Unheimliche Gruselgeschichten - Teil II - - Sandro Hübner - E-Book

Unheimliche Gruselgeschichten - Teil II - E-Book

Sandro Hübner

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Beschreibung

Das vorliegende Taschenbuch, enthält eine große Auswahl an spannenden Gruselgeschichten. Spannender, ergreifender und packender schreibt nur: Sandro Hübner

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Seitenzahl: 189

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Über den Autor:

Sandro Hübner, geboren am 07. August 1991 in Görlitz. Besuchte erfolgreich die Schule und widmete sich mit 10 Jahren Kurzgeschichten, Gedichten und Vorträgen die sehr umfangreich verfasst waren. Als er 17 Jahre alt war und sich als Schriftsteller die Zeit, für seinen Ersten Roman: SAD SONG - Trauriges Lied - nahm, machte ihm das Schreiben sehr großen Spaß. Sandro Hübner lebt in Berlin und arbeitet bereits an seinem nächsten Roman.

Vom Autor bereits erschienen: www.sandrohuebner.de

In dankbarer und liebevoller Erinnerung an meine liebe Mama

Alle Geschichten, wenn man sie

bis zum Ende erzählt,

hören mit dem Tode auf.

Wer Ihnen das vorenthält,

ist kein guter Erzähler.

E. Hemingway

INHALT:

Tanz mit dem Tod

Das Geheimnis des Rings

Der Seelenkampf

Die verlassene Stadt

Dunkle Schritte

Befristete Ewigkeit

Polizist des Todes

Schwarze Blumen

Sprich mit mir

Tief in den Wäldern

Tief soll er leben

U-Bahn

Totensonntag

Wolfsnacht

Schreie in der Dunkelheit

Anmerkungen des Autors

Gänsehaut garantiert!!

Tanz mit dem Tod

Ängstlich und mit laut pochendem Herzen erwiderte ich seine freundlichen Blicke. Er sah so unbeschreiblich schön aus. Lange dunkle Haare und graue leuchtende Augen. Die Welt schien jedes Mal stillzustehen wenn sich unsere Blicke trafen. Ich fühlte die warme Bedrohung die von ihm ausging. Eine Mischung aus Neugier, Angst und Sehnsucht überkam mich. Dieser Mann zog mich magisch an und jede seiner majestätischen Bewegungen erfüllte mich mit Licht. Bewegungslos kamen wir uns näher.

Irgendwann stand er mit diabolischem Lächeln vor mir. Ich meinte sterben zu müssen und das Adrenalin wurde wie wahnsinnig in meinen Körper gepumpt. Sein bleiches Gesicht war ganz nah vor meinem. Jeder seiner Atemzüge legte mein Herz bloß. Es schien mir als hätte er ein unsichtbares Messer mit dem er mich zerstach - meine Zeit, meine Gedanken. Einfach alles andere verschwand neben diesem schwarzen Engel. Nur er existierte. Ich wollte ihm nur noch ganz nah sein.

Ich hatte ein solches Verlangen nach ihm, dass mein Blut kochte und mein Pulsschlag drohte meinen Hals zu zersprengen. Vermutlich spürte er diese tiefe, in mir pulsierende Sehnsucht, denn er nahm mit sanftem Druck meine Hand. In diesem Moment rutschte mir der Boden unter den Füßen weg. Mein Herz hörte auf zu schlagen und diese unendliche Liebe machte mich so schwach dass ich schließlich in mir zusammensackte.

Die Umgebung, das ganze Leben erschienen mir so weit weg. Alles verschwamm im Grau seiner Augen. Ganz still lag ich in seinen Armen und begann mich immer mehr von allem zu entfernen. Ich ließ mich einfach mitreißen von dem bunten Licht und den schönen Klängen, die uns umgaben. Alles Menschliche verschwand im Nichts. In seinen Armen flog ich durch das helle Licht. Immer höher und höher. Ich hörte seine düstere Stimme flüstern: „Bist du bereit für die Ewigkeit?“. Schüchtern nickte ich.

Je näher er mir kam, desto mehr begann ich mich von der Welt zu lösen. Selbst mein Körper schien sich in warmes Licht zu verwandeln. Ich konnte seinen Atem schon auf meinem Mund spüren, da riss mich ein stechender Schmerz in die Tiefe. Alles Helle, Bunte verschwamm in hässlichen grau- und schwarztönen. Stürme begannen an uns zu rütteln und ich schrie vor Angst. Vor Angst ihn und all das Wunderschöne zu verlieren. Angst in dieses endlos erscheinende Schwarz zu fallen. Es vermittelte mir etwas von der Hölle. Verzweifelt kreischend krallte ich mich an seiner Hand fest.

In meinen Ohren dröhnte es und ich hörte gerade noch wie er schrie: „Ich werde dich nie verlassen, ich bin bei dir!“ Dann verlor sich seine Stimme im Wind. Ich wollte nicht fallen, klammerte mich verbissen und mit aller Kraft an ihn. Doch gegen den Sog kam ich nicht an. Langsam entwich meine Hand der seinen. Ich wehrte mich mit allem was in mir war gegen das Böse, die Leere, die Wut und die Traurigkeit von dem mir das Dunkel erzählte. Irgendwann rissen mich meine Krämpfe in die Tiefe und ich schlug hart auf. Grelles, künstliches Licht und Stimmengewirr schlugen mir entgegen. Als ich die Augen öffnete, sah ich in mir wohlbekannte Gesichter die mir doch plötzlich so fremd vorkamen. Alle waren vor Freude über mein Erwachen ganz aus dem Häuschen. Ich lag lebendig, in meinem verletzten Körper auf einem Bett.

Habe ich alles nur geträumt? Gibt es meinen düsteren Prinzen gar nicht wirklich? Oft flüstere ich mit Tränen in den Augen in Richtung Himmel: „Ich vermisse dich.“ Die leisen Erinnerungen und die Unsicherheit brechen mir fast das Herz.

Doch ich hoffe es war der Tod mit dem ich tanzte. Denn er würde wieder kommen. Und ich sehne mich nach dem Tag an dem ich heimkehren darf zu meiner großen Liebe . . .

Das Geheimnis des Ringes

Es war Samstag. Katharina kochte Kartoffeln fürs Mittagessen. Ihre kleine Tochter, Brigitte, deckte den Tisch. Sie aßen in der Küche. Brigitte setze sich auf die Bank, die unter der Schräge stand. Die Erwachsenen waren zu groß, sie stießen sich immer wieder den Kopf. Zu den Pellkartoffeln gab es Quark, Blut- und Leberwurst. „Lasst es euch schmecken.“ „Danke, dir auch.“ sagte Karl. „Wo ist das Salz?“, wollte Brigitte wissen. „Salz?“, fragte Katharina.

Ja, das haben wir doch früher auch gegessen. Ihre Eltern sahen sich an und lachten. „Kind, das haben wir noch nie gegessen. Das aß man früher im Krieg.“ Brigitte beharrte weiter darauf, dass sie das schon gegessen hat. „Vielleicht hast du das mal bei Oma gegessen.“ Brigitte gab auf. Sie mochte nicht noch weiter ausgelacht werden. Erst Jahre später sollte sich das aufklären.

Zu ihrem 12. Geburtstag bekam Brigitte von ihrer Oma einen goldenen Ring mit einem Rubin geschenkt. Es war der ehemalige Ehering von ihrem ersten Mann Philipp Er fiel drei Tage vor Kriegsende in Russland. Brigitte war enttäuscht von dem Ring. Er gefiel ihr absolut nicht. Sie mochte kein Gold und schon gar keine Ringe mit Steinen. Brigitte konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen was für ein Geheimnis er birgt.

Ihre Mutter war sehr traurig, denn es war das einzige was von ihrem gefallenen Vater vorhanden war. Auch Brigitte wusste nicht wieso Oma den Ring ihr schenkte anstatt ihrer Mutter.

Brigitte zog den Ring an, als Oma sich zu Besuch anmeldete. Sie saß brav am Kaffeetisch und malte. Plötzlich sah sie . . . Tja was sah sie? Was waren das für Bilder? Sie sah Männer in Uniformen, einen Kriegsschauplatz, Tote, sie konnte damit nichts anfangen.

Brigitte fragte ihre Mutter ob sie ein Bild von ihrem Vater hätte. Sie hatte ein einziges Foto. Man sah ihn in Uniform vor einem Gebäude. Das Bild war in einer Rose mit einem Blatt abgebildet. Das wurde früher so gemacht, wenn die Männer zur Front mussten. Brigitte war sehr fasziniert von diesem Foto und von dem Mann, den sie nie kennen lernte. Sie fing an viele Fragen zu stellen. Brigitte erfuhr, dass ihr Opa Metzger war. Er sei ein sehr fröhlicher Mensch gewesen. Philipp sei in Russland drei Tage vor Kriegsende erschossen worden. Sonst wusste ihre Mutter leider nicht viel zu berichten, da sie noch sehr klein war als er eingezogen wurde. Katharinas Mutter war immer fröhlich und sang und pfiff während ihrer Arbeit. Das änderte sich schlagartig, als Philipp fiel.

Als Oma sich wieder mal ankündigte zog Brigitte auf Wunsch ihrer Mutter den Ring wieder an. Sie spielte in ihrem Zimmer und wieder kamen Bilder hoch. Sie sah . . .

War das Zufall oder hing das alles etwa mit diesem Ring zusammen? Brigitte wusste nicht, dass sie medial veranlagt und eine Art Profilerin war.

Brigitte trug den Ring nun öfter. Immer wieder sah sie Bilder aus einem Krieg und plötzlich erkannte sie Philipp. Sie getraute sich nicht irgendjemand davon zu erzählen.

Als sie wieder den Ring trug sah sie Philipp aus dem Schanzengraben aufstehen. Er lief direkt in den Kugelhagel. Die Kameraden wollten ihn zurückhalten, aber er hörte nicht auf sie.

Wieder sprach Brigitte ihre Mutter an und wollte nun genau wissen wie Philipp gefallen ist. Ihre Mutter erzählte wieder die alte Geschichte. Brigitte nahm ihren ganz Mut zusammen und erzählte von ihren Visionen und auch, dass er freiwillig in den Kugelhagel gelaufen ist. Ihre Mutter fing bitterlich an zu weinen. „Jetzt weiß ich, dass es wahr ist.“ „Was?“ „Meine Mutter ist schuld am Tod meines Vaters. Bei seinem letzten Heimaturlaub kam er nach Hause und hatte Syphilis. Das hatte er sich bei einer anderen Frau geholt. Meine Mutter machte ihm riesige Vorwürfe. Sie stritten sich. Mein Vater packte seinen Koffer, brach seinen Heimaturlaub ab und ging zurück an die Front. Dort lief er drei Tage vor Kriegsende freiwillig in den Tod, damit er nicht mehr nach Hause musste.“

Brigitte ließ sich von ihrer Oma alles erzählen, was sie wusste. Sie erfuhr wann und wo er verstorben war und noch so verschiedenes. Immer wieder hatte sie dieses Foto vor Augen und erinnerte sich an die Geschichte aus ihrer Kindheit, über die ihre Eltern lachten. Erst viele Jahre später machte sie eine Rückführung in der sie erfuhr, dass sie die Reinkarnation von Philipp sei. Nun wusste sie, dass sie doch schon Kartoffeln mit Salz gegessen hatte, wenn auch in einem früheren Leben. Und sie verstand warum der Ring zu ihr zurückkam.

Seelenkampf

Wir befinden uns im Mittelalter. Am Ufer des Rheins ankert ein schweres Handelsschiff, dessen dunkle Konturen sich geheimnisvoll gegen den vom Vollmond erhellten Abendhimmel abzeichnen. An Deck erkennt man zwei Gestalten. Es sind der Bootsbesitzer Adam und sein Freund Tobias, beide Ehrenmänner im besten Alter.

Nachdem Adam Tobias den Mannschaftsraum, den Lagerraum und vor allem das riesige, imponierende Steuerrad gezeigt hat, führt er ihn durch einen langen, schmalen Gang tief im Innern, der nur von wenigen Fackeln beleuchtet wird, auf seine Privatkabine im hinteren Teil des Kahnes zu. Auf den Wänden zucken bizarre Schatten, das Bodenholz knirscht unter ihren Schritten. Überhaupt herrscht eine eigentümliche, bedrückende Atmosphäre, die sich wie eine Zentnerlast auf Adams Gemüt und erst recht auf das seines Gastes legt. Die Unterhaltung verstummt, Adams Miene ist plötzlich verschlossen wie eine Maske. Allein seine Augen beginnen unruhig zu flackern. Tobias liest in Adams Gesicht. Ihm wird unheimlich und es beschleicht ihn Furcht. Eine Furcht, die er nicht zu begründen vermag.

Sie haben die Hälfte des Weges bereits hinter sich, da bleibt Adam plötzlich stehen. Sein Gesicht wird kalkweiß, die Hände zittern und seine Stimme bebt vor mühsam unterdrückter Panik.

„Irgendetwas ist hier, Adam, irgendetwas stimmt nicht!“, dringt Tobias in ihn.

Ihn beschleicht das ungute Gefühl, dass sie nicht mehr allein sind, sondern von allen Seiten beobachtet werden. Adam antwortet nicht. Er steht regungslos, seinen Blick mit weit aufgerissenen Augen auf die rechte Wand gerichtet. Tobias sieht auf eine Tür, verbarrikadiert mit zwei mächtigen Holzbalken.

„Adam, was bedeutet das?“, flüstert er tonlos.

Von dieser Tür strömt ihm Eiseskälte entgegen. Ihn fröstelt es.

„Lass uns weiter gehen!“, drängt er.

Er will fort, fliehen vor diesem unheimlichen Sog, der auch ihn unweigerlich dorthin zieht. Noch immer erhält er keine Erklärung. Stattdessen bewegt sich Adam, wie eine Marionette von unsichtbarer Hand gezwungen, willenlos auf die Türe zu. Entsetzt reißt Tobias seinen Freund am Ärmel, will ihn zurückhalten.

„Adam, nein. Mir graust es . . . Sie sind um uns, nicht wahr? Sie, die Dämonen aus der anderen Welt!?“

Diesmal bekommt er eine Antwort, jedoch in einer Weise, die so schrecklich ist, dass ihm der Atem stockt.

Adam boxt unter Stöhnen die beiden Holzbalken aus ihren Klammern, lässt sie willkürlich zu Boden krachen. Wie hypnotisiert stieren die beiden Männer auf die Türe, unfähig, doch noch die Flucht zu ergreifen und dadurch dem übermächtigen Einfluss des Unirdischen zu entgehen. Sie stieren, sind keines klaren Gedankens mehr fähig und harren ihres Schicksals.

Wie von Geisterhand öffnet sich langsam die schwere Türe. Kein Knarren, kein Quietschen, nichts. Die totale Lautlosigkeit, deren Grausamkeit die beiden Freunde lähmt, verdammt sie für diesen Augenblick zur absoluten Widerstandslosigkeit.

Mittlerweile steht der Eingang des Schreckens weit offen. Unsere beiden Freunde sehen nicht länger in schwärzliche, bedrohliche Düsterheit. Gräuliche Nebelschwaden wabern ihnen entgegen, versuchen sie einzuhüllen. Doch dabei bleibt es nicht allein. In diesem Grau formen sich schemenhafte Gestalten, Körper Verstorbener, die sie aus leeren Augenhöhlen durchbohrend fixieren. Aber sie halten sich im Hintergrund, starrten nicht etwa den Versuch eines Angriffes, blicken Adam und Tobias nur unaufhörlich an.

Plötzlich tritt eine der Schattengestalten vor. Sie bleibt nicht länger ein Schemen. Ein Mensch, eine alte Frau steht vor ihnen. Sie trägt edle Gesichtszüge und lächelt sanft. Die Männer vernehmen eine liebliche Frauenstimme, die sie lockt, die sie einlullen will:

„Komm zu mir, mein Sohn. Trete ein in diese meine Welt, damit wir für immer vereint sind! Dich erwartet die Unsterblichkeit! – Komm . . .!“ Die Stimme wird drängender, bohrt sich tiefer und tiefer in Adams Herz. Es ist seine Mutter, die ihn zu sich ruft, zu sich in die Welt der Unsichtbaren.

Der heuchlerische Singsang ihrer Stimme löst die Starre in Adams Seele. Er wird wach und spürt den Atem des Bösen. Er kann ihm jedoch nichts anhaben, denn Adam ist ein Ehrenmann. Das Gute ist sein Schutzschild und auch das seines Freundes. Von diesem Moment an haben sie keine Angst mehr, egal, was ihnen noch begegnet. Inzwischen wagt sich das Wesen, dass Adams Mutter ist, näher und näher. Es bringt all seine dämonische Kraft auf, um diese zwei Menschen doch noch in seine Gewalt zu zwingen. Mit lieblichen Worten war es ihnen nicht beigekommen. Nun zeigt es sein wahres Gesicht, eine abscheuliche Fratze der Verlogenheit und grausame Krallenhände, die in ihrer Schrecklichkeit von etwas künden, von dem bisher allein Adam Kenntnis hatte. Ein Geheimnis, um dessen Wissen er zeit seines Lebens so gut als möglich in seinem Herzen verschlossen hielt.

„Du musst dich nicht fürchten. Sie kann uns nichts. Wir sind zu stark. Uns schützen die Geister des Guten, warte ab!“

Durch Adams Worte aufgerüttelt aus der Hypnose des Grauens, gelingt es Tobias, dem höllischen Einfluss ebenfalls endlich Widerstand entgegen zu stellen. Fragen zu stellen, ist es ihm noch unmöglich, aber die von Gott eingesetzte Macht des Vertrauens, das Vertrauen zu seinem Freund ist mächtiger als die dämonische Zauberkraft.

„Wir sind behütet!“, betont Adam.

Seine Mimik ist nicht länger die eines Gehetzten, sondern zeugt von aufkeimender Zuversicht. Ohne den Geist seiner Mutter aus den Augen zu lassen, wendet er sich zur linken Wand. Auch dort findet sich eine Türe. Jedoch ist sie weder mit Zeichen der Brutalität noch gewaltsam verschlossen. Auf ihren Flanken entdeckt Tobias ein weißes Kreuz, mehr nicht. Sind es Adams Worte, die ihn zur Ruhe bringen oder ist es sein eigener Glaube? Oder beides? Er weiß es da nicht zu sagen.

Adam öffnet diese Türe. Auch sie knarrt nicht, auch sie quietscht nicht. Aber die Lautlosigkeit ist eine andere. Es ist die Stille des Friedens. Fasziniert blicken die beiden Männer, Tobias verzaubert, Adam trotz allem noch mit einem Auge den Geist seiner Mutter beobachtend, in den Raum hinter dieser Türe. Sie sehen in ein helles Licht und vernehmen leise Musik, von unsichtbaren Geigen gespielt. In diesem Licht schreitet ein Kind langsam auf die beiden Männer zu. Ein seliges Lächeln umspielt seinen Mund. Bald steht es neben ihnen.

„Mein Bruder!“, spricht es Adam an. „Und du, Tobias . . . Fürchtet euch nicht. Adam, in Deinem Herzen waren wir immer zusammen, nie getrennt! Folgt mir in meine himmlische Welt!“

Während es so spricht, richtet das Gute seinen Blick auf das Böse, das sich schreiend und fluchend unter diesen Worten krümmt und windet. Die Magie der Hölle ist machtlos. Die Fratze der Mutter verzerrt sich, ihre Gestalt verblasst, zerreißt in Fetzen und verschwindet in den schwarzen Abgrund des Verbrechens, in die ewige Verdammnis, um niemals mehr aufzutauchen. Ihre Kraft ist endgültig gebrochen. Wie von Zauberhand verschließt sich die Höllentüre hinter ihr, um nie mehr Bedrohliches freizugeben.

Adam und Tobias fallen auf die Knie und bekreuzigen sich. Sie fühlen sich aufgehoben in Gottes Hand.

„Werdet ihr mit mir gehen?“, fragt das Kind ein zweites Mal.

Forschend sieht es sie an und erkennt die Antwort.

„Noch nicht, noch ist es zu früh!“, stammelt Adam. „Doch nun werde ich Tobias alles erzählen. Auch er wird im Herzen mit dir verbunden sein!“

Ein Leuchten geht über das Gesicht des Kindes.

„Braucht ihr Hilfe, dann ruft mich jederzeit! – Ich gehe jetzt zurück in meine Welt!“

Einen Moment lang streichelt es Adams Hand. Wieder erklingt jene zarte Musik. Das Kind tritt zurück in den Raum. Lautlos schließt sich die Tür hinter ihm. Der Gang, der ihnen so viel Schrecken bescherte, ist nicht länger düster und kalt. Es ist, als ob Tausende von Fackeln entzündet worden sind.

Die beiden Männer empfinden den neuen Frieden und gehen ruhigen Herzens ihres Weges. Dann, in Adams Kabine, stellt Tobias die Frage aller Fragen:

„Adam, bitte erzähle mir. Was ist damals geschehen?“

„Tobias, meine Eltern waren sehr arme Leute, die tagtäglich ums Überleben kämpften. Ich, ihr ältester Sohn, war ein Wunschkind, für das sie viele Opfer brachten. Doch die Jahre gingen ins Land und die Ehe meiner Eltern war fast zerrüttet. Trotzdem kam noch ein Geschwister, mein Bruder, zur Welt. Mittlerweile aber hasste meine Mutter meinen Vater, wünschte ihn zur Hölle. Genauso fing sie an, meinen Bruder zu hassen. Sie gab ihm kaum zu essen und kümmerte sich nicht mehr um ihn. Eines Tages dann kam es zur Katastrophe: Nach einem schlimmen Streit mit meinem Vater stürzte sie sich voller Gram und unbezähmbarer Wut auf meinen wehrlosen Bruder, prügelte ihn blutig und erwürgte ihn dann zu Tode.“

Er verhielt einen Augenblick, holte tief Luft, um dann fortzufahren:

„Wie nicht anders zu erwarten, ereilte sie die Gerechtigkeit und sie endete am Galgen. Während sie mit dem Tode rang, verfluchte mein Vater sie:

„Dein Geist soll nicht Ruhe finden, die Dämonen der Hölle dich quälen ohne Unterlass, bis dann eines Tages der Himmel in Gestalt deines eigenen Sohnes dich für immer vernichtet!“

„Und dein armer Bruder?“, fragte Tobias erschüttert.

„Du warst Zeuge, mein Freund!“, erwiderte Adam. „Er war ein unschuldiges Kind. Die Heimat eines solchen Kindes ist der Himmel.“

Noch lange saßen die beiden Männer zusammen. Das Band des gemeinsamen Geheimnisses machte ihre Freundschaft noch inniger.

Die verlassene Stadt

Mich haben immer schon Geschichten interessiert, die sich um verlassene Orte handelten. Sei es um meine Neugier zu befriedigen oder sei es einfach, dass unheimliche Empfinden, dass ich zu spüren hoffte. Was mich immer dazu bewegt hatte, in dem vergangenen Sommer mit einem Freund, eine verlassene Ortschaft zu besuchen, die sich Heiligenstadt nannte.

Wir waren mit dem Motorrad unterwegs. Das Wetter war trocken und sonnig und so hofften wir bei Nachtanbruch wieder in unseren heimischen vier Wänden zu sein...wie gesagt...wir hofften des damals.

Dabei fing alles so an, wie man sich einen kleinen Ausflug vorstellte. Die Räder waren vollgetankt und unsere Fotoausrüstung war im besten Zustand. Kurt, so hieß mein Freund, war gerade dabei seinen Helm aufzusetzen, als mir einfiel, dass wir keinen Kompass dabei hatten. Nun ich bin ein Mensch der gerne weiß wo sich welche Himmelsrichtung befand, deswegen holte ich schnell das gute Stück aus unserem Haus und kurze Zeit später waren wir unterwegs auf einer verlassenen Landstraße Richtung Süden.

Je weiter wir kamen, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass es kälter wurde. Was als sonniger Tag begann wurde schnell zu einem wolkenverhangenen Himmel, dessen Sonne uns nicht mehr entgegen lachte. Doch unbeirrt fuhren wir weiter. Die Straße wurde immer schlechter und schon bald verließen wir sie, um in einen Waldweg einzubiegen. Es war nichts weiter dabei, wir waren auch für solche Wege bestens vorbereitet und so wurde unser Vorhaben nur geringfügig behindert. Auf der Karte hatte ich mir diese mysteriöse Stadt genauer angesehen und ich musste feststellen, dass die ganz schön weit ab vom Geschehen der modernen Welt war, denn sie war umgeben von dichten Wäldern und dieser Waldweg war so ziemlich der einzige Weg, der zur Stadt führen sollte.

Langsam aber sicher wurde der Weg zu uneben, um noch mit unseren Maschinen weiter zu kommen. Deswegen sah ich in die Augen von Kurt und er hatte denselben Gedanken wie ich. Wir mussten, Wohl oder Übel, unsere Motorräder hier abstellen und den Rest des Weges zu Fuß gehen müssen.

Auch zu Fuß war der Weg die reine Pein; zum Glück hatten wir unsere Stiefel an, um diesen beschwerten, vom Unterholz, gesäumten Waldweg zu bewältigen.

Nach einigen Momenten sahen wir einige Dächer in der Ferne und schon bald lichtete sich der Wald. Es stand nun fest, dass wir am Rande von Heiligenstadt angekommen waren. Ein Blick auf meine Uhr zeigte mir, dass wir bereits Mittag hatten und so mussten wir uns beeilen, wenn wir noch genug Eindrücke sammeln wollten.

Ich konnte es nicht fassen, dass man so schöne Bauten einfach aufgegeben hatte. Mit dem Verlauf der Zeit hatten diese Häuser dennoch ihren ursprünglichen Glanz verloren. Manche Dächer waren vollkommen weggerissen, als wenn ein heftiger Sturm hier getobt hätte. Die noch vorhandenen Straßen waren an manchen Stellen aufgerissen, so dass sich Unkraut ungehindert ausbreiten konnte. Laternen waren zwar vorhanden, doch keiner dieser Stücke würde jemals wieder in Licht erstrahlen, da sie entweder umgeknickt worden sind oder gar keine Glühbirne mehr inne hatten. Kurt holte seine Digitalkamera raus und Fotografierte die Gegend. Sicherlich war es ein beeindruckender Anblick, auch wenn diese Stadt dem Verfall und des Elendes in die Hände gespielt worden war. Das bemerkenswerteste war, dass die Ruhe sich hier so breit gemacht hatte, dass man weder Vögel noch sonst was vernahm. Mein Gefühl sagte mir, dass es in dieser Stadt kein einziges Leben mehr gab und doch fühlte ich mich beobachtet.

Als wir an einem Haus vorbeikamen, dass dem Stil her schon mehrere hundert Jahre auf dem Buckel hatte, konnten wir ein leises Wimmern vernehmen. Kurt stand stock steif stehen und seine Augen verrieten mir, dass er genauso überrascht war wie ich. Hier in dieser Gott verlassenen Gegend vernahm man ein Geräusch, dass die Anwesenheit von Leben offenbarte? Das Wimmern wurde heftiger und lauter. Jemand musste in Not sein und so beschlossen wir, dieses abbruchreife Haus zu betreten.

Es mochte wohl keiner jemals betreten haben, denn überall lag Zementstaub und in meiner Nase regte sich das Gefühl der Wiederwertigkeit, als ich diesen Modergeruch wahrnahm.

Das Treppenhaus war sicherlich morsch, denn die Holztreppe sah nicht gerade stabil aus und so beschlossen wir, dass wir erst einmal das Erdgeschoss ansehen würden, bevor wir uns vielleicht unnötig in Gefahr begeben würden. Jetzt da wir dieses Haus betraten, viel uns auf, dass dieses unsagbare Wimmern aufgehört hatte. Wie konnte dies sein? Es schien von Draußen her aus dem Haus zu kommen. Wir blieben stehen und hörten in den Tag hinein, um festzustellen, dass es wahrhaftig aufgehört hatte. Kurt machte wieder Fotos