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Der Mörder war nicht der Gärtner Der bekannte Inhaber einer Lebensmittelkette plant sein Lebenswerk in eine Familienstiftung umzuwandeln. Just an dem Abend, an dem er seine Familie zusammengerufen hat, um seine Pläne zu verkünden, fällt er tot vom Stuhl in seiner Blankeneser Millionärsvilla. In seinem Bestreben, stets der Billigste zu sein, hatte er sich nicht nur Freunde gemacht. Ob Geschäftspartner, die er um ihre Existenz gebracht hatte, oder Mitglieder seiner Familie, die um ihr Erbteil fürchten müssen. Jeder von ihnen hätte einen triftigen Grund gehabt, den ungeliebten Alten ins Jenseits zu befördern. Kriminaloberkommissar Woldmann und seinen Helfern gelingt es mit zäher Kleinarbeit, Licht ins Dunkel zu bringen und den Mörder zu überführen. Wie schon so oft zweifelt er am Ende daran, ob das Ergebnis seiner Puzzlearbeit auch wirklich der Gerechtigkeit zu ihrem Ziel verholfen hat.
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Seitenzahl: 86
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Sandro Hübner, wurde 1991 in Görlitz geboren. Besuchte erfolgreich die Schule und widmete sich mit 10 Jahren Kurzgeschichten, Gedichten und Vorträgen, die sehr umfangreich verfasst waren. Als er 17 Jahre alt war und sich als Schriftsteller die Zeit, für seinen Ersten Roman: SAD SONG - Trauriges Lied - nahm, machte ihm das Schreiben sehr großen Spaß. Sandro Hübner lebt in Berlin und arbeitet bereits an seinem nächsten Roman. Er hat mittlerweile Bestseller geschrieben.
Vom Autor bereits erschienen: www.sandrohuebner.de
Für dich Mama, Papa Oma, Opa und Ur-Oma
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Alle Geschichten, wenn man sie bis zum Ende erzählt, hören mit dem Tode auf. Wer Ihnen das vorenthält, ist kein guter Erzähler.
E. Hemingway
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Anmerkung des Autors
Fröstelnd stand das Häufchen Aufrechter vor dem kleinen Saal des Stadtteilzentrums im Hamburger Schanzenviertel. Sie alle waren dem Aufruf einer ökologischen Bürgerinitiative gefolgt, um dem Vortrag von Dr. Weinreb über die schleichende Vergiftung unserer Lebensmittel zu lauschen. Eine verhärmte kleine Frau in einem braunen Leinenmantel verteilte Flugzettel, die auf den Vortrag aufmerksam machten.
„Na, Sabine, bist du immer noch nicht alle Flyer losgeworden?“, fragte ein junger Mann, der unbemerkt auf sie zugetreten war.
„Mensch, Joe, lange nicht gesehen. Schön, dass du auch zur Versammlung kommst!“. Mit dem einen Arm deutete sie eine Umarmung des jungen Studenten an, während die andere Hand krampfhaft das immer noch viel zu dicke Bündel Flugblätter festhielt. Joe gab ihr einen eher angedeuteten Kuss auf die linke Wange und fragte vorwurfsvoll
„Warum hast du mich denn nicht angerufen, von dem Vortrag habe ich erst heute Morgen durch Zufall gehört!“
„Na, ja, jetzt bist du ja hier, das ist die Hauptsache“, gab sie zur Antwort.
„Wir haben erst letzte Woche bei einer Sitzung unserer Ortsgruppe der ökologischen Liste von Dr. Weinreb erfahren. Einer der Parteifreunde, er studiert Chemie, hat ihn bei einem Praktikum bei der Windu-Gmbh kennen gelernt. Weinreb soll lange Jahre Leiter eines Untersuchungslabors für Lebensmittel, dessen Existenz maßgeblich von den regelmäßig eingehenden Aufträgen der Windu-Gmbh abhing, gewesen sein“. Sie zog Joe am Arm in Richtung Eingang, wo sie sofort freudig von der Frau, die den Eingang kontrollierte und bewachte, begrüßt wurde.
„Ihr könnt euch eure Plätze aussuchen, für die paar Leute lohnt es sich nicht, Platzkarten auszugeben“, meinte sie mit bekümmerter und bestürzter Miene. Freie Platzwahl, war was ganz Neues für die beiden. Die beiden setzten sich in die zweite Reihe, fast direkt unter dem Rednerpodium und Sabine fuhr fort, ihren Begleiter über den Gastredner des heutigen Vortrags, aufzuklären.
„Diese Windu-Gmbh produziert schon seit Jahrzehnten Trocken-Extrakte für Suppen und Saucen“, erzählte sie, „diese eher kleine Firma war aber irgendwann in den Siebzigerjahren der Konkurrenz von Markenartikelherstellern nicht mehr gewachsen. Deshalb hatte der Juniorchef der Firma, Heinz Windisch, gegen den erbitterten Widerstand seines Vaters beschlossen, sich auf einen Exklusivabnehmer einzulassen. Die Rabbisch KG garantierte die langfristige Abnahme der gesamten Produktion jeweils für ein Jahr und bisher war der Vertrag auch stets ohne Probleme verlängert worden. Doch vor zwei Jahren, auf dem Höhepunkt der BSE-Hysterie, verlangte man die Vorlage von Untersuchungsberichten, in denen jedwede Verwendung von Rindfleisch ausgeschlossen wurde. Natürlich war eine derartige Umstellung der Produktion nicht von heute auf morgen möglich gewesen und so sollte das Lebensmittellabor eben ein dementsprechendes Gefälligkeitsgutachten erstellen. Dr. Weinreb hatte dies vehement abgelehnt und so war der Besitzer des Labors, wollte er nicht seinen wichtigsten Kunden verlieren, zur Entlassung des Laborleiters gezwungen gewesen“.
Inzwischen hatte sich der kleine Saal des Stadtteilzentrums einigermaßen gefüllt und Sabine meinte zufrieden
„Meine Zettelverteilung hat sich vielleicht doch noch gelohnt!“.
Beim prüfenden Blick nach hinten erkannte sie noch einige weitere Gesinnungsgenossen, wie Alfred, der in einem Nobelschuppen als Koch arbeitete. Sie beschloss, am Ende der Veranstaltung zu ihm rüberzugehen.
Ein Raunen im Publikum deutete die Ankunft des Redners an und kurz danach stand er auch schon an dem Rednerpult und überprüfte das Mikrofon.
„Guten Tag, meine Damen und Herren, wie ich sehe, scheint das Mikro seine besten Tage schon hinter sich zu haben. Aber in diesem kleinen Saal haben wir es vielleicht gar nicht nötig. Ich hoffe, Sie können mich auch so verstehen!“.
An seiner Art zu sprechen, merkte man, dass die weiß Gott nicht seine erste Rede war. Höflich stellte er sich vor und begann seinen Vortrag damit, zu erklären, wie er als Chemiker überhaupt in die Situation gekommen war, als Gastredner für alternative Bürgerinitiativen aufzutreten.
„Jahrelang habe ich geschwiegen, obwohl ich bei meiner Arbeit als Laborleiter einer lebensmitteltechnischen Untersuchungsanstalt aus erster Hand erfahren konnte, wie sich die Beschaffenheit unserer Nahrung immer mehr verschlechtert. Teils aus Gewinnstreben einzelner schwarzer Schafe, aber auch durch den immer härter werdenden Preisdruck durch die Verbraucher sparen die Produzenten eben an den Zutaten. Da werden billigere Sachen zugekauft, mit künstlichen Aromen etc. aufgepeppt und bei jedem neuen Skandal nimmt man die Ware öffentlichkeitswirksam aus den Regalen. Tatsächlich friert man sie meistens nur ein oder stellt sie ins Lager. Um sie dann, sobald das Interesse etwas abgeflaut ist, wieder auf den Markt zu werfen. Viele der Besucher waren Studenten und wohl auch selbst häufig Kunden der Billig-Läden, deshalb schauten sie auch etwas schuldbewusst zu Boden, als der Redner seine Thesen vorbrachte. Es war leichter, den bösen Unternehmern die Schuld an den Lebensmittelskandalen der letzten Jahre zu geben, als sich vorwerfen zu lassen, selbst mitverantwortlich zu sein.
„Wenn wir nicht bereit sind, dem Viehzüchter, dem Weinbauern oder meinetwegen dem Wurstfabrikanten einen fairen Preis für seine Produkte zu zahlen, dann bleibt ihm doch kaum noch eine andere Wahl, als bei den Zutaten zu sparen!“, rief Weinreb erregt, „und schuld sind auch die Diskont-Geschäfte, ganz besonders die Rabbisch-Brüder, die haben mit ihren Läden als Erste damit angefangen, die Produzentenpreise so extrem zu drücken. Was ihnen selbst nicht gerade zum Nachteil gereichte, wie man in der Statistik der reichsten Menschen Deutschlands im letzten Jahr sehen konnte“, setzte er einen leichten Seitenhieb hinterher. Da stand in der hintersten Reihe eine kleine rundliche Frau auf und rief zornig nach vorne,
„Sie sollten sich was schämen, den Rabbisch-Markt anzuklagen, so billig können wir nirgends einkaufen! Schauen Sie sich das an in meiner Tragetasche. Dieselbe Menge würde im Supermarkt vom Kaufhaus 40 Euro kosten. Ich habe 27 bezahlt, sehen Sie?“, rief sie aufgebracht und fuchtelte demonstrativ mit ihrem Einkaufsbeleg in Richtung Gastredner. Dem kam der Zwischenruf gerade recht, mit erhobener Stimme rief er
„Was glauben Sie eigentlich, wie diese günstigen Preise entstehen, gute Frau? Die Gebrüder Rabbisch verzichten bestimmt nicht auf einen Teil ihres Gewinns, um diese zu ermöglichen!“ Weinreb verließ das Podium und mischte sich unter das Publikum. „Sondern sie setzen ihre Lieferanten so lange unter Druck, bis diese an die unterste Grenze der Kalkulation gehen. Und dann bleibt denen meist nur, entweder Leute rauszuschmeißen oder bei der Herstellung zu sparen. „Hier, diese Leberwurst“, sagte er als er bei der Dame angelangt war und hielt triumphierend eine vakuumverpackte Wurst aus dem Korb in die Höhe, „Wissen Sie eigentlich, aus welchen Zutaten eine fachmännisch erzeugte Leberwurst hergestellt wird? Nicht gerade appetitlich, ich habe mal bei meinem Schlachter zugeschaut. Aber wenn ich mir vorstelle, dass bei diesen Zutaten dann auch noch gespart werden muss, da dreht sich mir beim bloßen Gedanken daran schon der Magen um!“
„Geben Sie mir sofort meine Wurst wieder, was fällt Ihnen eigentlich ein“, schrie die Dame empört und verstaute das gute Stück wieder in ihrer Einkaufstasche.
„Wo sollen wir denn sonst noch sparen, wenn nicht beim Essen?“ rief sie dem Doktor zu und wartete gespannt auf seine Antwort.
„Wo haben Sie denn die Lederjacke gekauft, die Sie gerade anhaben?“, gab er statt einer Antwort zurück.
„War es etwa im Sonderangebot bei Kuhlmann?“
„Dort kauf ich mir doch keine Lederjacke!“, antwortete sie beleidigt. „Die habe ich bei Leder-Schmid im Neuen Wall gekauft. Für was Gutes muss man auch etwas mehr ausgeben!“, setze sie selbstbewusst hinzu.
Das war Wasser auf die Mühlen von Weinreb.
„Aha, und warum soll diese durchaus vernünftige Ansicht für Bekleidung gelten, und nicht für Lebensmittel? Ausgerechnet für etwas, was mehr als alles andere wichtig ist für unsere Gesundheit, unser Wohlergehen und nicht zuletzt für unseren guten Geschmack, dafür sollen wir nie etwas mehr, sondern am liebsten immer weniger ausgeben, oder was?“ Er redete sich richtig in Rage. Unterdessen war eine der Demonstrantinnen interessiert zu der Runde gestoßen und als die Dame in ihr eine Nachbarin erkannte, fing sie sofort an zu schimpfen.
„Frau Krüger, machen Sie da etwa auch mit bei dieser Öko-Geschichte? Sie kaufen doch sonst auch immer im Rabbisch Markt ein!“
Eine leichte Röte überzog das ansonsten blasse, wenn auch nicht hübsche Gesicht der zartgliedrigen Frau.
„Ja, Frau Marko, von den paar Euro Arbeitslosenhilfe kann ich mir nicht leisten, in den Delikatessenladen zu gehen. Aber deshalb will ich trotzdem gesunde Lebensmittel!“
Genervt unterbrach Kriminaloberrat Berger, Leiter der Mordkommission des Hamburger Landeskriminalamtes sein intensives Aktenstudium.
„Ja, bitte?“ bläffte er zur Tür, an der ihm gerade ein vorsichtiges Klopfen unangemeldeten Besuch ankündigte.
„Sie wollten mich sprechen, Chef?“, antwortete der Besucher und trat, ohne eine Antwort abzuwarten, in das Büro.
Augenblicklich hellte sich die Miene des Kripo-Leiters auf, als er sah, wer ihn da in seiner Konzentration gestört hatte.
„Ach Sie sind´s, Woldmann, das habe ich doch glatt vergessen!“ rechtfertigte Berger seine unwirsche Reaktion von vorhin. „Danke, dass Sie so schnell vorbeigekommen sind.“
Der altgediente Kriminaloberkommissar akzeptierte die etwas mühsam herausgepresste Entschuldigung wortlos und setzte sich auf einen der Besucherstühle. Insgeheim lächelnd verfolgte er die wichtigtuerisch hingekritzelten handschriftlichen Vermerke auf einer der Akten, die sein Chef noch schnell vornahm, ehe sich dieser voll seinem Gast widmete.
„Ich habe Sie rufen lassen, mein lieber Woldmann, weil Sie mein erfahrenster und fähigster Ermittler sind“, sagte er zu seinem Gegengenüber und schaute ihn erwartungsvoll an, um zu sehen, wie seine pathetisch vorgetragene Begrüßung ankommen würde.
Doch der wusste schon, dass bei solch ungewohntem Lob das dicke Ende meistens hinterherkam und verzog keine Miene. Enttäuscht von dessen Reaktion fuhr der Kriminalrat fort mit seinem Gerede.
„Vom Gerichtsmedizinischen Institut kam gestern der Untersuchungsbericht zur Leichensache Rabbisch.“
Wiederum blickte er seinen Beamten gespannt an, doch auch jetzt war nicht das geringste Flackern in den Augen von Kriminaloberkommissar Woldmann zu erkennen.