Magen bist du ja unausstehlich.“ „Laß gut sein, Joseph, wir beide leeren gemeinsam einen Krug von deinem gut schmeckenden Rotwein und werden dabei deine Fragen näher untersuchen. Was hältst du davon?“ „Warte - bin gleich zurück!“ „Wo gehst du hin? Johanna brauchen wir nicht dazu, das ist sozusagen ein Gespräch unter Männern - wenn du verstehst was ich meine!“ „Verstanden, ich hol nur den Rotwein.“ „Ach so – auch nicht schlecht.“
Wenig später hält er eine beachtlich große Flasche in der Hand, und strahlt übers ganze Gesicht.
„Dachte schon, dass ich die Flasche bereits bei einer anderen Gelegenheit mit Gästen geleert hätte. Das ist ein echter guter Tropfen, Mertlin – wirklich, Hand auf’s Herz!“ „Dann sollten wir uns viel Zeit zum Trinken nehmen.“
Mit geübten Griffen entkorkt Joseph das gute Stück von einer Weinflasche und gießt Mertlin und sich selbst die beiden Krüge randvoll, riecht mal kurz dran und meint –
„Viel besser kann der Wein beim lieben Gott auch nicht sein. Prost, Mertlin.“ „Prost, Joseph – also wo drückt dich der Schuh? Ich ahne zwar schon wo aber sag’s mir trotzdem.“ „Du erinnerst dich bestimmt noch an die Geburt des kleinen Jungen bei der Häuslerfamilie, der bei dem kalten Wetter lieber im warmen Bauch seiner Mutter bleiben wollte?“ „Ich weiß, für uns alle war das ein sehr glücklicher Tag.“ „Glücklich schon, Mertlin, aber auch traurig für mich.“ „Wieso, du hast mitgeholfen, ein Kind auf die Welt zu bringen.“ „Das stimmt! Und ich bin dir und dem Herrn dankbar, dass ich das miterleben durfte und mithelfen konnte. Auch habe ich dabei gelernt, wie ein Kind rauskommt. Kannst du mir ein paar gute Ratschläge dafür geben, wie ein Kind in den Bauch kommt? Johanna und ich, wir wollen Kinder aber es will nicht klappen.“
„Es gibt bei Frauen, als auch bei Männern krankheitsbedingte Gründe, die es beiden nicht möglich machen, ein Kind zu zeugen. Das ist leider so. Bei euch beiden ist das allerdings nicht erkennbar. Also, wie macht ihr das, wenn ihr ein Kind basteln wollt?“ „Na, na - Mertlin, basteln ist gut. Also, ich weiß nicht. Musst du das so genau wissen?“ „Joseph, wenn du gründlich wissen möchtest, wo und wie ein Kind auf die Welt kommen will, solltest du auch praktisch eine Ahnung davon haben, wie und wo es reinkommt? Oder etwa nicht?“ „Schon, schon – aber doch nicht so genau, Mertlin. Die Stelle, wo es hin muß kenne ich ja und das reicht. Mehr will ich dazu nicht wissen!“ „Doch, das solltest du allerdings! Jetzt erzähl mal, wir sind doch unter uns und befreundet sind wir auch.“
„Also gut, du neugieriger Mensch von einem Bader. Wenn es mir danach ist, sage ich Johanna was ich will. Sie legt sich dann im Bett so hin, dass ich mit meinem guten Stück dorthin komme wo ich hin will. Und dann transportiere ich das Zeug, aus dem die kleinen Kinder wachsen sollen dahin, wo es halt gebraucht wird.“ „Hm, macht ihr beiden das immer so?“ „Ja klar! Ich wüsste auch nicht, wie und warum ich das anders bewerkstelligen sollte.“
„Sag mal, Joseph, wie lange dauert das so ungefähr?“ „Pinkeln dauert bei mir meistens länger!“ „Ach was! Entschuldige bitte, langsamer geht’s wohl nicht?“ „Vielleicht, ich weiß das nicht. Wüsste auch nicht, was ich die ganze Zeit dort drinnen machen sollte.“ „So, so – wenn du das nicht umgehend änderst, kannst du euren Kindertraum in die berühmte Röhre schieben.“ „Also Mertlin, bei aller Freundschaft, das geht zu weit.“ „Willst du ein Kind oder Kinder, ja oder nein?“ „Ja – verflixt nochmal, wir wollen das beide!“ „Dann hör zu und sei nicht gleich beleidigt wenn ich dir sage was du falsch machst.“
Wenn nicht die große Sehnsucht nach einem Kind wäre, würde Joseph vermutlich aufstehen und Mertlin allein am Tisch sitzen lassen. Solche Themen sind nicht gerade Tagesgespräch zwischen ihm und Johanna.
„Joseph, das Wichtigste an den Anfang. Wenn du meine Ratschläge befolgst, wirst du das Vaterglück bald genießen können. Ich sage dir das als Baderchirurg und als dein Freund.“ „Ich halt ja schon meine Klappe. Also los, fang an!“
Um ein Kind zu zeugen – guck nicht so verdattert – so nennt man das, musst du zwei Voraussetzungen gut verstehen und bereit sein, sie auch anzunehmen. Das heißt einmal - wann ist der richtige Zeitpunkt für die Zeugung bei einer Frau und der zweite wichtige Punkt ist, wie verhalten sich beide, also Mann und Frau dabei. Und es gibt noch etwas, dass du dir unbedingt hinter die Ohren schreiben solltest – und zwar dick und fett!
Eine Frau kann immer, will aber nicht immer. Und ein Mann will immer, kann aber nicht immer. Deshalb sollte ein Mann es so bei sich einrichten, dass er kann wenn sie möchte.
„Hast du das bis hier her alles gut verstanden?“ „Alles nicht - ich denke, du wirst mir das noch erklären. Mach weiter, ich schreie schon, wenn mein Kopf nicht mehr kann oder nicht mehr will.“
Und Mertlin erklärt weiter, was sein Freund wissen will und sollte. Schon vor etlichen tausend Jahren, sehr weit bevor das Christentum entstand, haben kluge Priester und Ärzte durch langjährige Beobachtungen festgestellt, dass eine Frau nur an bestimmten Tagen bereit ist ein Kind zu empfangen. Genauer gesagt meinten sie dabei, dass ungefähr fünf Tage nach ihrer letzten monatlichen Blutung und fünf Tage bevor die nächste beginnt, es zur Befruchtung kommen kann, so beide Partner gesund sind. Wenn wir diese Erkenntnisse, die auch heute noch ihre Gültigkeit haben, ernst nehmen wollen, solltet ihr beide euch daran halten.