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In diesem Roman, der ca. 1870 im Wilden Westen spielt, schildert Karl May die Reise einer Gruppe von Trappern, bei Karl May als Westmänner bezeichnet, zu dem in den Rocky Mountains gelegenen Silbersee. Die Handlung setzt an Bord eines Raddampfers auf dem Arkansas ein. Hauptpersonen sind die Westmänner Old Firehand und Tante Droll sowie der Schurke Cornel Brinkley, der wegen seiner roten Haare auch der "rote Cornel" genannt wird. "Cornel" ist eine Verballhornung des militärischen Ranges "Colonel" (dt. Oberst). Cornel Brinkley ist Anführer einer großen Bande von Tramps, die nicht davor zurückschrecken, Farmen und Züge zu überfallen und auszurauben. Old Firehand hat vor Beginn der eigentlichen Handlung am Silbersee eine Silberader entdeckt und kehrt nun an den Silbersee zurück, um den Fund von einem Ingenieur namens Patterson begutachten zu lassen und die Silberader anschließend auszubeuten. Auf der Reise zum Silbersee begegnet Old Firehand allerlei skurrilen Figuren, wie der Tante Droll, dem wettbesessenen Lord Castlepool, dem stets in Reimen sprechenden Westmann Gunstick-Uncle und seinen buckligem Gefährten Humply-Bill. Später stoßen noch Winnetou, Shatterhand, Hobble Frank, Der lange Davy und Der Dicke Jemmy dazu. (aus wikipedia.de)
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Seitenzahl: 964
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Karl May – Biografie und Bibliografie
Der Schatz im Silbersee
Erstes Kapitel: Der schwarze Panther
Zweites Kapitel: Die Tramps
Drittes Kapitel: Naechtliche Kaempfe
Viertes Kapitel: Der Vergeltung entronnen
Fuenftes Kapitel: Indianisches Meisterstueck
Sechstes Kapitel: Ein Parforceritt im Finstern
Siebentes Kapitel: Im Kampf um Butlers Farm
Achtes Kapitel: Ein Drama auf der Prairie
Neuntes Kapitel: List und Gegenlist
Zehntes Kapitel: Am Eagle-tail
Elftes Kapitel: In der Klemme
Zwoelftes Kapitel: Auf Tod und Leben
Dreizehntes Kapitel: Edelmut Old Shatterhands
Vierzehntes Kapitel: Gefangen und befreit
Der Schatz im Silbersee, Karl May
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849608637
www.jazzybee-verlag.de
Cover Design: © Can Stock Photo Inc. / javarman
Am 25. Februar 1842 wird Karl May wird als fünftes Kind des Webers Heinrich May und dessen Ehefrau Wilhelmine (geb. Weise) in Ernstthal (Sachsen) geboren. Obwohl er kurz nach seiner Geburt erblindet wird er im Alter von 5 Jahren von der Krankheit geheilt. Bereits mit 14 Jahren beginnt er eine Ausbildung zum Volksschullehrer, die er 1861 besteht. Noch im gleichen Jahr verliert May seinen Arbeitsplatz als Lehrer wegen wiederholten Diebstahls. Ab 1863 wird es ihm verboten zu unterrichten.
Von 1865 bis 1869 wird May immer wieder straffällig und muss von 1870 bis 1874 ins Gefängnis. Danach beginnt May zu schreiben und in "Der Deutsche Hausschatz" erscheinen erste Erzählungen: "Reiseabenteuer in Kurdistan", "Die Todeskarawane" oder "Stambul". Seine Romane erfahren immer mehr Zuspruch und 1893 erscheint die Winnetou-Reihe. Bis 1898 veröffentlicht May über 30 Bände mit immer steigender Auflage.
Erst 1899 unternimmt May erstmals eine Reise in den Orient, 1908 sieht er zum ersten Mal die Vereinigten Staaten. Alles was er geschrieben hatte war pure Fiktion! Er stirbt am 30. März 1912 an einem Herzschlag.
Zu seinen wichtigsten Werken zählen Durch die Wüste (1892), Durchs wilde Kurdistan (1892), Von Bagdad nach Stambul (1892), In den Schluchten des Balkan (1892), Durch das Land der Skipetaren (1892), Der Schut (1892), Winnetou I (1893), Winnetou II (1893), Winnetou III (1893), Orangen und Datteln (1893), Am Stillen Ozean (1894), Am Rio de la Plata (1894), In den Cordilleren (1894), Old Surehand I (1894), Old Surehand II (1895), Im Lande des Mahdi I (1896), Im Lande des Mahdi II (1896), Im Lande des Mahdi III (1896), Old Surehand III (1897), Satan und Ischariot I (1896) ,Satan und Ischariot II (1897), Satan und Ischariot III (1897), Auf fremden Pfaden (1897), „Weihnacht!“ (1897), Im Reiche des silbernen Löwen I (1898), Im Reiche des silbernen Löwen II (1898), Am Jenseits (1899), Der Sohn des Bärenjägers (1887), Der Geist des Llano estakato (1888), Der blaurote Methusalem (1888), Die Sklavenkarawane (1889/90), Der Schatz im Silbersee (1890/91), Das Vermächtnis des Inka (1891/92), Der Ölprinz (1893/94) und Der schwarze Mustang (1896/97).
Es war um die Mittagszeit eines sehr heissen Junitags, als der "Dogfish", einer der grössten Passagier- und Güterdampfer des Arkansas, mit seinen mächtigen Schaufelrädern die Fluten des Stromes peitschte. Er hatte am frühen Morgen Little Rock verlassen und sollte nun bald Lewisburg erreichen, um dort anzulegen, falls neue Passagiere oder Güter aufzunehmen seien.
Die grosse Hitze hatte die besser situierten Reisenden in ihre Kajüten und Kabinen getrieben, und die meisten der Deckpassagiere lagen hinter Fässern, Kisten und andern Gepäckstücken, welche ihnen ein wenig Schatten gewährten. Für diese Passagiere hatte der Kapitän unter einer ausgespannten Leinwand einen Bed-and-board errichten lassen, auf welchem allerlei Gläser und Flaschen standen, deren scharfer Inhalt jedenfalls nicht für verwöhnte Gaumen und Zungen berechnet war. Hinter diesem Schenktisch sass der Kellner mit geschlossenen Augen, von der Hitze ermüdet, mit dem Kopfe nickend. Wenn er einmal die Lider hob, wand sich ein leiser Fluch oder sonst ein kräftiges Wort über seine Lippen. Dieser sein Unmut galt einer Anzahl von wohl zwanzig Männern, welche vor dem Tische in einem Kreise auf dem Boden sassen und den Würfelbecher von Hand zu Hand gehen liessen. Es wurde um den sogenannten "Drink" gespielt, d.h. der Verlierende hatte am Schlusse der Partie für jeden Mitspielenden ein Glas Schnaps zu bezahlen. Infolgedessen war dem Kellner das Schläfchen, zu welchem er so grosse Lust verspürte, versagt.
Diese Männer hatten sich jedenfalls nicht erst hier auf dem Steamer zusammengefunden, denn sie nannten einander "du" und schienen, wie gelegentliche Äusserungen verrieten, ihre gegenseitigen Verhältnisse genau zu kennen. Entgegengesetzt dieser allgemeinen Vertraulichkeit gab es unter ihnen einen, dem eine gewisse Art von Respekt erwiesen wurde. Man nannte ihn Cornel, eine gebräuchliche Verstümmelung des Wortes Colonel, Oberst.
Dieser Mann war lang und hager; sein glatt rasiertes, scharf und spitz gezeichnetes Gesicht wurde von einem borstigen roten Kehlbarte umrahmt; fuchsrot waren auch die kurzgeschorenen Kopfhaare, wie man sehen konnte, da er den alten, abgegriffenen Filzhut weit in den Nacken geschoben hatte. Sein Anzug bestand aus schweren, nägelbeschlagenen Lederschuhen, Nankingbeinkleidern und einem kurzen Jackett von demselben Stoffe. Eine Weste trug er nicht; an Stelle derselben war ein ungeplättetes, schmutziges Hemd zu sehen, dessen breiter Kragen, ohne von einem Halstuche gehalten zu werden, weit offen stand und die nackte, sonnenverbrannte Brust sehen liess. Um die Hüften hatte er sich ein rotes Fransentuch geschlungen, aus welchem die Griffe des Messers und zweier Pistolen blickten. Hinter ihm lag ein ziemlich neues Gewehr und ein leinener Schnappsack, welcher mit zwei Bändern versehen war, um auf dem Rücken getragen zu werden.
Die andern Männer waren in ähnlicher Weise sorglos und gleich schmutzig gekleidet, dafür aber sehr gut bewaffnet. Es befand sich kein einziger unter ihnen, dem man beim ersten Blicke hätte Vertrauen schenken können. Sie trieben ihr Würfelspiel mit wahrer Leidenschaftlichkeit und unterhielten sich dabei in so rohen Ausdrücken, dass ein halbwegs anständiger Mensch sicher keine Minute lang bei ihnen stehen geblieben wäre. Jedenfalls hatten sie schon manchen "Drink" gethan, denn ihre Gesichter waren nicht nur von der Sonne erhitzt, sondern der Geist des Branntweins führte bereits die Herrschaft über sie.
Der Kapitän hatte die Kommandobrücke verlassen und war aufs Achterbord zum Steuermann gegangen, um demselben einige notwendige Weisungen zu erteilen. Als dies geschehen war, sagte der letztere: "Was meint Ihr zu den Jungens, welche da vorn beim Würfeln sitzen, Kapitän? Mir scheint, es sind Boys von der Art, die man nicht gern an Bord kommen sieht."
"Denke es auch," nickte der Gefragte. "Haben sich zwar als Harvesters (Erntearbeiter) ausgegeben, welche nach dem Westen wollen, um sich auf Farmen zu verdingen, aber ich möchte nicht der Mann sein, bei welchem sie nach Arbeit fragen."
"Well, Sir. Ich meinesteils halte sie für richtige und wirkliche Tramps. Hoffentlich halten sie wenigstens hier an Bord Ruhe!"
"Wollte es ihnen nicht raten, uns mehr, als wir gewöhnt sind, zu belästigen. Wir haben Hands genug an Bord, sie alle in den alten, gesegneten Arkansas zu werfen. Macht Euch übrigens zum Anlegen klar; denn in zehn Minuten kommt Lewisburg in Sicht!"
Der Kapitän kehrte auf seine Brücke zurück, um die beim Landen nötigen Befehle zu erteilen. Man sah sehr bald die Häuser des genannten Ortes, welche das Schiff mit einem langgezogenen Brüllen der Dampfpfeife begrüsste. Von der Landebrücke wurde das Zeichen gegeben, dass der Steamer Fracht und Passagiere mitzunehmen habe. Die bisher unter Deck befindlichen Reisenden kamen herauf, um die kurze Unterbrechung der langweiligen Fahrt zu geniessen.
Ein sehr unterhaltendes Schauspiel bot sich ihnen freilich nicht. Der Ort war damals noch lange nicht von seiner jetzigen Bedeutung. Am Halteplatze standen nur wenige müssige Menschen; es gab nur einige Kisten und Pakete aufzunehmen, und die Zahl der an Bord steigenden neuen Passagiere betrug nicht mehr als drei, welche, als sie die Passage bezahlten, von dem betreffenden Offizier ganz und gar nicht als Gentlemen behandelt wurden.
Der eine von ihnen war ein Weisser von hoher, ausserordentlich kräftiger Gestalt. Er trug einen so kräftigen, dunkeln Vollbart, dass man nur die Augen, die Nase und den obern Teil der Wangen erkennen konnte. Auf seinem Kopfe sass eine alte Bibermütze, welche im Laufe der Jahre fast kahl geworden war. Ihre einstige Gestalt zu bestimmen, war ein Werk der Unmöglichkeit; höchst wahrscheinlich hatte sie schon alle möglichen Formen gehabt. Der Anzug dieses Mannes bestand aus Hose und Jacke von starkem, grauem Leinen. In dem breiten Ledergürtel steckten zwei Revolver, ein Messer und mehrere kleine, dem Westmanne unentbehrliche Instrumente. Ausserdem besass er eine schwere Doppelbüchse, an deren Schaft, um beides bequemer tragen zu können, ein langes Beil gebunden war.
Als er das Fahrgeld bezahlt hatte, warf er einen forschenden Blick über das Deck. Die gut gekleideten Kajütenpassagiere schienen ihn nicht zu interessieren. Da fiel sein Auge auf die andern, welche vom Spiele aufgestanden waren, um die an Bord Steigenden zu betrachten. Er sah den Cornel; sein Blick verliess denselben sofort wieder, als ob er ihn gar nicht bemerkt habe; aber er brummte, indem er die heruntergerutschten Schäfte seiner hohen Wasserstiefel wieder über die mächtigen Oberschenkel heraufzog, leise vor sich hin: "Behold! Wenn das nicht der rote Brinkley ist, so will ich geräuchert und mit der Schale aufgefressen werden! Der Zweck, zu welchem er sich eine solche Schar von Boys zusammengetrommelt hat, ist sicherlich kein guter. Hoffentlich kennt er mich nicht."
Derjenige, den er meinte, hatte auch ihn gesehen und gestutzt. Er wendete sich in leisem Tone an seine Gefährten: "Seht euch einmal den schwarzen Kerl an! Kennt ihn einer von euch?"
Die Frage wurde verneint.
"Nun, ich muss ihn schon einmal gesehen haben, und zwar unter Umständen, welche für mich nicht erfreulich gewesen sind. Es steckt in mir so eine dunkle Erinnerung davon."
"Dann müsste er dich doch auch kennen," meinte einer. "Er hat uns angesehen, dich aber dabei gar nicht bemerkt."
"Hm! Vielleicht fällt es mir noch ein. Oder noch besser, ich frage ihn nach seinem Namen. Wenn ich den höre, werde ich gleich wissen, woran ich bin. Gesichter kann ich wohl vergessen, Namen aber nicht. Machen wir also einen Drink mit ihm!"
"Wenn er mitthut!"
"Das wäre eine schandbare Beleidigung, wie ihr alle wisst. Derjenige, dem ein Drink abgeschlagen wird, hat hier zu Lande das Recht, mit dem Messer oder der Pistole zu antworten, und wenn er den Beleidiger niedersticht, kräht kein Hahn darüber."
"Er sieht aber nicht so aus, als ob er zu etwas, was ihm nicht beliebt, zu zwingen sei."
"Pshaw! Wettest du mit?"
"Ja, wetten, wetten!" ertönte es im Kreise. "Der Verlierer zahlt drei Glas für jeden."
"Mir ist's recht," erklärte der Cornel.
"Mir auch," meinte der andre. "Aber es muss Gelegenheit zur Revanche sein. Drei Wetten und drei Drinks."
"Mit wem?"
"Nun, zunächst mit dem Schwarzen, den du zu kennen behauptest, ohne zu wissen, wer er ist. Sodann mit einem der Gentlemen, die noch da stehen und nach dem Ufer gaffen. Nehmen wir den grossen Kerl, der wie ein Riese unter Zwergen bei ihnen steht. Und endlich den roten Indsman, welcher nebst seinem Jungen mit an Bord gekommen ist. Oder fürchtest du dich vor ihm?"
Ein allgemeines Gelächter ertönte als Antwort auf diese Frage, und der Cornel meinte in verächtlichem Tone: "Ich mich vor dieser roten Fratze fürchten? Pshaw! Dann noch eher vor dem Riesen, auf den du mich hetzen willst. All devils, muss dieser Mensch stark sein! Aber gerade solche Giganten pflegen am wenigsten Mut zu haben, und er ist so fein und schmuck gekleidet, dass er sicher nur in Salons, nicht aber mit Leuten unsers Schlags umzugehen versteht. Also ich halte die Wette. Einen Drink von drei Gläsern mit jedem der drei. Und nun an das Werk!"
Er hatte die drei letzten Sätze so laut gerufen, dass sie von allen Passagieren gehört werden mussten. Jeder Amerikaner und jeder Westmann kennt die Bedeutung des Wortes Drink, besonders wenn dasselbe so laut und drohend ausgesprochen wird, wie es hier der Fall war. Darum richteten sich aller Augen auf den Cornel. Man sah, dass er, ebenso wie seine Gesellen, schon halb betrunken war, doch ging keiner fort, da jeder eine interessante Scene erwartete und gern erfahren und sehen wollte, wer die drei seien, denen der Trunk angeboten werden sollte.
Der Cornel liess die Gläser füllen, nahm das seinige in die Hand, ging auf den Schwarzbärtigen los, welcher sich noch in der Nähe befand, und nach einem bequemen Platz für sich suchte, und sagte: "Good day, Sir! Ich möchte Euch dieses Glas anbieten. Ich halte Euch natürlich für einen Gentleman, denn ich trinke nur mit wirklich noblen Leuten und hoffe, dass Ihr es auf mein Wohl leeren werdet!"
Der Vollbart des Angeredeten wurde breit und zog sich wieder zusammen, woraus zu schliessen war, dass ein vergnügtes Lächeln über sein Gesicht gehe.
"Well," antwortete er. "Ich bin nicht abgeneigt, Euch diesen Gefallen zu thun, möchte aber vorher wissen, wer mir diese überraschende Ehre erweist."
"Ganz richtig, Sir! Man muss wissen, mit wem man trinkt. Ich heisse Brinkley, Cornel Brinkley, wenn's Euch beliebt. Und Ihr?"
"Mein Name ist Grosser, Thomas Grosser, wenn Ihr nichts dagegen habt. Also auf Euer Wohl, Cornel!"
Er leerte das Glas, wobei die andern auch austranken und gab es dem Obersten zurück. Dieser fühlte sich als Sieger, betrachtete ihn in beinahe beleidigender Art und Weise vom Kopfe bis zu den Füssen herab und fragte: "Mir scheint, das ist ein deutscher Name. Ihr seid also ein verdammter Dutchman, he?"
"Nein, sondern ein German, Sir," antwortete der Deutsche in freundlichster Weise, ohne sich durch die Grobheit des andern aufregen zu lassen. "Euern verdammten Dutchman müsst Ihr an eine andre Adresse bringen. Bei mir verfängt er nicht. Also Dank für den Drink und damit hallo!"
Er wendete sich scharf auf dem Absatze um und ging rasch davon, indem er sich leise sagte: "Also wirklich dieser Brinkley! Und Cornel nennt er sich jetzt! Der Kerl hat nichts Gutes vor. Wer weiss, wie lange man sich mit ihm an Bord befindet. Ich werde die Augen offen halten."
Brinkley hatte zwar den ersten Teil der Wette gewonnen, blickte aber gar nicht sehr siegreich drein. Seine Miene war eine andre geworden; sie bewies, dass er sich ärgerte. Er hatte gehofft, dass Grosser sich weigern und dann durch Drohungen zum Trinken zwingen lassen werde; dieser aber war der Klügere gewesen, hatte erst getrunken und dann ganz offen gesagt, dass er zu klug sei, Veranlassung zu einem Krakehl zu geben. Das wurmte den Cornel. Dann näherte er sich, nachdem er sich das Glas hatte wieder füllen lassen, seinem zweiten Opfer, dem Indianer.
Mit Grosser waren nämlich zwei Indsmen mit an Bord gekommen, ein älterer und ein junger, welcher vielleicht fünfzehn Jahre zählen mochte. Die unverkennbare Ähnlichkeit ihrer Gesichtszüge liess vermuten, dass sie Vater und Sohn seien. Sie waren so gleich gekleidet und bewaffnet, dass der Sohn als das genaue, verjüngte Spiegelbild des Vaters erschien.
Ihre Anzüge bestanden aus ledernen, an den Seiten ausgefransten Leggins und gelb gefärbten Mokassins. Ein Jagdhemd oder Jagdrock war nicht zu sehen, da sie den Leib von den Schultern an in jene Art bunt schillernder Zunidecken, von denen das Stück oft über sechzig Dollar kostet, gehüllt hatten. Das schwarze Haar war schlicht nach hinten gekämmt und fiel dort bis auf den Rücken herab, was ihnen ein frauenhaftes Aussehen verlieh. Ihre Gesichter waren voll, rund und besassen einen äusserst gutmütigen Ausdruck, welcher dadurch erhöht wurde, dass sie ihre Wangen mit Zinnober hochrot gefärbt hatten. Die Flinten, welche sie in den Händen hielten, schienen zusammen keinen halben Dollar wert zu sein. Überhaupt sahen die beiden ganz und gar ungefährlich aus, und so seltsam dazu, dass sie, wie bereits erwähnt, das Gelächter der Trinker erregt hatten. Sie waren, als ob sie sich vor andern Menschen fürchteten, scheu auf die Seite gegangen und lehnten nun an einem aus starkem Holze gefertigten mannshohen, ebenso breiten und gleich langen Kasten. Dort schienen sie auf nichts zu achten, und selbst als der Cornel jetzt auf sie zukam, erhoben sie die Augen nicht eher, als bis er hart vor ihnen stand und sie anredete: "Heisses Wetter heut! Oder nicht, ihr roten Burschen? Da thut ein Trunk wohl. Hier, nimm, Alter, und schütte es auf die Zunge!"
Der Indianer rührte kein Glied und antwortete in gebrochenem Englisch: "Not to drink - nicht trinken."
"Was, du willst nicht?" brauste der Besitzer des roten Kehlbartes auf. "Es ist ein Drink, verstanden, ein Drink! Diesen zurückgewiesen zu sehen, ist für jeden veritablen Gentleman, wie ich einer bin, eine blutige Beleidigung, welche mit dem Messer vergolten wird. Doch, vorher muss ich wissen, wer du bist. Wie heissest du?"
"Nintropan-hauey," antwortete der Gefragte ruhig und bescheiden.
"Zu welchem Stamme gehörst du?"
"Tonkawa."
"Also zu den zahmen Roten, welche sich vor jeder Katze fürchten, verstanden, vor jeder Katze, und wenn es auch nur das kleinste Kätzchen wäre. Mit dir werde ich kein Federlesens machen. Also, willst du trinken?"
"Ich nicht trinken Feuerwasser."
Er sagte das trotz der Drohung, welche der Cornel ausgesprochen hatte, ebenso ruhig, wie vorher. Der letztere aber holte aus und gab ihm eine schallende Ohrfeige.
"Hier dein Lohn, du roter Feigling!" rief er aus. "Ich will mich nicht anders rächen, weil so eine Canaille zu tief unter mir steht."
Kaum war der Hieb erteilt, so fuhr die Hand des Indianerknaben unter die Zunidecke, jedenfalls nach einer Waffe und zugleich flog sein Blick zum Gesicht seines Vaters empor, was dieser jetzt thun und sagen werde.
Das Gesicht des Roten war ein so ganz andres geworden, dass man es jetzt fast nicht hätte wiedererkennen mögen. Seine Gestalt schien emporgewachsen zu sein, seine Augen leuchteten auf, und über seine Züge zuckte eine plötzlich lebendig gewordene Energie. Aber ebenso schnell senkten sich seine Wimpern wieder nieder; sein Körper fiel zusammen, und sein Gesicht nahm den vorherigen ergebenen Ausdruck an.
"Nun, was sagst du dazu?" fragte der Cornel höhnisch.
"Nintropan-hauey danken."
"Hat dir die Ohrfeige so sehr gefallen, dass du dich für sie bedankst? Nun, da hast du noch eine!"
Er holte abermals aus, schlug aber, da der Indianer den Kopf blitzschnell senkte, mit der Hand gegen den Kasten, an welchem die Indsmen lehnten, dass es einen lauten, hohlen Ton ergab. Da erscholl von innen erst ein kurzes, scharfes Knurren und Fauchen, welches schnell zu einem wilden, grässlichen Schrei anschwoll, dem ein solches donnerähnliches Brüllen folgte, dass man meinte, das Schiff erzittere unter diesen entsetzlichen Tönen.
Der Colonel sprang einige Schritte zurück, liess das Glas fallen und schrie mit erschrockener, heftig gellender Stimme: "Heavens! Was ist das? Welch eine Bestie steckt in diesem Kasten? Ist das erlaubt? Man kann vor Schreck den Tod oder wenigstens die Epilepsie davontragen!"
Der Schrecken hatte nicht nur ihn, sondern auch die andern Passagiere ergriffen. Die an Deck sich befindenden Männer hatten ebenso wie der Cornel laut aufgeschrieen. Nur vier von ihnen hatten mit keiner Wimper gezuckt, nämlich der Schwarzbärtige, welcher jetzt ganz vorn am Bug sass, der riesenhafte Herr, welchen der Cornel zum dritten Drink einladen wollte und die beiden Indianer. Diese vier Personen hatten ebensowenig wie die andern gewusst, dass sich ein wildes Tier an Bord und zwar dort in dem Kasten befinde, aber sie besassen eine so grosse und langgeübte Selbstbeherrschung, dass es ihnen nicht schwer wurde, ihre Überraschung zu verbergen.
Das Gebrüll war auch unter Deck in den Kajüten gehört worden. Es kamen mehrere Damen unter lautem Geschrei herauf und erkundigten sich nach der Gefahr, die ihnen drohe.
"Es ist nichts, Ladies und Mesch'schurs," antwortete ein sehr anständig gekleideter Herr, welcher soeben auch aus seiner Kabine getreten war. "Nur ein Pantherchen, ein kleines Pantherchen, weiter gar nichts! Ein allerliebster Felis panthera, nur ein schwarzer, nur ein schwarzer, Mesch'schurs!"
"Was? Ein schwarzer Panther!" heulte ein kleines, bebrilltes Männlein auf, dem man es ansah, dass er mehr in zoologischen Büchern als im praktischen Verkehr mit wilden Tieren bewandert sei. "Der schwarze Panther ist ja das allergefährlichste Viehzeug! Er ist grösser und länger als der Löwe und der Tiger! Er mordet aus reiner Blutgier und nicht nur aus Hunger. Wie alt ist er denn?"
"Nur drei Jahre, Sir, nicht älter."
"Nur? Das nennt Ihr ,nur'? Da ist er ja vollständig ausgewachsen! Mein Gott! Und so eine Bestie befindet sich hier an Bord! Wer kann das verantworten?"
"Ich, Sir, ich," antwortete der elegante Fremde, indem er sich gegen die Damen und Herren verneigte. "Erlaubt mir, mich vorzustellen, Myladies und Gentlemen! Ich bin der berühmte Menageriebesitzer Jonathan Boyler und befinde mich seit einiger Zeit mit meiner Truppe in Van Büren. Da dieser schwarze Panther in New Orleans für mich angekommen war, so begab ich mich mit meinem erfahrensten Tierbändiger dorthin, um ihn abzuholen. Der Kapitän dieses guten Schiffes erteilte mir gegen hohen Transport die Erlaubnis, den Panther hier zu verladen. Er machte dabei die Bedingung, dass die Passagiere möglichst nicht erfahren sollten, in welcher Gesellschaft sie sich befinden. Darum fütterte ich den Panther nur des Nachts und habe ihm, by god, stets ein ganzes Kalb gegeben, damit er sich so vollfressen solle, dass er den ganzen Tag verschläft und sich kaum bewegen kann. Freilich, wenn man mit Fäusten an den Kasten schlägt, so wacht er auf und lässt auch seine Stimme hören. Ich hoffe, dass die verehrten Damen und Herren nun von der Anwesenheit des Pantherchens, welche ja nicht die mindeste Störung bewirkt, keine Notiz mehr nehmen."
"Was?" antwortete der mit der Brille, indem seine Stimme fast überschnappte. "Keine Störung bewirkt? Keine Notiz mehr nehmen? Alle Teufel, ich muss wirklich sagen, dass eine solche Anforderung noch nie an mich gestellt worden ist! Ich soll dieses Schiff mit einem schwarzen Panther bewohnen? Ich will gehenkt sein, wenn ich das fertig bringe! Entweder muss er fort, oder ich gehe. Werft die Bestie ins Wasser! Oder schafft den Kasten an das Ufer!"
"Aber, Sir, es ist wirklich ganz und gar keine Gefahr vorhanden," versicherte der Menageriebesitzer. "Seht Euch nur den starken Kasten an, und - - "
"Ach was Kasten," unterbrach ihn das Männchen. "Diesen Kasten kann ich zersprengen, um wieviel leichter da erst der Panther!"
"Bitte, mich sagen zu lassen, dass sich in dem Kasten der eigentliche eiserne Käfig befindet, den selbst zehn Löwen oder Panther nicht zu zertrümmern vermöchten."
"Ist das wahr? Zeigt uns den Käfig! Ich muss mich überzeugen."
"Ja, den Käfig zeigen, den Käfig zeigen! Wir müssen wissen, woran wir sind," riefen zehn, zwanzig, dreissig und noch mehr Stimmen.
Der Menageriebesitzer war Yankee und ergriff also die Gelegenheit beim Schopfe, diesen allgemeinen Wunsch zu seinem Vorteile auszubeuten.
"Ganz gern, ganz gern!" antwortete er. "Aber, Myladies und Gentlemen, es ist doch leicht einzusehen, dass man den Käfig nicht betrachten kann, ohne auch den Panther zu erblicken. Dies jedoch darf ich ohne gewisse Gegenleistung nicht gestatten. Um den Reiz dieses seltenen Schauspiels zu erhöhen, werde ich eine Fütterung des Tieres anbefehlen. Wir arrangieren drei Plätze, den ersten zu einem Dollar, den zweiten zu einem halben und den dritten zu einem Vierteldollar. Da sich lauter Ladies und wirkliche Gentlemen hier befinden, so bin ich überzeugt, dass wir den zweiten und dritten Rang gleich von vornherein weglassen können. Oder ist jemand da, der nur einen halben oder gar nur einen Vierteldollar zahlen will?"
Es antwortete natürlich niemand.
"Nun also, nur erste Plätze. Bitte, Myladies und Mylords, einen Dollar die Person."
Er nahm seinen Hut ab und kassierte die Dollars ein, während sein Tierbändiger, den er herbeigerufen hatte, die zu der Schaustellung nötigen Vorbereitungen traf.
Die Passagiere waren meist Yankees, und als solche erklärten sie sich mit der jetzigen Wendung der Angelegenheit vollständig einverstanden. Waren vorher die meisten von ihnen empört darüber gewesen, dass der Kapitän seinen Steamer zur Beförderung eines so gefährlichen Raubtieres hergegeben hatte, so fühlten sie sich jetzt durch die Gelegenheit versöhnt, durch die Besichtigung des Panthers eine willkommene Abwechselung in das langweilige Schiffsleben gebracht zu sehen. Selbst der kleine Gelehrte hatte seine Angst überwunden und sah der Schaustellung mit grossem Interesse entgegen.
Der Cornel benutzte dieselbe, seinen Gefährten den Antrag zu stellen: "Hört, Boys, eine Wette habe ich gewonnen und die andre verloren, da der rote Halunke nicht getrunken hat. Das hebt sich auf. Die dritte machen wir nicht um drei Gläser Brandy, sondern um den Dollar Entree, den wir zahlen müssen. Seid ihr damit einverstanden?"
Natürlich nahmen die Genossen den Vorschlag an, denn der Riese sah nicht so aus, als ob er sich Angst einflössen lassen werde.
"Gut," meinte der Cornel, den der Genuss des vielen Branntweins siegesgewiss machte. "Passt auf, wie gern und schnell dieser Goliath mit mir trinken wird!"
Er liess sich das Glas füllen und näherte sich dann dem Erwähnten. Die Körperformen dieses Mannes waren allerdings riesige zu nennen. Er war noch höher und breiter gebaut als der Schwarzbärtige, welcher sich Grosser genannt hatte. Er war ganz gewiss kein Stubenmensch, denn sein Gesicht war von der Sonne braun gebrannt; seine männlich schönen Züge besassen einen kühnen Schnitt, und seine blauen Augen hatten jenen eigentümlichen, nicht zu beschreibenden Blick, durch welchen sich Menschen auszeichnen, welche auf grossen Flächen leben, wo der Horizont kein eng begrenzter ist, also Seeleute, Wüstenbewohner und Prairiemänner. Zu erwähnen wäre noch, dass sein Gesicht glatt rasiert war, dass er vielleicht vierzig Jahre alt sein konnte, und dass er einen eleganten Reiseanzug trug. Waffen sah man nicht an ihm. Er stand bei mehreren Herren, mit denen er sich lebhaft über den Panther unterhielt. Auch der Kapitän befand sich bei ihnen. Er war von der Kommandobrücke herabgekommen, um die Vorstellung mit dem Panther auch anzusehen.
Da kam der Cornel herbei, stellte sich breitspurig vor sein drittes vermeintliches Opfer hin und sagte: "Sir, ich biete Euch einen Drink an. Hoffentlich weigert Ihr Euch nicht, mir als einem veritablen Gentleman zu sagen, wer Ihr seid."
Der Angeredete warf ihm einen erstaunten Blick in das Gesicht und wendete sich wieder weg, um die durch den frechen Patron unterbrochene Unterhaltung fortzusetzen.
"Pooh!" rief dieser aus. "Seid Ihr taub, oder wollt Ihr mich absichtlich nicht hören? Dieses letztere möchte ich Euch nicht raten, da ich keinen Spass verstehe, wenn mir ein Drink abgeschlagen wird. Ich gebe Euch den guten Rat, Euch ein Beispiel an dem Indsman zu nehmen!"
Der Belästigte zuckte leicht die Achsel und fragte den Kapitän: "Ihr habt gehört, was dieser Bursche da zu mir sagt?"
"Yes, Sir, jedes Wort," nickte der Gefragte.
"Well, so seid Ihr Zeuge, dass ich ihn nicht hergerufen habe."
"Was?" brauste der Cornel auf. "Einen Burschen nennt Ihr mich? Und den Drink weist Ihr zurück? Soll es Euch wie dem Indianer ergehen, dem ich - - -"
Er kam nicht weiter, denn er hatte in diesem Augenblick eine so gewaltige Ohrfeige von dem Riesen erhalten, dass er niederstürzte, eine ganze Strecke auf dem Boden hinschoss und sich dann sogar noch überkugelte. Da lag er einen Augenblick wie erstarrt, raffte sich jedoch schnell auf, riss das Messer heraus, erhob es zum Stosse und sprang auf den Riesen ein.
Dieser hatte die beiden Hände in die Hosentaschen gesteckt und stand so gemütlich da, als ob ihm nicht die mindeste Gefahr drohe, als ob der Cornel gar nicht vorhanden sei. Dieser brüllte in wütendem Tone: "Hund, mir eine Ohrfeige? Das kostet Blut, und zwar das deinige!"
Mehrere der Männer und auch der Kapitän wollten dazwischen treten, aber der Riese wies sie mit einem energischen Kopfschütteln zurück, erhob, als der Cornel ihm bis auf zwei Schritte nahe gekommen war, das rechte Bein und empfing ihn mit einem solchen Fusstritte auf den Magen, dass der Betroffene abermals zu Boden flog und fortkollerte.
"Nun ist's aber gut, sonst - - -" rief der Goliath drohend.
Aber der Cornel sprang wieder auf, schob das Messer in den Gürtel und zog, vor Grimm brüllend, eine der Pistolen hervor, um sie auf den Gegner zu richten. Dieser aber nahm seine rechte Hand aus der Tasche, in welcher er einen Revolver stecken gehabt hatte.
"Fort mit der Pistole!" gebot er, indem er den Lauf seiner kleinen, aber guten Waffe auf die rechte Hand des Gegners hielt.
Ein - zwei - drei dünne aber scharfe Knalle - - der Cornel schrie auf und liess die Pistole fallen.
"So, Bursche!" sagte der Riese. "Du wirst nicht gleich wieder Ohrfeigen geben, wenn man es verschmäht, aus dem Glase zu trinken, an welchem du vorher dein grosses Maul abgewischt hast. Ich habe dir die Hand zerschmettert. Und wenn du nun noch wissen willst, wer ich bin, so - - -"
"Verdammt sei dein Name!" schäumte der Cornel, "Ich mag ihn nicht hören. Dich selbst aber will und muss ich haben. Drauf, auf ihn, Jungens; go on!"
Jetzt zeigte es sich, dass diese Kerls eine wirkliche Bande bildeten, in welcher alle für einen standen. Sie rissen ihre Messer aus den Gürteln und warfen sich auf den Riesen, welcher verloren zu sein schien, ehe der Kapitän seine Leute zu Hilfe rufen konnte. Der mutige Mann aber streckte einen Fuss vor, erhob die Arme und rief: "So kommt heran, wenn ihr es wagt, mit Old Firehand anzubinden!"
Der Klang dieses Namens war von augenblicklicher Wirkung. Der Cornel, welcher sein Messer mit der unverletzten Linken wieder ergriffen hatte, hielt den Schritt an und rief: "Old Firehand! Alle Teufel, wer hätte das gedacht! Warum habt Ihr das nicht vorher gesagt!"
"Ist's etwa nur der Name, der einen Gentleman vor euern Ungezogenheiten schützt? Macht euch von dannen, setzt euch ruhig in einen Winkel und kommt mir nicht wieder vor die Augen, sonst lösche ich euch alle aus!"
"Well, wir sprechen später weiter!"
Er drehte sich um und ging mit seiner blutenden Hand nach vorn. Die Seinen folgten ihm wie Hunde, welche Prügel bekommen haben. Dort setzten sie sich nieder, verbanden ihrem Anführer die Hand, sprachen leise und angelegentlich miteinander und warfen dabei Blicke nach dem berühmten Jäger, welche zwar keineswegs freundliche waren, aber doch bewiesen, welch einen gewaltigen Respekt sie vor ihm hatten.
Aber nicht allein auf sie hatte der weitbekannte Name gewirkt. Es gab unter den Passagieren wohl keinen, der nicht schon von diesem kühnen Manne, dessen ganzes Leben aus gefährlichen Thaten und Abenteuern zusammengesetzt war, gehört gehabt hätte. Man trat unwillkürlich ganz ehrerbietig von ihm zurück, und betrachtete nun viel eingehender die hohe Gestalt, deren doch so harmonische Dimensionen und Verhältnisse jedem schon vorher aufgefallen waren.
Der Kapitän reichte ihm die Hand und sagte im freundlichsten Tone, zu dem ein Yankee sich verstehen kann: "Aber, Sir, das hätte ich wissen sollen! Ich hätte Euch meine eigene Kajüte abgetreten. Bei Gott, es ist eine Ehre für den "Dogfish", dass Eure Füsse seine Planken betreten haben. Warum habt Ihr Euch anders genannt?"
"Ich habe Euch meinen wirklichen Namen gesagt. Old Firehand aber werde ich von den Westmännern genannt, weil das Feuer meiner Büchse, von meiner Hand geleitet, stets ein verderbenbringendes ist."
"Ich hörte, Ihr schiesst nie fehl?"
"Pshaw! Fehlschiessen eine Unmöglichkeit! Jeder gute Westmann kann das genau so wie ich. Aber Ihr seht, welchen Vorteil ein bekannter Kriegsname hat. Hätte sich der meinige nicht so weit herumgesprochen, so wäre es gewiss zum Kampfe gekommen."
"In welchem Ihr gegen diese Übermacht hättet unterliegen müssen!"
"Meint Ihr?" fragte Old Firehand, indem ein selbstbewusstes, doch gar nicht stolzes Lächeln über sein Gesicht flog. "So lange man nur mit Messern kommt, ist mir gar nicht bange. Ich hätte mich gewiss so lange gehalten, bis Eure Leute zur Hand gewesen wären."
An denen hätte es freilich nicht gefehlt. Aber was thue ich nun mit den Halunken? Ich bin Herr, Gebieter und Richter hier. Soll ich sie in Ketten legen und dann abliefern?"
"Nein."
"Oder soll ich sie ans Ufer setzen?"
"Auch nicht."
"Aber Strafe muss doch sein."
"Ich rate Euch, darauf zu verzichten. Ihr macht diese Tour mit Eurem Steamer doch wohl nicht zum letztenmal?"
"Fällt mir gar nicht ein! Ich denke, noch lange Jahre auf dem alten Arkansas auf und ab zu schwimmen."
"Nun, so hütet Euch, jetzt die Rache dieser Menschen zu erwecken! Es würde sicher zu Eurem Verderben sein. Sie sind im stande, sich irgendwo am Ufer festzusetzen und Euch einen Streich zu spielen, der Euch nicht nur das Schiff, sondern auch das Leben kosten kann."
"Das sollten sie wagen!"
"Sie wagen es gewiss. Übrigens würde das gar kein Wagnis für sie sein. Sie würden alles heimlich thun und es so einrichten, dass ihnen niemand etwas anhaben kann."
Jetzt sah Old Firehand den Schwarzbärtigen, welcher herbeigekommen und in der Nähe stehen geblieben war, den Blick in bescheidenem Verlangen auf den Jäger gerichtet. Dieser trat auf ihn zu und fragte: "Ihr wollt mit mir sprechen, Sir? Kann ich Euch einen Gefallen erweisen?"
"Einen sehr grossen," antwortete der Deutsche.
"So sagt, welchen!"
"Erlaubt mir, Euch einmal die Hand zu drücken, Sir! Das ist alles, um was ich Euch bitte. Dann will ich befriedigt gehen und Euch nicht weiter belästigen. Aber an diese Stunde werde ich mit Freuden denken all mein Lebelang."
Man sah seinem offenen Blick und hörte seinem Tone an, dass diese Worte wirklich aus dem Herzen kamen. Old Firehand streckte ihm die Rechte entgegen und fragte: "Wie weit wollt Ihr mit diesem Schiffe fahren?"
"Mit diesem Schiffe? Nur bis Fort Gibsen."
"Das ist doch weit genug!"
"O, dann will ich mit dem Boote noch weiter. Ich fürchte, dass Ihr, der berühmte Mann, der noch niemals unterlegen ist, mich für furchtsam haltet."
"Warum?"
"Weil ich vorhin den Drink dieses sogenannten Cornels angenommen habe."
"O nein. Ich kann Euch nur loben, dass Ihr so besonnen gewesen seid. Freilich, als er dann den Indsmann schlug, nahm ich mir vor, ihm eine scharfe Lehre zu erteilen, was ja auch geschehen ist."
"Hoffentlich lässt er sie sich zur Warnung dienen. Übrigens, wenn Ihr ihm die Finger steif geschossen habt, so ist's mit ihm als Westmann aus. Von dem Roten aber weiss ich nicht, was ich denken soll."
"Wieso?"
"Er hat sich als wirklicher Feigling betragen, und ist doch nicht im mindesten erschrocken, als das Brüllen des Panthers erscholl. Das kann ich mir gar nicht zusammenreimen."
"Nun, den Reim will ich Euch machen. Es fällt mir nicht schwer, ihn fertig zu bringen."
"So, kennt Ihr den Indianer?"
"Gesehen habe ich ihn noch nie, desto mehr aber von ihm gehört."
"Auch ich hörte den Namen, als er ihn aussprach. Es ist ein Wort, bei dem man die Zunge brechen kann. Es war mir unmöglich, es mir zu merken."
"Weil er sich seiner Muttersprache bediente, jedenfalls um den Cornel nicht merken zu lassen, mit wem er es zu thun hatte. Sein Name ist Nintropan-hauey, und sein Sohn heisst Nintropan-homosch; das bedeutet der grosse Bär und der kleine Bär."
"Ist's möglich? Von diesem Vater und diesem Sohne habe ich freilich schon oft gehört. Die Tonkawa sind entartet. Nur diese beiden Nintropan haben die Kriegslust ihrer Ahnen geerbt und treiben sich im Gebirge und in der Prairie umher."
"Ja, sie sind zwei tüchtige Kerls. Und nun werdet Ihr wohl nicht mehr denken, dass sie aus Feigheit dem Cornel nicht geantwortet haben, wie es sich eigentlich gehörte."
"Ein andrer Indsman hätte den Kerl sofort kalt gemacht!"
"Vielleicht. Aber habt Ihr nicht gesehen, dass der Sohn unter seine Decke nach dem Messer oder dem Tomahawk griff? Nur als er das regungslose Gesicht seines Vaters sah, verzichtete er darauf, die That augenblicklich zu rächen. Ich sage Euch, bei diesen Indsmen genügt ein kurzer Blick, wo es bei uns Weissen oft einer langen Rede bedarf. Seit dem Augenblicke, dass der Cornel den Indianer in das Gesicht schlug, ist sein Tod eine beschlossene Sache. Die beiden "Bären" werden nicht eher von seiner Fährte lassen, bis sie ihn ausgelöscht haben. Aber, Ihr nanntet ihm Euern Namen, den ich als einen deutschen erkannte. Wir sind also Landsleute."
"Wie, Sir, auch Ihr seid ein Deutscher?" fragte Grosser erstaunt.
"Allerdings. Mein eigentlicher Name ist Winter. Auch ich fahre noch eine gute Strecke mit diesem Schiffe, und da findet sich für uns beide jedenfalls Gelegenheit, uns wieder zu sprechen."
"Wenn Ihr Euch herablassen wollt, so soll es mir die denkbar grösste Ehre sein, Sir."
"Macht keine Komplimente. Ich bin nicht mehr, als Ihr seid, ein Westmann, weiter nichts."
"Ja, aber der General ist auch nicht mehr als der Rekrut, ein Soldat nämlich."
"Wollt Ihr Euch in Wahrheit mit einem Rekruten vergleichen? Dann dürftet Ihr Euch nur erst kurze Zeit im Westen befinden."
"Nun," meinte der Bärtige in bescheidenem Tone, "etwas länger bin ich doch schon da. Ich heisse Thomas Grosser. Den Familiennamen lässt man hier weg; aus dem Thomas macht man einen Tom, und weil ich einen so gewaltigen und schwarzen Bart trage, nennt man mich den schwarzen Tom."
"Wie? Was?" rief Old Firehand aus. "Ihr seid der schwarze Tom, der berühmte Rafter?"
"Tom heisse ich, Rafter bin ich, ob berühmt, das bezweifle ich."
"Ihr seid es, Ihr seid es, Sir. Ich versichere es Euch mit meinem Handschlage!"
"Nicht allzulaut, bitte, Sir!" warnte Tom. "Der Colonel dort soll meinen Namen nicht hören."
"Warum nicht?"
"Weil er mich an demselben wiederkennen würde."
"So habt Ihr schon mit ihm zu thun gehabt?"
"Ein wenig. Ich erzähle es Euch schon noch. Ihr kennt ihn nicht?"
"Ich sah ihn heut zum erstenmal."
"Nun, seht seinen Bart und sein rotes Haar und hört dazu, dass sein Name Brinkley ist."
"Was Ihr sagt! So ist er der rote Brinkley, der hundert Schandthaten begangen hat, ohne dass man ihm eine einzige beweisen kann?"
"Er ist's, Sir. Ich habe ihn erkannt."
"Dann werde ich ihm, wenn er länger an Bord bleibt, etwas schärfer auf die Finger sehen. Und Euch muss ich näher kennen lernen. Ihr seid der Mann, der für mich passt. Wenn Ihr Euch nicht bereits anderweit versprochen hättet, könnte ich Euch brauchen."
"Nun," meinte Tom, indem er nachdenklich zu Boden blickte, "die Ehre, bei Euch sein zu können, ist viel mehr wert, als alles andre. Ich bin zwar einen Bund mit andern Rafters eingegangen; sie haben mich sogar zu ihrem Anführer gemacht; aber wenn Ihr mir Zeit lassen könnt, sie zu benachrichtigen, so lässt sich das leicht lösen."
"Schön. Ihr müsst Euch einen Kajütenplatz nehmen, damit wir beisammen sind. Was Ihr draufzuzahlen habt, will ich gern ersetzen."
"Danke, Sir! Wir Rafters verdienen, wenn wir fleissig sind, auch viel Geld. Und gerade jetzt habe ich alle Taschen voll, denn ich komme von Vicksburg unten herauf, wo ich unsre Rechnungen präsentiert und in Kasse umgewandelt habe. Ich kann also den Kajütenplatz selbst bezahlen. Aber seht! Mir scheint, die Vorstellung soll jetzt beginnen."
Der Menageriebesitzer hatte aus Kisten und Paketen mehrere Sitzreihen hergestellt und lud nun in pomphaften Worten das Publikum ein, Platz zu nehmen. Dies geschah. Das Schiffspersonal durfte, soweit es nicht beschäftigt war, gratis zuschauen. Der Cornel kam mit seinen Leuten nicht herbei; er hatte die Lust dazu verloren.
Die beiden Indianer waren nicht gefragt worden, ob sie auch mit teilnehmen wollten. Zwei Indsmen bei Ladies und Gentlemen, welche pro Person einen Dollar bezahlt hatten, dass wollte der Besitzer des Tieres sich nicht vorwerfen lassen. Sie standen also von ferne und schienen weder dem Käfige noch der Zuschauergruppe die geringste Aufmerksamkeit zu schenken, während aber ihren scharfen, verstohlenen Blicken von allem, was geschah, nicht dass Geringste entging.
Nun sassen die Zuschauer vor dem noch geschlossenen Kasten. Die meisten von ihnen hatten keinen richtigen Begriff von einem schwarzen Panther. Die katzenartigen Raubtiere der neuen Welt sind bedeutend kleiner und ungefährlicher als diejenigen der alten Welt. Der Gaucho zum Beispiel fängt den Jaguar, welcher der amerikanische Tiger genannt wird, mit dem Lasso und schleift ihn hinter sich her. Das dürfte er beim bengalischen Königstiger nicht wagen. Und der amerikanische Löwe, der Puma, flieht vor dem Menschen, selbst wenn er vom Hunger gepeinigt wird. Man hat die Vorstellung, dass der Panther bedeutend kleiner sei als der Löwe und Tiger, und da die Zuschauer bei diesen beiden Bezeichnungen an den Puma und Jaguar dachten, so erwarteten die meisten von ihnen, ein kaum mehr als einen halben Meter hohes und dementsprechend langes und starkes Raubtier zu sehen. Wie fühlten sie sich daher betroffen, als jetzt die Vorderwand des Kastens entfernt wurde und sie den Panther erblickten.
Er hatte seit New Orleans im Dunkeln gelegen, der Kasten war nur des Nachts geöffnet worden. Jetzt erblickte er zum erstenmal wieder das Tageslicht, welches seine Augen blendete. Er schloss sie und blieb noch liegen, lang ausgestreckt, so lang wie der Kasten war. Dann blinzelte er leise, dabei bemerkte er die vor ihm sitzenden Menschen. Im Nu war er auf und stiess ein Brüllen aus, welches die Wirkung hatte, dass die Mehrzahl der Zuschauer aufsprangen, um zu retirieren.
Ja, es war ein ausgewachsenes prächtiges Exemplar, gewiss einen Meter hoch und ohne Schwanz zweimal so lang. Er fasste die Stäbe des eisernen Käfigs mit den Vordertatzen und schüttelte sie, dass der Kasten in Bewegung kam. Dabei zeigte er das fürchterliche Gebiss. Die dunkle Farbe erhöhte nur den Eindruck, den er machte.
"Ja, Myladies und Gentlemen," sagte der Menageriebesitzer in erklärendem Tone, "die schwarze Abart des Panthers ist wohl auf den Sundainseln daheim. Diese Tiere sind aber klein. Der echte schwarze Panther, welcher freilich sehr selten ist, wird in Nordafrika, an der Grenze der Sahara gefunden. Er ist ebenso stark und weit gefährlicher als der Löwe und kann ein ausgewachsenes Rind im Rachen forttragen. Was seine Zähne vermögen, werdet ihr gleich sehen, da die Fütterung beginnt."
Der Bändiger brachte die Hälfte eines Schafes herbei und legte sie vor dem Käfig nieder. Als der Panther das Fleisch erblickte, gebärdete er sich wie unsinnig. Er sprang auf und ab und fauchte und brüllte, dass die furchtsameren der Zuschauer sich noch weiter zurückzogen als bisher.
Ein an der Schiffsmaschine beschäftigter Neger hatte der Neugierde nicht widerstehen können und sich herbeigeschlichen. Der Kapitän sah ihn und befahl ihm, sofort an seine Arbeit zurückzukehren. Da der Schwarze nicht gleich gehorchte, ergriff der Kapitän ein nahe liegendes Tauende und versetzte ihm mit demselben einige Hiebe. Nun zog sich der Gezüchtigte schnell zurück, blieb aber an der in den Maschinenraum führenden Lucke stehen, zog dem Kapitän hinter dem Rücken desselben eine drohende Grimasse und schüttelte die Fäuste gegen ihn. Da die Zuschauer nur auf den Panther achteten, hatten sie das nicht bemerkt. Der Cornel aber sah es und sagte zu seinen Gefährten: "Dieser Nigger ist dem Kapitän nicht hold, wie es scheint. Vielleicht kann er uns von Nutzen sein. Wollen uns an ihn machen. Einige Dollar wirken bei einem Schwarzen Wunder."
Jetzt schob der Tierbändiger das Fleisch zwischen den Eisenstäben hindurch in den Käfig, musterte die Zuschauer mit prüfendem Blicke und sagte dann seinem Herrn einige leise Worte. Dieser schüttelte bedenklich den Kopf, der andre redete weiter auf ihn ein und schien seine Bedenken zu zerstreuen, denn der Besitzer nickte endlich und erklärte den vor dem Käfige Sitzenden und Stehenden: "Myladies und Mesch'schurs, ich sage euch, dass ihr ungeheures Glück habt. Ein gebändigter schwarzer Panther ist noch nie gesehen worden, wenigstens hier in den Staaten nicht. Während des dreiwöchentlichen Aufenthaltes in New Orleans nun hat mein Bändiger den Panther in die Schule genommen und erklärt jetzt, zum erstenmal öffentlich zu ihm in den Kasten gehen und sich neben ihm niedersetzen zu wollen, falls ihr ihm eine entsprechende Gratifikation zusagt."
Der Bändiger war ein starker, ausserordentlich muskulöser Mensch mit einem ungewöhnlich selbstbewussten Zuge im Gesicht. Er war jedenfalls vom Gelingen seines Vorhabens vollständig überzeugt, wie seine gegenwärtige zuversichtliche Miene bewies.
Der Panther hatte sich über seine Mahlzeit hergemacht, deren Knochen zwischen seinen Zähnen wie Pappe zermalmt wurden. Er schien nur auf seinen Frass zu achten, und so konnte wohl selbst der Laie der Ansicht sein, dass es keine grosse Gefahr auf sich habe, gerade jetzt den Käfig zu betreten.
Kein andrer als der vorhin am ängstlichsten war, nämlich der kleine, bebrillte Gelehrte, antwortete enthusiasmiert: "Das würde herrlich sein, Sir! Ein Bravourstück, für welches man schon etwas zahlen kann. Wieviel will der Mann denn haben?"
"Hundert Dollar?"
"Hm! Ist das nicht zu viel?"
"Nein, sondern viel zu wenig, Sir. Die Gefahr, in welche er sich begibt, ist nicht gering, da er des Tieres erst kaum halb sicher ist."
"So! Nun, ich bin nicht reich. Fünf Dollar aber steuere ich bei. Mesch'schurs, wer zahlt noch etwas?"
Es meldeten sich so viele, dass die Summe zusammenkommen musste. Man hatte nun einmal begonnen, und so sollte das Schauspiel auch völlig ausgekostet werden. Selbst der Kapitän wurde erregt und bot Wetten an.
"Sir," warnte ihn Old Firehand, "begeht keinen Fehler! Ich bitte Euch, das Wagnis nicht zuzugeben. Gerade weil der Mann des Tieres noch nicht sicher ist, habt Ihr die Verpflichtung, Einspruch zu erheben."
"Einspruch?" lachte der Kapitän. "Pshaw! Bin ich etwa der Vater oder die Mutter des Bändigers? Habe ich ihm Befehle zu erteilen? Hier in diesem gesegneten Lande hat jedermann das Recht, seine Haut zu Markte zu tragen, ganz wie es ihm beliebt. Wird er von dem Panther gefressen, nun, so ist das seine und des Panthers Sache, nicht aber die meinige. Also, Gentlemen, ich behaupte, dass der Mann nicht so heil wieder herauskommt, wie er hineingeht, und setze hundert Dollar. Wer geht darauf ein? Zehn Prozent der Gewinne soll der Bändiger noch extra erhalten."
Dieses Beispiel elektrisierte. Es wurden mehrere Wetten zu nicht unbedeutenden Beträgen abgeschlossen, und es stellte sich heraus, dass dieselben dem Bändiger, falls sein Wagnis gelingen sollte, gegen dreihundert Dollar einbringen mussten.
Es war nicht gesagt, ob der Tierbändiger dabei bewaffnet sein solle. Er holte seinen Totschläger, eine Peitsche, deren Knauf eine Explosionskugel enthielt. Griff das Tier ihn an, so bedurfte es nur eines kräftigen Hiebes seinerseits, den Panther augenblicklich zu töten.
"Ich traue selbst einem solchen Totschläger nicht," sagte Old Firehand zu dem schwarzen Tom. "Ein Feuerwerkskörper wäre praktischer, da das Tier durch denselben zurückgeschreckt würde, ohne doch getötet zu werden. Doch thue jeder nach seinem Wohlgefallen. Ich will's loben, aber erst dann, wenn es gelungen ist."
Jetzt hielt der Bändiger eine kurze Ansprache an das Publikum, und wendete sich dann gegen den Käfig. Er öffnete die schweren Riegel und schob darauf das schmale Gitter, welches die ungefähr fünf Fuss hohe Thür bildete, zur Seite. Um einzutreten, musste er sich bücken. Dabei bedurfte er beider Hände, um die Thür zu halten, und dann, wenn er sich im Käfige befand, wieder zu schliessen; deshalb hatte er den Totschläger zwischen die Zähne genommen und war also, wenn auch nur für diesen kurzen Augenblick, wehrlos. Zwar war er schon oft bei dem Tiere im Käfige gewesen, aber unter ganz andern Umständen. Da war dasselbe nicht tagelang im Dunkeln gewesen; es hatten sich nicht so viele Menschen in der Nähe befunden, und es hatte auch nicht das Stampfen der Maschine und das Rauschen und Brausen der Räder gegeben. Diese Umstände waren weder von dem Menageriebesitzer noch von dem Bändiger genug in Betracht gezogen worden, und nun zeigten sich die Folgen.
Als der Panther das Geräusch des Gitters hörte, drehte er sich um. Eben schob der Bändiger den gesenkten Kopf herein - eine geradezu gedankenschnelle Bewegung des Raubtieres, ein blitzähnliches Aufzucken, und es hatte den Kopf, aus dessen Mund der Totschläger fiel, im Rachen und zerkrachte ihn mit einem einzigen Bisse in Splitter und zu Brei.
Das Geschrei, welches sich in diesem Augenblicke vor dem Käfige erhob, spottete jeder Beschreibung. Alles sprang auf und rannte zeternd davon. Nur drei blieben, der Menageriebesitzer, Old Firehand und der schwarze Tom. Der erstere wollte die Thür des Käfigs zuschieben, aber dies war unmöglich, da die Leiche sich halb in demselben und halb ausserhalb befand. Dann wollte er den Toten bei den Beinen fassen und herausziehen.
"Um Gottes willen, das nicht." rief Old Firehand. "Der Panther käme hinterdrein. Schiebt den Körper vollends hinein, er ist nun doch tot. Dann geht die Thüre zu!"
Der Panther lag vor der kopflosen Leiche. Die Knochensplitter im blutig geifernden Rachen, hielt er die funkelnden Augen auf seinen Herrn gerichtet. Er schien die Absicht desselben zu erraten, denn er brüllte zornig auf und kroch auf der Leiche vor, dieselbe durch die Schwere seines Körpers festhaltend. Sein Kopf war nur noch wenige Zoll von der Thüröffnung entfernt.
"Fort, fort! Er kommt heraus!" rief Old Firehand. "Tom, Ihr Gewehr! Ihr Gewehr! Ein Revolver würde das Übel nur ärger machen!"
Der schwarze Tom sprang nach seiner Büchse.
Von dem Augenblicke, in welchem der Bändiger den Käfig betreten hatte, bis zum gegenwärtigen waren kaum zehn Sekunden vergangen. Niemand hatte noch Zeit gefunden, sich vollständig in Sicherheit zu bringen. Das ganze Deck bildete einen Wirrwarr von fliehenden und vor Angst schreienden Personen. Die Thüren nach den Kajüten und den Unterdecks waren verstopft. Man duckte sich hinter Fässern und Kisten nieder und sprang doch wieder auf, weil man sich da nicht vollständig sicher fühlte.
Der Kapitän war nach seiner Kommandobrücke gerannt und stieg dieselbe empor, drei und vier Stufen auf einmal nehmend. Old Firehand folgte ihm. Der Menageriebesitzer flüchtete sich nach der Hinterwand des Käfigs. Der schwarze Tom rannte nach seinem Gewehre. Unterwegs fiel ihm ein, dass er das Beil mit demselben zusammengebunden hatte und es also nicht augenblicklich gebrauchen könne. Er blieb also bei den beiden Indianern, an denen er vorübergewollt hatte, stehen und riss dem alten Bär die Flinte aus der Hand.
"Ich selbst schiessen," sagte dieser, seine Hand nach der Waffe ausstreckend.
"Lass mich!" herrschte der Bärtige ihm zu "Ich schiesse jedenfalls besser als du!"
Er drehte sich nach dem Käfig um. Der Panther hatte diesen soeben verlassen, hob den Kopf und brüllte. Der schwarze Tom legte an und drückte ab. Der Schuss krachte, aber die Kugel traf nicht. Hastig riss er nun auch dem jungen Indianer die Flinte aus der Hand und gab die Ladung derselben auf das Tier ab - mit demselben Misserfolge.
"Schlecht schiessen. Gewehr nicht kennen," sagte der alte Bär so ruhig, als ob er in seinem sicheren Wigwam beim Braten sitze.
Der Deutsche beachtete diese Worte nicht. Er warf die Flinte weg und eilte weiter nach vorn, wo die Gewehre der Leute des Cornel lagen. Diese Gentlemen hatten keine Lust gehabt, den Kampf mit dem Tiere aufzunehmen, sondern sich schleunigst versteckt.
Da ertönte in der Nähe der Kommandobrücke ein entsetzlicher Schrei. Eine Dame wollte sich auf dieselbe flüchten. Der Panther sah sie eben, als das erwähnte Brüllen beendet war. Er duckte sich nieder und sprang dann in langen, weiten Sätzen auf sie zu. Sie sah es und stiess jenen Schrei aus. Sie befand sich noch unten, während Old Firehand auf der fünften oder sechsten Stufe stand. Im Nu hatte er sie erfasst, schwang sie zu sich empor und hob sie mit starken Armen über sich hinauf, wo der Kapitän sie an sich nahm. Das war das Werk von zwei Augenblicken gewesen, und nun befand sich der Panther an der Brücke. Er setzte die beiden Vordertatzen auf eine der Stufen und zog schon den Körper zusammen, um sich empor und auf Old Firehand zu schnellen. Dieser versetzte ihm mit aller Gewalt einen Fusstritt auf die Nase und feuerte ihm dann die noch übrigen drei Kugeln seines Revolvers gegen den Kopf.
Diese Art der Abwehr war eigentlich eine lächerliche. Mit einem Fusstritte und einigen erbsengrossen Revolverkugeln schreckt man keinen schwarzen Panther zurück; aber Old Firehand besass eben kein wirksameres Verteidigungsmittel. Er war überzeugt, dass das Tier ihn nun packen werde; aber es geschah noch nicht, sondern der Panther drehte, in seiner an der Treppe aufgerichteten Stellung verharrend, den Kopf langsam zur Seite, als ob er sich auf etwas Besseres besinnen wolle. Hatten die aus solcher Nähe abgeschossenen Kugeln, die kaum linientief in seine harte Schädeldecke eingedrungen sein konnten, ihn in eine Art von Betäubung versetzt? Oder war der Tritt auf die empfindliche Nase ihm zu schmerzhaft gewesen, kurz und gut, er richtete die Augen nicht mehr auf Old Firehand, sondern nach dem Vorderdeck, wo jetzt ein etwa dreizehnjähriges Mädchen stand, unbeweglich, wie vom Schreck gelähmt, beide Arme nach der Kommandobrücke ausgestreckt. Es war die Tochter der Dame, welche Old Firehand soeben vor dem Panther gerettet hatte. Das Kind hatte, sich selbst auf der Flucht befindend, seine Mutter in Gefahr gesehen und und war vor Entsetzen darüber da, wo es noch stand, halten geblieben, in ein helles, weithin leuchtendes Gewand gekleidet, welches dem Panther in die Augen fiel. Er liess die Tatzen von der Treppe, wendete sich ab und schnellte sich, sechs bis acht Ellen lange Sätze machend, auf das Kind zu, welches das Entsetzliche kommen sah und sich weder zu bewegen, noch einen Laut auszustossen vermochte.
"Mein Kind, mein Kind!" jammerte die Mutter.
Alle, die es sahen, schrieen oder brüllten mit; aber keiner rührte die Hand oder den Fuss zur Rettung. Es war auch keine Zeit dazu. Keine? Und rührte sich wirklich kein Mensch? Doch einer, und zwar derjenige, dem man eine solche Umsicht, Kühnheit und Geistesgegenwart wohl am allerwenigsten zugetraut hätte, nämlich der junge Indianer.
Er hatte mit seinem Vater ungefähr zehn Schritte von dem Mädchen entfernt gestanden. Als er die Gefahr bemerkte, in welcher sich dasselbe befand, blitzten seine Augen auf. Er sah nach rechts und links, wie nach einem Rettungswege suchend; dann liess er die Zunidecke von den Schultern fallen und rief seinem Vater in der Sprache der Tonkawa zu: "Tiakaitat; schai schoyana - bleib stehen; ich werde schwimmen!"
Er sprang mit zwei Sätzen auf das Mädchen zu, ergriff es an dem Taillengürtel, schnellte mit ihr nach der Reiling (Schiffsgeländer) und schwang sich auf diese hinauf. Dort blieb er einen Augenblick stehen, um zurückzublicken. Der Panther war hinter ihm und setzte eben zum letzten Sprunge an. Kaum hatten die Pranken des Tieres den Boden verlassen, so flog der junge Indianer, sich eine seitwärtige Richtung gebend, um nicht neben dem Tiere in das Wasser zu kommen, von der Reiling in den Fluss hinab. Das Wasser schlug über ihm und seiner Last zusammen. Zugleich schoss der Panther, dessen Sprungkraft eine so grosse war, dass er sich nicht zu halten vermochte, über das Geländer hinaus und hinunter in den Strom.
"Stopp, stopp auf der Stelle!" kommandierte der Kapitän geistesgegenwärtig durch das Sprachrohr in den Maschinenraum hinab.
Der Ingenieur gab Gegendampf; der Steamer stoppte und blieb dann dadurch auf der Stelle halten, dass die Räder nur so viel Wasser griffen, als nötig war, die Rücktrift zu vermeiden.
Da die Gefahr für die Passagiere jetzt vorüber war, eilten alle aus den verschiedenen Verstecken hervor und an das Geländer. Die Mutter des Kindes war in Ohnmacht gefallen, der Vater desselben rief mit überlauter Stimme: "Tausend Dollar für die Rettung meiner Tochter, zweitausend, dreitausend, fünftausend, noch mehr, noch viel mehr!"
Niemand hörte auf ihn. Alle beugten sich über die Reiling, um in den Fluss hinabzusehen. Da lag der Panther, als vortrefflicher Schwimmer, mit ausgebreiteten Pranken auf dem Wasser und sah sich nach der Beute um - vergeblich. Der kühne Knabe war mit dem Mädchen nicht zu sehen.
"Sie sind ertrunken, in die Räder gekommen!" jammerte der Vater, indem er sich das Haar mit beiden Händen raufte.
Da aber ertönte vom andern Bord die schallende Stimme des alten Indianers herüber. "Nintropan-homosch klug gewesen. Unter Schiff wegschwimmen, damit Panther nicht sehen. Hier unten sein!"
Alles rannte nun nach Steuerbord, und der Kapitän befahl, Taue auszuwerfen. Ja wirklich, da unten, hart an der Schiffswand, schwamm langsam auf dem Rücken, um nicht abgetrieben zu werden, der "junge Bär" und hatte sich das bewusstlose Mädchen quer über den Leib gelegt. Taue waren schnell zur Hand; sie wurden hinabgelassen. Der Knabe befestigte eines derselben unter den Armen des Mädchens, und schwang, während dieses emporgezogen wurde, sich behend an einem zweiten an Bord.
Er wurde mit brausendem Jubel begrüsst, schritt aber stolz davon, ohne ein Wort zu sagen. Aber als er an dem Cornel, welcher auch mit zugesehen hatte, vorüber kam, blieb er vor ihm stehen und sagte so laut, dass jedermann es hörte: "Nun, fürchtet sich Tonkawa vor kleiner, räudiger Katze? Cornel ist ausgerissen mit all seinen zwanzig Helden; Tonkawa aber hat grosses Ungetüm auf sich gelenkt, um Mädchen und Passagiere zu retten. Cornel bald noch mehr von Tonkawa hören!"
Die Gerettete wurde nach der Kajüte getragen. Da streckte der Steuermann, welcher den besten Ausblick hatte, die Hand nach Backbord aus und rief: "Seht den Panther; seht das Floss!"
Jetzt sprangen alle wieder auf die angegebene Seite hinüber, wo sich ihnen ein neues und nicht weniger aufregendes Schauspiel bot. Man hatte nämlich, nur mit dem bisher Erzählten beschäftigt, ein kleines, aus Strauchwerk und Schilf gefertigtes Floss nicht bemerkt, auf welchem zwei Gestalten sassen, welche vom rechten Flussufer her den Steamer erreichen wollten. Sie arbeiteten mit aus Zweigen improvisierten Rudern. Die eine Person war ein Knabe, die andre schien ein ganz eigen- oder fremdartig gekleidetes Frauenzimmer zu sein. Man sah eine Kopfbedeckung, ähnlich einer alten Flatusenhaube, darunter ein volles, rotwangiges Gesicht mit kleinen Äuglein. Die übrige Gestalt steckte in einem weiten Sacke oder einem ähnlichen Dinge, dessen Schnitt und Fasson jetzt nicht zu bestimmen war, da die Person nicht stand, sondern sass. Der Schwarze Tom stand neben Old Firehand und fragte ihn: "Sir, kennt Ihr diese Frau?"
"Nein. Ist sie denn so berühmt, dass ich sie kennen müsste?"
"Allerdings. Sie ist natürlich gar keine Frau, sondern ein Mann, ein Prairiejäger und Fallensteller. Und da kommt der Panther. Da werdet Ihr sehen, was eine Frau, die ein Mann ist, zu leisten vermag."
Er beugte sich über die Reiling und rief hinab: "Holla, Tante Droll, aufgepasst. Der will Euch fressen."
Das Floss war ungefähr noch fünfzig Schritte von dem Steamer entfernt. Der Panther war, nach seiner Beute suchend, immer an der Seite des Schiffes hin und der geschwommen. Jetzt sah er das Floss und hielt auf dasselbe zu. Die auf demselben befindliche scheinbare Frau sah nach dem Deck empor, erkannte den, der sie angerufen hatte, und antwortete mit hoher Fistelstimme: "Good lack, Ihr seid es, Tom? Freue mich sehr, Euch zu sehen, wenn es nötig ist! Was ist das für ein Tier?"
"Ein schwarzer Panther, der von Bord gesprungen ist. Macht Euch davon. Schnell, schnell!"
"Oho! Tante Droll reisst vor niemand aus, auch nicht vor einem Panther, mag er schwarz, blau oder grün aussehen. Darf man das Vieh erschiessen?"
"Natürlich! Aber Ihr bringt es nicht fertig. Es gehörte in eine Menagerie und ist das gefährlichste Raubtier der Welt. Flieht auf die andre Seite des Schiffes."
Niemand als nur Tom kannte die närrische Gestalt, doch riefen alle ihr die Warnung zu, zu fliehen. Sie aber schien einen Spass daran zu finden, mit dem Panther Haschens zu spielen. Sie führte das zerbrechliche Ruder mit wahrer Meisterschaft und wusste dem Tiere mit erstaunlicher Geschicklichkeit auszuweichen. Dabei rief sie immer mit derselben Fistelstimme herauf: "Werde es schon fertig bringen, alter Tom. Wohin wird denn so eine Kreatur geschossen, wenn es nötig ist?"
"Ins Auge," antwortete Old Firehand.
"Well! So wollen wir diese Wasserratte mal herankommen lassen."