Der Pflaumendieb - Karl May - E-Book

Der Pflaumendieb E-Book

Karl May

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Beschreibung

Verkleidet als Werber von Soldaten hört Fürst Leopold I. von dem österreichischen Oberleutnant Arthur von Hellbach, der nach Dessau geflohen ist. Leopold rekrutiert von Hellbach, ohne diesen zu erkennen. Als Soldat erfährt von Hellbach von Unterschlagungen und versucht, diese aufzudecken. "Der Pflaumendieb" ist eine Kurzgeschichte. Sie wurde bereits in "Der alte Dessauer" (Band 42 der Gesammelten Werke) veröffentlicht.

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KARL MAY

DER PFLAUMENDIEB

HUMORESKE

AusKARL MAYSGESAMMELTE WERKEBAND 42„DER ALTE DESSAUER“

© Karl-May-VerlageISBN 978-3-7802-1324-2

Die Erzählung spielt im Jahre 1739.

KARL-MAY-VERLAGBAMBERG • RADEBEUL

Inhalt

DER PFLAUMENDIEB

In der Dorfkirche

Kameraden

Auf der Kirchweih

DER PFLAUMENDIEB

(1739)

In der Dorfkirche

Die Dorfstraße herauf kam ein alter Mann gegangen. Er trug ein Paar alte, beschmutzte Drellhosen und eine schwarze Kutte; über deren Kragen war ein rot und gelb getüpfeltes Halstuch geschlungen, dessen zwei Zipfel bis über die breite Brust herabhingen. Die grob gearbeiteten Knöchelschuhe hatten sicherlich schon seit Monaten weder Wichse noch Schmiere gesehen; der Zopf war zerzaust, sein riesiger Dreispitz hatte manchen Sturm erlebt und der stark mit Eisen beschlagene Knotenstock in seiner Hand trug noch dazu bei, den derben, fast kriegerischen Eindruck der ganzen Persönlichkeit zu erhöhen. Der Mann bog in ein Haus, über dessen Tür die Inschrift ‚Erbschenke zum wilden Mann‘ zu lesen war, und trat in die niedrige, verräucherte Gaststube, wo er außer der Wirtin in der hintersten Ecke noch einen Mann bemerkte.

„Guten Morgen, Alte“, grüßte er mit tiefer Bassstimme, „gebe Sie mir einen Genever!“

„Scheneber? Den haben wir nicht. Ich denke, ein Kornschnaps wird auch gut genug für Ihn sein“, antwortete sie mit einem gering schätzenden Blick auf seine staubbedeckte Gestalt.

„So? Meint Sie das wirklich? Ja, Sie scheint sehr klug zu sein, das sieht man ja gleich an Ihrer allerliebsten Nase. Aber Genever hat Sie doch, Sie alte Lügnerin. Her damit!“

Die Frau machte ein zorniges Gesicht.

„Was bin ich und wie nennt Er mich, Er Grobsack und Landstreicher! Eine Lügnerin? Will Er mir das wohl gleich beweisen, he?“

„Halt Sie Ihr Plappermaul, sonst schlag’ ich Ihr den Grobsack um die Flattusenhaube, dass Ihr der Landstreicher in alle Ewigkeit vor den Augen flimmert! Steht etwa dort auf der Flasche nicht groß und deutlich genug ‚Wacholder‘ geschrieben?“

„Ja, Wacholder, aber doch nicht Scheneber, oder wie Sein albernes Zeug heißen soll!“

„Da sperre Sie einmal die Ohren auf und merke Sie sich das, was ich Ihr sagen werde!“

Er fasste sie bei beiden Schultern und brüllte ihr mit einer wahren Donnerstimme in die Ohren:

„Wacholder und Genever ist ganz ein und dasselbe! Hat Sie es verstanden, he? Und nun schenke Sie ein, sonst bewacholdre ich Sie, und zwar gehörig!“

„Herrjesses, hat der Mensch eine Stimme! Das ist ja grad, als hätte man es mit Löwen und Elefanten zu tun! Will Er einen großen oder einen kleinen?“

„Nehm Sie den Stamper da oben herunter; aus Ihren Finkennäpfen trinke ich nicht!“

„Den Stamper dort? Der kostet zwei gute Groschen. Hat Er Geld?“

Sein Auge blitzte halb zornig und halb belustigt.

„Will Sie mir wohl nun endlich einmal den Schnaps geben oder soll ich nachhelfen!“

Diese Worte waren nicht sehr laut, aber in einem eigentümlichen Ton gesprochen, der kein weiteres Zögern zuließ.

Die Wirtin schenkte das Glas voll und stellte es vor ihn hin.

„So, da! Er ist ein Grobian erster Sorte. Ich glaube kaum, dass sich der Alte Dessauer mit Ihm messen kann, und der hat’s doch gewisslich weg!“

„Ah, hat der’s wirklich weg? Hab’ viel von ihm gehört; möchte ihn nur auch mal sehen! Hat Sie ihn denn schon kennengelernt?“

„Nein, ich hab’ ihn bloß einmal von Weitem gesehen und ich bin auch ganz froh, dass er mir noch nicht zu nahe gekommen ist. Wer ist Er denn eigentlich, he?“

„Das geht sie den Teufel an. Aber rate Sie doch einmal! Für wen und was hält Sie mich?“

„Hm, unsereins kennt seine Leute, wenn sie auch einmal in einem anderen Rock stecken. Euer Schnurrbart und der Soldatenzopf, die verraten Euch. Ihr seid ein Unteroffizier und geht auf Rekrutenfang.“

„Alle Wetter, Alte, ist Sie scharfsinnig! Na, wenn ich mich so schlecht verstellen kann, so werde ich verteufelte Geschäfte machen.“

Der Mann in der Ecke horchte auf. Seine niedrige und zurückgebogene Stirn, die in eine große Glatze verlief, die weit auseinander stehenden, stechenden Augen, die scharf geschnittene Habichtsnase, die dünnen, bartlosen Lippen und das kurze, spitze Kinn gaben seinem Gesicht etwas Raubvogelähnliches, was durch den Ausdruck der Salbung, der auf seinen Zügen lag, eher vermehrt als vermindert wurde.

Als jetzt die Wirtin die Stube verließ, erhob er sich von seinem Platz und trat herbei.

„Ist es erlaubt, sich zu Euch zu setzen?“

„Ich werde Ihn nicht fressen!“

„Es ist nicht gut, so allein zu sitzen; ich liebe die Langeweile nicht. Ihr seid Werber?“

„Hm, ja. Warum?“

„Weil ich Euch dann noch etwas zu fragen hätte.“

„So frage Er!“

„Sieht Er diesen Gulden hier? Das Geld kann Er sich verdienen, wenn Er mir eine Auskunft gibt.“

„Worüber?“

„Über einen Mann, den ich suche, einen Schwindler und Betrüger, der sich für den Grafen Artur von Hellbach ausgibt.“

„Ist mir noch nicht begegnet; kenne überhaupt die Hellbachs gar nicht!“

„So! Dann hat er sich wohl einen anderen Namen beigelegt. Ich bin sehr genau unterrichtet, dass er sich hier unter die Soldaten stecken will.“

„Ist nicht geschehen; würde ihn sonst kennen; denn ein neuer Offizier spricht sich schnell herum.“

„Offizier ist er jedenfalls nicht, denn da hätte er sich beim Fürsten melden und seinen wahren Namen sagen müssen. Er ist sicher als Gemeiner unter die blauen Lumpen gegangen.“

„Wohin? Unter die Lumpen? Wird Er mir wohl sagen, wen Er unter diesen blauen Lumpen versteht?“

„Lasst das! Ihr seid Werber und ich will Euch nicht beleidigen.“

„Das will ich Ihm auch nicht geraten haben. Was hat es denn eigentlich mit Seinem Artur von Hellbach für eine Bewandtnis, he?“

„Das ist eigentlich ein Geheimnis. Euch könnte ich es schon anvertrauen; denn wenn Ihr auch noch nichts von ihm gehört und gesehen habt, so ist es doch möglich, dass Ihr ihm noch begegnet. Die Hellbachs sind nämlich österreichisch und eine sehr reiche Familie, die in zwei Linien geteilt war, von denen die eine vor Jahresfrist ausstarb. Das Erbe ist also auf die andere Linie übergegangen. Der verstorbene Hellbach war unverheiratet und dennoch meldete sich nach seinem Tod ein Mensch, der sich für seinen Sohn ausgab und Anspruch auf die Hinterlassenschaft erhob. Natürlich wurde er als Betrüger hinter Schloss und Riegel gebracht, zerbrach aber die Eisenstäbe vor dem Fenster seines Gefängnisses und entkam. Er wurde zwar von einer aus sechs Mann bestehenden Patrouille erwischt. Aber es war den Leuten unmöglich, ihn zu halten. Vier Mann schlug er nieder und die andern zwei brachten sich in Sicherheit.“

„Sechs Mann? Und die Eisenstäbe zerbrechen? Das muss ja ein ganz prächtiger Schlingel sein!“

„Ja, er ist ungeheuer stark. Seine Spur blieb lange Zeit verloren, bis man sie in Sachsen wieder fand. Er ist jetzt hier im Land und geht ganz sicher unter die Soldaten, um sich unter dem bunten Rock zu verbergen. Ihr habt mir zwar keine Auskunft geben können, aber hier ist der Gulden. Er soll Euer sein, denn ich denke, dass wir einander wieder sehen werden, wo Ihr mir dann vielleicht besser berichten könnt.“

„So also ist’s gemeint! Seh’ ich denn wirklich so armselig aus, dass Er mir zutraut, ich würde Seinen Spion machen? Er ist wohl ein Wiener Polizist? Da nehm Er sich nur ja in Acht; der Dessauer leidet kein solch schleichendes Gewürm in seinem Land.“

„Falsch geraten! Wär’ ich ein Polizist, so würde ich mich an die Behörde wenden.“

„Na, was hat Er denn sonst für ein Gewerbe? Heraus damit!“

„Ich bin Seifensieder. Mein Bruder ist Kammerdiener in der Familie Hellbach; daher kenne ich die Sache.“

„Hm, ja, ja! Steck Er seinen Gulden nur immer wieder ein; ein Seifensieder hat nichts zu verschenken; und trolle Er sich schleunigst von dannen, sonst richtet Er sich eine Lauge an, die Ihn in die Finger beißt!“

Der Alte zog einen wohlgefüllten Leinwandbeutel aus der Tasche und wandte sich zu der Wirtin, die eben wieder eingetreten war.

„Hier hat Sie Ihre zwei guten Groschen; aber das Zeug hier ist der reine Fusel und keinen Heller wert; hol’s der Teufel und Sie dazu!“

Er verließ die Schenke. Unweit davon stand die Kirche. Eben läuteten die Glocken zum Beginn des Gottesdienstes. Er trat ein und nahm in einem Stuhl gegenüber der Kanzel Platz. Die Kirchenbesucher hielten ihre Augen mit ganz absonderlicher Neugierde auf ihn gerichtet; seine Kleidung passte wenig in die sonntägliche Umgebung.

Das erste Lied war bereits gesungen, ohne dass er sich am Gesang beteiligt hatte.

Da kam ein dicker, vierschrötiger Bauer langsam herbei und blieb vor ihm halten.

„Das ist mein Platz! Weg mit Ihm!“

„Ja weg mit Ihm!“

„Hat Er mich verstanden? Pack Er sich!“

„Nein, ich pack’ Ihn!“

Der Fremde erhob sich, fasste den Mann bei den Schultern und drückte ihn nachhaltig auf den Nebensitz nieder, dass das Brett in allen Fugen krachte.

„So, da hat Er einen Sitz. Der Seinige ist jetzt mein, wie Er sieht!“

Der Zurechtgewiesene hielt es um des Kirchenfriedens willen für geraten, sich zu fügen. Er nahm sein Gesangbuch vor und schlug das eben begonnene Lied auf. Kaum aber hatte er das Buch vor sich hingelegt, so griff der Fremde danach.

„Geb Er her!“