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Die Nordseeinsel Juist ist die längste und schmalste aller ostfriesischen Inseln und hat eine bewegte und wechselvolle Geschichte. Im Laufe von sieben Jahrhunderten wurden sieben Kirchen erbaut, von denen drei innerhalb weniger Jahrzehnte den wilden Fluten der Nordsee zum Opfer fielen. Doch alle Bauten verbindet ein altes Geheimnis, das bis in die Erbauungszeit der ersten Kirche im 14. Jahrhundert zurückreicht und im 21. Jahrhundert endlich gelüftet werden muss, damit die Geister der Vergangenheit endlich Ruhe finden.
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Seitenzahl: 122
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„Es gibt noch sehr viel mehr Dinge zwischen Himmel und Erde…“
ENDLICH URLAUB
EIN TRAUM?
JUISTER HISTORIE
EIN NÄCHTLICHER AUSFLUG
NORDERNEYER IMPRESSIONEN
EIN EREIGNISREICHER TAG
AUSFLUG NACH BREMEN
DIE SUCHE BEGINNT
DER ERSTE TAUSCH
DER ZWEITE TAUSCH
VORBEREITUNGEN
ENDSPURT
DER SCHLÜSSEL AUF DEM GRUND DES MEERES
NACHBEREITUNG
EINE UNERWARTETE ÜBERRASCHUNG
DIE LETZTEN FERIENTAGE
ABSCHIED
Im Jahr 1999 verbrachten mein Mann und ich zum ersten Mal gemeinsam die Sommerferien auf der Insel Juist, das war unsere Verlobungsreise, und ein Jahr später folgte dann die Hochzeitsreise dorthin.
Bereits bei unserem ersten Aufenthalt faszinierte mich die Historie dieser ostfriesischen Nordseeinsel, und dabei ganz besonders, die im wahrsten Sinne des Wortes „bewegte Kirchengeschichte“. Im Inselmuseum im Loog wird diese in einem Ausstellungsraum sehr anschaulich dokumentiert, besonders durch die Funde, die man in der Vergangenheit bei extremen Niedrigwasser am Juister Strand machen konnte.
Juist, die schmalste aller ostfriesischen Inseln im niedersächsischen Wattenmeer, eingerahmt von Borkum im Westen und Norderney im Osten, misst an ihrer schmalsten Stelle gerade einmal 500 Meter, kann dafür aber mit einer Gesamtlänge von rund 17 Km und einem besonders schönen Strand aufwarten. Erreichbar ist sie entweder mit dem Flugzeug oder mit der Fähre von Norden-Norddeich aus.
Und so hatten wir beide im Vorfeld beschlossen, nach langer Zeit unsere Ferien wieder einmal auf Juist zu verbringen, um Neues zu erleben und alte Erinnerungen aufzufrischen. Nach verschiedenen Unterkünften in den vorigen Urlauben entschieden wir uns diesmal für den Juister Hof, oben auf der Düne am Hauptbadestrand gelegen, in unmittelbarer Nachbarschaft des Kurhauses, mit direktem Blick vom Balkon auf Dünen und Nordsee.
Schon während der Überfahrt mit der Fähre kehrten alte Erinnerungen in mir zurück, die Geschichte der sechs Juister Inselkirchen, von denen im Laufe der Jahrhunderte drei bzw. vier von den Fluten der Nordsee verschlungen oder zerstört und stets an anderer Stelle wieder neu errichtet worden waren, war sofort wieder präsent.
Gleich nach unserer Ankunft, einem Mittwoch, mieteten wir uns, wie in den Jahren zuvor auch, Fahrräder, um mobil zu sein, innerhalb des Ortes, und vor allem auch, um problemlos Ausflüge zu den Inselenden im Osten und Westen unternehmen zu können.
Am nächsten Morgen trafen wir am Kurplatz unsere langjährige Freundin Ute, die wir beim ersten Aufenthalt auf Juist kennengelernt hatten, sie war gerade für einige Tage auf die Insel gekommen, um mit ihrer Freundin, der Oboistin Sandra, wie jedes Jahr, in der Inselkirche ein Konzert zu geben. Ute ist Kirchenmusikerin, und im Hauptberuf Lehrerin, immer sehr aktiv - und viel unterwegs. Sie befand sich gerade im Gespräch mit Undine, einer älteren Pastorenwitwe, die seit vielen Jahren im Loog wohnte. Sie war noch immer in der Kirchengemeinde aktiv, und lud uns gleich zu Tee und Gebäck bei sich zu Hause ein, worüber Rainer und Ute sich sehr freuten.
Der erste Ausflug mit dem Fahrrad führte uns dann am Nachmittag dieses Tages zum Hammersee, einem Süßwassersee inmitten der Insel, dessen Entstehung ebenfalls mit der wechselvollen Inselgeschichte zusammenhängt. Inzwischen verlandet er immer mehr, und gewiss wird er eines Tages komplett verschwunden sein.
Nach der Ankunft am Fahrradparkplatz hinter der Domäne Loog, nahmen wir den Weg über die Düne zum Strand, wo gerade Niedrigwasser herrschte. Wir zogen unsere Schuhe aus, gingen Barfuß über den Sandstrand bis nach vorn zum Spülsaum, und liefen dann am Wasser entlang, Richtung Westen. Nach einer nicht allzu langen Wanderung erreichten wir die Stelle, an der man etwas ganz besonderes beobachten kann, wenn sich das Wasser bei Ebbe zurückgezogen hat: Reste der alten Salzwiesen, die früher im Süden der Insel lagen, sich inzwischen aber, wegen der Veränderungen der Insellage, am Nordstrand befinden.
Ganz weit draußen im Norden, heute mitten in den Tiefen der Nordsee, liegen die versunkenen Reste der ersten Inselsiedlungen verborgen, ebenso wie die Fundamente der alten versunkenen Kirchen. Diese Tatsache hatte mich immer wieder fasziniert, sooft ich auf Strandwanderungen an dieser Stelle vorbeikam. Am Spülsaum und im Sand waren stets auch ganze oder fragmentäre alte Backsteine, Tonscherben und Holzreste zu entdecken, letzte Zeugen einer untergegangenen Epoche.
Auch an diesem Nachmittag konnten wir auf der Wanderung am Strand entlang das eine oder andere historische Utensil entdecken. Während wir gemütlich liefen, spürte ich plötzlich ich starken Wind von der Seeseite her, und ich schaute auf die heranrauschenden Wellen. Rainer ging einige Schritte vor mir, und schien nichts davon zu bemerken. Ich glaubte ganz deutlich, Glockengeläut zu hören und eine altertümlich gekleidete dunkle Gestalt draußen im Wasser zu erkennen, hielt es dann aber für akustische und optische Täuschungen, und setzte meinen Weg fort. Der Wind hatte ebenso plötzlich wieder nachgelassen, und dann sah ich vor mir auf dem Boden, nachdem sich gerade eine große Welle zurückgezogen hatte, einen wunderbaren alten Backstein im Sand, der an der Seite ein kleines Kreuzsymbol trug.
Neugierig grub ich ihn vollständig aus dem Sand aus, er war ziemlich schwer, aber ich beschloss sofort, ihn mitzunehmen, wickelte ihn in ein Tuch und verstaute ihn in meinem Rucksack. Von früheren Museumsbesuchen wusste ich, dass man an dieser Stelle immer wieder Artefakte aus der Vergangenheit entdecken konnte, die dann auch im Museum ausgestellt wurden. Vielleicht würde auch dieser Stein für das Museum interessant sein, das wollte ich dann entscheiden, wenn ich ihn im Hotel gesäubert und mir ganz in Ruhe angeschaut hatte.
Rainer, der inzwischen stehengeblieben war und sich zu mir umgedreht hatte, schüttelte den Kopf, nachdem er bemerkt hatte, dass ein großer Stein in meinen Rucksack verschwunden war. Aber er wusste ja auch um diesen historischen Ort und um die Sammlung des Inselmuseums, und er fand die Idee, den Stein dort abzugeben, sollte er etwas besonderes sein, sehr sinnvoll.
Ein Blick auf die Uhr erinnerte uns daran, dass die Zeit vorangeschritten war, und dass wir uns langsam auf den Rückweg begeben sollten, um nicht zu spät zum Abendessen zu kommen. Wir liefen nun etwas schneller als zuvor zum Dünenaufgang am Hammersee zurück, säuberten, unten angekommen, unsere Füße, zogen Socken und Schuhe an und liefen zum Fahrradabstellplatz. Dann fuhren wir ohne großen Gegenwind zurück, erreichten rechtzeitig den Juister Hof und brachten unsere Räder in den Fahrradschuppen des Hotels.
Im Zimmer angekommen, stellte ich den Rucksack neben einen der beiden Sessel am Fenster ab, um später den Stein herauszuholen und genauer zu begutachten. Wir machten uns frisch, zogen uns um und genossen dann das Abendessen im Hotelrestaurant. Danach drehten wir eine Runde über die Strandpromenade und beobachteten schließlich von unserem Balkon aus einen wunderbaren Sonnenuntergang.
Es war spät geworden, und so fielen wir müde und zufrieden ins Bett - und wir schliefen beide sofort ein. Den Stein konnte ich auch am nächsten Tag begutachten…
Irgendwann, mitten in der Nacht, wachte ich auf, weil ich ganz deutlich jemanden meinen Namen rufen hörte. Zunächst dachte ich, dass Rainer mich gerufen hätte, aber der schlief tief und fest im Bett neben mir. Ich wollte mich gerade wieder hinlegen, als ich den Ruf erneut hörte, deutlicher und lauter als zuvor. Vorsichtig schaute ich mich im Raum um, konnte aber nichts entdecken, bis mein Blick auf den Rucksack fiel, der noch immer neben dem Sessel am Fenster stand. Leise stand ich auf, ging zum Sessel und nahm den Rucksack in die Hand. In diesem Moment sah ich die schwarze Gestalt vor mir, die ich am Nachmittag am Wasser zu sehen geglaubt hatte.
Sei gegrüßt! Keine Sorge, wie ich weiß, bist du den Umgang mit Seelengeistern gewöhnt, und ich danke dir, dass du meinen Ruf gehört hast, und dass du gekommen bist! -Dann warst du am Nachmittag tatsächlich am Wasser sichtbar und keine Einbildung meinerseits? Oh nein, ich bin absolut real, denn ich habe die Gnade erhalten, dir sichtbar erscheinen zu dürfen, weil wir alle dringend deine Hilfe brauchen!
Ich setzte mich leise in den Sessel und schaute mir mein Gegenüber genauer an: Eine männliche Gestalt, mittleren Alters, gekleidet in eine schwarze Gelehrtengewandung, wie man sie im späten Mittelalter trug, unter dem Barett fielen blonde Locken auf die Schultern und strahlend blaue Augen blickten freundlich an. -Wer bedarf meiner Hilfe? Und weshalb darfst du mir hier auf Erden in deiner ehemaligen irdischen Gestalt erscheinen? Der Geist lächelte, irgendwie hatte ihn die Frage erheitert und aus einer ungewohnten Situation befreit. Ich bin ein Teil von dir, den du noch nicht kennengelernt hast, als du mit Christina auf Reisen warst!
In diesem Moment spürte ich Jonathanaels Präsenz an meinem linken Arm, mein Schutzengel war also auch hier im Urlaub ganz selbstverständlich an meiner Seite, und er signalisierte mir, dass alles seine Ordnung hatte. Dann spürte ich, dass mein Gegenüber mir Weiteres mitteilen wollte: Mein Name war Gregorius, und ich war als inkarnierter Mensch hier vor mehr als 600 Jahren auf der Insel als Priester tätig. Jetzt dürfte dir verständlich sein, weshalb dich die Geschichte vom ersten Augenblick an so fasziniert hat, denn sie ist auch ein Teil von dir. Aber bei deinem ersten Besuch hier auf der Insel, da warst du noch nicht so weit, wie du jetzt bist. Du hättest das alles weder verstehen noch glauben mögen! -Da hast du absolut Recht, nein, da lebte ich noch in einer anderen Welt, besaß andere Vorstellungen, und ich hätte dich wahrscheinlich deshalb auch gar nicht wahrnehmen können.
Gregorius nickte: Das ist richtig, ich war damals bereits immer da, wenn auch du dort am Strand warst, aber die Zeit war einfach noch nicht reif, weder für dich noch für mich! -Und worin genau besteht nun mein Auftrag? Noch immer hatte ich den Zusammenhang von Stein und Erscheinung nicht verstanden. Du wirst, solange ihr hier seid, die ganze Geschichte erfahren, ich werde dich mitnehmen in meine Zeit, damit du weißt, worum es geht, aber wir brauchen dich auch als inkarnierten Menschen, weil es Dinge zu tun gibt, die Geistern nicht möglich sind. Und dafür haben wir dir gestern Nachmittag den Stein am Strand zukommen lassen, nachdem er fast 400 Jahre in Sand und Wasser verborgen war!
Wieder spürte ich den bestätigenden Druck am linken Arm, und dann fragte ich Gregorius: -Und wie soll dies alles vor sich gehen? Rainer ist gewiss nicht in diese Geschichte eingeweiht, und ihm das alles zu erklären, könnte schwierig werden.
Darum brauchst du dich nicht zu sorgen, denn es ist uns auch gar nicht erlaubt, ihn einzuweihen. Aber er wird wichtige Unterstützung leisten, auf ganz unterschiedliche Weise, und es wird sich auch immer so ergeben, dass du einsatzbereit bist, ohne dass es auffällt. Natürlich wirst du auch die nötige Erholung bekommen, die du so dringend brauchst. Verlasse dich ganz auf uns! Es wird nun Zeit für mich, zurückzukehren, denn die Materialisierung ist sehr anstrengend. Aber jetzt weißt du alles, was du zunächst wissen musst. Und der Stein darf auf keinen Fall mehr diesen Raum hier verlassen! -Alles klar, dann hab Dank, und sei mit dem Segen des Ewigen und Allerhöchsten gesegnet!
Ich danke dir, mögest du ebenso gesegnet sein! Gregorius‘ Umrisse verschwanden vor meinen Augen, ich stellte den Rucksack vorsichtig an seinen Platz und ging leise zurück ins Bett. Ohne langes Warten schlief ich wieder ein, und wachte am Morgen gut erholt auf.
Rainer hatte sich bereits fertig gemacht, als er mich weckte, und tatsächlich hatte er vom nächtlichen Treiben in unserem Zimmer nichts mitbekommen, im Gegenteil, er erzählte mir fröhlich, dass er diese Nacht besonders gut geschlafen hätte. Das beruhigte mich, und ich wusste, dass ich mich auf die andere Seite absolut verlassen kann.
Den Stein deponierte ich sicherheitshalber im Kleiderschrank, und ich hoffte, dass er dort einen guten Platz hatte, bis ich ihn wieder brauchen würde.
Während des Frühstücks überlegten wir gemeinsam, wie wir den neuen Ferientag gestalten sollten, das Wetter war gut, der Himmel etwas bedeckt, und es herrschten sehr angenehme Temperaturen. Wir beschlossen, da es am Abend im Terrassensaal des Gemeindehauses den Bibelkreis gab, den Rainer unbedingt besuchen wollte, mit den Rädern zur Bill hinaus zu fahren, dort am Strand um das Inselende herum zu laufen und dann gegen Mittag in der dortigen Domäne den berühmten Rosinenstuten mit Leberwurst und Käse zu essen. Wir wollten auch nicht zu spät zurück sein, damit wir es pünktlich zum Abendessen schafften, und Rainer anschließend in Ruhe zum Bibelkreis gehen konnte.
Für mich war es eine fest beschlossene Sache, nicht dorthin mitzukommen, denn meine Erfahrungen der vorhergehenden Aufenthalte auf Juist ließen mich zu dem Schluss gelangen, dass ich die kostbare Zeit lieber mit einer anderen Beschäftigung verbringen wollte, als mir diese Veranstaltung noch einmal freiwillig anzutun.
Das hatte natürlich einen Grund: Bei unserem ersten Aufenthalt auf Juist, als ich noch eine junge Studentin der Theologie war, da fand ich es natürlich spannend, zu sehen und zu hören, wie die Kurpastoren oder die Inselpastorin diesen Abend gestalteten bzw. was man im Austausch mit den anderen Besuchern des Bibelkreises so alles erfahren konnte. An einem dieser Abende 1999 lernten wir auch Ute und ihren Vater kennen, später auch ihre Mutter und die Geschwister, die sich immer gerne auf Juist trafen.
Relativ schnell bemerkte ich aber, dass ich mich furchtbar darüber ärgerte, dass es keine ordentliche Arbeit am und mit dem Text gab, sondern eher eine lockere Unterhaltung darüber, was jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin denn beim Hören und Lesen des Predigttextes des kommenden Sonntags so empfinden würde. Wie man sich denken kann, war es ein wildes Spekulieren und Äußern von persönlichen Eindrücken, das stets von einer Besucherin noch dadurch überboten wurde, dass sie überall „den Heiligen Geist“ sah, und dies auch laut und deutlich zum Ausdruck brachte. Deshalb gab ich ihr auch schnell diesen Spitznamen, und ich amüsierte mich innerlich, wie sie auf ihrem fundamentalistischen Standpunkt beharrte, was aber mit der Länge des Abends immer unerträglicher wurde, zumindest für mich.
Im Jahr darauf brachte ich mein griechisches NT mitsamt Wörterbuch mit, um wenigstens etwas Wissenschaft in die wilden Spekulationen und Gefühle einfließen zu lassen, leider mit wenig Erfolg, da Undine mir an einem der Abende vor versammelter Mannschaft klar zu verstehen gab, dass dies ein Kreis gebildeter Laien und Nichttheologen sei - und ich mit meinem Ansatz hier quasi nichts verloren hätte. Meine Amtsschwester relativierte zwar Undines Aussage ein wenig, aber auch sie fand es nach eigenem Befinden immer wieder sehr inspirierend, was da so alles geäußert würde.
Eigentlich hätte ich sofort an diesem Abend meine Bibel ergreifen und postwendend den Raum verlassen müssen, aber damals traute ich mich das nicht. Ute, die mir gegenüber saß, schaute zu mir herüber und verdrehte die Augen, ich schloss meine Bibel und blieb bis zum Ende ruhig sitzen, sagte nichts mehr, und entschied mich, diesen erlauchten Kreis künftig nicht mehr zu besuchen.